Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.10.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071002020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907100202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907100202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-02
- Monat1907-10
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abend-Ausgabe 8. Bezngs-PrM Kc L«mia ilragrr vtrrttVhlltch ,) <2 mal ttglÜ und der drutlö 5.25 vr., mona beftellgZd W Ungarn l«vte PoftLÜUrr» mrd mid Ln Di- ein^lae Siumomr kotz-« w PfG. Johamitttzastr ti. Llwbon Nr. I4M2, Nr. I4W3, Nr. I««. »rrltnrr NrlnrNion» Vvrra»: Berlin k^V. '(. Pri», Louir Frrdinand. Straß- I. Trlrphoo I, Nr. 9275. Handelszetttmg. ILmlsvsatt -es Rates rm- -es Nolizeiamtes -er LLa-t Leipzig. Dnzeigen-Preit Uk Ins-ral« au» Leipzig und Umgebung dl« 6 gespaltene Petit,eile 25 Pi., finanziell« Antigen 30 Pf., dteklamen l M.; von auswärt» 30 Ps., Reklamen 1.20 M.: vomAudland kOPs., finane. An zeigen 75 Pf., Reklame» I.bO M. Inserat-V. Bcdörden im amtlichen Teil 40 Pi. PeilngegkVikr 5 M. p. lausend erkk. Polt, gcdütir. G-ichaitoanzcigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöbt. ^labatl nach Tarif. Hcstcrtcille Austiäge können nicht znrürk- gczogeu werben. s<ür das Erscheinen an deinmmtcn Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigcn-Annabmc: Airgusiubplay bei sämtlichen slfilialen u. allen Annonce»- Expeditionen de» In- und AnLlanbeL. Haupt Filiale Berlin i Earl Dunck:., Herzog!. Bayr. Hosduch- handlung, Lützowstrasie 10. (Telephon VI, Nr. 4M3). Nr. 273. Das wichtigste vom Tage. * Der fra n zös ische Einfluß beim Sultan Abd ul Az iz ist in beständigem Wachsen begriffen. lS. Ausl.) * In Petersburg wurden abermals acht Arbeiter wegen Er mordung ihres Fabrikherrn -um Galgen verurteilt. sS. Ausl.) Tagesschau. Ungleiche Fürsorge für Volksschulen und höhere Lehranstalten im Königreich Sachsen. Wie anderwärts, Ho stehen auch im Königreich Sachsen die staat lichen Aufwendungen für die Volksschulen zu denen für die höheren Lehr anstalten in keinem auch nur annähernd berechtigten Verhältnis: Der Staat wendet für den Schüler einer höheren Lehranstalt weit mehr auf als für den Volksschüler. Nach offiziellen Angaben aus dem Jahre 190t leistete der Staat von dem Gesamtaufwand der Gymnasien knapp die .Hälfte, von dem der Realgymnasien reichlich ein Viertel, von dem der Neal- und Volksschulen etwa ein Achtel. Ein Gymnasiast kostet dem Staat 162 '^l, ein Realgynrnasiast 76 F, ein Realschüler 36 .L und ein Dolksschüler game 7 Nicht erheblich anders ist es in dieser Be ziehung in den Städten mit städtischen höheren Lehranstalten. Selbst verständlich kann der Staat die höheren Schulen mit den wesentlich höhe- ren Summen, die er für sic ausgibt, auch zweckmäßiger gliedern und weit besser ausstatten. In alten höheren Lehranstalten ist die Zahl der Leh rer stets größer als die der Klassen: in der Volksschule ist cs umaekchrt, ist die Regel, daß 1 Lehrer mehr als 1 Klasse zu verwalten hat. In den höheren Lehranstalten sind die Lehrer zu höchstens 2-1 Stunden wöchent lich verpflichtet: dem Volkssckmllehrer legt das Geich deren 32 auf. Auf 1 Gymnasiallehrer kommen 15 Schüler, auf 1 Lehrer an Realgymnasien oder Realschulen 17,6 bzw. 18,3 Schüler: aus jeden Volksschullehrer aber sind 62,7 Schüler zu rechnen. Am deutlichsten aber tritt dieser Unterschied in der Klaffenbesetzung zutage. Der Durchschnitt für l Klaffe der höheren Lehranstalten ist 26: in jeder Volksschulklasse sitzen durchschnittlich 41,4 Schüler: 1906 aber waren 384 Schulen vorhanden, in denen die durchschnittliche Klassenstärke 45, 257 Schulen, in denen sie 54 betrug und 84 Schulen mit einer Klassenbefetzung von 65. Es wird natürlich niemand behaupten, daß in den Höheren Lehranstalten so etwas wie Bildungslurns getrieben würde, und es wird keinem cinfallcn zu fordern, daß diese Schulen dem für Sachsens Volksschulen maßgebenden „Ideal" angcpaßt werden. Umgekehrt kann aber von keinem, dem es wirklich ernst ist mit der Forderung von Volksbildung im weitesten Um sange, verlangt werden, daß er die Notwendigkeit solch verschiedener unterrichtlicher Versorgung einsiebt. Die Aufwendungen für die Volks schulen müssen in Sachsen wie allerwärts ganz beträchtlich gesteigert werden, wenn die Volksschulen aus überlasteten zu normal arbeitenden Betrieben gemacht werden sollen, wenn die Tatsache der ungleichmäßigen Behandlung der doch gleich bildungsbedürftigen Jugend verschwinden soll. Die westpreutzischen Polen und ihr Bischof. In der polnischen Bevölkerung WestpreußenS macht sich eine recht oppo sitionelle Bewegung gegen den Papst und die Kurie bemerlbar, weil der Vatikan die nationalen Wünsche der Polen nickt berücksichtigt hatte. Die polnische Press« führt eine recht scharfe Tonart und stellt fest, daß in dem polnischen Volke die Empörung weizen des Verhaltens des Vatikans beim Schulstreik immer mehr wächst. Die Verurteilung des Probstes OlSzewSka zu einer schweren Gefängnisstrafe hat mehrere West- preußische polnische Geistliche veranlaßt, in dem Danziger Polenblatt gegen den Bischof Dr. Rosentreter eine Anklage zu richten, die mit den Worten beginnt: „Wir klagen an!" und in der sich auch folgende charakteristische Sätze finden: „Der Erzbischof Dr. von StablewSki ist für den polnisch-katholischen Glauben den Märtyrertod gestorben; die polnischen Kinder baben aus Dankbarkeit an seinem Sarge einen Dornenkranz niedergelegt. So war es in der Provinz Mittwoch 2. Oktober 1907. Posen. Wie war es aber in Westpreußen? Auch hier war bei den polnischen Geistlichen ein heiliger Eifer für di« Schulbeweguog vorhanden, aber leider fehlte eS uns an der Sympathie unseres BbchofS. der van Beginn des Sckul- slreiks an bis jetzt für seine polnischen Schäflein eine besondere Gleichgültigkeit an den Tag legte. Unser Bischof antwortete mit keinem Worte auf die Bitten seiner hunderttausend polnischen SctMein. An demielben Tage aber, als in Löbau der Prozeß gegen acht polnische Geistlich« stattsand, dinierte unser Bischof bei dem Regierungspräsidenten in Danzig. Seit die,er Zeit ist bereits ein halbes Jahr verfloßen, aber unser Bischof schweigt. Bis der Himmel sprack und an läßlich der Anwesenheit des Bischofs in Lemberg der Bliy in di« Kircke ein schlug. Zufälle gibt es nickt, alles was sich ereignet, geschieht mit dem Willen Gottes, so lehrt uns die heilige Schrill. Möge sich nur unser Bischof nicht der Hoffnung hingeben, dntz mit dem Erlöschen des Schulstreiks auch unser« Klagen verstummen werden. Der Schulstreik und die Erinnerung an un'ere gefangenen Geistlichen werden ewig im polnischen Bolke nicht vergeßen werden. Die scharfe Tonart dieser Publikation, deren Wortlaut dem Kardinal Merry del Val nach Rom übermittelt worden ist, erregt in polnischen Kreisen großes Aussehen. Es ist ein in der katholischen Kirche äußerst seltener Fall, daß sich katholische Geistliche gegen ihren Bischof öffent lich auflehnen. Eine Kampagne gegen Tittoni. sVon unserem Römischen I'.-Korrespondentcn.) Der Minister des Auswärtigen Tittoni ist ein eifriger, geschickter und erfolgreicher Verwalter feines Ressorts. Kürzlich haben die Be gegnungen mit dem österreichischen Minister v. Aehrcnthal in Desto und auf dem Semmering sowie sein Besuch bei dem Kaiser von Oesterreich in Ischl viel und zumeist günstig von ihm reden gemacht. Soeben war er wieder in Bern, um mit der Regierung der Eidgenossenschaft persön lich einige komplizierte Dinge im Jntereise der italienischen dauernden und periodischen Auswanderer, sowie die Angelegenheit des zweiten Simplontunncls und der Durchbohrung des Splügen zu erörtern. Seine Betätigung und sein wachsendes Amelien aber fallen vielen Leuten auf die Nerven, zumal sic vermuten, daß Tittoni sich solchermaßen die Basis zu einem gelegentlichen Aufsteigen zur Ministerpräsidentschaft schaffe. Es sind das die Leute, die in Tittoni einen eminent kirchen freundlichen Mann sehen und die klerikale Nuance in der Politik des ber- zeitigen Kabinetts eben dem Einflüsse Tltloiüs zuschrcibcn. Sie halten es darum für zwcckgemäß, mit allem Nachdruck gegen Tittoni ins Feld zu ziehen und durch mehr oder minder authentische Tatsachen und kon- scqucnte Argumentationen Tittoni dem italienischen Volke zu denun- zieren, um ihn dann durch parlamentarische Manöver von feiten der ! extremen Linken gehörig aus dem politischen Sattel werfen lassen zn können. In diesem Sinne wird jetzt „verraten", daß Tittoni, als er noch Präfekt von Neapel war, der Neapel besuchenden Königin von Portugal, die ebenso wie ihr Gatte ans Rücksicht aus den Papst nie habe den „usurpatorischcn" König von J.aliea im ^uirinal besuchen wollen, einen Galaabend im Theater veranstaltet und die Königslogc zur Ver fügung gestellt habe; der damalige Ministerpräsident Zanardclli soll bierob sehr zornig gewesen sein und den „Freund der Priester" zu einem beschaulichen Dasein haben befördern wollen, aber wegen eigener Existenzbeschwerden nicht haben dazu kommen können. Ferner soll es Tittoni gewesen sein, der im Jahre 1904 persönlich und direkt in Ver handlungen mit dem Vatikan eingetretcn ist, um diesem seine Zulassung zur zweiten Haager Friedenskonferenz cinznräumen, falls er den Katho liken die Teilnahme an den politischen Wahlen in Italien gestatte. In der Tat hob damals zn allgemeiner Neberraschung sowie znm großen Mißvergnügen der durch das Dazwischenkommen der nach der konser vativen Seite orientierten katholischen Wählcrscharen in ihren Ebancen schwer geschädigten Parteien der Linken der Papst das „Xon axpackit" im wesentlichen auf. Zugleich informierte das päpstliche Staatssekretariat die russische und die holländische Negierung, daß Italien sich nicht mehr wie bei der ersten Konferenz der Teilnahme eines päpstlichen Vertreters im Haag widersetzen würde; wenn der Vatikan dennoch jetzt im Haag nicht mitspiclt, so liegt das einfach daran, daß diesmal Frankreich sein Veto gegen die politische Assistenz des Vatikans eingelegt hatte und dem Vatikan also ein Ersuchen um Einladung zur Konferenz nicht erst ge stellt hat. Wenngleich man nicht behaupten kann, daß diese Erörterungen 101. Jahrgang. in der Presse und in politischen Zirkeln Herrn Tittoni bis jetzt viel ge schadet haben, läßt sich doch auch nicht jagen, daß sie seine politische Position nicht berühren. Deutsches Reich. Leipzig, 2. Oktober. * Bülow und Grotzüerzog Friedrich I. von Bade». Ueber die Beziehungen des Reichskanzlers zu dem verstorbenen Großherzog schreibt die „Süddeutsche Reickskorresv.": Fürst Bülow durfte sich enger, persönlicher Beziehungen zu Badens entschlafenem Herrscher erfreuen und hat ost ausgesprochen, wie wertvoll ihm das Vertrauen des er fahrenen Großherzogs bei mehr als einem Anlaß gewesen iii. Zn dem seit seiner Berufung nach Berlin verflossenen Zahrzebnt haben zwischen dem dahingelchiedenen Fürsten rind dem Kanzler wiederbolt mündliche Betprechungen stattgefundcn; auch standen Großherzog Friedrich und Fürst Bülow in brieflichem Verkehr. Das Eintreffen der Todesnachricht von der Znsel Mainau mußte unter solchen Umstanden beim Reichs kanzler das Gefühl eines herben, persönlichen Verlustes erwecken. An Seine Königliche Hoheit Großherzog Friedrich II. richtete Fürst Bülow unterm 28. vor. MtS. das nachstehende Telegramm: Eurer Königlichen Hoheit bitte ich, anläßlich de§ Heimgangs des Groß herzogs mein innigstes Beileid auslprechen zu dürfen. Tief bewegt gedenke ich der steten Güte und dcS großen VertinucnS, mit denen mich der verewigte Großberzog während vieler Jahre ausgezeichnet bat. Ick gedenke vor altem der unvergänglichen Verdienste, die sich Großherzog Friedrick um das deutsche Volk erworben hat. Sein Name bleibt für immer verknüpft mit der Wiedererrichtung des Reicks. Er bat die nationale Einigung vorbereitet, hat mitgeholsen sie herbeiznführen und seitdem unermüdlich seine treue und weise Hand über sie gehalten. In Ehrfurcht und Ergebenheit Reichskanzler Fürst von Bülow. * Bei der BeisetznngSfeier in Karlsruhe am Montag, den 7.Okrober, wird der Reichskanzler die Führung der Abordnung des Bundesrats übernehmen. Dieser Abordnung werden außerdem angehören: der bayerische Gesandte Graf Lerchenfeld-Köfering, der mecklenburgische Gesandte Freiherr von Brandenstein und der Bevollmächtigte der thüringischen Staaten Dr. Paulssen.—Viele Tausende pilgerten gestern zur Schloßkirche in Mainau, um dort die aufgebahrte Leiche des Groß» Herzogs zu sehen. Der Andrang war nicht nur aus Konstanz groß, auch aus dem Schwarzwald und dem Scegebict strömten die Menschen herbei, deren Zahl aus über 20 000 geschätzt wurde. Die Dampfer des Boden sees waren nickt mehr in der Lage, den Andrang zu bewältigen — Tausende mußten den Weg nach der Mainau zu Futz machen. * Tie RorSerucyer Koufereuzc«. Die „Neue politische Korre spondenz" bringt nachfolgende authentische Liste derjenigen Botschafter, Minister, Parlamentarier und Publizisten, welche der Reichskanzler in Norderney empfangen bat: Botschafter: Fürst Nadolin, Cambon (Frankreich), Znouyö (Japan), Graf Wolff-Metternich, Graf Wedetl, Sturdza (Rumänien). Minister: von Bethmann Hollweg, vonMoltke, von Tirpitz. Parlamentarier: Bassermann, Bartling, Freiherr vou Gamp, Kämpsf, Liebermann von Sonnenberg, Graf Mirbach, von Nor- mann, Payer, Rösike, Schmidt-Elberfeld, Schrader, Freiherr von Wangen bein,. Publizisten: Huret („Figaro"), Fitger („Weser-Zeitung"), Oertel („Deutsche Tageszeitung"), Röse („Schlesische Zeitung"), Zimmer mann („Lokalanzeiger"). * Deutsch - englische Handelsbeziehungen. Wie die „Voss. Zig." hört, wird zur Neuregelung der deutsch-englischen Handelsbeziehungen dem Reichstage gleich bei Beginn seiner Tagung eine Vorlage zugehen, durch die der Buuvesrat wiederum ermächtigt werden soll, Großbritannien und seinen Kolonien die Rechte der meist begünstigten Nationen auf eine Reihe von Zähren zu verleihen. Ob der Bundesrat dann in der Lage sein wird, von diesem Rechte im bisherigen Umfang Gebrauch zu machen, dürste davon abhängen, wie die Gestaltung des ncucn australischen Feuilleton. Segler -er Lüfte. Ein Tag Luftschiffahrten Zeppelins aus dem Bodensee. Von Norbert Jacques (Konstanz). Als wir gestern die Thurgauer Höhe hinauf kletterten, bis zu den Tannenwäldern, und im Schatten des Waldrains eine Weile den Aus stieg verpusten wollten, sahen wir über das Häuiergevirr von Konstanz yinweg den großen Bodensee mit Ufern und Wolken im üichtschaum des sonnigen Herbsttages liegen. Auf einmal trat aus dem funkelnden Meer ein dunkles Rauchwölkchen heraus. Näher kommend, ward es immer größer und kehrte auf einmal ein langes, schlankes Oval zu uns herüber. Es schwebte in unsichtbaren Bewegungen über Konstanz hinweg: in großem Bogen strich es die Konturen des Ufers ab und cnglitt bald wieder im Nebel. Wir wußten natürlich, daß es Zeppelin war. Aber die Erscheinung war so merkwürdig in der starren Bestimmtheit ihres sicher geflogenen Weges, daß sie einen in der Brust packte. Am nächsten Tage radelte ich nach Manzell. Ich mußte. Die Sonne saugt rasch die flimmernden Nebel auf, die über dem morgendlichen See hängen, wie Schleier über schönen Fraucngcsichtcrn; und als ich am deutschen Ufer die bleiche Straße dahinklog, drückte die Siegerin Sonne schon schwer in di« angeaelbten Rebberge und die Dorf häuser, die mit schönen Bildern die Landstraße besäumten. Als dann di« letzte Linzgauböhe in die Ebene liest erschien um die Biegung eines Hügelwcges plötzlich unerwartet die Bucht von Manzell. In dem weit geschwungenen Ufer öffnete sich drunten deis dunkle Maul der großen Halle, während eine kleinere ein Stück vom Ufer ab im See lag und heftig in der Sonne leuchtete. Ueber den Obstbäumen schwärmten ein paar sonnendurchglühte Fesselballons in sanftem Streichen eines leisen Windes. Aber da er saßt einen die Ungeduld. Surrend sausen die Speichen. Und bald bin ich da! Einen Wiesenpsad hinab zum See. Nahe am User des un ansehnlichen Dörfchens schwimmt das kleinere eiserne Gebäude, das eigentlich die Schublade der großen Holzhalle ist, die jedem fremden Schritt und Auge energisch verschlossen bleibt. Der Ballon streckt seinen grauen Kopf aus der kleinen Halle heraus. Natürlich bin ich nicht allein. Eine ganze ungeduldige Zaungescllschaft liegt im Gras umbcr oder gafft im lonnenarellen Strande zur Halle hinüber. Photographen stehen mit gezückten Apparaten. Bierwagcn und Wurstkörbe. Kinder baden zum Zeitvertreib im See. Wagen scharen sich in der Wiese. Räder in Haufen. Die Sonne glüht, glüht, und alles wartet. Und endlich erscheint am Kopf der großen Halle der erwartet« Zug der Lustschisfer, die das Motorboot besteigen. „Das ist der Zeppelin! ruft die heißblütige Begeisterung meines Nachbars am Zaun. Das Motorboot flitzt zur .Halle im See. Langsam und mit ängstlicher Vor sicht gleitet der Ballon auf dem Eisensteg heraus. Es erscheint ein dicker Kopf mit beträchtlichen Ohren. Ein grauer Leib schiebt sich in die pralle Sonne nach. Ein ungeheurer Walfisch, gesehen von der über treibenden, naiven, unerfahrenen Phantasie eines Kindes, starr ge blendet in der Sonne, beginnt aus seinem Nest zu schlüpfen. Noch hängt er mit einem dicken Schweifende. Im selben Augenblick jedoch zittert er auf, räkelt sich frei ein Stückchen in die Lust hoch. Aber der klein« Dampfer, der bisher müßig herumlag, spannt sich an ein hernbhängendes Tau, zieht an .... der Ballon senkt sich leis-, sträubt sich bebend gegen daL Seil, doch das Dämpferlein bat kräftige Muskeln, und langsam folgt ihm das Luftschiff. Die zwei mit Menschen gefüllten Gondeln hängen eng an dem 120 Meter langen Lew hinaufgezogen. Eine Maschine lärmt auf. Ein Schwall Rauch schlägt auS der vorderen Gondel, und die Hinteren Propeller fangen an, langsam zu drehen, wie ein Ventilator. Dann schnellt das Tau ins Wasser herab, sicher steht die riesenhafte Raupe in eigener Kraft einen Augenblick lang ruhig. Die Motore knattern auf einmal los. Alle Propeller rasen. Die Lappen der Steucrungsohrcn neigen sich. In schönem Theater schwingen die In sassen der Gondeln Fähnlein und Mützen. Vom Ufer erschallt Antwort, und das Luftschiff fliegt im klappernden und ratternden Lärm seiner Motore und Schrauben langgewundcne Schlangenlinien quer in den See hinein. Es wird immer kleiner. Das Geräusch seiner Maschinen singt nun melvdiös und weich, wie Telegrapbcndrähte an der Straße, durch die der Wind streicht. Bald taxiert man, daß es drüben am Schweizer Ufer sein muß; denn gestern hat der Ballon über 50 Kilometer in der Stunde gemacht. Sein Lied ist lange schon verstummt; seine ferne Fahrt eintönig und unkontrollierbar geworden. Aber da sieht man es wenden. Schlank und dunkel kommt es aus dem Sonncndunst immer größer heran. Tas Telegva- phendrahtlied ertönt wieder. Die Sonne glüht feurig-matt um den weißen Leib, hinter dem in den Launen des Herbsttages der Hauch der Alpen als eine riesenhafte, rissige, blasse Silhouette steht, vom Säntis bis znm Montafun. Im Näherkommen steigert der Ballon die Schnelligkeit. Er hält aufs Land zu, dreht östlich über Friedrichshafen hinweg und geht zum ersten Male über die Ebene. Dann nähert er sich im Bogen wieder seiner Halle und dem See. Die Maschinen lärmen über unseren Köpfen. In starrer, weißer Schlankheit schwebt das Schiff schnell über den Obstbäumen dahin. Die grell beleuchteten Wände zittern im Wind. Die vielen bcrabhängenden Stricke liegen starr, bewegungslos, vom Luftzug nach hinten gestrichen, wie Eisenstangen. Die Propeller drehen unsichtbar rasend, und die Er scheinung steht hart, klar und mächtig im blauen Himmel. Sie gehört unserem Vorstellungstreis noch nicht an. Sie überwältigt uns. Sie ist noch ein wenig Wunder. So geht über unS Ergriffene der große Flug wieder zum See. Der Bogen wird noch einmal den anderen Weg geschwungen. In der Herr schaft der Maschinen knixt das schwere Ungetüm mit der Koketterie einer alten Jungfer über uns in den Lüften. Ein Dampfer zieht darunter hin. Der schwarze, steife Zug einer Trajektfährc. Möwen fahren wie blanke Striche hin und her. Und langsam lösen sich aus dem Bild heraus Vorstellungen des Sinnes dieser Fahrt, erst noch als Ahnungen. Segler der Lüfte! Neue, starke, wunderbare Maschine, deren Weg der Erde ein Neues bringt, deren Meilensteine in den Wolken stehen .... ober mit etwas kann ich mich nicht versöhnen. Sollen die zukünftigen Segler der Lüfte solche kurz- und dickwanstige Raupen sein! Unsere armen Früh- lingslüfte, unsere armen Abendhimmcl! Nun entschwebt der Ballon wieder tief in den See hinein Fern auf der Landstraße, die um die Bucht herum schwingt, sehr ich den Luftscglcr noch einmal. Er wiegt sich über seiner Halle, bäumt sich schäumend in der drallen Sonne mit dem Kopf in die Höh' und macht auf der Stelle eine rasche, kurze Drehung — ein Meisterstück der Dressur. Langsam stellt er sich dann wieder gerade, sinkt nieder und scheint das Wasser zu streifen. Aber er ist noch nicht müde. Ich war weiter gefahren, und als ich mich einmal umdrche, ob ich vielleicht noch etwas von dem Schiff sehen könnte, ist es plötzlich wieder hinter mir her. Ich radle auf Meersburg zu, um über den See nach Konstanz zu fahren. Ter Segler schießt schnell über mich hinaus. Die Sonne gleißt auf seinem Rücken, während der Bauch und die beiden Gondeln in weichem Schatten liegen. Er strebt in den tiefen Seeeinschnitt nach Konstanz brncin. Der See empfängt einen langen, leisen Schatten von seinem Leib. Als ich später durch die Straßen von Konstanz ging, promenierte er tief über den Dachfirsten und Gassen hin und her. Wir sahen scharf die schwarzen Silhouetten der Reisenden in den Gondeln, grüßten ergriffen und begeistert hinauf. Als das Luftschiff wieder zum See zurückkchrte, stellten wir uns am Ufer auf und schauten ihm nach. Ach, wer mit euch fahren dürfte! Tort winken die milden Züge der Alpen in Sehnsucht durch die farbige Luft, lind eine so befreite, sich mächtig bewußte Kraft steht in dem großen Schiffe der Luft, daß cs sicher, Alpen, eure fernen Gipfel erreichen wird. Wer mit dir segeln könnte! Den goldenen Seboum der Abendwolken er greifen könnte, wie du unsere armen, crdcngebnndenen Herzen! Oder . .. gehörst du denn nicht zn uns, haben nicht unseres Gleichen dich geschaffen, du Vogel eines Märckwn- und Zanbererlandcs, bizarres, schwebendes Wesen mit den geschlossenen Augen, das so hart und weiß, so sonnenbchanqcn in seiner starren Schwere, so erdenbekreit über den süßen, hcrbstdurchsonntcn Abend des großen Schiväbijchcn Meeres streift! * Verqröfternnq der «Valerie Varberini in Rom. T!e Sammlung hat dank der Liberalität keZ Fürsten Luigi Vaiberini in jüngster Zelt lehr wesentliche Bereicherungen erfahren. ES befindet sich in den Prioatgemäckera der BarberiniS noch eine erheblich« Zahl von Kunstwerken, die woh^
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite