Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.08.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-08-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060829025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906082902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906082902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-08
- Tag1906-08-29
- Monat1906-08
- Jahr1906
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezuaS-VreiS ia der Hauptexpedütoa oder deren An-gabe- stelleu -bqeholl: vierteljährlich 2.40, bet täglich zweimaliger Zustellung int Hau vierteljährlich ^l 3.—. Durch uniere auS- wärtigen Ausgabestellen und durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Diese Nummer kostet aus 4 4k allen Bahnhöfen und bei III kV»! den Zeitungt-Berkäusern I Redaktion und Expedition: JohanniSgasse 8. Telephon Nr. 153, Nr. 222, Nr. 1173. Berliner RedatttonS-Bureau: Berlin KW. 7, Dorotheenstraße 83. Telephon I, Nr. 927b. Abend-Ausgabe. Handelözeitung. ÄinlsAatt des Nates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die S gespaltene Petitzeile für Leipzig und Umgebung 2b Pf., Familien-, WodnungS- u. Stellra-Anzeigen, sowie An- u. Berkäuse SO Pf. (Händler und Vermittler 2ü Pf.), für auswärts 30 Pfg. Finanzielle Anzeigen u. Geschäftsanzeigrn an bevorzugter Stelle nach besonderem Darif. Reklamen 7S Pf., auswärts 1 Mk. Für da- Erscheinen an bestimmten Tagen u. Pläpeu wird keine Garantie üternommen. Anzeigen und Extrabeilagen nur in der Morgen-Ausgabe Schluß der Annahme nachmittags 4 Uhr. Anzeigen-Annahme: AugllftuSplay 8, Ecke JohanuiSgass«. Haupt-Filiale Berlin: EarlDunckr r,Herzgl.Baqr.Hofbuchhand!g., Lüyowslraße 10 (Telephon VI, Nr. 4603). Filial-Expeditiou:LreSden,Marienstr.34. Nr. 438 Mittwoch 29. August 1906. lütt. Jahrgang. Var Wichtigste vom rage. * Ter Ausstand der Transportarbeiter in Nürnberg ist dadurch beendet worden, daß dir Speditionsfirmen den kürzlich in München a n- genommcnen Tarif bewilligt haben. * Die ausständigen Bergarbeiter von San tander drangen in die Stadt ein und ver übten Ausschreitungen. Bei einem Zusammen stöße mit der Polizei, bei welchem die Aus- ständigen R e v o l v e r s ch ü s s e auf die Polizisten ab gaben, wurde einAusständiger getötet, zwei Ausständige und einPolizist verwundet. Die Bevölkerung ist in großer Aufregung. Es treffen Verstärkungen ein. * Wie Len Blättern aus Madrid gemeldet wird, wurde der Direktor des Gefängnisses in Ceuta von einem Gefangenen, der Anarchist sein soll, Lurch zehn Messerstich« ermordet. Dem Anschein nach handle eS sich um ein Komplott anarchistischer Gefangener. * Im Meßpalast „Reichshof", Grimmaischr Straße, brach heute vormittag ein Feuer aus, durch das die dritte Etage, in der vornehmlich Zellu - loidwaren ausgestellt waren, ausbvannte. (S. Lpza. Ang.) politische cagerrcba«. Leipzig, 2v. Augul. D»S GeschtkfSlebeu i» Güdwest und seine Aussichten. WL AuS Gwakopumnd, 1. August, schreibt uns unser Mitarbeiter: Wir «ehe« nicht gerade heiteren Tage» «ntg«g-n Die Geichäste liegen im allgemeinen darnieder, «in merkbarer Stillstand ist ia jedem Beruf« zu spüren, wo man hinblickt — von Käufern leere Räume; einige und namentlich gerade die besseren Lokale haben abends kaum ein Dutzend Gäste aufzuweisen und kommen nicht auf die Unkosten. Flüssiges Geld ist wenig vorhanden, Kredit bis zum Aeußersten er schöpft, allgemeines Klagen! Woher das kommt? Zunächst von der Uever-Konkurrenz! Als der Aufstand noch in seiner Blüte stand, etwa Anfang 1900, zogen Schwärme von Han- delsleuten ins Land, denen die riesige Truppenwelle, die der Aufstand in die Kolonie warf, lohnenden Absatz versprach und -- gewährte. Man kalkulierte: der Aufstand wird noch jahrelang dauern, also jahrelang Truppennachschübe erfor- Lern und damit auf Jahre hinaus ein Heer von Käufern garantieren. Der erste Teil des Kalküls ist eingetrosfen: noch immer — trotz Morengas Abgang vom Arcegstheater — dauert die Kriegssurie, aber in Gegenden, die dem dem Troß folgenden Händler doch etwas zu unsicher als Opera nonsbasis dünken, und deren kolossale Entfernung von jedem Ort« bescheidenster Zivilisation durch die unheimlich hohen Transportkosten seine Waren derart verteuern, daß selbst die an enorme Preise gewohnten Soldaten den Geldbeutel enger schnüren. Wenn man in Keetmanshoop noch vor einigen Monaten sür eine Flasch« Kognak, die hier etwa 6—7 kostet, den fünffachen Preis erlegen mußte, so wird man das begreiflich finden, ebenso wenn man hört, daß enraqierte Biertrinker für eine Flasche Bier, die hier 80 Pfg. kostet, b «4k opfern mußten. Ashnliche hohe Preise muß man für die täglichen Lebensmittel zahlen, z. B. Zucker, Kaffee, Brot, Tabak usw., und manchmal ist selbst für den höchsten Preis nichts zu haben. Die Händler und Kaufleute, welche in der '-"'M——Ä— Hochsaison genügende Waren auf den Markt werfen kann- ten. haben alle ihr Lämmchen geschoren und viele davon ver» zehren den güldenen Lohn ihrer klugen Handelspolitik als Rentiers in der Heimat. Sie merkten schlau den Kulmi nationspunkt der „guten Geschäftszeit", verkauften oder ver pachteten zu Märchenpreisen -hre Geschäfte — und nun kann der Nachfolger schen, wie er fertig wird! 500—1000 ^l. Pocht pro Monat für einen Gasthof, der etwa 4—5 Zimmer und «twa 6—8 Fremdenlogis aufweist, ist landläufiger Preis, und dabej die Ueberfülle an solchen gegenüber dem sehr mäßig gewordenen Verkehr! Gewiß bei Ankunft und Ab gang von Dampfern ist sehr ost kein Zimmer mehr zu haben; aber der Zustand dauert meist nur «in paar Tage, und dann kommt wieder eine ganze Reihe von solchen, wo abends um 9—10 Uhr der Wirt resigniert das Licht ausdreht. Aehnlicb so liegen die Verhältnisse im Innern der Kolonie — zu viel Geschäft«, zu wenig Kaiffer, und dabei das geradezu straf fällige Kreditgeben, bloß um einen Konkurrenten aus dem Wege zu räumen. Wenn es zum Zahlen kommen soll, ist kein Gel- vorhanden. Die Pfändung fällt meist fruchtlos aus und zieht nur noch die weitere Zahlung der Gerichts kosten vonseiten des geprellten Käufmanns nach sich. Es ist «in betrübendes Zeichen ker Zeit, daß in dem amtlichen Anzeigenteil unserer Zeitungen sich die Anmeldung von Kon. kursen in erschreckender Zahl finden läßt, eine Erscheinung, die Bände spricht. — Für diejenigen Firmen, welche die »Ur zeit herrschende ungünstige Konjunktur aushalten, wird nach dem Verschwinden der zu großen Konkurrenz wohl wieder «in ruhiges, sicheres Geschäft kommen, einstweilen hüte sich aber jeder, der nicht über sehr großes Kapital verfügt, sich hier als selbständiger Kaufmann zu etablieren. Analog liegen die Verhältnisse im Handwerkerstande; auch hier Still stand und stärkeres Angebot von Arbeitsuchenden als Stach- frage nach solchen. Erfreulicherweise zeigt sich auf dem Ge biete der Farmwirtschaft «in besseres Bild; immer wieder kommen neue Ansiedler ins Land und versuchen ihr Glück, einstweilen im nördlichen Damaraland, wohl mit dem stillen Nebengedanken, sich den Markt zu erobern, der durch das Fertigstellen der Otavi-Bahn bis Otavi in hoffnungsvoller Aussicht steht. Mit dem Erschließen der Otavi-Minen wird für den Norden unserer Kolonie neues Loben erblühen, die Hoffnung hält jeden aufrecht. Möge sie nicht zu Schan- den werden, wie so manche Hoffnung, die hier begraben wurde. Die Drago-Doktrin. Der panamerikanische Kongr«ß ist am Ende seiner Verhandlungen angclangt. Ihr Inhalt und Ergebnis entspricht nicht gerade der Bedeutung, die der Tagung der amerikanischen Mittel- und Kleinstaaten bei ihrem Zu sammentritt und bei der Bekanntgabe des Programms bei gelegt wurde. Dadurch, daß der Kongreß den wichtigsten zur Entscheidung stehenden Gegenstand der Tagesordnung nicht selbst erledigte, sondern die endgültige Beschlußfassung darüber oer internationalen Friedenskonferenz im Haag überließ, hatte er von vornherein das Interesse, das seinen Verhandlungen sonst gewiß gewesen wäre, erheblich herab gemindert. Es handelte sich um dir durch den Venezuela konflikt spruchreif gewordene Frage, ob und bis zu welchem Grade europäisch« Mächte berechtigt sein sollen, Schuldforderungen, di« sie an amerikanische Staats wesen haben, mit Gemalt einzutreiben. Der venezolanischen Negierung gegenüber haben sich die ver einigten Mächte Deutschland, Großbritannien und Italien ihr Recht durch Blockierung der Häfen und Beschlagnahme der Zölle zu verschaffen gewußt, schließlich aber doch von der Anwendung weiterer Pressionsmittel abgesehen und die Vermittelung der nordamerikanischen Union angenommen. Der Verlauf dieser Angelegenheit ließ schon damals er kennen, daß die Unklarheit und Unannehmlichkeit des Zu standes, die auf beiden Seiten empfunden worden waren, auf die Dauer nicht Bestand haben konnte. Es fragt sich nur, ob die mittel- und südamerikanischen Republiken, indem sie sich auf den Boden der Drago-Doktrin stellen und eine in diesem Sinne lautende Entscheidung von der Haager Friedenskonferenz erwarten, den richtigen Weg einzeschlagen haben. Danach soll, in Erweiterung der Grundsätze der Monroe-Politik, in Zukunft den europäischen Gläubiger staaten jedwede Gewaltmaßregel zur Eintreibung der von amerikanischen Staaten kontrahierten Schulden verwehrt sein. Auf diese Weise könnten sich die amerikanischen Klein staaten, wenn wirklich ihr« Wünsche in Erfüllung gehen sollten, gegebenenfalls ihren Verbindlichkeiten gegenüber europäischen Gläubigern entziehen. Sie würden aber vor- aussichtlich gerade dadurch in ein« Lage geraten, die sie, so versichern wenigstens ihre Vertreter beständig, unter allen Umständen vermeiden wollen, in di« Lage nämlich, rn steigendem Grade von den Vereinigten Staaten abhängig zu werden. Die finanziellen Bedürfnisse d«r wirt schaftlich entwickelungsfähigen Staatswesen werden so bald nicht aufhören; um sie zu decken oder um älter« Verbindlich keiten abzulösen, werden sie sich, wenn sie sich d«n Zugang zu den europäischen Krediten versperrt haben, an die Ver einigten Staaten wenden müssen, die jede Gelegenheit, ihre Vormachtstellung aus dem Kontinent weiter zu befestigen, gern ergreifen werden. Wie ein Ausweg aus diesem Dilemma zu finden ist, mögen die amerikanischen Staaten, die in Rio de Janeiro für den Antrag gestimmt haben, unter sich ausmachen; den europäischen Interessenten kann es nur erwünscht sein, daß ein Zustand beseitigt wird, der, wie sich im Venezuelakonflikt gezeigt hat, zu unangenehmen Weiterungen und Auseinandersetzungen Anlaß geben kau». Die baltischen Deutschen und die Polen. In einem Berichte aus Petersburg teilt die „Kln. BlkSztg." mit, daß die russischen Revolutionäre auf die baltischen Deut schen sehr schlecht zu sprechen seien. Als Grund dafür gibt das klerikale Blatt an: „Die russische Freiheitsbewegung fühlt instinktiv, daß die deutschen Elemente mit ihren Begriffen von staatlicher Ordnung und Gesetzlichkeit nicht für uferlose utopistische Träumereien zu haben sind, daß sie nicht mittun wollen, jede Staatsgewalt zu untergraben. . ." In dem Be- richte des rheinischen Zantrumsblattes wird weiter ein Brief eines russischen Adligen angeführt, ch dem anerkannt wirb, daß die baltischen Deutschen und ihre Vorfahren sich historisch« Dienste um Rußland erworben halten und daß sie Rußland eine Reihe glänzender Staatsmänner und Militär gestellt hätten. Es ist uns recht interessant, dies« Anerkennung ge rade in der „Köln. Volksztg." zu finden. Wenn von natio naler Seite jemals Beschwerde darüber erhoben worden ist, >daß die russischen Beamten das deutsche Element zu russi- fizieren suchten, so war die ,Löln. Volksztg." stets bei der h-and. den „Hakatisten" die Berechtigung zu solcher Be schwerde M bestreiten, weil sie ja mit den Polen nicht ander» verführen, als di« Ruffen mit den baltischen Deutschen. Nach der Charakterisierung, di« nunmehr von der „Köln. Volks zeitung" für die baltischen Deutschen gegeben worden ist, wird das rheinische Blatt wohl endlich «l»!«hen, daß es nicht angängig ist, die Deutschen in Rußland mit den Polen in Preußen zu vergleichen. Denn trotz ihrer bekannten Polen freundlichkeit wird selbst die „Köln. Volksztg." nicht behaup ten wollen, daß unsere Polen wegen ihrer „Begriffe von staatlicher Ordnung und Gesetzlichkeit nicht für uferlose uto pistische Träumereien zu haben" sein würden. Ist doch gerade sür die Polen der mangelnde Sinn für staatliche Ordnung charakteristisch, denn auf diesen Mangel ist in allererster Reihe der Verlust ihrer nationalen Selbständig keit zurückzuführen. Aus der anderen Seite sind utopistische Träumereien ihre Spezialität, wie ja beispielsweise selbst gebildete Polen die Gründung eines polnischen Reiches von Danzig bis Odessa für denkbar halten. Und wenn «in Russe den baltischen Deutschen historische Verdienste um Rußland nachrühmen kann, so wird selbst di« „Köln. Volksztg." kaum unseren Polen historische Verdienste um Preußen bzw. Deutschland Nachweisen können. Das letzte Jahr hat aber gezeigt, daß der historische Gegensatz zwischen dem Verhalten der Polen und Deutschen in schwieriger Lage des Staates auch in der Gegemvart noch besteht. Während in den russi schen Wirren des letzten Jahres die Deutschen das Element der Ordnung gewesen sind, hat gerade in Rmsisch-Polen die Revolution so schlimm gewütet, wie kaum irgendwo sonst im russischen Reiche. Wir erwarten also, daß die „Köln. Volksztg." künftighin nicht mehr die baltischen Deutschen auf eine Stufe mit den Polen stellen wird. Deutsches Keich. Leipzig, 29. August. * Zur Taufe »es kaiserlichen Enkelsohnes trafen teils gestern abend, teils heute früh folgende Fürstlichkeiten unv Vertreter von Fürstlichkeiten in Berlin bzw. Potsdam ein: die Großherzogin Anastasia von Mecklenburg-Schwerin mit ihrer Staatsdame der Frau von der Schulenburg und dem Kammerherrn Grafen von Rassewitz; ferner die Kronprinzessin von Dänemark mit ihrer SlaatSvame Fräulein Grevenkop, dem Hoschef Kammerherrn v. Rothen und dem Adjutanten Hauplmann Koefoed. Der Kronprinz war zum Empfange der hohen Herrschaften am Bahudofe anwesend. Auch der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin ist gestern abend 8 Uhr 34 Min. auf dem Stettiner Bahnhöfe eingetragen und hat im königlichen Schlosse Wohnung genommen. Im Gefolge befinden sich Generaladjutant General der Kavallerie Frhr. v. Maltzahn und Flügeladjutant Rittmeister Frhr. v. Heintze. Ferner wird aus Pest vom 28. August gemeldet: Erzherzog Josef ist beute abend in Begleitung deS General major« Viktor Koller und deS Rittmeisters Grafen Bela Batthanoi nach Berlin abgereist, um den Kaiser bei den morgen stattfindenden Feierlichkeiten ia Potsdam zu vertreten. nie. Spahn un» Erzberger. Zu den „Kolonialskandalen" sprach in diesen Tagen auch der ZeatrumSsührer Abaeorv- ueter Spahn vor einer Versammlung de» katholischen VolkS- vereinS zu Rheinbach, allerdings in objektiverer Weise, wie sein heißblütiger Rivale in der Zentrumsleitung, Abg. Erz berger, eS vor Volksversammlungen oder in der Presse zu tun pflegt. Abg. Spahn läßt wenigstens den Ungeheuern Schwierigkeiten, welche in der mangelhaften Schulung eines geeigneten Kolonial-Personals liegen, gebührende Rück sicht widerfahren. Er möchte auch bei den einzelnen zutage getretenen Mißbräuchen doch nicht von Be trügereien sprechen, welche Beschuldigung auch Wohl noch niemand erhoben hat, während tatsächlich« Uaterschleife in der englische» Kolonial-Arme« aufgedeckt wurden. Aber während für daS englische Volk die Mitteilung, daß die Schuldigen bestraft seien, die Sache erledigt war, „so werden", führte Abg. Spayn aus, „bei unS Zweifel gegen den Ernst der eingeleiteten Untersuchung geäußert, noch bevor diese zu Ergebnissen geführt haben." Abg. Spahn führt diese» rn England und in Deutschland zutage tretende Symptom des verschiedenen Maße» von Bertraueu zur Regierung auf das System der parlamentarischen Regierung in England zurück, das Abg. Spahn auch sür Deutschland herbeizuwünschen scheint. — Wir unsererseits haben jedoch keinen Anlaß, dem vollen Ernst der deutschen Regierung, durch die eingeleitete Untersuchung klares Licht in die Berwirrniffe zu bringen und letztere zu beseitigen, Mißtrauen entgegenzuietzen. * PobbielSkt uu» »«» Ehrengericht. Es ist nicht richtig, schreibt die „Reue politische Correspondeuz", daß die bekannte Angelegenheit sür Herrn v. PodbielSki, weil er General ist, nicht ohne ehrengerichtlichen Spruch erledigt werden könne. Generale unterstehen keinem Ehrengericht. Es gibt nur Ehrengerichte sür Hauptleute und Subaltern-Lsifiziere und desgleichen gesonderte für Stabsoffiziere. Ueber Generäle entscheidet in Fällen, wo vielleicht ein Spruch am Platze wäre, lediglich Seine Majestät. * Fünf Kolonialeleven werden voraussichtlich im Oktober dieses Jahres nach dem Schutzgebiet Deutsch-Ostafrika ent sandt werden können. Die Eleven beziehen für ihre Aus reise und Ausrüstung jeder 1500 und für Beihilfe zu Unterhaltungskosten im Schutzgebiet jährlich 3600 — Für weitere drei Anwärter, welche auf der Kolonialschule in Witzenhausen vorgebildet werden, ist vor Entsendung ins Schutzgebiet eine halbjährige Ausbildung bei der Zentral verwaltung in Aussicht genommen. s o. Weibliche Gewerbeinkpektion. Nach den amtlichen Berichten über die Tätigkeit der Gcwerbeauf- Feuilleton. (staubst cku, wenn cku nicht mehr s>5 wahr bist, wärst ciu schon Künstler? (staubst cku, wenn leckiglich cku hüplich bist, würst cku schon wahr? ». fiig-x. Ruch Kot gehört ja rur diatur, Wer bann ckavor sich schützen? Uack meinethalb auch rur l-iteratur. Doch soll er uns an ckie Stiefel nur, -licht an ckie blase spritzen. s» ver Schein soll nie ckie Wirklichkeit erreichen, llnck siegt dlatur, so must ckie Kunst entweichen. Swlller. Vie Kunst ist cker Kiese RntSus, cker immer ckurch ckie verührung mit seiner ääutter Lrcke sich neue Kraft holen must. z. z. motu. Die Lheivrrsng in der msdernen Literatur. Der Revolver spielt im modernen Haushalt nicht mehr ganz dieselbe Roll« wie ehedem. Es gab Zeiten, in denen der Romanschriftsteller, wenn er von einem Ehebruch er zählte, gar nicht umhin konnte Blut fliehen zu lassen. Und auch die Bühn« ließ sich natürlich den „Knall"-Esfekt nicht entgehen. Wie der Donnerschlag die schwule Natur, so scheint der «ohlgezielte Schuß di« Depression zu reinigen, di« über der Moralempfinbung des Zuschauer» lagert. Ak» Lessing im Jahre 1772 feine „Emilia Galotti" herauSgab, da war alle Welt nlzückt über den modernen Geist dieser Tragödie, di« des Livius Erzählung von der Virginia der Bühne gewann. Auch heute noch bewundern wir Leasing» Gestaltvng»kvak mch d« tief« sittlichen Ernst, der aus seinem Werke zu uns spricht. Aber modern wird die blutige und unverhältnismäßig harte, ja grausame Sühne, die nicht einmal den Beleidiger, sondern die Be leidigte trifft, wohl niemand mehr finden. Im Gegenteil: wenn wir von der „Emilia Galotti" reden, rühmen wir ja gerade die ,/antike Größe" ihrer und ihres Vaters Tat und bringen damit, ohne <s eigentlich zu wollen, die Gegensätz lichkeit zwischen der antiken und der modernen Weltan schauung zum Ausdruck. Das Geschlecht der Odoardos freilich stirbt nicht aus. Unerbittlich scharfe und unbeugsame Vertreter einer starren Auffassung wird es immer geben. Aber die Odoardos sind selten geworden und sie genießen nicht mehr ganz den mora lischen Kredit, der sie früher triumphieren ließ. Zwischen der Antike und uns steht Frau von Staels Wort: Tour oomprauckra o'ast taut parckouuer. So wenig wir gelegent lich eines Wortwechsels gleich zum Messer oder zum Revol ver greifen, so wenig dräna» es uns, Konflikte vurch «inen Stich oder durch «inen Knall zu lösen. Wir sind versöhn- sicher, einsichtiger, milder und weitherziger geworden. Odoardo würde sagen: laxer und unmännlicher. Und wir würden uns gegen den Vorwurf nicht ernstlich verteidigen, weil wir wissen, daß ein Odoardo ibn von seinem Stand punkt aus erheben m uh. Wenn man zweierlei Meinung darüber sein kann, ob der Roman und das Drama «ine moralische Tendenz haben sollen und haben dürfen, wenn man den Einfluß der Dich tung auf die persönlich« Lebensführung bestreiten kann, so wird man anderseits darüber nicht im Zweifel sein, daß die Literatur den Spiegel der Zeit darstellt, der sie angehört. Wenn schon das Milieu im engeren Sinn« von Einfluß auf den Menschen ist, so wird der geistige und moralische Ge samtcharakter der Zeit in der Darstellung des Dichters erst recht zum Ausdruck gelangen denn schließlich schreibt jeder Dichter für seine Zeit und seine Welt, und nicht für di« Vergangenheit oder für di« Marsbewohner. Auch für die fernere Zukunft kann «r nicht schrei ben, denn er kennt sie nicht zuverlässig. Wer aber den Zeitgenossen eindrucksvoll erscheinen will, muß not wendigerweise in einer Zunge zu ihnen reden, di« ihnen ver ständlich klingt. Mit andern Worten: er kann nur mit Zuständen, Gepflogenheiten und LebenSwerten operieren, die in der Zeil liegen. Der ganz« Ibsen gründet sein« Bedeu tung auf diese gesellschaftskritisch aufgefaßte und ausgeübte dichterische Tätigkeit. Uebrigens erkennen wir diese Tat sache ohne weiteres dadurch an, daß wir aus den Werken früherer Zeiten uns das gesellschaftliche und das Volksleben rekonstruieren. Das Narrenschlff spiegelt andere Menschen als die Schriftsteller der galanten Zeit in Frankreich im Cicero tritt uns ein« andere Kultur entqeacn als im Shake- speare. Nachgerade bat das Schießen und Stechen auf der Bühne nachgelassen. Es ist klar, daß zur Z«it des Dreißigjährigen Krieges der Wert eines Menschenlebens auf der Bübne anders taxiert wird als in einer Zeit, di« fünfunddreißig Jahre lang den Frieden gewahrt hat. Und da, wo es sich um Sein oder Nichtsein auf der Bühne handelt, haben sich im Laufe der Zeit versöhnlichere und glaublichere Todes arten eingestellt: Nora bringt sich nicht um, sie wechselt bloß das Domizil, Dr. Stockmann begnügt sich mit demselben Ausweg aus einer tragischen Situation, Oswald verlöscht zwanglos. Um gerade Ibsen herauszu^reifen. Auch die Eheirrung im peinlichsten Sinne, der Ehebruch, wird heute anders beurteilt als früher. Ich denke weniger an die Schwankliteratur der Franzosen, die den Ehebruch VN ba^atvUs behandelt, als Selbstverständlichkeit voraussetzt und ihn (von der humoristischen Seite) ganz unpsychologisch Larstellt. Nein, auch in der ernst zu nehmenden Literatur hat das „Taut oorupranckrv o'ost laut parckonnor" an Ein fluß gewonnen. Unlängst sind zwei Romane erschienen, di« das Ehepro blem behandeln, das bei erheblichem Altersunterschied der beiden ehelichen Kontrahenten unter allen Umständen existiert. Beide Romane zeigen «in und denselben Kon flikt und «in und dieselbe (unblutige! Lösung. Dieser Paral- lelismus ist um so bemerkenslvcrter, als der eine Autor unter völlig anderen Voraussetzungen an seinen Stoff heran trat als der andere: Jean de Ia Vaud'öre ist Fran- zose, Gabriele von Lieres und Wilkau Deutsche, der eine schreibt mehr für den Boudoirgeschmack, die andere für Frauen und solche, di« es zu werden hoffen. Auch der Umkreis von Personen ist in beiden Romanen sehr verichie- den: bei Baudör« befinden wir uns mitten in der hohen Aristokratie von Paris, an d«r Grenze der Halbwelt in parfümaeschwänaerter Luft, bei der LiereS wechselt der Schauplatz »wische» der vorwchme» Ruhe «taer MstizrLtsiche» Wohnung mit dem reizvollen Auf und Ab der Bohöme. Die „Geschichte einer Ehe" von Jean de la Vaudöre *> schildert uns die leidenschaftlich« Liebe des vornehmen, aber ver armten jungen Dominique zur reizenden Colette und kling: zum Schluß in die weichen Harmonien von Abelard und Helois« aus. Colette heiratet einen gräflichen Geldsack, denn sie liebt in erster Linie sich und den Luxus. Der arme Dominique begeht Selbstmord. Er wird gerettet und kann nicht lassen von seiner anaebetetcn Colette. Mir großer psychologischer Feinheit zergliedert uns Vaudere das eheliche Verhältnis zwi'chen ihr und ihrem beinahe sechziasäkrigen Gatten. Die zarte Umsicht und das geheime Mißtrauen des verspäteten Liebhabers, die kluge Schmiegsamkeit und berechnende Aninur Colettes, die tausenderlei Wechselfälle des täglichen Miteinanders, das sehr bald «in Nebenein ander wird, all das findet in Vaudöre einen feinen Bcobach- ter und geschickten Darsteller. Das Unvermeidliche rrifsr ein: Colette gibt sich Dominique hin. «ine rachsüchtige Frau übernimmt es, den Grasen zu avisieren, der, den Revolver in der Hand, den Nebenbuhler erwartet. Aber der Revolver figuriert in diesem Ehedrama nur als Statist. Als Domi nique aufrecht vor dem Grasen steht und seine Liebe be kennt, da .... „schwand der ganze Zorn des Mannes in einer ungeheuren Trauer dahin, in einer immensen Ent täuschung. Wozu kämpfen? Wozu die Zweige des Baumes der Jugend obhauen?" Die Selbsterkenntnis und di« größere Empfindung der Liebe siegt über das verletzte Gefühl und über den Trieb zur Rache. Die Zukunst, so denkt der Graf, wird die Rache übernehmen. Und in der Tat, sollt« es hier nicht eine autonome, von menschlichem Egoismus ganz un abhängige Moral geben? Nur zwei Möglichkeiten bestehen für die Zukunft der Liebe zwischen Colette und Dominique Ist diese Liebe tief und echt, so beweist sie damit hart und klar die Ueberlegenbeit über daS ehelich« Verhältnis, das zwsichen Colette und dem Grafen bestand. Denn Colette opfert dieser Liebe ihr LuxuSbedürsniS, sie liebt Domi- nique um seiner selbst willen und ist bereit, um seinetwillen auf viele« zu verzichten, was ibr lieb und wert geworden war Ihre Fähigkeit, diesen Berzicht durchzuhalten, wird der beste Gradmesser sein für die Intensität ihrer "f Verlag von F. Sach» in Pest. JnS Deutsche über. trog« von Paul U7 L.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite