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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.02.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060203016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906020301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906020301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-02
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Bezug-, Prei- i» Her Ha»ptrxp«LUto» «der der«, A»S»abd. Kelle» nbgchott: vterteltüdrttch L40, bet tLglich twetmaltger AÜftellinm tn» ha«» vierteljührlich S-—. Durch «Irr» ,»»- wärttgeo Ausgabestelle» «lb durch bi« Post bezogen für Deutfchland «ab Oesterreich vlerteljShrltch 4.50, für die übrige» Länder laut ZettnagSpretSlist«. Dies, Nummer tostet auf »Sb Mk alle« Bahnhöfen und bei III Al deu 6«Üung». Verkäufer» RePnMon ,«» Vr-epittoar JohanniSgass« L Lelephoa Nr. 453, Nr. LL2. Nr. 117L verltner NedaMons-vurenar Berit» klVV 7. Dorothreastraßr 83. Del. I. Nr. 927b. Dresdner Rrvatttons-Vnreavr Dresdeo-7U.ASaaeribstr.Lb. LeUt.Nr.4S8L Morgen-Ausgabe. KiMM TagMM Handelszeitung. Amtsblatt des Mates und des Molizeiamtes der Ltadt Leipzig. Nr. 6«. Sonnabend 3. Febmar 1906. Anzeigen-Prei- bt» S gespaUe»« PetttzetU für Leip^g «ch llmgebuu» LL Pf^ für «lswärt» 80 Pf» Kamilte» Wodn»»gs. »ad Gtelle». Anzeigen LO Pf. Finanzielle Anzeigen, BeschSft-anzeigen unter Text oder au besonderer Stelle nach Laris. Für das Erscheine» aa bestimmter» Tagen a. Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeige» «ad Extrabeilagen nur t» der Mor»ea-Aus»ab« Schloß der Aaaahme nachmittags 4 Uhr. Anzeigea-Annahme: Vvgnstusplatz 8, Eck« Jodaaaisgafse. Hnnpt-Ftliale verltn: TnrlDu » ck« r,tzerzgUBayr.Hofbuchhandlg„ Lützowslraste lO Gernsprrcher Amt Vt Nr. S«03> Filial -Nrnedttton: DreSden.Marienstr.34. M. Jahrgang. Var Alcdtigtle vom Lage. * Da die ostafrikanische Aufstandsbewegung als unterdrückt gelten kann, wird den „Kieler Neuesten Nach richten" zufolge daS dorthin entsandte Marinedetache ment demnächst beimbeordert werden. Die erste Ab teilung verläßt Dar-eS-Salaam schon am 8. Februar auf dem Dampfer .Gouverneur". * Die Leiche deS vor zwei Jabren auS Leipzig ver schwundenen Versicherungsbeamten Hartmann wurde m DieSden ausgefunden. Es liegt ein Mord vor. (S. Leipz. Angel.) * Im Markranstädter Prozeß wegen Land friede nsbruchs erkannten die Geschworenen drei der An geklagten für schuldig, weiche mit je l'/. Iabr Gefängnis bestraft wurden. SeckS andere Angeklagte wurden frei gesprochen. (S. Gerichtssaal) * DaS italienische Ministerium hat infolge der letzten Kammerabstimmung seiue Demission gegebem striegrdistker Ser Lulrunlt. Den Bemühungen, die sowohl in Deutschland wie in England gemacht werden, freundlichere Beziehungen zwischen den beiden Völkern anzubahnen, haben ebenso wie der Re gierungswechsel in England vorläufig eine gewisse Be ruhigung geschaffen. Sie hat eine willkommene Ouvertüre zu der Eröffnung der Marokko-Konferenz gebildet, die dazu bestimmt ist, den zwischen Frankreich und Deutschland be stehenden Konfliktsstoff zu beseitigen. Es darf aber bei diesem löblichen Streben doch nicht außer Acht gelassen wer den, daß jeden Moment eine Aenderung in der Situation eintrcten kann, denn es wäre sehr oberflächlich, weil die Spannung momentan nicht so fühlbar ist, sich nun der Er wartung hinzugeben, daß die seit dem großen Kriege sowohl in England wie in Frankreich gegen uns herrschende Ver stimmung und Erbitterung durch eine Reihe freundlicher Trinksvrüche und friedlicher Resolutionen im Handumdrehen in eitel Liebe zu uns umgewandelt worden seien. Die inter nationalen Gegensätze sind nach wie vor vorhanden. Ja, die Gefahren, die sie für den Frieden bergen, sind gegen früher gewachsen, weil die politische Konstellation für uns un günstiger geworden ist. Wenn Frankreich so lange Zeit ruhig blieb, so ist dies dem vorsichtigen russischen Bundesgenossen der für einen Nevanchekrieg nicht zu haben war, dann aber auch unserer ziffernmäßig unbestreitbaren militärischen Uebexlegenheit über Frankreich zu danken. Seitdem aber die Republik sich England angefreundet hat, hat der Gedanke an einen Wasfengang mit Deutschland in Frank reich festere Gestalt angenommen, weil man weiß, daß in England bis in die höchsten Kreise hinauf eine starke Strömung herrscht, uns — den wirtschaftlich gefährlichsten, maritim aber schwächsten Gegner Englands — zu vernichten, ehe sich Rußland wieder erholen kann und ehe es unS ge- lungen ist, unsere Flotte so zu vergrößern, daß wir den See kampf mit Ehren durchführen können. Mit 38 Linienschiffen, die das Flottenprogramm vorsieht, könnten wir das, weil der Kaiser Wilhelm-Kanal eS unS ermöglicht, unsere Flotte schnell auf einen Punkt zu vereinigen und sich mit der ge samten Macht auf den Teil der feindlichen Flotte zu stürzen, der unsere Küsten blockiert oder unsere Seestädte brand schatzen will. Nach dem jetzigen Schiffsbestande sind wir hierzu aber schwerlich imstande. Wenn wir aber in einer Seeschlacht siegen sollten, so wären die Verluste so erheb liche, die ZM der kampffähig gebliebenen Schiffe eine so geringe, daß wir nicht nur den Sieg nicht auSnützen könnten, sondern unS einfach mit dem Nest der Flotte in die deutschen Häfen zurückziehen müßten. Uns^r Unterliegen im Seekriege wird in zwei soeben er schienenen Broschüren, die beide anonym von Seeoffizieren geschrieben sind, alS ganz unvermeidlich hingestellt. Die Schriften betiteln sich „Der deutsch-englische Krieg" von „Beowulf" (Verlag von Hermann Walther-Berlin) und „Hamburg und Bremen in Gefahr" von „Hansa" (Verlag von Harder, Altona). Sie reihen sich den Büchern an, die den Versuch machen, dem deutschen Publikum durch Schil derung des wahrscheinlichen Verlaufs eines deutsch-englischen Krieges di« Unzulänglichkeit unserer maritimen Machtmittel zu zeigen. Der Vorzug dieser Bücher bestehl im Gegensatz zu der feuilletonistischen Form ihrer Vorgänger und dem breiten Raum, der der Phantasie in ihren Spalten ein geräumt wurde, in der sachlichen, sich streng an die tatsäch lichen Verhältnisse anlehnenden Behandlung des Stoffes. Viele Einzelheiten sind trotzdem sehr interessant geschildert, anderseits wird aber stark mit nüchternen politischen und historischen Argumenten, sowie auch mit marinetechnischen Auseinandersetzungen operiert, die allerdings die Spannung beim Lesen zum Teil herabmindern, aber für den vorliegenden patriotischen Zweck gerade von großem Werte sind. So wird z. B. der Nachweis geführt, daß eine deutsche Landung in England, von der viel« träumen, «in Ding der Unmöglichkeit ist, so lange die englische Flotte noch di« See beherrscht. Die Seeherrschaft England» aber mit unserer Flotte zu brechen, ist zurzeit nicht möglich, da wir selbst im Falle eine» Siege» seine Früchte nicht ernten wür den. Denn unsere nach der Schlacht übrig gebliebenen Schiffe bedürfen auch nach dem vielleicht möglichen Siege der Ausbesserung, und eine genügende Reserve ist nicht vor handen. England hätte nach unserem Pyrrhussieg in kurzer Zeit neue Geschwader zur Stelle, und die Seeherrschaft würde ihm verbleiben. DaS wird speziell in dem Buche „Hamburg und Bremen in Gefahr" in überzeugender Weise geschildert. In wieder holten Seeschlachtrti wird trotz teilweiser Erfolge dir deutsche Flotte nach und nach bi» auf wenige Panzer vernichtet, Helgoland, Bremerhaven, Cuxhaven, Borkum fallen, Ham- bürg und Kiel werden angegriffen und nur die Erfolge zu Snnd« wend«, da» »«schick. In anderer Weise behandelt der Verfasser von „Der deutsch-englische Krieg" sein Thema. Zu einer Seeschlacht läßt er eS nicht kommen. Er hat damit wohl nicht sagen wollen, daß die deutsche Flotte im Falle eines Krieges außer stände sei, sich zum Kampfe zu stellen oder unter allen Um ständen einer Seeschlacht auSweichen würde. Der Autor stellt sich den Verlauf der Sache aber so vor, daß die eng lische Flotte, die unsere Nordseehäfen blockiert, durch unaus gesetzte nächtliche Angriffe unserer Torpedoboote dermaßen geschädigt wird, daß sie schließlich die Blockade aushebt, bevor noch die deutsche Flotte zu dem von ihr beabsichtigten An griff übergeht. Es wird dann ein ausgedehnter Kreuzerkrieg von feiten Deutschlands in Szene gesetzt. Allmählich ge- lingt es jedoch England, unsyre wenigen Kreuzer zu ver nichten, und da wir keine Reserve für sie haben, sind wir zur See ohnmächtig. Die Panzerflotte aber wird, weil sie zu schwach ist, in den Häfen zurückbehalten, um sie nicht nutzlos aufs Spiel zu sehen. Wenn „Beowulf" auch nicht die Zerstörung der deutschen Flotte durch die übermächtig« englische ins Feld führt, um ihre Schwäche zu beweisen, so zeigt er doch, daß sie auch in diesem Falle nicht imstande ist, den deutschen Handel über See vor der Vernichtung zu bewahren, daß es also zurzeit ein Kriegsinstrumcnt ist, das seinen Zweck nicht erfüllt. UebrigenS glauben wir nicht, daß sich die deutsche Flotte so passiv verhalten würde, wie es der Verfasser annimmt. Allein es ist vollkommen richtig, daß es ein Vs bsnqus-Spiel wäre, ihre Existenz in offener Seeschlacht zu riskieren, außer wenn infolge ganz besonders günstiger Umstände einmal die beiderseitigen Kampfmittel ungefähr gleichwertige sind. Diese Gleichwer tigkeit wenigstens annähernd zu schaffen, müßte unser un ausgesetztes Bemühen sein, denn das Verhältnis ist jetzt so ungünstig wie möglich für uns. Zurzeit könnte England sofort mit40biS44Linienschiffen und 24 großen Kreuzern vor unfern Küsten erscheinen, denen wir nur 16 Linienschiffe und 2 ebenbürtige Panzerkreuzer entgegenzustellen vermöchten, wobei hinzutritt, daß ein großer Teil der englischen Kreuzer es sehr wohl mit unse ren älteren Linienschiffen aufnehmen könnte! Wir haben es eben immer noch nicht begriffen, daß wir unsere Flotte mindestens so stark machen müssen, um Eng land den Seekrieg mit uns zu eiuom sehr riskanten Un ternehmen zu gestalten. Nur vor dem Starken hat man Respekt, nie vor einem Schwächling. Dem deutschen Volke wird nicht zugemutet, eine der englischen ebenbürtige Flotte zu bauen, denn wir müßen, eingekeilt zwischen starken Nationen, schon ein sehr großes, kostspieliges Landheer un- terhalten. Aber dennoch muß Deutschland eine so große Marine haben, daß England davor zurückschreckt, einen Krieg vom Zaun« zu brechen, weil ihm der Einsatz zu groß wäre und es selbst dabei zu große Verluste erleiden könnte. Hier liegt die Unterlassungssünde und infolge dessen auch die eigentliche Ursache eines Krieges, wenn er je ausbrechen sollte. Ist denn aber diese Unterlassungssünde wirklich so groß? Einige Zahlen, die wir Beowulfs Buch entnehmen, mögen dies beantworten. Im letzten Jahrzehnt stieg die Gesamteinnahme des Deutschen Reiches um über 1 Milliarde, der deutsche Außenhandel von 7Z auf 12,2 Milliarden, der Wert der Handelsflotte von 327 Millionen auf über eine Milliarde. In ähnlichem Verhältnis flieg der allgemeine Wohlstand deS Volkes, so ist zum Beispiel in Preußen in 12 Jahren dos veranlagte Einkommen von 5,7 auf 9,12 Milliarden gewachsen. Im Verhältnis zu anderen Staaten hat Deutschlands Handel im letzten Jahrzehnt um 66 Prozent zugenommen, Englands um 38 Prozent, Frankreichs um 28 Prozent und Amerikas um 59 Prozent. Daß die anderen Staaten, und unter ihnen da» am meisten betroffene England, diesem ungeheuren Aufschwung nicht freudvoll zujauchzen, sondern ihn mit allen Mitteln zu bekämpfen suchen würden, konnten wir unS an fünf Fingern abzählen. Wir mußten uns deshalb zum Schutz unserer anwachsenden Interessen eine ganz gehörige Sicher heitsprämie aujerlegen. Wie es aber damit steht, zeigen sol- gende Zahlen: Deutschland zahlte 1966 für Armee, Marine und Staats schuld 959 Millionen, England 2044, Frankreich 1754 und Amerika 980 Millionen. Deutschland zahlte 1905 für die Marine allein 233 Mil- lionen, England 681, Frankreich 255 und Amerika 424 Mil lionen. Und schließlich: Deutschland zahlt pro Kops für seine Marine 3,7 X, England 17,7, Frankreich 6,4 und Amerika 4,6 Für Bier zahlt der Deutsche aber pro Kopf ungefähr - 30 4 Für den Krieg mit Deutschland hat England seit Jahren in aller Gemütsruhe und mit rührender Offenheit die nöti gen Vorbereitungen getroffen. Im Jahre 1906 hat man im Firth of Forth, bei Rossyth, die Anlage eine» KriegshasenS begonnen, der nur bei einem Kriege gegen Deutschland von Bedeutung sein kann. Die groß« Reorganisation der Marine im Herbst 1904 bedeutet« e,ne Mobilmachung in großartigem Maßstab« aus schließlich gegen Deutschland. Seit der Reorganisation hat England den grüßten Teil seiner Schiffe, worunter die neuesten und besten, dauernd im Dienst, also mobil und zu», sofortigen LoSjchlagen bereit. Fast die gesamten Streitkräfte sind jetzt in den Heimathäfen konzentriert, und zwar in den Häfen an der O st küstel ... Kommt «» einmal zum Kriege, so wird unsere Flotte ihre Pflicht in vollem Maße tun. Alle Achtung vor der Tüchtig keit unserer jungen Marine, aber gegen die erdrückende Usbermacht England», und, wie mit Sicherheit auzunehmea ist, ohne Bundesgenossen, wird sie sicher unterliegen, oder aber, fall» sie dem Kampfe auSweichl, wie e» „Beowulf" zeigt, zur Untätigkeit und Zwecklosigkeit verurteilt sein. Damit soviel Energie und Menschenleben nicht nutzlos geopfert und zahllos« Millionen nicht halb umsonst auSge- geben werden, muß man «ine baldig« erheblich« Ver größerung unserer Vchlachtsiotte fordern, und zwar in einem schnellere» Tempo, al» eS da» Flotten,esetz von > 1900 Vorsicht. 2um SttetrenMUtk über Sie Mrlrasten. Don fachmännischer Seite schreibt man uns: Zum Gesetzentwurf über die Hilfskassen, der vom Plenum des Reichstages an eine vierzehngliederige Kom- Mission überwiesen ist, sei kurz erwähnt, daß bisher von der Regelung, die das private Versicherungswesen in Deutlck- lano erfahren hat, die eingeschriebenen Hilfskassen aw.ge- nommen sind. Die in den letzten Jahren auf dem Gebiete des Hilsskassenwesens gemachten Erfahrungen lassen surdw Reichsregierung keinen Zweifel darüber zu, daß hier Miß stände zutage getreten sind, denen an der Hand deS zurzeit geltenden Rechtes mit nachhaltigem Erfolge nickt begegnet weiden kann. Allerdings haben viele eingeschriebene HusS- lassen eine einwandfreie Tätigkeit entfallet und den seiner zeit bei Erlaß des Hilfskassengesetzes gehegten Erwartungen im wesentlichen entsprochen. Das gilt besonders von den jenigen Kassen, die nur für einen fest begrenzten Kreis von Genossen desselben Berufs oder verwandter Berufe bestimmt sind. Allein auf der anderen Seite ist,doch die Zahl der jenigen Hilfskassen eine unverhältnismäßig große, denen diese Anerkennung versagt werden muß. Bei vielen ist die Möglichkeit des Gedeihens ausgeschlossen einmal infolge der geschäftlichen Unzulänglichkeit ihrer Vorstandsmitglieder und sodann wegen der unzureichenden finanziellen Unterlagen, namentlich der im Verhältnis zu den versprochenen Unter stützungen zu niedrig bemessenen Beiträge. Erheblicher lft aber die Zahl der auf Spekulation gegründeten Unter nehmungen, die von vornherein auf eine Täuschung dcL Publikums berechnet sind und bei denen es den Gründern lediglich um die eigene Bereicherung zu tun ist. Die Er richtung dieser „Schwindelkafsen" Pflegt von vermögenslosen und geschäftsunkundigen Personen auszugehen. Regelmäßig bewilligen die Gründer und ersten Vorstandsmitglieder bei der konstituierenden Versammlung sich gegenseitig möglichst hohe Vergütungen, die außer Verhältnis zu ihren Arbeits leistungen stehen und meist schon geeignet sind, die Lebens fähigkeit der Kasse von vornherein in Frage zu stellen. Durch allerlei Vorspiegelungen und unter Beihilfe gewissenloser Agenten finden sie bald ein leichtgläubiges Publikum. Zunächst während der Karenzzeit und solange der Zustrom neuer Mit glieder anhält, fließen diese Einnahmen reichlich. Der Vermögensstand der Kassen gerät aber sofort ins Wanken, >obald die erhobenen Unterstützungsonsprüche fick mehren. Zunächst stellen diesen die Kasten alle möglichen Schwierig leiten entgegen, um sich ihren Verpflichtungen ^u entziehen, wobei sie gewisse in den Satzungen an unauffälliger Stelle angebrachte und scheinbar harmlose Vorbehalte rücksichtslos ausnützen. Erfolgt dann der finanzielle Zusammenbruch der Kasse, so haben die meist den weniger bemittelten Volks- klassen angehörenden Mitglieder fast ausnahmslos den Ver lust ihrer gesamten eingezahlten Beiträge zu beklagen. Und diesem Treiben der Kassen kann die Negierung nicht recht zeitig genug Einhalt tun, da sie hierzu die Mittel nicht in oer Hand hat. Diese Schuld an den Uebelständen liegt hauptsächlich in grundsätzlichen Mängeln deS Systems der Normativ bestimmungen und der beschränkten materiellen Veaufsichti- gung. Das System der Normativbestimmungen gibt die Gründung privater, auf Freiwilligkeit des Beitritts be ruhender Krankenkassen frei und macht die Verleihung der juristischen Persönlichkeit nur von der Erfüllung gewisser Mindestanforderungen in den Satzungen abhängig. Die Zulassungsbehörde ist nicht befugt, den Geschäftsplan und wine versickerungStechnischen Unterlagen zu prüfen; sie darf nicht den Nachweis eines hinreichenden Betriebsfonds und die Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit fordern; sie muß die Kaste zulasten, auch wenn sie die begründetsten Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der leitenden Persönlich keiten hegt. Alles dies, sobald nur die Satzungen in Ornung sind. Weiterhin gibt daS System des LilsskassengesetzeS für den laufenden Geschäftsbetrieb den Behörden allerdings in ge wissem Grade das Recht einer materiellen Beaufsichtigung der Hilfskassen. Allein dies Recht steht ihnen nach § 33 des HiltSkastengesetzes nur zu „in bezua aus die Befolgung dieses Gesetzes". Die Ausübung der rechtlich eng begrenzten- Aufsichtsbefuaniste wird zudem bei den größeren Kassen durch die Schwierigkeit der Ueberwachung gehemmt, die sich daraus ergibt, daß die zuständige Aufsichlsochörde regel mäßig diejenige am Sitze der Kaste ist. Die allgemeinen Ver waltungsbehörden der Einzelstaaten sind nicht in der Lage, den Geschäftsbetrieb von Kassen wirksam zu beaufsichtigen, die sich über daS Gebiet deS betreffenden Bundesstaates hinaus und vielfach über ganz Deutschland erstrecken. Dazu kommt endlich, daß die Aufsichtsbehörde zur Hintanhaltung und Beseitigung von Mißständen im allgemeinen keine vor beugenden Maßnahmen treffen kann, sondern daß ihr als wirksame- Mittel deS Eingreifens nur die Schließung deS Unternehmens zu Gebote steht. Um die Mängel von Grund aus zu beseitigen, würde eS einer vollständigen Umgestaltung deS ganzen Hilfskassen- gesetzeS bedürfen. Insbesondere müßte hierbei sein System der Normativbestimmungen und der beschränkten materiellen Aussicht verlosten und durch daS ZulastungSsostem in Ver bindung mit dem Grundsatz eines innerhalb gewisser Grenzen diskretionären Ermessens der Aufsichtsinstanz er setzt werden. Damit aber würde in allen wesentlichen Be ziehungen eine Gleichstellung der Hilfskassen mit den Ver sicherung-Unternehmungen herbeigesührt werden, die der all- gemeinen Regelung durch daS ÄersichcrungSaussichtSgesetz unterstehen. Diese Aenderung wäre der einfachste und auch wohl zweckmäßigste Weg zur Abhilfe der Mißstände; ein Weg den die KommissionSberatungen nach den Aeußerungen der Parteien vielleicht mit unwesentlichen Abänderungen oe- schreiten werden Veutrcbes keicff. Lettzzi». 8. Februar. * VnS hat der Reich»taa bi» jetzt erledigt? Seit Beginn der Session am 28. November 1905 bi» jetzt sind de« ReichS- taoe, abgesehen von Denkschriften, NechnungSbrrichten, lieber- sichten, Nachweisungen, Bekanntmachungen, 30 Gesetzent würfe vorgelvot wovden. Von diesem Material hat der Reichstag in 4^ Arbeitswochen sämtliche Entwürfe blS auf einen ldeutsch-abessinischer Handelsvertrag) tn erster Lesung erledigt, «ine Arbeitsleistung, die man durchaus anerkennen muß, da hierbei die schwierigen Materien, wie Etat, Finanzresorm, Flottenvorlaae, mit in Betracht kommen. Man bat sogar noch mehr geschasst nnd fo»r 10 Entwürfe schon endgültig erledigt. hat wegen Ueberschuldung verkaufen müssen. Neben diesen direkten Förderern des Polentums steht noch eine zweite Gruppe deutscher Grundbesitzer. Es i t die leider auch nicht kleine Schar derer, die dem Staate ihre Güter zum Karne anbieten, mit der Drohung, sonst an den Polen verkaufen zu wollen. Sie verlangen, der Staat solle ihnen aus politischen Gründen dieselben Preise zahlen, die der Pole zu zahlen versprach. Und dieser treibt die Preise in die Höye. So baden nur das unsagbar traurige Schauspiel vor Augen, daß die Besitzer deutschen Grund und BodenS, anstatt daS Deutschtum im Kampfe mit dem Polentum zu unterstützen, ihm in den Rücken fallen und die Geschäfte deS PolentumS besorgen. * Arbeitsplan de» sächsischen Landtages. In der Zweiten Kammer werden im Lause ver kommenden Woche folgende Gegenstände zur Beratung gelangen: Montag: Recken- fchaftssachen au» 190/203 und Petitionen. Dienstag: Wasser gesetz. Mittwoch: Schlnßderatung über da» Dekret betr. Abänderung des Gesetze- über das Staatsschuldbuch unv Tit. 20 deS außerordentlichen EtatS, betr. Nebenbahn Kieritzich-Groitzsch.Pegau. DonnerSlag: RechenschastSsachen und Pensionen und Fieitag wieder Petitionen. * Volkstümliche Richter. Bekanntlich sind die Referen dare in Sachsen während der langjährigen Dauer ihres Vorbereitungsdienstes nur auf Renumerationen ange- wiesen, für die der Staat jährlich 300 000 ^l. bewilligt. Bei einer Anzahl von 800 Referendaren ist diese Summe natür- sich vollkommen unzureichend. Rechnet man pro Kops 1200 Mark, so ergibt sich, daß 550 Referendare, also s-j, vollkom men ohne Entschädigung dem Staate dienen müssen. Der „Chemn. Allg. Zia." wird nun aus Juristenkrcifen treffend geschrieben, daß diese Zustände für die Erhaltung einer volkstümlichen Rechtsprechung schädlich sein würden, da der Zuzug auS mittleren und kleine ren Kreisen zur Richterlausbahn aushören würde. In Zu kunft würden nur noch Söhne reicher Eltern, die mit den Verhältnissen de» kleinen Mannes nickt vertraut wären, in Richterstcllen gelangen können. Im Jahre 1908 aber habe der Ju st izm i n i st e r selbst im Landtage wörtlich geäußert: „Durch den Zuzug aus Kreisen, die auch den tie- scrftel,enden Volksschichten näherstehen, erholten wir für unsere Richter den Zusammenhang und die Fühlung mit die sen Volksschichten und wir arbeiten dem Vorwürfe entgegen, daß die Gerichte sich über gewisse Preise sozusagen leger binweasetzen." Hier müsse unbedingt Wandel ge schaffen werden. * V«rin«entin-tsche Nachrichten. Di« vom Abg. Stöcker in der ReichStagSsitzung am Mittwoch angekündigte Ress- lution, die den „Toleranzantrag de» Z-ntrumS" ersetzen soll, ist jetzt im ReichSiag «ingegangen. Sie lautet: „Der Reichstag wolle brichließen, den ReickekanUer za ersuchen, »et den verbündeten Regierungen daran! dinzuwirkea, daß di« in einzelnen Bundesstaaten nock bestehenden Beschränkungen der Frrt- beit de- Religionsbekenntnisses, der Vereinigung zu ReligionS- gemeiistchailrn und der gemeinsamen ReiigionSüduag baldigst im Weg« der LandeSgesetzgebung beseitigt werden." * Die versasinngSrefmc» in Württemberg. Zu tzer »estrigen Abstimmung in dem württemberaischen Abveordne- tenhous wird unS an» Stuttgart geschrieben: Die Befürch tung, daß ine ritterschaftlichen Abgeordneten gleich dem Zentrum mit Nein stimmen und dadurch da» Berfas- sanggresarmgese» »n Fall bringe» werden, Hai sich Im ganzen hat bisher daS Plenum 13 Kommissionen ein gesetzt, und zwar die Budgetkommission, die 5 Entwürfe und drei Viertel des Etats schon bearbeitet hat und noch dc,i Rest des Etats, die Flottennovelle und die Misitärpensionsgesetze, sowie 2 Nachtragsebats zu erledigen hat, die Steuerkommis sion, die Kommissionen für Versicherungsvertrag, Unter- stützungswohnsitz, Hilfskosten, Urheberrecht, Maß- und Ge- wichtsordnung, Banknotennovelle, Gewerbeordnungsnooelle, owie hie Wahlprüsungs- und Pctitionskommifsion. Neiffür die Beratung im Plenum sind zurzeit nur die von der Bud getkommission schon erledigten Etats -und die mit dem Etat zusom-mengahörenden Entwürfe über Bewilligung von Woh nungsgeldzuschüssen, Entlastung des Reichsinvalidenfonds, Servistarifnovelle, Natnralleistungenaesetz und die Kcrme- ruwbahnvorlage. Allerdings genügt dieser Stoff vollkom men, daS Plenum bis zu den Osterferien zu beschäftigen. Ist erst dieser Stoff bewältigt, so harren immer noch 9 große Gesetze, die jetzt der Kommissionsberatung unterliegen, der 2. und 3. Lesung. D 'gt man sich mit der Absicht, alle diese 9 Entwürfe, worunter sich auch NeichSfinanHreform, Flotten vorlage und MisitärpenstonSgesetz befinden, zu erledigen, so kann man sich auf eine Session bis Ende Juni gefaßt machen, vorarlSaesctzt, daß man für jeden nach den Osterferien zu er- lcldig-enden Entwurf nur eine Woche Beratungsdauer rechnet und der Etat wirklich bis Ende März fertiggestellt wird. * Der „erschossene" Tr. Danaldfan. Nach einem Tele gramm der „Daily Mail" sollte ein englisch-canadischer Arzt, ein Dr. Donalvson, in Swakopmund von deut schen Soldaten erschossen und sein von Kugeln durch bohrter Leichnam heimlich bei Seite geschafft, ein englischer Zeuge der T^t aber verhaftet worden sein. Der Korre spondent ver „Cape Times" stellt jetzt fest, daß der Erschaffene gelötet worden ist, als er aus eine deutsche Polireipatrouille, die ihn wegen eines Einbruchsversuchs festnehmen wollte, einen Mordversuch machte. Ein englischer Augenzeuge des Vorganges sei nicht verkästet worden. Die Londoner Blätter stellen zu diesem Falle fest, daß die Annahme, der Erichofsene sei ein Dr. Donalvson au» Montreal gewesen, nicht richtig ist, denn Donalvson hielt sich am Mittwoch bei bestem Wohlsein in Liverpool auf. * Deutsche Landflucht und polnisch« Fortschritte in Schlesien. Graf Zedlitz-Trützschler, der schlesische Ober- Präsident, hat jüngst in der Landwirtschaftskammer seiner Provinz eine Rede gehalten, die mit Nachdruck und sorgen- vollem Ernste an das nationale Pflichtgefühl aller deutschen Grundbesitzer Schlesiens appelliert. Die Neigung, ihren Grundbesitz mit Gewinn an Polen zu veräußern, greift nach Graf Zedlitz unter den Deutschen Schlesiens immer bedenk licher um sich. Polnische Landwirte, die in Posen und West preußen ihre Güter zu enormen Preisen an die Ansiede lungskommission losgeschlaaen haben, suchen in Schlesien mit dem leicht gewonnenen Kapital neuen, bisher deutschen Boden zu erwerben. Sie können natürlicherweise unerhört hohe Kaufsummen bieten, und so finden sie natürlich Hunderte deutscher Grundbesitzer, die ihnen den deutschen Boden ausliefern. In den letzten Fahren sind in Schlesien auf diese Weise 42 000 Morgen, also über zwei Quadrat meilen deutschen Bodens in polnische Hände übergegangen. Unter den Verkäufern überwiegen der Zahl nach die Bauern, doch kommen von der verkauften Bodenfläche mehr als drei Viertel auf Großgüter. Nur ein Drittel der 385 Verkäufer hat wegen Ueberschuldung verkaufen müssen. Neben diesen direkten Förderern des Polentums steht noch eine zweite
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