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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.08.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-08-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060821028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906082102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906082102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-08
- Tag1906-08-21
- Monat1906-08
- Jahr1906
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Ztg.", der Kaiser sc: zurzeit nicht in der Lage, über die Frage der Entlassung Podbielskis eine definitive Ent scheidung zu fassen — folgendes telegraphiert: „Die Dinye, die sich um die Verabschiedung des preußi. schcn Landwirlschaftsministers abspielen, werden durch Liese neue offiziöse Auslassung nur insoweit geklärt, als der Oeffewtlichkeit mitgeteilt wird, daß das Schreiben deS Herrn v. Podbielski an den Reichskanzler nicht, wie jener im „Lokalanzeiger" behauptete, „gleich beim Beginn der Tippelskirch-Asfäre", sondern erst am 13. August versaßt wurde. Alles andere bleibt, obwohl man vielfach die Ent scheidung erwartet hatte, in der Schwebe. Wie es scheint, waren Kaiser und Kanzler in Uebereinstimmung mit dem Landwirtschastsminister der Meinung, daß dessen Bries an den Reichskanzler nicht als «in förmliches Ab schiedsgesuch aufzufassen sei, so daß auch die Bewilli- gung eines nicht vorliegenden Abschiedsgesuches naturge mäß nicht erfolgen konnte. Hätte ein solches Abschieds gesuch vorgelegen, so wäre es vermutlich bewilligt worden. Andererseits mag die Lage nicht so weit geklärt sein, daß die Entlassung des Ministers — nur von einer sol- chen, nicht von der Bewilligung des Abschiedsgesuches ist in der neuesten Auslassung die Rede — schon jetzt ausge sprochen werden konnte. Dazu müßte billigerweise der Ausgang der Untersuchung in der Angelegenheit Tippels- ?rrch abgewartet werden. Ist dies« Auslegung richtig, so würde Herr v. Podbielski fetzt vor die Entscheidung ge stellt sein, ob er «in Abschiedsgesuch «inreichen oder daS Ergebnis der Untersuchung und seine etwaige Entlassung abwarten soll." Damit dürft« die Situation in treffender Weise charak terisiert sein. Daß sie unter Umständen zu einer Entlas sung statt zu einer Genehmigung eines noch nicht ringe- reichten Abschiedsgesuches drängt, würde sich sichert»«) dann bewahrheiten, wenn folgende Mitteilung der „Dortm. Ztg." richtig ist. für die wir dem genannten Blatte die volle Ver. antwortung überlassen müssen: „Der springende Punkt in der Podbielski-Frage ist eine Aussage, die Major Fischer dem Untersuchungsrichter gegenüber gemacht hat. Danach hat Herr v. Tippelskirch den Major zur Annahme eines der verschiedenen Darlehen mit der Motivierung überredet, die betreffende Summe käme von Exzellenz v. Podbielski. Major Fischer gibt nun an, er habe eS für nötig gehalten, sich tür diese Hilfe beim Minister zu bedanken. Diesen Dank soll der Herr Land wirtschaftsminister — obwohl er in Wirklichkeit gar nicht der Darlehnsgeber war — in halb verlegener, halb jovialer Weise angenommen haben. Damit wäre denn Wohl ein Zusammenhang zwischen dem Fischerschen Darlehen und Exzellenz v. Podbielski konstruiert, und zu gleicher Zeit die Mitwisserschaft Podbielskis an den Tippelskirchschen Ungehörigkeiten nachgewiesen." Sind diese Angaben richtig, so würde daraus folgen, daß Herr v. Podbielski bereits seit Jahr und Tag um die seit- samen Geldgeschäfte Tippelskirchs mit Fischer gewußt hat und daß er ihnen nicht nur nicht entgeaengetreten ist, son dern sie sogar indirekt gefördert hat, indem er dem Major Fischer gegenüber die ihm von TippelMirch zugereilt c Rolle weiter spielte. Das wäre ein Verhanen, dessen Bekannt werden naturgemäß den Anstoß zur Entlassung des Land- wirtjchastsministers geben muß. Erklärungen Stolypins. Ein Spezialkorrespondent des Pariser „Temps" in Petersburg meldet Erklärungen des Ministerpräsidenten, die selbstverständlich äußerst optimistisch gehalten sind, aber Auf klärung über die momentane Lage und über die Absichten der russischen Regierung geben. Die revolutionäre Bewegung, so erklärte Stolypin, sei ausschließlich sozial und nicht politisch, soweit die, agrarische Frage in Betracht komme, und von dieser hänge di« ganze Bewegung ab. Die Bauern kümmerten sich wenig darum, Frei heiten zu verlangen. Die sofortige Lösung der agrari schen Frage >ei unmöglich, besonders die unvermittelte Be- seitigung des Gcmcindeeigentums. Man müsse einen Ueber- gang suchen und die Agrarkommissioncn arbeiteten in der Tat lokale Lösungen aus. Das Ministerium werde auf kei- nen Fall die Zwangsenteignung von Privat- oder Kloster gütern organisieren, da das ein Raub sei, den der, Kaiser nie zulassen werde. Der Mangel an Ländereien sei über- trieben worden. Zur Verteilung an die Bauern genügten die Domänen und die asiatischen Kolonisationsgebiete. Es würden noch andere Maßregeln zur Verbesserung der Lage der Bauern ergriffen werden. Di« Dumawahlen würben im Januar oder Februar, fünf bis sechs Wochen vor Er- öfinmng der Tagung, stattfinden. Der Kaiser sei fest ent schlossen, die Duma beizubehalten. Da die Semstwos der Regierung günstig seien, dürfe man hoffen, die künftige Duma werde eine Rechte haben und eine zutreffendere Ver- tretung des Landes bilden. „Die Lage ist schwierig: die Regierung, wider ihren Willen reaktionär, kämpft gegen die aktive Revolution. Die Presse hat seit dem Kriege einen ungeheuren Einfluß sich gesichert. Das russiiche Volk liest und glaubt, was cs geschrieben sieht, wie das Evangelium. Tie Franzosen, die Deutschen unb die anderen Völker haben kritischen Geist, die Russen nicht. Also muß ick, obgleich prinzipieller Anhänger der Preßfreiheit, Schu^m^vreaeln ergreifen. So mußten wir bei dem letzten allgemeinen Aus stande, um diesen schneller «inzuhalten, die Zeitungen unter, drücken, die ihn unterstützt baden würden. Denn Negieren ist Voraussehen. Mich kümmert's wenig, reaktionär oder liberal genannt zu werden. Praktisch handeln und Erfolg haben, bas interessiert mich allein. Unser Programm bleibt das gl«iche, was es mit der Hilfe der Liberalen gewesen wäre: Die Wahlen werden stattsinden, die Duma wird be stehen und vernünftige Reformen werden in dem Maße wre die Revolution es gestattet, durchgeführt werden. Ich suche nach einem liberalen Mittel, um gegen die Revolution anzu- kämpfen, finde aber nur die Gewalt. Gestern sind wieder 26 Personen in Warschau getötet worden. Es liegt uns am Herzen, möglichst schnell von den Ausnahmemaßregeln zu dem gesetzmäßigen Regime zurückzukehren und Nur bereiten dieses vor. Man wirft uns vor, das Datum der Wahlen zuweit hinausverlegt zu haben. Wir haben aber nur die strikt notwendige Zeit genommen, um die gesetzgeberische Arbeit vorzubereiten. Wir wollen der Duma fertige Vor lagen bringen, die nur aus der Gewissensfreiheit basieren. Wir werden sieben Vorlagen haben: lieber die religiösen Sekten, den Zivilstand, die Zivilheirat uiw., ferner über die Gleichheit der Rechte. Hier tritt die Judenfrage scharf her vor, die durch historische Vorurteile und ihre wirtschaftliche Bedeutung große Verlegenheiten bereitet. Ich bin keines wegs Antisemit, aber ich glaube, daß man den Juden, wenn man die Judenfrage mit einem einzigen Federzuge gemäß der absoluten Gerechtigkeit lösen wollte, einen sehr schlechten Dienst erwiese. Und auch die Juden müssen alle erst be fragt werden. Kurz, angesichts der drohenden Revolution schaffen wir Ordnung, aber wir sind keine Reaktionäre. Wir werden die möglichen und nötigen Reformen durchführen." Aus dem Jahre 1867. Ter „Münch. Allgem. Ztg." wird von einem „lang jährigen, hochgeschätzten Freunde" eine Mitteilung über eine bislang kaum bekannt gewordene Begegnung zwischen König Wilhelm I. und dem Kaiser Franz Josef im Jahre 1867 gemacht. Letzterer wollte im Oktober dieses Jahres nach Paris reisen, wahrscheinlich um die Verabredungen zu ver vollständigen, die im August in Salzburg zwischen dem Kauer Napoleon von Frankreich und dem Kaiser von Oester reich getroffen worden waren. Bismarck hatte im Frühjahr den ernstlichen Versuch gemacht, Oesterreich von Frank reich abzuziekcn. In seinem Auftrag erschien zu jener Zeit der bayerische Diplomat Graf Taufskirchcn in Wien, um durch das Angebot eines Bündnisses Oesterreich über die Absichten Preußens zu beruhigen. In Wien jedoch war man noch von Erbitterung über die Vorgänge des Vorjahres erfüllt und lehnte ab. Im August fand dann die An näherung Oesterreichs an Frankreich statt und nun sollte dieie durch die Reste Franz Josefs nach Paris besiegelt werden. Hier nun setzt das Ereignis ein, über das der Gewährs mann des Münchner Blattes wie folgt berichtet: „In der Nacht des 22. Oktober 1867 passierte Kaiser Franz Josef die Station Oos im Großherzogtum Baden und gab sich, da ein Aufenthalt nicht beabsichtigt war, erwünschter Ruhe hin, als entgegen den getroffenen Anordnungen der Se paratzug des Kaisers um 4 Uhr nachts zum Stehen gebracht wurde. Die Hosbeamlen und Ad jutanten waren erstaunt und drangen aus die Weiterfahrt: doch war ihnen die Störung alsbald erklärlich, als ihnen von berufener Seite gemeldet wurde, dieselbe fei von nie mand anderem verursacht als von — König Wilhelm von Preußen. Der König hielt sich damals in Baden- Baden auf und hegte den dringenden Wunsch, mit Kaiser Franz Jchcf zusammenzutreffen, bevor dieser den franzö sischen Boden betrat. Unversehens war er im tiefsten In kognito in Oos erschienen und Kaiser Franz Josef konnte nicht umhin, dem Wunsche des Königs zu willfahren, so daß, während der österreichische Separatzug Halt machte, eine einhändige Unterredung der beiden Herrscher stattfand. Was die beiden Herrscher in dieser denkwürdigen Stunde besprochen haben, laßt sich nur vermuten, da ein authen tischer Bericht darüber nicht vorliegt. Nur ein sehr lako nisches, von Baden aus am 22. Oktober an die Zeitungen übermitteltes Telegramm, das von einer kurzen lnur 10 Mi nuten) dauernden Zusammenkunft des Kaisers von Oester reich und des Königs von Preußen in Gegenwart des Groß herzogs von Baden berichtet, erwähnt die Tatsache. Offen bar war König Wilhelm bemüht, die tiefe Verstim mung des Kaisers von Oesterreich über die Ereignisse von 1866 zu beschwichtigen, ihn seiner vollsten Loyalität zu versichern und ihn davon abzu halten, sich mit Kaiser Napoleon so tief einzulassen, daß eine große europäische Verwicklung ent stehen könnte. Das ist, wie gesagt, nur eine Vermutung, für die sich aber aus Depeschen und Kundgebungen Bis marcks aus jener Zeit mancher Beleg erbringen laßt. Wie immer die Vorstellungen König Wilhelms gelautet und auf den Kaiser gewirkt haben — sicher ist, daß dann in Paris eigentliche politische Verhandlungen nicht stattgefunden haben. Schreiber dieser Zeilen verdankt die Kunde von diesem ungewöhnlichen Vorgang einem seit Jahren verstorbenen k. und k. Offizier, der damals dem militärischen Gefolge des Kaisers zugeteilt war und Augenzeuge gewesen ist, soweit sich alles außerhalb des Salonwagens zugetragen hatte. Nachdem ibm im Verlaufe einer lebhaften Diskussion die Mitteilung entwischt war, legte er mir Schweigen auf. Ge dacht habe ich aber oft des Geschehnisses, das meines Er messens beiden Herrschern Ehre macht, so auch als mir später die einschlägigen Werke von Sybel und Lorenz zu Ge sichte kamen, in denen ich nicht ein Wort über die Begegnung in Oos fand. Tas veranlaßte mich, in Karlsruhe bei einem dortigen, sehr gut unterrichteten Freunde Erkundigungen cinzüzieheu. Ta mir dieser die Tatsache bestätigte, glaub« ich sic auch an die Öffentlichkeit bringen zu sollen." üeukscves Keich. Leipzig, 21. August. * In der Kolonialaffärc wurde am Montag vor dem Untersuchungsrichter des Landgerichts in Hirichberq der Reichstagsabgeordnet« Dr. Ablaß vernommen. Es handelte sich zunächst um den Full Puttkamer. Ablaß wurde ersucht, feine Gewährsmänner zu nennen und über hie Art der Her kunft seines Materials Auskunft zu geben. Ablaß lehnte dies ab. Ter Vernehmung schloß sich eine weitere Verneh mung des Abgeordneten in der Sache gegen die Beamten des Kolonialamts S. Schneider und Genossen an. Hier stellte sich Ablaß aus den Standpunkt, daß er zunächst von dem Zeugnisverweigerungsrecht des Verteidigers eines der An geklagten Gebrauch mache, betonte aber außerdem, daß er auch hier das Material, das er als Rcichstagsabgeordneter erhalten habe, nicht preisgebe. Er lehnte deshalb die Her ausgabe seiner Vertoidiqungsakten sowie seiner Reichstags- 100. Jahrgang. aklen ab. Es wurde daraufhin Tr Ablaß die gerichtliche r>e>co'agnahme in Aussicht gestellt. k. e. Zur Döbelner Ersatzwahl. Aus dem sächsischen Wahlkreise Döbeln-Roßwein wird uns unterm 20. August geschrieben: Tie Parteiverhältnisse sind noch immer nicht geklärt. Ter Wahlausschuß für die Kandidatur Hasse halte bekannt gemacht, die mit dieser Kandidatur einverstandenen Vertrauensmänner der Freisinnigen Volkspartei hätten sich unterschristlich gegen eine freisinnige Sondcrkandidatur er klärt. Dies bczeich,..»c der Vorsitzende des freisinnigen Landesvereins, Lank'^gsabgeordneter Günther-Plauen, als unwahr. Er habe persönlich mit einer Anzahl Vertrauens, männer der Freisinnigen Volkspartei gesprochen, und dabei auch die Auffassung vorgefunden, daß eine Kandidatur Hasse nicht geeignet sei, der Sozialdemokratie den Wahlkreis ab zunehmen. Eine Kandidatur der Freisinnigen Volkspartei werde von allen wirklichen Vertrauensmännern unterstützt werden. Das freisinnige „Oschatzer Tagebl." fügt hinzu, daß die angeblichen für Hasse eingetrctenen Vertrauensmänner zwei in Döbeln ansässige, der Parteileitung gänzlich unbe kannte Herren seien. Und nun repliziert wieder der Wahl ausschuß der bürgerlichen Parteien: „Die Herren, die daS Protokoll unterschrieben, waren seither von der Leitung der Freisinnigen Volkspartei als Vertrauensmänner anerkannt und sind die einzigen, die uns im Wahlkreise als Vertreter ihrer Partei namhaft gemacht wurden." Auch Herr Gün ther habe ja diese Herren persönlich ausgesucht. — Baldige Klärung wäre sehr erwünscht. Sie erfolgt am besten da durch, daß die Unterzeichner deS Protokollen selbst mit ihren Namen hervortreten. * Das Fiasko des politischen Massenstreiks. Aeußerst interessante Ausschlüsse über das Fiasko des politischen Mai- senstreiks in Rußland bringt ein Petersburger Brief der „Leipziger Volkszeitung". Danach war es einzig und allein das Zentralkomitee der russischen Sozialdemokratie, daS den Generalstreik „zielbewußt" mit fieberhaftem Hochdruck be- trieb. Tie Vertreter der übrigen revolutionären Parteien waren dagegen und die Stimmung „weiter Proletarier massen" dem Streik abhold. Es kam zwar unter dem Einfluß des sozialdemokratischen Zentralkomitees am letzten Ende zu dem einstimmigen Beschluß einer Konferenz der revolutionären Parteien (Sozialrevolutionäre, polnische so zialdemokratische Partei, Gruppe der Arbeit, sozialdemo kratische Dumafraktion usw.j, den allrussischen politischen Massenstreik am 3. August zu proklamieren, aber es waren im Schoße der Konferenz selbst schwere Bedenken dagegen erhoben worden und der Erfolg war gleich Null. Nur ein geringer Bruchteil der Petersburger Arbeiterschaft folgte der Parole und daS „ganz Unerwartete" geschah: die Ar- beiter der kolossalen, der Regierung gehörenden Fabriken und die der größten sonstigen Etablissements, die bisher immer zusammen im Vordertresfen der Bewegung gestanden, wei gerten sich auf das entschiedenste, in den Streik einzutreten. Sie wollten die „Garantie des Erfolgs" haben, sie wollten die Gewißheit, daß auch die Eisenbahner sich anichlössen, daß der Streik wirklich allgemein sein werde. Die Arbeiter der Obuchow-Werke sagten: „Laßt erst die Pntilow-Werke an fangen", die Arbeiter dieser Werke: „Erst mögen jene feiern, wir folgen dann nach." Die Eisenbahner: „Wir sind zu schwach zum Streiken. Die Kanonen der Strafzüge werden uns sofort über den Hausen schießen." Also nirgends Mut, überall Zaghaftigkeit, Zurückbeben vor dem Aeußersten, bleiche Furcht vor den Mündungen der Gewehre: die Gene räle waren ohne Soldaten! Gleichwohl sieht das „Zentral komitee der Sozialdemokratie" heute noch „mit hoher Zuver sicht und kamvfesmutig" der Zukunft entgegen. „Die näch sten Kämpfe führen zum Sieg!" Das ist ein Optimismus, der sich nur durch das Dichterwort rechtfertigen läßt: „Und doch ist Hoffen besser immer als — Verzweifeln." * Arbeitskämpfe. In einer von mehr als 1000 Ber liner Rollkutschern und Speditionsarbei tern besuchten Versammlung warnten nicht nur di« Ver- l>andsvertreter, sondern auch die Streikenden selbst vor einem Generalstreik, weil von 300 Ausständigen nur noch 144 aus ständig seien. In einer zur Annahme gelangten Resolution wurde das Bedauern der Versammelten ausgesprochen, daß ihnen auf Grund der Situation keine geeigneten Mittel zur Verfügung ständen, um für ihre streikenden Kollegen den Sieg zu erzwingen. — Die Verhandlungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer des Berliner Glasergewerbes vor dem Einigung?amte des GewerbezerichtS über Arbeitszeit und Lohn haben nach zehnstündiger Dauer zu einer Einigung geführt. Neber den Tag der Wieder. Feuilleton. Zoll clie Schauspielkunst allein clem llergnügen cllenen? Lier Zweifelt cksrsn? Zollen e8 ckoch alle Künste; aber freilich einem solchen, woran Phantasie, llerstsnci, Leist, tzerr ihren Nnteil haben. 3. 3. Motu. SeSsnken ltdcc Veden uns Nunll. Der schein regiert clie Welt, uncl clie Lerechtigtzeit ist nur auf cker Sühne. ver g, g. Christen sollen Komückien nicht gsnr unck gar fliehen cksruni, cksh bisweilen grobe Zoten unck öuhlerei cksr- innen seien, cka man ckoch um ckerselben willen auch ckle bibel nicht ckürste lesen. Uuwer. Zeit man nicht mehr in ckie Kirche geht, ist ckss Chester cker einrige öffentliche Lotterckienst, wie ckie lüterstur unsere einrige privstsnckscht ist. SsU,p,frec. fragonard. (Gestorben den 22. August 1806.) Es gibt Künstler, in denen alle aeheimen Wünsche der Zeit, alle Sehnsuch: und Ideal« Gestalt gewonnen haben; di« wie «in seliger Abglanz alles Höchsten, was ihre Epoche gewollt, über ihrer Gegenwart schweben und ein verklärtes Abbild von ihr bieten Das sind di« großen Geister, die aller Erdennäbe entrückt in den Sphären der reinen Form und vollendeten Schönheit leben. Doch neben ihnen gibt et auch Künstler, in denen klar und deutkch die echten Linien ihrer Zeit ausgeprägt sind, die einen unverfälschten Spiegel ihrer Kultur, einen getreuen Abriß ihrer eigenen Welt chronik geben und als echte Kinder der Gegenwart die Stimmung und Len Hauch des sie umwogenden Lebens aus- gesangen haben. Wohl sind sic beschwert von der Last des Vergänglichen, schwingen sich nicht inst so leichtem Fluge in ewig« Regionen: in ihren Werken fesselt und reizt zunächst der fremde Geist und die geschichtliche Bedeutung: doch wenn sie nur echte Künstler sind, dann läutert auch bei ihnen die im still«n waltende Schönheit allen flüchtigen Glanz der enteilenden Stunde zur Kunst, die die Jahrhunderte über dauert. Watteau hat den Geist des Rokoko durch das milde Leuchten einer weltabgewandten Seele verklärt und über das Irdische gehoben. Seine zarte Innigkeit macht aus dieser verderbten nnd ruchlosen Zeit eine licht: Götterwelt ätherischer Gestalten. Fragonard aber hat die Kon turen dieser üppigen und perversen Welt, in der eine aufs äußerste verfeinerte, absterbendc Kultur ihre letzten wilden Bacchanalien feierte, rein ausgeprägt. Jene Verbindung derber Erdenlust, sinnlichen Genießens mit eleganter Hai- tung und geistreichem Zynismus, die die Zeit charakterisiert, war in seiner starken und graziösen Natur so voll und groß ausgeprägt, daß er sic wieder in vollendeter Form in seine Bilder ausströmen lassen konnte. So ist er der Schilderer der Rokokozeit geworden, während Watteau der Deuter ihrer Träume, der Dichter aller stillen Re gungen in dieser schwelgerisch schwülen Epoche war. Rokoko! Eine Szenerie aus den Zoubergärten der Armida taucht vor uns auf! Erne süße und zärtliche Musik bebt in den schweren Baummassen. Die Geizen Gluckscher Menuette kosen um die nackten Leiber der marmornen Pulten und Nymphen. Die Wege sind von innig aneinandergeschmiegten Paaren erfüllt, die ganz in Liebe und Seligkeit versenkt sind. Nur Liebe, nichts als Liebe atmet in Liesen stillen Hainen, auf diesen kytherischen Inseln. Der SchilLerer des Rokoko, der mußte der Ovid seiner Zeit, der sinnlich heitere Erzähler schlüpfriger Geschichten werden, der echte Sohn gallischer Laune, französischen WitzeS, dessen Werk in einer Apotheuse höchster Lust gipfelt, Fraaonard. der „Cherubim der eroti schen Malerei , wie chn di« Goncourts aenanvt haben. Jean°Honor<- Fragonard ist am 5. April 1732 zu Grasse in der Provence geboren worden. Die südliche Helle, die wary'.c Fruchtbarkeit dieses gesegneten Landes umtlang die Melodie seiner frohen Kinderjayre. Die freie Sinnlichkeit der Naturwcsen, die in ungenierter Nacktheit sich von der Sonne bräunen lassen, strömte ihm hier in Leib und Seele. Diese göttliche Frische heidnischen Fühlens erfüllte sein ganzes Werk, sic hat ihn gnädig vor dem lüsternen Geiste schwächlichen Raffinements bewahrt, dem so viele Künstler jener sittenlosen Zeit verfielen und der sie zu gewöhnlichen Pornographen erniedrigte. Mit fünfzehn Jahren kommt er nach Paris. Ter Glanz großstädtischen Lebens steigt in ihm auf, und der Bauernjunge der Provence, wird zum Pariser Gamin, der lustiger Streiche voll ist. Tie beiden Urelemente seines Wesens, sinnliche Wärme nnd geistreicher Witz, for men sein Künstlertempcrament und zwingen ihm Pinsel und Feder in die Hand. Er geht zu Chardin in die Lehre und erwirbt sich bei dem großen Maler der toten Natur, der sich nicht weiter um ihn bekümmert, ganz von selbst die tech nischen Fertigkeiten. Sein eigentlicher Lehrmeister ist Francois Voucher, der Schöpfer blühender heiterer Deko rationen, der fabelhafte Techniker und Virtuose. Fragonard ist zunächst, wie cs nicht anders zu erwarten war, der sklavische Nachahmer dieses ersten Malers seiner Zeit. Sein höchstes Streben ist es, daß seine Bilder als Werke Bouchers verkauft werden, und er lernt von ihm, die schlanken Glieder zarter Mädckienleiber hinzuschmiegen, die kalten und ge schmackvollen Harmonien der Palette in einen seidigen Glanz zu hüllen und mit einer prachtvollen Verve Formen unv Farben zusammcnzusasscn. Worin er ihn später über troffen hat, worin er sich über die Kunst Bouchers erhebt, das ist die seelische Leichtigkeit seiner Phantasie, die stärkere Leidenschaft seiner Sinnlichkeit, die unübcrtroncnc Grazie, die von seinen unendlich tiefer gefühlten Skizzen ausgcht. Zunächst freilich nimmt ibn der mächtige Boucher ganz unter seine Obhut und läßt ihn, obwohl er die Akademie nicht be sucht bat, ein Bild für den Romprcis malen, aus dem das „Opfer Jerobeams" mit leuchtenden Farben und einem malerischen kühnen Schwünge daraestell« ist. Er bekommt den Preis und geht nach Italien. Während er hier von den Meisterwerken der Malerei niedergedrückt wird und an seinen akademischen Ausgaben verzweifelt, entdeckt er aus Streifereien durch die Landschaft, die ihm die Wunder der Heimat wieder erwachen läßt, sich selbst und seine eigene Kunst. Aus dem Naäiahmcr Bouchers wird der Schöpfer einer neuen Liebeswclt. In herrlichen Skizzen, die den Charme seiner zeichnerischen Linie zum erstenmal in voller, musikalischer Anmut enthüllen, bevölkert er die träumende Rninenstille um die Villa d'Este mit Satyr und Putten. Die große Vergangenheit, deren schwermütiger Hauch in den ersten Denkmalen aus der Natur lastet, verschwindet vor dem jubelnden Glücksempsinden dieses heitern Menschen, der sich selber hier findet. Bvckssüßige Gesellen tragen aus zottigen Rücken liebliche Nymphen dnrch Rosenhecken. Kinder spielen im Gras, und neckische Faune Hüpfen um die schlafende Göttin des Baumes. Der Einfluß Tiepolos auf die in dieser Zeit entstandenen Radierungen ist unverkennbar. In der pikanten Vcrteiluna der Massen, in die die weich gelagerten Figuren eingebettet sind, lebte aber schon die zärtliche Laune „Fragos", wie nun die Pariser Gesellschaft ihren Liebling bald nur noch nennt.^Die Einwirkung später Barockmalcr. eines Baroccio und Solimena, vor allem aber Las bleiche Gelb und kalte Blau Ticpolos, finden sich auf dem großen Bilde, mit dem der Maler seine Ausnahme in die Akademie erreicht. Ein warmes Leuchten liegt über den theatralischen Figuren, aus denen nur der reizende wrte Körper der Calijoä, für die sich der Oberprieftcr Cvresus opfert, in lebendiger Grazie hervorragt. Nach diesem Zchulstück bat sich Frago von den großen historischen „Maschinen" für immer abgcwandt. Lein Studienscid werden nun die ele ganten Boudoirs und die Garderoben der Großen Oper, sein Thema die Körper der lieblichen Choristinnen und Arbeiterinnen, alle die Szenen leichter Grazie und gewagter Spiele. Ein Herr bestellt bei ihm das Bild seiner Dame, die auf einer Schaukel durch die Lüste fliegt; und Fraga schafft eine luftige leichte Umrahmung mattzrüner Laub- massen, zwischen denen die holde Schäferin von Blumen um sprossen, wie ein bunter entzückender Vogel schwebt, wäh rend die weißen Federn des breiten Hutes lustig nicken, die rosigen Nnterröckc rauschen und das zierliche Pantöffelchen in die goldig klare Herbstlust flattert. In solchen heiteren „Badinerien" und Teufeleien wird Frago nun Meister. Wohl gehen die Anzüglichkeiten ins Frivole über, seine Spaße, Li« daS Publikum verlangte, »erben allzu deutlich.
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