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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.12.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051205012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905120501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905120501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-12
- Tag1905-12-05
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w tz« yanp^podm», «dl do«, ߻ܫ «d^holt: oUlMjdhrttch L40, dck LgNch twetmoNger O» Han» vierte! jührltch ^ss . L«ch n»i«r, «S» «SrNgeii »«d,«d«ft«L« >»d durch »te P«st kx»oge» für De»tfchch»d »d Oesl.rretch vierteljährlich L.S0, für di« übrige» Amber laut ZeitLn-dpreisltst«, Neb«kti»n u»b «rprdittvnr JohanntSgoss« -. Teleph« R» ISch Kn. Kr. 117» lv«rlt»er «ebakttd»» v«««rr B«Un «R 7, V-chENst»»« «» LA. I, SW. «7Ü. lvrvsdni Nrd«M»»ü.»»««« D»sd«»dU,««»«chft^«^ rck.z,M.ü«^ Nr. 8l8. Morgen-Ansgave. UrMM TagMM Handclszcitung. Lmtslkatt des HSnigl. Land- «nd de» KSnigl. Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates «nd des Nolizriamtes der Ltadt Leipzig. Anzeiqen-Prei- tz», Ü^fplch», PettcheU. tt Pf. U««Mr>» ü»»ba«gS. «b Stelle» »>^»« « Pf. Fi»a»Hi«ll« Nngeige», GeschüstSan-eigen unter Lext ob« «> besonderer Stelle nach Tarif. Für das Lrfchetnen a» bestimmten Tagen u. Plätzen »ird leine Garantie übernommen Auzetgeu-Ännahme: Auguft»Splntz 8, Ecke JohanniSgasfe. DieExpedttt«» ist »»chentag- ununterbrochen geSffnet »on stütz S bi« rbeud« 7 Uhr Klliol-Expedttt»«: Berlin, ^ützowstr. io , » Dresden, Marirnstr.34. Drnck «ch Vsrbch von E. Polz tn Leipziq Kutz. 0». v, «. ck ». stltnkhardt). Herausgeber: Dr. Viktor Kliukhardt. Dtenötag k. Dezember 1905. 99. Jahrgang. sie gar die Mehrheit erringe. Sozialdemokratisch« Republiken sind im Gefüge des Deutschen Reiches un- möglich, darüber ist kein Wort Hu verlieren. Sozialdemo. kratischerseitS scheint man an die Möglichkeit geglaubt zu haben, denn eS ist da» Wort gefallen: „Durch die Senate der Hansestädte ziehen wir in den VundcSrat ein." Dagegen ist Baden zum allgemeinen Stimmrecht übergegangen. Die Negierung wie die nationalliberale Partei haben diesen Schritt als unausbleiblich angesehen. Die Gefahr, das; die Volksvertretung eine ultramontane Mehrheit aufweise, ist für diesmal abgewandt, aber sie kann wicderkehren. Dennoch hat man sich nicht irre machen lassen. Auch Bayern steckt tief in den Arbeiten einer Ausdehnung de» Stimmrechts. Ob es zum all gemeinen übergeht, möge dahingestellt bleiben, aber die Tendenz geht nach der Derallgeineinerung. DaS Zen trum hat für sich allein die einfache Mehrheit; mit der Sozialdemokratie ist es zu jeder Verfassungsänderung imstande. Württemberg hat eine ziemlich demokratische Verfassung für die Zweite Kammer. Die Erste ist aber gänzlich in den Händen katholischer Standesherren, und diese widersetzen sich der eklatanten Notwendigkeit der Reform dieser Kammer. Dort stockt die Reform, aber handgreiflich schwellt ein solcher unkluger Widerstand die Gewalt der gehemmten Kräfte. Auch in Hessen ist die Reform im Werden. Der brennendste Punkt ist — sehen wir von Sachsen ab — daS Wahlrecht des preussischen Landtages. Preußen ist ein so großes Land, daß die Gegensätze sich aushebcn. Den radikalen großstädtischen und industriellen Wähler schaften steht immer die ländliche Bevölkerung mit über wältigender Macht gegenüber. Don einer sozialdemokra tischen Mehrheit oder auch nur von einer bis zur Obstruk tion reichenden Macht dieser Partei kann gar nicht die Rede sein, auch nicht für eine entfernte Zukunft. Das heutige Dreiklassenwahlrecht ist ein Erzeugnis der krassesten Reaktion der fünfziger Jahre. Immerhin be ruhte e» damals doch noch auf der Tatsache, daß die im Wahlrecht bevorzugten Klassen doch auch die Träger der Steuerlast waren. DaS hat aufg-.hört. Nicht nur hat die Entwickelung der Industrie und der Städte die Steuerlast ganz wesentlich nach der Seite der letzteren hinübergcwälzt, sondern durch Herrn Miguel sind auch die Realsteucrn (Grundsteuern usw.) aufgehoben, trotz dem wird aber das Wahlrecht noch so abgemessen, als ob jene Steuern nach wie vor beständen. Das ist die erste Ungeheuerlichkeit. Die zweite besteht darin, daß die Wahl- kreiseinteiluny noch immer die gleiche ist, wie um 1860, so daß auch nicht einmal in dieser Beziehung der groß artige Aufschwung der Industrie und der Städte zum Ausdruck gebracht wird. Die Preußische Staatsgesetz gebung ist darnach ganz in den Händen des ländlichen Grundbesitzes. Die Nationalliberalcn sollten die Besse rung dieser Zustände als einen Hauptpunkt auf ihr Pro gramm setzen und dieses damit auffrischen. Wenn sie das nicht tun, wird der Einfluß aus Osten und Süden die Töpfe anderer Parteien zum Brodeln bringen. Das dann noch über sächsische Verhältnisse zu sagen ist, brauchen wir nach den eingehenden Betrachtungen der letzten Tage an dieser Stelle hcute «licht zu wiederholen. Stadtstaaten um die Gefahr handelte, daß die Sozial. I gezeigt, hm viel« demokrotie in der Volksvertretung so stark würde, daß sie einmal über» andere KönEonen «ein« da» Stnatülabe» gu» StiKHimd bringen Saute, »der daß I «t»»tzen bk Agrarier, jetzt mit ibr »ach vir stüclmirlrung L« wrrlima «»s ommricd Ungar» a«f Sar Aavlrechl i» »eutrchen kinrelrraatei». Die große Reformbewegungen von einem Lande auf da» andere hinübergreisen, davon liefert Oesterreich ein lebendige» Beispiel. Vor einem Jahre schien das allge meine Stimmrecht dort so fern und unerreichbar zu sein, daß selbst die Sozialdemokraten sich nicht lange dabei aufhielten, e» in der praktischen Politik anzustreben. Sie begnügten sich, es al» theoretische Forderung hinzustellen. Und jetzt ist seine Verwirklichung mit einem Male im vollen Gange. Selbst die Negierung hat zugestimmt und der ReichSrat wirkt mit ihr zusammen, um die gesetzlichen Modalitäten auszuarbeiten. In Ungarn war es gar die Regierung, die das allgemeine Wahlrecht als Agitations stoff in die politische Diskussion schleuderte. Sie spielte es als Trumpf aus, um die Unabhängigkeitsgelüste einer widerspenstigen Adelsoligarchie zu brechen. Anfänglich meinte sie, die bloße Drohung genüge, aber als nichts anderes übrig blieb, betraute die Krone das aufs neue berufene Ministerium Fcjervary mit der Durchführung. Es ist möglich, daß das allgemeine Stimmrecht für Oesterreich-Ungarn auch ohne die russische Revolution ge kommen wäre. Der Anstoß aus Ungarn war auch für die diesseitige Hälfte des Donaureichcs so stark, daß, wie das Ministerium Gautsch schon im Anfang ganz richtig aus führte, ein Widerstand kaum möglich sein werde. Denn wie konnte ein Wahlrecht, das jenseits der Leitha die Regierung selbst vorbrachte und mit allem Nachdruck ver focht, für Oesterreich unannehmbar sein? Ist das öster reichische Volk weniger gebildet, unreifer, als das unga rische? Der Uebergang der ungarischen Negierung zum allgemeinen Wahlrecht machte einen gleichen Schritt in Oesterreich unvermeidlich. Dennoch läßt sich nicht leugnen, daß die russische Revolution den Ansturm außer ordentlich verstärkt hat. Wenn im Reiche des Zaren der Uebergang von bureaukratischein Alleinherrschertum zur Volksvertretung und zum allgemeinen Stimmrecht mit einem einzigen Sprung gemacht werden konnte und mutzte, so konnte man es auch wohl in Oesterreich-Ungarn nicht mehr eine Ueberstllrzung nennen. Im Gegenteil, die Dinge im Reiche des Zaren waren eine furchtbar ernste Mahnung, Refornien nicht aufzuschieben, bis die alten Verhältnisse als unhaltbar völlig zusammenbrechen, so datz sie eine Reform kaum noch ertragen. Die Macht ¬ haber in Ruhland bereuen es wahrscheinlich bitter, datz sie nicht selber die Bahn deS Konstitutionalismus eröffnet haben, als sie noch mit einem Parlament ausreichen konnten, das etwa dem englischen zur Zeit der Tudors oder dem heutigen preußischen Herrenhause glich. Jetzt muh sich Ruhland mit einem Mal in den größten Radi kalismus stürzen lassen, und wer weih, ob das Zarentum daraus als Dynastie noch hervorgehen wird. In Deutschland besitzt das Volk das allgemeine, gleiche, direkte Wahlrecht und die geheime Abstimmung. Wäre das nicht der Fall, so wären auch bei uns die denk bar heftigsten Zuckungen eingetreten. Das Verlangen nach einem solchen Ware mit unwiderstehlicher Gewalt hervorgetreten. Dieser Besitz trägt viel dazu bei, um die meist reaktionären einzelstaatlichen Wahlrechte eher erträglich erscheinen zu lassen. Gleichwohl sind auch auf diesem Gebiete die Dinge ins Rollen gekommen. Der jetzige Zustand wird sich unverändert Wohl nicht lange erhalten lassen. Die Bewegung geht nach zwei ganz entgegengesetzten Richtungen vor sich. In den Hansestädten Hamburg und Lübeck (nicht Bremen) fürchtet man, eS könnte der Zeit punkt nicht mehr fern sein, wo der Teil der Volksver tretung, der auS allgemeinem Wahlrecht hervorgeht, ganz oder größtenteils in die Hände der Sozialdemokratie gerate, so daß Verfassungsänderungen, die drei Viertel der Stimmen erfordern, gegen den Willen der Sozial- demokratie gar nicht mehr möglich seien. ES sind daher von den beiden Senaten den Bürgerschaften Anträge vor- aelegt worden, die unter Zerlegung der nicht schon zur Klassenwahl berufenen Wählerschaft in ZensuS-Klassen den unbegüterten Masten da» Wahlrecht stark beschränken. Dir wollen diese reaktionären Vorstöße nicht loben. Immerhin muh man bedenken, daß e» sich in diesen Stadtstaaten um die Gefahr handelte, dah die Sozial- Var wlcklliarte vsw rage. * Der Kaiser besucht« gestern bi« Leibkürajstere in vretzla«. (S. Breslau.) * Di« Erregung tu der Dreßduer Arb«iterschaft über die Vorfälle am Sonntag dauert an, ohne daß es zu Ruhestörungen gekommen ist. (S. Deutsches Reich.) * Heute wird der preußische Landtag eröffnet. * DaS OberlandeSgericht in Celle hat entgegen dem Antrag deS Staatsanwalts da- Wiederaufnahme verfahren im Memeid-vrozeß wrzen anonymer Briese gegen Frau Kracht auS Lemgo slir zulässig erklärt. (S. Neuigk). * Die Unterwerfung der Hottentotten hat sich, wie Gouverneur von Lindequist meldet, unter den von ibru gestellten Bedingungen vollzogen. (G. Deutsches Reich.) * Tu Pest habe« die Schriftsetzer beschlossen, solche Zeitungen, die die Sozialisten und da- allgemeine Wahlrecht m einer ihnen gebätflg erscheinenden Weise an- greif«», nicht zu setzen. Infolgedessen konnte» gestern sechs Blätter nicht erscheinen. * DaS Kabinett Balfour hat demissionirt. (S. letzte Depesche».) vir stekorm -er irrten rScbrircben Kammer. sAu» unserem Dresdner Bureau.) Die Vorgänge im sächsischen Landtag behandelte am letzten Freitag der Landtagsabgeordnete Herr Dr. Vogel nn Dresdner nationolliberalen Reichsoerern. Er berührt« dabei auch im Sinn seiner im Parlament gehaltenen Reden die Fragen der Wahlrechtsreform. An seine ausführlichen Dar legungen knüpfte sich leider keine Debatte. Man war durch den mehr als zweistündigen Vortrag einigermaßen abgespannt und hatte eher das Bedürfnis nach Ruhe, als nach einer gründlichen Diskussion. Es war das insofern zu bedauern, als sonst jedenfalls auch ein Thema weiter erörtert worden wäre, daS auch in den Ausführungen des Herrn Dr. Vogel einen breiten Raum einnahm und augenblicklich mit im Vordergründe des Interesses steht: die Reform der Ersten Kammer. Herr Dr. Vogel gab in dieser Beziehung dem Wunsche Ausdruck daß die angekündigte Regierungsvorlage den berechtigten Wünschen der Industrie Rechnung tragen und Ruhe lm Lande einkehren lassen möge. Auf die Vorlage im einzelnen einzugehen, vermied er deshalb, weil sie noch nicht erschienen, ihr Inhalt also nicht mit Sichevkxit bekannt ist. Nach dem, was bisher darüber durchaesickert ist, soll die Erste Kammer, wie schon erwähnt um sechs Mitglieder ver stärkt werden, von denen eins die Technische Hochschule in Dresden vertreten und aus deren Lehrkörper gewählt wer- den soll, während die anderen fünf vom Könige aus den Kreisen der Industriellen ernannt werden sollen. Diese An gaben über den Inhalt der Regierungsvorlage sind bisher nicht bestritten oder dementiert worden, und man darf darin wohi eine indirekte Bestätigung ihrer Richtigkeit sehen. Auch der „DreSd. Anz.", der als Amtsblatt deS Dresdner StodtratS darüber informiert lein kann, geht in seinem Leit artikel am Sonnabend von dieser Voraussetzung aus. DaS Blatt muß zugeben, daß die sechs Vertreter einen groß fluh auf die politische Gesamtrichtung der Ersten j raum ouSüben werden und mißt dem ganzen Zugel nur symptomatische Bedeutung bei. Dann hat aber 1 Deutsches Deich. Leipzig, k. Dezember. * Die Dresdner Etrnhendr«snftrati«nen. In einem „Die Arbeiterbataillone im Marsch" überschriebenen Artikel droht da- Dresdner Organ der Sozialdemokraten mit den Massenstreik und ruft die Nationalliberalen als die geeig netsten in der Sländekammer um ihre Vermittlung an. In dem Artikel beißt e«: „Blut ist geflossen in den Straßen der Stadt, furchtbare Erbilteiung ist entfacht in Hunderten von Leuten, die Polizeiklingen auf ihren Gliedern gespürt haben, und in zehntausenden, die diesem empörenden Schauspiel zu geschaut baden. W?r ist dafür veramwortlich? Die Ver antwortung sür Aitack n auf unbewebrte Männer und Frauen fällt den höberen Beamten zur Last, von deren Selbst- bekerrtchung und Kaltblüii >keit e- abbängt, ob der Tag mit Blut b-fleckt wurde oder nicht. Die Unterg-benen zogen ge- zwungenermaßen den Sabcl. Nicht sie haben zugeichlagen, sondern die Vorgesetzten; sie waren es, die die Mißbanc- lun en und Verwundungen hätten vcrbüten können. Se baden eS nicht getan, sie baden Blut fließen lassen. Die Regierung und die berrlchenden Klassen werden eS aus- zubadeu haben. Von der Erbitterung, von der Empörung der Arbeiterschaft kann sich nur der einen Begriff machen, der sie miierlcbt und mitempfindet. Bor den blitzenden Klingen der Polizei ward der Ruf ausgestoßen: Jetzt kommt der Massen streik! Und wer die Stimmung des Proletariats kennt, weiß, daß dieser Streik nicht eine leere Drohung ist, der weiß, daß die Massen der Arbeiter heute auf viesea Ruf warte». Noch hat die Regierung eS in der Hand, da- äußerste z« ver hüten, noch können die Nationalliberalen durch tätige Ein wirkung die drohende Schädigung, die ihnen die Arbeits einstellung verursachen würde, verhindern, vermeiden. Mögen die Herrichendea handeln, «de eS zu spät ist." — Ob d>e von dem sozialdemokratischen Oraan aus gesprochene Anklage gegen die köderen Polizeibeamten auf Wabrbeit de>ubt, muß alSdald die Untersuchung der ganzen Affäre zeigen, die hoffentlich energisch, und zwar von liberaler Seite in der Kammer gefordert werden wird. Aber schon jetzt lcheinen fast alle Berichte darin übereinzustiminen, daß man von Seiten der Polizei eine starke Neivosität ge zeigt bat, die d e Situation nicht verbesserte, sondern ver schlimmerte. Wie ganz ander- war da» Verhalten der Polizei in Leip,«gl Hier ließ man die Massen gewähren »nd ihn Demonstration vollzog sich i» voller Ruh« »»d en Ein korn m er ständniS „ . .. doch die ganze Reform gar keinen Zweck, und der scharf ablehnende Standpunkt, den wir von vornherein der Vorlage gegenüber eingenommen haben und auch fernerhin einnehmen, recht- fertigt sich dadurch um so mehr! Wirtschaftspolitischer Ein fluß rst ja gerade da», wo» wir für die Industrie ihrer aus schlaggebenden Bedeutung wegen forderns Venn do» genannte Blatt ferner meint, weiteraehende Pläne der Negierung würden an der Verfassung und der Zu sammensetzung der Ersten Kammer scheitern, so verfängt dieser Einwand ganz gewiß nicht! Kennt der „DreSd Anz." so wenig die Erste Kammer, daß er nicht weiß, wenn nur die Regierung den ernsten Villen zeigt, die Vorlage durch zudrücken, dann werden auch viele jetzt noch widerstrebende Elemente für sie stimmen? Die Neuerung hat der Ersten, auch der Zweiten Kammer gegenüber viel zu wenig Rück- aezeiat. hat vielmehr den Männern mit Ar und Halm spielen zu können. Zeig« di« Regierung doch mal, daß st« auch ander- kann! .... - ..... Der „Drrsd. Anz." bezeichnet selbst da» Zugeständnis der Negierung als .um so unbedeutender, je mehr man sich die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten von Handel und In dustrie in Sachsen vor Augen hält", und erklärt einen Ruck- blick aus die volkswirtschaftliche Bedeutung der Industrie, des Handel» und de» Gewerbes seit der Reform von 1868, m dec die Erst« Kammer um z w ö l f auf Lebenszeit gewählte Abgeordnete von landwirtschaftlichem Beruf und um weitere fünf vom König ernannte Mitglieder gleichen Charakters vermehrt wurde, für überstujsia. Ganz recht. deS Rückblicks selbst bedarf es nicht mehr, wohl aber verdient die Tatsache in Erinnerung gebracht zn werden, daß damals ohne weiteres der Landwirtschaft das Recht zu gestanden worden ist. zwölf Vertreter zu wählen, während man heute, säst 40 Jahre später, sich noch immer nicht ent schließen kann, der Industrie das aktive Wahlrecht zur Ersten Kammer zu geben, ohne daß auch nur ein einziger stichhaltiger Grund für dieses unquasiflzierbare Verhalten der Regierung angegeben weiden kann. Wir haben schon neulich daraus hin- aewiesen, daß der Berufung eines Industriellen in die Erste Kammer prompt die Berufung eines Großgrundbesitzers ge folgt ist, der allerdings auch Besitzer eines der Kohlenberg werke Sachsen» ist, was der Präsident Graf Vitzlhum von Eckstädt ausdrücklich bei der Vereidigung deS neuen Kammer- mitgliedeS am 29. v. M. betonte. ES fällt un» nicht lm entferntesten ein. anzunehmen, daß in diesem Falle bei der Hervorhebung dieser letzteren Eigenschaft des Herrn v. Arnim eine bestimmte Absicht vorgcwaltet hqt, wir erwähnen dies lediglich deshalb, um b-rvorzubeben, wie nahe die Gefahr liegt daß Industrielle, die zugleich Rittergutsbesitzer sind und infolgedessen agrar-konservative Anschauungen und Neigungen haben, gegen die Industrie ausgesoielt werden. Und gerade deshalb erklären wir unS nochmals auf das schärfste gegen die Regierungsvorlage, die eine Ernennung der Industriellen durch den König Vorschlägen soll. Eine solche Vertretung der Industrie wurde eine Scheinvertretung sein und sich als ein Danaergeschenk schlimmster Sorte erweisen, das vesl-olb » limin« abgeleynt werden muß. Es ist nur zu sehr zu befürchten, daß die ernannten Vertreter stet» mit den Aqrarkonservotioen gehen und so deren Einfluß noch ver stärken, statt ihnen das im Interesse der Industrie und des gesamten Lande- liegend« Gegengewicht zu bieten. Und V rum ist > S auch verfehlt, rr dem wa» die Vorlage gewähren »siill. den Anson«, die .Voraussetzung für den endgültigen Erfolg" zu sehen. Ist der Weg der Ernennung erst einmal betreten, jo wird man ihn auch weiter wandeln wollen, und der Industrie blüht die liebliche Aussicht, noch mehr Herren in die Erste Kammer zu bekommen, von denen man wohl weiß, woher sie kommen der Fahrt, und auch die Namen, ober nicht, wie ihre Art. Gerade darum aber gebietet die Real politik ganz energisch die Verwerfung der Vorlage, die am besten gar nicht an den Landtag gelangte. Tritt die Negie rung doch mit ihr hervor^ so dokumentiert sie damit lediglich, daß sie die politische Mündigkeit abhängig machen will von dem Besitz mehr oder weniger großen ländlichen Grund besitze», und sie stellt damit der Industrie ein Zeugnis au», daS im höchsten Grade ungerecht ist und direkt als «ine Vorlage gegen die Industrie empfunden werden muß. Wenn die Leitung der nationalliberalen Partei darüber anderer Meinung ist, so kann uns das in unserer Auffassung nicht beirren. ES ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, in solchen Fällen, wie der vorliegende, unsere Stimme zu er heben und warnend auf die große Tragweite der geplanten Aenderung aufmerksam zu machen, und wir werden dies im liberalen Sinne tun, so oft und so kräftig wir es für nötig halten. Und wenn wir dabei von Seiten der konservativen Presse Angriffe erfahren, so wird uns das nur ein Zeugnis dafür sein, daß w i r auf rechtem Wege sind, während das Lob, da» vom „Vaterland" und Blättern ähnlichen Genres immer wieder nationalliberalen Abgeordneten gespendet wird diese doch endlich stutzig machen sollte, wessen Geschäfte sie eigentlich im Landtag besorgen. Ganz gewiß nicht die eines selbständigen Liberalismus, der für Handel und In dustrie die gleichen Rechte verlangt, die vas konservative Regime der Landwirtschaft längst gesichert hat» ohne alle größere Bedeutung. Gerade diese- Leipziger Vor bild hätte in Dresden zur Nachahmung reizen können. Statt Hessin hat dort Vie Polizei schon am Freitag erklärt, man weide die Demonstration „wie die in Leip-ig" nickt vulden. Die Folgen zeigen sich jetzt l Und daß vieie Folgen nicht zu dauelndem Scharen gereichen wecdcn, dafür Werren hoffcnttich in ibiem Teil die Liberalen im Landtag zu Ivigen suchen. Aber da- nicht au-Furcht vor den Diohunacn vcr Sozialdemokratie mit dem Massenstreik — solche tviichie Drohungen erfreuen nur die Vertreter der Realtion unv provozieren schaife Gcgenmaßregelu — sondern weil volle Klarheit darüber werden muß, wer die Schuld an de» Dresdner Gcsckehnissea hat. Zu den Slraßeniundgebnngen am Sonntag wird uns noch von unserem Korrefponcenten gemeldet, daß von den vorgenommenen Verhaltungen nur vier auirechi erhalten wuiden, alle übrigen Verhafteten wurden entlassen. Während von anderer Seile Schauei mären über schwere Verletzungen trachtet werten, hält das Polizn- piäsidium daran fest, daß es sich nur um leichtere Verletzungen handelt. * Der preußische Landtag tritt am heutigen Tage zur 2. Tagung der 20. Legislaturperiode zusammen. Die Eröffnungssitzung für beide Häuser deS Landtags findet um 12 Uhr ini Weißen Saale des Königlichen Schlosses statt, die Thronrede wird der Kaiser selbst verlesen. Die erste Sitzung des Abgeordnetenhauses findet um 2 Uhr, die des Herrenhauses um 3 Uhr nachmittags statt. Tas Herrenhaus vertagt sich nach der Wahl des Präsidiums bis Ende Januar voraussichtlich, während das Abge ordnetenhaus bis zur Weihnachtspause das Volksschul unterhaltungsgesetz beraten wird. — Die Parteien des Abgeordnetenhauses werden in folgender Stärke erschei nen: Konservativ 141, Freikonservative 63, National liberale 76, Freisinnige Volkspartei 23, freisinnige Ver einigung 8, Zentrum 95, Polen 13, fraktionslos sind 9. Erledigt sind zur Zeit 5 Mandate, nämlich 1) Berlin durch den Lod des Abg. Dr. Hirsch (Berlin), am 26. Juni 1905, 9) Frankfurt durch den Tod des Abg. Frhr. v. Willisen am 16. August 1905, 15) Schleswig-Holstein durch die Ernennung des Abg. Dr. Stockmann zum Re- gierungspräsidenten am 23. September 1905, 12) Kassel durch die Ernennung des Abg. Dr. Spahn zum Ober- landeSgerichtspräsidenten am 21. November 1905. 4) Arnsberg durch MandatSniederlegung des Abg. Rich ter am 2. Dezember 1905. Von den 429 Mitgliedern sind Neichstagsabgeordnete zugleich 105 Mitglieder (28 Kon servative, 10 Freikonservative, 11 Nationalliberale, 7 Freisinnige Volksparteiler, 40 Zentrumsmitglieder, 7 Polen, 2 Fraktionslose). — Das Herrenhaus hat zur Zeit 313 Mitglieder, nämlich aus Ost« und West preußen 39 (3 Stimmen ruhen), auS Brandenburg 5st (4 Stimmen ruhen), aus Pommern 31, aus Posen 17 (2 Stimmen ruhen), aus Schlesien 47 (14 Stimmen ruhen), aus Sachsen 27 (5 Stimmen ruhen), aus Schles wig-Holstein 10 (2 Stimmen ruhen), aus Hannover 14, aus Westfalen 22, aus Hessen-Nassau 13 (3 Stimmen ruhen), aus der Rheinprovinz 82 (2 Stimmen ruhen), aus Hohcnzollern 1 (2 Stimmen ruhen), aus besonderer Veranlassung sitzt ein Mitglied (v. Villich) im Hause. Im ganzen ruhen 41 Stimmen, darunter die Städte Potsdam und Altona. Mithin zählt das Herrenhaus im ganzen jetzt 354 Sitze und 313 Mitglieder. * Die Unterwerfung der Hottentotten. Der Gouver neur v. Lindequist meldet, daß die Unterwerfung der Hottentotten sich unter folgenden Bedingungen voll zogen hat: 1) Abgabe von Gewehren, Munition und Pferden; 2) Zusicherung de» Leben», mit Ausnahme von Mördern; 3) das Vieh wird den Unterworfenen soweit belassen, als e» zum Unterhalt der Frauen und Kinder erforderlich ist; 4) die Unterworfenen werden vorläufig nach Gibeon übergeführt. * Deutschland und England. In einer Besprechung der vom deutschen Botschafter Grafen Wolff-Metternich bei dem Festessen im Lyceum Ladies-Club gehaltenen Rede schreibt der „Daily Telegraph": Es wird auf dieser Seite keine Lässigkeit obwalten, mit irgend welchem Entgegenkommen seitens Deutschland aus halbem Wege zusammenzutreffen. Amtlich hat niemals viel Ursache zu Befürchtungen wegen der englisch-deut schen Beziehungen bestanden. Die nichtamtlichen Be ziehungen sind durch die schlechtesten und wankelmütigsten Elemente bestimmt worden. Es ist Zeit, daß die Torheit aufhört. Die jüngst gehaltenen Reden und Versamm lungen liefern den nicht mißzuverstehenden Beweis von dem Wunsche des nüchternen, seiner Verantwortlichkeit bewußten Volkes von England, daß dieser gefahrdrohend heraufbezogenen Periode englisch-deutscher Antipathie und englisch-deutscher Mißverständnisse ein Ende gemacht werde und daß sie gefolgt sein wollte durch eine Aera gegenseitiger Achtung und natürlicher Rücksichtnahme. „Morning Post" bemerkt: Die Rede des deutschen Botschafters trug den Stempel der natürlichen Gefühls wärme, die kaum verfehlen kann, die engllsch-deutschen Beziehungen wohltätig zu beeinflussen. Wir glauben nicht, daß die Welt für die besonderen Bestrebungen Deutschlands und Großbritanniens zu klein wird. Wir sehen in Deutschland den Mitbewerber, mit dem vor allen anderen Mächten wir unter den gleichen Bedingungen gerne in die Schranken treten. Die „Morning Post" be grüßt sodann Metternichs Versicherung von der freund lichen Gesinnung der deutschen Diplomatie und seine zur rechten Zeit kommende Erinnerung an die Tatsache, daß die deutsch-englischen Beziehungen bisher niemals durch einen ernsthaften Streit unterbrochen worden sind „Daily Chronicle" sagt: Wir bewillkommnen die Rede, weil sie dem englischen Volke hilft, zu verstehen, wie die Deutschen unS gegenüber fühlen. Wir wissen keinerlei Grund für einen Streit, aber wir können nicht blind sein gegen die ontienglische Stimmung, die offen bar beträchtlich durch die deutsche Presse unterstützt wird. Di« Rede wird zur Aufklärung beitragen und ehrenwerte Männer und Frauen m beiden Ländern ermuttchen, für
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