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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.07.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060709018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906070901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906070901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-07
- Tag1906-07-09
- Monat1906-07
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Es liegt allerlei vor, das heute noch in der Entwicklung begriffen ist. Die einschneidendsten Veränderungen dürften sich in der äußeren Vertretung unserer Kolonialpolitik ergeben. Es ist kein Geheimnis, daß der Kaiser selbst der Ansicht ist, daß mit unnachficht- licher Strenge das Revirement durchgeführt werden soll, dem noch mancher Geheimrat zmn Opfer fallen muß. Es fragt sich nur, ob die Forderung ohne Rücksicht auf diplo matische Vorbildung die wirklich geeigneten Leute in die Kolonialregierung zn berufen, in die Tat umgesetzt wird; und man darf besonders gespannt darauf sein, ob das Ge rücht, welches in Exzellenz Heutig den zukünftigen Unterstaatssekretär im Kolonialamt sieht, auf Wahrheit beruht. In schlechten Händen wäre die Kolonialpolitik dann jedenfalls nicht. In der Jnlandspolitik herrscht die übliche Ruhe der Hundstagsferien, wenn man nicht die Debatte über das Volksschulgesetzim Herrenhaus und in der Landkammer als einen kleinen Wind über stillen Wassern ansprechen will. Auch die Nachbarparlamente haben ihre großen Aktionen hinter sich. Herr Giolitti hat die Konvertierung der italie nischen Schuld so schnell unter Dach und Fach gebracht. Laß den Börsenspekulanten keine Zeit blieb zu kleinen Handstreichen. Damit steht der italienische Premier wieder groß da auf Monte Citorio. Auch das Abkommen mit England und Frank reich über die Zukunft Abessiniens hat den Ita lienern in Aethiopien wieder einen Platz gesichert, auf den sie nach der schweren Niederlage von Adua lange Jahre vergeblich gehofft hatten. Ob allerdings in letzter Stunde sich dieses Abkommen nicht als ein genau so unverbindliches Dokument erweisen wird, wie die Kon vention über Marokko, hat die Zukunft zu lehren. Deutschland scheint in Abessinien dieselbe Politik ver- folgen zu wollen, die für Marokko maßgebend war. Wenigstens verlangt eine offiziöse Notiz nur die offene Tür für den Handel und erklärt, daß wir keine direkten politischen Interessen in Aethiopien haben. Für Frankreich wird dieses Abkommen über Abessinien eine Fülle schmerzlicher Erinnerungen in sich bergen, denn die Politik gegenüber dem Negus und die Eisenbahnpläne in Aethiopien haben viele französische Millionen gekostet, ohne zu dem Ziel zu führen, daß den Herren am Quai d'Orsay vorsckstvebte: aus Aethiopien ein zweites Tunis zu machen. Auch andere Pläne, welche gegenwärtig die französische Politik beherrschen, werden zum Teil Zukunftsmusik bleiben, so die vom Senat gut- geheißene Vorlage über die staatliche Arbeiter versicherung. In der gepriesenen Republik nimmt heutzutage tatsächlich trotz der sozialistischen und radi kalen Mehrheit im Parlament die Arbeiterschaft noch lange nicht den Platz ein, der ihr nach deutscher Auffassung gebührte, das Unterneh mertum überwiegt in seinem Einfluß auch heute noch, trotz Courriöres. Man sieht, daß in einer Republik mit ihren gepriesenen Segnungen die Fürsorge für den kleinen Mann weit hinter seinem Schutze in der Monarchie Zurückbleiben kann. Im englischen Parlament brachte Sir Edward Grey noch eine kleine Aktion zustande, als er am 6. Juli sich über Rußland und das Verhältnis zu den Mächten Europas ausführlich aussprach. Die Er- -klärung, wonach derselbe Sir Edward den russischen Kaiser und seine Minister nicht mehr für ver antwortlich für die Judenmetzeleien er klärt und ausdrücklich konstatiert, daß die gute Regierung in Petersburg vollständig ahnungslos über die bevor stehenden Greuel gewesen sei, klingt merkwürdig, wenn man bedenkt, daß noch vor sehr kurzer Zeit derselbe Sir Edward im Parlament eine Tonart gegen Rußland an schlug, die einer sehr energischen Verwarnung an die Herren Kollegen an der Newa verdächtig ähnlich klang. Dem geplanten Flottenb"such in russischen Häfen sucht der Staatssekretär das Mäntlein der Harmlosigkeit umzuhäagcn. Er soll lediglich eine Ehrenerweisung für den russischen Kaiser und das russische Volk bilden; das Echo der Salutschüsse von Kronstadt bei uns wird ihm beweisen, daß man anderswo etwas mehr als eine Höf lichkeit in einem englischen Flottenbesuch zu Kronstadt findet. Ueber Las Bündnis mft Japan g'ng er mit leichtem Schwung hinweg: wozu sollte er auch von der schwächsten Stelle der englischen Poli- t i k viel Worte machen? Sehr deutlich aber wurde er über das Einvernchnien mit Frankreich: Es ist nicht gegen irgend ein anderes Land gerichtet: gute und herz liche Beziehungen zu anderen Mächten können trotz der Montag 9. Juli 1906. Entente mit Paris fortbestehen. — Deutschland wird den englischen Staatssekretär gebührend verstehen. Als guter Sekundant hat Lord Fitzmaurice zu gün stiger Zeit den Schatten des Fürsten Bismarck be schworen, um zu beweisen, daß der größte deutsche Staats- mann stets im geheimen für ein Bündnis mit England schwärmte: der bisher unveröffentlichte Bismarck brief wurde als unanfechtbares Dokument veröffent licht. Der Journalistenbesuch ist gleichfalls kein Zufall gewesen, alles deutet vielmehr darauf hin, daß in England nach den Zeiten schärfsten Gegensatzes zu uns ein Umschwung einsetzt, der beiden Völkern nur vorteil haft sein kann. Auch in Rußland schien ein Umschwung im System vor der Tür zu stehen. Man stimmte bereits die Toten klage um das Kabinett Goremykin an und sah ein libe rales Ministerium am Ruder. Nach den Meutereien der Preobraschenskis und den weiteren Hiobsposten, welche dem Zaren täglich serviert wurden, scheint er eine libe rale Anwandlung gehabt zu haben, die sich allmählich zu einem Plane, ein Koalitionsministerium zu bilden, ver dichtete. Für ein solches ist aber die Duma durchaus nicht zu haben, und so bleibt dem Zaren nur übrig, entweder die Duma aufzulösen und damit einen neuen und unge heuren Brand in ganz Rußland zu entfachen oder aber gegen den Willen der bisher allmächtigen Reaktion es mit einem ganz liberalen System zu versuchen, das ihm sehr leicht eine Revolution von oben einbringen kann. Jedenfalls steht Europa unter dem Gefühl, daß für Ruß land eine neue Aktion der Gewalt vor der Tür steht. Deutsches Keich. Leipzig, 9. Juli. * Erzbergers Rückzug. Der bekannte Zentrumsab geordnete, der seinen Ruhm darin sucht, immer und immer wieder mehr oder weniger schlecht begründete An klagen gegen die Kolonialverwaltung zu schleudern, gibt jetzt seine Absicht dahin kund: nachdem der Reichskanzler die Erneuerung des Beamtenkörpcrs der Kolonialysr- waltung angekundigt und teilweise durchgeführt habe.- und somit ein von Erzberger schon im Dezember 1905 ge- äuherter Wunsch erfiillt sei oder wurde, halte er es für angezeigt, vorerst jede weitere Erörterung über koloniale Mißgriffe in der Vergangenheit einzustellen, schon um der Verwaltung Zeit zu geben, ihre Absicht durchzu führen. — Da die Ankündigung der Erneuerung des Beamtenkörpers schon vor den letzten „Enthüllungen'" Erzbergers erfolgt ist, so dürste man nicht fehl gehen, wenn man für Erzbcrgers Waffenstillstands-Erklärung doch noch andere Motive sucht als die von ihm hier an gegebenen. Wir wiesen schon darauf hin, daß der Besuch des Prinzen Arenberg beim Reichskanzler in Norderney seine besonderen Ziele haben dürfte; und man geht wohl nicht fehl, wenn man Erzbergers plötzliche Friedensbereit schaft mit der Mission des Prinzen Arenberg in Zu sammenhang bringt. Ob dem Führer der schwarzen Kolonialgegner im Einverständnis mit Bülow durch den Prinzen „gedroht" worden ist oder ob gewisse Ver sprechungen gemacht worden sind hinsichtlich der Aemter- besetzung im Kolonialamt, dessen Errichtung der Reichs- kanzler im Herbst mit Energie betreiben wird? Die Zukunft wird es lehren. Jedenfalls sucht sich Erzberger jetzt für eine weitere Verhandlungsfähigkeit mit der Regierung auch dadurch zu saldieren, daß er in der „Germania" bestreitet, für alle auf ihn zurückgc- sührten Angriffe gegen die Kolonialverwaltung, die in ihm nahe stehenden Blättern erfolgt sind, verantwortlich gemacht werden zu können. Auch das läßt „tief blicken". * Rosenbergs Attentatspläne. Die Voruntersuchuna gegen den in Altona verhafteten Anarchisten August Rosenberg nimmt ihren Fortgang. Am Sonnabend ist Rosenberg in das Untersuchungsgefängnis gebracht worden. Die Untersuchung wird persönlich von dem Polizcichef Geheimrat Rosenhagen geführt. Bei der Kriminalpolizei ist der Verhaftete als einer der gefähr lichsten „Anarchisten der Tat" seit langer Zeit bekannt. Die gestern und heute stattgefundenen Vernehmungen haben die schweren Verdachtsgründc, daß Rosenberg ein Attentat auf unseren Kaiser geplant habe, nicht be- seitigen können. Man glaubt vielmehr, daß ein Attentat nur durch die Umsicht der Polizei und die rechtzeitige Verhaftung verhindert worden ist. Stündlich trifft in Altona neues Material gegen den Anarchisten ein. Zwischen der Altonaer politischen Polizei und den ameri kanischen Polizeibehörden findet ein lebhafter Depeschen wechsel statt. — Gegenüber diesen Rosenberg belastenden Nachrichten wir- der „Frkf. Ztg." aus New Aork ge meldet: Die Festnahme Rosenbergs in Altona erregt in der deutschen Bürgerschaft von Seattle teils Entrüstung, teils Verwunderung, da Rosenberg als harmloser Far benmischer bekannt ist, der chemische Versuche zur Her stellung neuer Farbenkombinationen machte. Der Deutsche Zentralverein erklärt die Anzeige bei der Polizei als Racheakt eines Feindes Rosenbergs. * Disziplinarstrafen in Gefängnissen. In einem Runderlaß weist der preußische Minister des Innern darauf hin, daß nach der letzten statistischen Uebersicht in einigen Strafanstalten die Zahl der mit Disziplinar strafen belegten Gefangenen zur Durchschnittszahl sehr hoch sei, während die Ziffern anderer Anstalten zeigten, daß auch bei seltenerer Verhängung von Strafen die Disziplin aufrecht erhalten werden könne. Muß auch, heißt es dann weiter, anerkannt werden, daß neben Eigentümlichkeiten der Bevölkerung einiger Einliefe- rungsgebiete die baulichen Einrichtungen mancher An stalten die Disziplin erschweren und damit eine häufigere Strafanwendni'" herbeiführen, so wird dennoch bei sach gemäßer Behandlung der Gefangenen auch in den un günstiger gestellten Anstalten vermieden werden können. Laß mehr als die Hälfte der durchschnittlichen Ge- fangenenzahl im Jahre bestraft erscheint. Nicht jeder geringfügige Verstoß gegen die Hausordnung erfordert Strafe; häufig genügt Belehrung und Zurechtweisung. Bei Ausschreitungen von Gefangenen, deren Geisteszu stand Bedenken erweckt, ist von einer Bestrafung überall vorerst Abstand zu nehmen und sorgfältige Beobachtung unter Mitwirkung des Arztes einzuleiten. Da die Grenze zwischen Geisteskrankheit und Verbrechen sehr schwankend ist, schärft der Minister besonders ein: Es ist darauf hinzuwirken, daß Gefangene, die der Geistes krankheit auch nur begründetermaßen verdächtig sind, unverweilt für die Jrrenabteilungen angemeldet werden. Die Annahme der Verstellung ist in jedem Falle akten kundig zu begründen, und auch in den Jahresberichten mit Gründen zu belegen. * Dr. Barth und die Sozialdemokratie. Gelegentlich eines Rückblicks auf die Englandreise der deutschen Nedaktteure tadelt Dr. Barth in der „Nation" die brutale Geschmacklosigkeit des „Vorwärts", der einen Artikel veröffentlichte, der gegen die Teil nahme der Frau Lily Braun an der England reise gerichtet war, und in dem versucht wurde, die ganze Veranstaltung als ein kapitalistisches Unternehmen darzustellen, an dem sich ein Journalist mit höheren proletarischen Ehrbegriffen nicht hätte be teiligen dürfen. Unter den Führern der englischen Arbeiterpartei sei für diese scheelsüchtige Auffassung auch nicht das geringste Verständnis zu finden gewesen. Der Führer der sozialistischen Arbeiterpartei im englischen Unterhause, Keir Hardie, hatte gar kein Bedenken ge tragen, in denAusschuß des .^aglo-Olorinan k'riencksftip Oomnutte«; einzutreten. Er nahm auch an dem Empfang auf der Terrasse des Parlamentsgebäudes, der von dem Kciegsminister Mr. Haldane gegeben wurde, mit vielen anderen Arbeitcrvertretern teil. Ter Gedanke, daß sich eine Vertreterin der sozialdemokratischen Presse Deutschlands an der Journalistenfahrt aus prole tarischem Klafsengefühl nicht hätte beteiligen dürfen, er schien diesen Engländern so grotesk, daß sie nur die Bezeichnung »iUv (albern) dafür fanden. Die Angriffe des „Vorwärts" auf die Genossin Lily Braun seien nichr nur ästhetisch empörend, sondern auch ungemein charakte ristisch für die Philisterhaftigkeit dieser angeblichen Revolutionäre. „Die geistige Enge, so schreibt Dr. Barth, die darin zutage tritt, ist jener reaktionären Bor niertheit wesensverwandt, di ' es für unzulässig hält, einer Denkmalsenthüllung z.. Ehren eines revolutio nären Freiheitskämpfers, wie es der Dichter Kinkel war, beizuwohnen. Solche philiströse Beschränktheit trägt mehr als vieles andere dazu bei, daß unsere deutsche Sozialdemokratie politisch trotz ihrer drei Millionen Stimmen so ohnmächtig ist." Und weiter schreibt Dr. Barth: „Unsere Sozialdemokratie posiert gern als revo lutionäre Partei; im Grunde ist sie trotz ihres fürchter lichen Programms eine Partei, in der Philistervor urteile die eigentliche Herrschaft ausüben. Ich hatte Ge legenheit, nut Bernhard Shaw, der selbst Sozialist und daneben einer der geistvollsten Beobachter unserer Zeit ist, über die deutsche Sozialdemokratie zu reden, und ließ dabei einfließen, daß ich selbst kein Sozialdemokrat sei, worauf er mir zur Antwort gab: „Das we > Wie könnten Sie auch ein deutscher Sozialdemokrat sein, Sie sind ja viel zu radikal dazu!" * Steine politische Nachrichten. Ter „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Verleidung des Großkreuzes des Roten Adler- Ordens an den Grasen v. Hohenthal und Beraen und des Roten Adler-Ordens an den Fabrikanten Stadtrat Max Kohl in Chemnitz.—Justizrat Mammrot, der Vertreter des Arbeiters Biewald, hat gegen den negativen Bescheid der Staatsanwaltschaft in der Crmittelungssache nach dem Schutzmann, der dem Biewald die Hand abgehauen haben soll, Beschwerde beim Landgericht Breslau eingereicht. — Am 5. Juli sand in Hamburg die neunte aus allen Teilen des Reiches gut besuchte Zusammenkunst der Vereinigung deutscher Handels- und Gewerbekammer-Sekretäre statt. — Die „Breslauer Ztg." bestreitet die Behauptung der „Nordd. Allgem. Ztg.". daß die slawischen Einwanderer nach wie vor in Zukunft in den Wintermonaten Deutschland verlassen müssen, und verlangt, daß die „Nordd. Allgem. Ztg." den Wortlaut der in Rede stehenden ministeriellen Verfügung veröffentlicht. — Nach einer Zu sammenstellung der „Schlej. Korresp." sind vom 1. bis 30. Juni abermals 34 Grundstücke aus deutschem in polnischen Besitz über gegangen, während nur 14 polnische Grundstücke umgekehrt in deutschen Besitz übergingen. Kusianck. Oesterreich-Ungarn. * Der Zollkrieg mit Serbien. In der Schlußsitzung der Ungarischen Delegation am 7. Juli interpellierte Rakovszky den Minister des Auswärtigen über den Grund der Einstel lung der Handelsvertraqsverhairdlungen mit Serbien; er fragt ferner, ob es wahr sei, daß als Bedingung für den Ab schluß des Provisoriums gegolten habe, datz wenn Geschütze bestellt würden, diese bei Skoda bestellt werden sollten. Dies stehe in Widerspruch mit den Erklärungen des gemeinsamen »rinanzministers. Endlich fragt der Interpellant, welche Schritte der Minister des Auswärtigen zur schleunigen Be endigung des Zollkrieges zu unternehmen gedenke. Der Sek tionschef von Müller erklärt, daß die Verhandlungen deshalb eingestellt seien, weil es sich herausaeftellt habe, daß Serbien sich infolge der mit Bulgarien angeblich abgeschlossenen Zoll union aut ganz anderer Grundlage beiand, als bei der Er- össnung der Verhandlungen angenommen wurde. Ferner sei Bedingung gewesen, daß die serbische Regierung während des Provisoriums nichts unternehme, was der Frage der Be- stellungen präjudizieren könnte. Zum Schluffe erklärt der ^ektionschef, die baldige Beendigung des Zollkrieges hänge ganz von Serbien ab, da Serbiens Antwort die heutige Lage berwtfbeschworen habe, und versichert, der Minister des Aeußeren handle nur im Einvernehmen mit den beiden Re- ffierungen. Der Interpellant erklärt sich durch die Antwort deS Ministers nicht zufriedengestellt. Die Majorität der Delegation nimmt die Antwort de« Ministers jedoch zur Kenntnis. Mit Eljennusen auf den Monarchen wird M. Jahrgang. die Sitzung geschlossen. — Auch im ungarischen Abaeordne- tenhame wurde der Zollkrieg erörtert. 'Der Ministerpräsi dent Wekerle beantwortete die Interpellation über die Ur sachen der Grenzsperre gegen Serbien und bekämpfte zunächst die Aeußerung eines Mitgliedes der Kossuthpartei, daß der Zollkrieg den Rachegelüsten des Ministers des Aeuße ren Grafen Goluchowski entspringe; es seien aus schließlich wirtschaftliche Gründe maßgebend gewesen. Oesterreich-Ungarn habe für 71 Posten des Zolltarifs Herab setzungen verlangt, Serbien habe jedoch nur bei 11 Positio nen Ermäßigung eintreten lassen. Die Forderung auf Be stellung von Skodakanonen habe die Regierung fallen lassen, dagegen die Bestellung von Eisenbahnwagen, Lokomotiven, Munition und Petroleum verlangt. Ta 90 Prozent der ser bischen Ausfuhr nach Oesterreich-Ungarn gehen, sei diese Ausgleichsforderung berechtigt gewesen. Serbien habe schon während des Zollprovisoriums Erleichterungen für die Vieh einfuhr gewünscht, die veterinär-polizeilich bedenklich gewesen seien. Für den Fall, daß während des Provisoriums ein definitiver Vertrag vereinbart werden sollte, solle dieser di« österreichisch-ungarische Monarchie binden, während Serbien diesen von der Zustimmung der Skupschtina habe abhängig machen wollen. Die Monarchie sei daher gezwungen ge wesen, die Grenzsperre zu verhängen. Die Antwort des Ministerpräsidenten wurde mit großer Mehrheit zur Kennt nis genommen. — Alle Einfuhrartikel aus Serbien sind bis auf weiteres laut amtlicher Bekanntmachung nach den allge- meinen Zollsätzen zu behandeln. Frankreich. * Die Frage der Ehercform in Frankreich. Unser Pariser Korrespondent schreibt uns: Der „Ausschuß für Reform der Ehe", der auf Anregung des „Gil Blas" in Paris zu- sammenaetreten ist und u. a. die Schriftsteller Maurice Maeterlinck, Paul und Victor Margueritte und Marcel Prevost, sowie die Juristen Raymond Poincara, Finanz- Minister, und Präsident Magnaud zu seinen Mitgliedern zählt, hat in monatelanger Arbeit einen Gesetzentwurf vorbereitet, der nun der Kammer und dem Senat überreicht werden soll. Dem Entwurf ist eine längere Einleitung aus der Feder des Juristen Henri Coulon vorangcffwllt, in der die Gründe, die ein Gesetz über die Reform der Ehe not wendig erscheinen lassen, auseinandergesetzt werden. Der Entwurf schlägt eine dreifache „Modernisierung" der be stehenden Gesetze über Ehe und Scheidung vor; er erstrebt möglichste Vereinfachung der Bedingungen, die beim Ein gehen einer Ebe zu erfüllen sind, völlige gesetzlicbe Gleich stellung der beiden Gatten und Erleichterung der Scheidung. Ebe uns Scheidung sind bekanntlich in Frankreich viel mehr erschwert als z. B. in Deutschland und England wo auch die Rechte der verheirateten Frau bedeutend größer sind als die der französischen Ehegattin. Es ist wohl anzunebmen, daß Kammer und Senat die vorgeschlagenen Gesetzände rungen genehmigen werden. Fraglich dagegen erscheint es, ob auch die geforderte Aufhebung der Paragraphen des Strafgesetzbuches, die den Ehebruch betreffen, vom Parka- ment beschloßen wird. Der „Ausschuß für Reform der Ehe" beantragt die Aufhebung der betreffenden strasgesetzlichen Bestimmungen mit dem Bemerken, daß sie fast ausschließlich der Rachsucht dienen. * Passiver Streik in den Torpcdowerkstätten von Toulon. Der „Temps" konstatiert das auffallende Sinken der Leistungen in den Torpedowerkstätten von Toulon. Die Werkstatt für Whitehead-Torpedos hat 1901 deren 157 ge liefert. 1902 sank die Zahl auf 125, 1903 auf 107, 1904 aus 98 und 1905 gar auf 09. In der gleichen Zeit sind die Löhne bedeutend gestiegen. Sie betragen heute 1942 Frcs. für einen Whitehead-Torpedo gegen 784 Frcs. im Jahre 1902. Nach dem „Temps" ist das starke Sinken der Leistungen durch den „passiven Streik" der sozialdemo kratischen a n t i m i l'i t a r ift i s ch e n Arbeiter zu er- klären. Frankreich sicht sich dadurch zu Bestellungen im Ausland gezwungen. Italien. * Erfolg der Rentenkonversion. Am Sonnabend wurde die Dcputiertenkammer auf unbestimmte Zeit vertagt. Gegen Scbluß der Sitzung erklärte der Schatzministec in Erwiderung einer An frage, er werde den Hauplbericht über das Ergebnis ter Renten konversion bei Wiederausnahme der Arbeiten der Kammer vorlegen. Er sei indessen glücklich, mitteilen zu können, nachdem beute die Frist für die Rückzaülunasforderungen abgelausen sei, daß von 8 Milliarden und 100 Millionen Kapital nur Rückzahlungen von ungefähr 1700000 Lire Kapital in Italien und von ungefähr 2 Millionen Lire Kapital im Auslande verlangt worden seien. iSebr lebhafter Beifall.) In der Summe der in Italien verlangten Rückzahlungen sei indessen 1 Million einbegriffen, die einem Fremden gehöre, so daß italienische Inhaber italienischer Rente nur die Rückzahlung von 700 000 Lire verlangt hätten. Ec fei auch glücklich mitteilen zu können, daß an den beiden wichtigsten Märkten für die italienische Rente, Paris und Berlin, keine Rückzahlung verlangt worden sei. (Beifall.) Der italienische Schatz ' habe die große Finanzoperation ganz aus eigner Kraft übernommen. Ter Schatz habe sich für alle Even tualitäten die Unterstützung zweier mächtiger Finanzsyndikate ge sichert, an deren Spitze das Haus Rothschild und die Banca d'Jtalia ständen. Aber diese Unterstützung müsse lediglich als «ine mora lische betrachtet werden, wie es auch die-äußerst kleine Ziffer der geforderten Rückzahlungen beweise. Sicherlich werde die Kammer diese Nachrichten mit Genugtuung anfnehmen, sie zeigten klar das große Vertrauen, deren sich die italienischen Finanzen im Auslände erfreuten, und die ständig wachsende Wohlhabenheit des Landes. (Lebhafter langanhaltender Beifall.) — Bevor sich die Kammer vertagte, sprach Präsident Biancberi dem Ministerpräsidenten Giolitki und der Regierung unter dem lebha'ten Beifall des Hauses den Dank der Kammer >.uS für die tatkräftige Betand- lung der Rentenkonversion. Giolilli eiwiderte dankend. * BcwunSerungc-Potum für Sen Erklctterer des Rn wenzori. Der Senat nahm am 7. Juli ein'ffmmig einen von d Regierung unterstützten Antrag Pieranioni an, in welchem dem Herzog der Abruzzen für seine kühne Beste gung des Ruwenzori bewundernde Anerkennung ausgesprochen wird. England. * Herabsetzung des KriegSbudgetS. Unterstaatssekretär Winston Churchill jagte in einer Rede, die er in Altrincham hielt, einige Mitglieder der Regierungspartei seien etwas voreilig gewesen, als sie sich im Beginn der ParlamentSsession beeilten, gegen den HeerrZ- etat zu stimmen. Es wäre bester gewesen, wenn sie Weitnces ab gewartet hätten, damit Kriegsminister Haldane freiere Hand ge habt hätte, die Etat-Herabsetzungen durchzuiühren. zu denen sich die Regierung durchaus verpflichtet fühle, unb die sie in den Kosten und dem llmsan e ter Ausrüstung zu Lande ausststühren entichlofsrn sei. Diese Ankündiguin, die Minister Haldane am Donnerstag im Parlament machen werde, werde von allen "truppen der liberalen Partei mit völliger Befriedigung ausgenommen werden.
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