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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.05.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960523015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896052301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896052301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-23
- Monat1896-05
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Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmelchluß für Anzeigen: Abend«Ausgobe. Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Ex-edition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 25S Sonnabend den 23. Mai 1896. W. Jahrgang. Anzeigen Mo die Fvubnunriirev von Dienstag, den 2b. d. Aits., erbitten wir bis spätestens heute Abend 2 Ahr. Nußlands Vorstoß in Centralasten. 9. Seit mehr als drei Jahrzehnten dringt das russische Reich immer weiter in Centralasien vor und nähert sich all mählich den Thoren Indiens, der englischen Weltherrschaft drohend und gefahrbringend. Im Anfang der 60er Jahre eroberten die Russen Buchara und nahmen in rascher Reihen folge bis zum Jahre 1866 Jurlek, Turkestan und Taschkent, zwei Jahre später auch die Hauptstadt Samarkand ein, während sie den Emir nöthigten, sich unter russische Ober hoheit zu stellen. In einem Kriege gegen das Khanat von Kokand im Jahre 1876 wurde, unter Skobelew's Führung, auch dieses unterworfen, worauf aus den vier Bezirken Ferghana, Sarafschan, Syr-Darja und Amu-Darja mit den Provinzialstädten Marghellan, Samarkand und Taschkent, wozu noch später die Provinz SemiretschenSk mit der Haupt stadt Wjernoje trat, das Generalgouvernement Turkestan ge schaffenwordenist. In derselben Zeit etwa wurde auch Khiwa den Russen unterworfen. Rußland schob somit seine Grenzen bis an den Amu-Darja vor, und nur die weiter südlich bis zur persischen und afghanischen Grenze wohnenden Turkmenenstämme be wahrten vorläufig noch ihre Unabhängigkeit. Aber im Jahre 1879 schon unternahm General Lazarew einen Zug gegen ihre Hauptstadt Geok Tepe, welche zwei Jahre später vom General Skobelew erobert worden ist. Bald darauf ging auch Merw in russischen Besitz über, und somit ward das ganze Gebiet vom Kaspischen Meer bis über den Syr-Darja hinaus der russischen Krone unterthan. In den 80er Jahren hat Rußland noch mehrere Gebiete Afghanistans an sich gerissen, indem General Komarow die Grenzorte Pul-i-Ehatum, Sary-Jassy, Akrobat und Zulfikar besetzte. Es drangen somit die Russen in Zeit von 30 Jahren vom Kaspischen Meere bis zur chinesischen Grenze, gegen Süden 150 Werst vor der afghanischen Stadt Herat vor. Um diese zahlreichen Eroberungen in Centralasien zu sichern, sowie andererseits seine Besitzungen noch zu erweitern, hat Rußland im Jahre 1880 noch mit dem Bau der trans kaspischen Eisenbahn begonnen. Diese im Jahre 1888 er öffnete Eisenbahn führt von Usua-Ada über Kysyl-Arwat, Geok Tepe, Aschabad, Nurek und Merw nach Tschardschui, überschreitet hier die größte hölzerne Strombrücke der Welt über den Amu-Darja, um nach Buchara, Katta, Kurgan und Samarkand weiter zu führen. In den allerletzten Jahren ist die Fortsetzung der Bahn von Samarkand bis Taschkent auf einer Strecke von 300 Werst wieder ausgenommen worden. Gegenwärtig hat die russische Regierung beschlossen, eine Bahn von Merw im Turkmenengebiet bis Kuschk in der Richtung nach Herat zu bauen. Der Kuschk-Posten liegt 312 Werst südlich von Merw am Kuschkfluß und 100 Werst von Taschk-Kepri, dem Orte der Schlackt vom 18. März 1885. Dieser befestigte Posten befindet sich 8 Werst vom afghanischen Posten Kara-Tepe und 140 Werst von Herat am Wege zu dem Urdewan- und Sseng-Kotel-Paß. Der neue Eisenbahnweg führt von Merw durch das Jrrigationsterrain der Merwschen Tekinzen, um geht den Damm von Kanschut-Chan-Bent, nähert sich dem Wäldchen von Talschatan-Baba am Murgab und führt längs des linken Murgab-Ufers weiter. Sodann durchschneidet die Linie das Jrrigationsterrain von Jlatansk, westlich vom großen Canal. Beim Damm von Kasyklybent geht die Linie wiederum längs des linken Murgab-Ufers, sodann zum linken Knschk-Ufer, an der Stelle, wo der Fluß sich mit dem Mur gab vereinigt, Passirt die Wasserleitung von Tasch-Kepri und geht zum rechten Kuschk-Ufer über, 8 Werst oberhalb von Tasch-Kepri. Am rechten Ufer des Kuschk führt die Linie durch das Uktscha-Kaj-Wäldchen, Mor Kola, Gons-Chan und Tschemen-i-Bid, durch die russische Ansiedelung „Alexejews- koje" bis zum Kuschk-Posten, dem Endpunct der Merw-Kusckk- Eisenbahn. Die Gesammtlänge der geplanten Bahn beträgt etwa 330 Werst; die Arbeiten sollen in zwei Jahren voll- endet werden. Durch diese neue Bahn rückt somit Rußland ganz an Afghanistan heran und befindet sich in unmittelbarer Nähe von Herat, wohin eS mit großer Leichtigkeit nunmehr Truppen tranSportiren kann. Die hohe politische Bedeutung der transkaspischen Eisenbahn wird somit immer sichtbarer; denn sie sichert nicht allein die einmal gemachten Eroberungen in Centralasien, sondern befähigt auch zum weiteren Vordringen nach dem indischen Ocean. Wenn früher in England der Vormarsch der Ruffen gegen die JnduSlinie für unmöglich erklärt wurde, so ist die Lage jetzt durch die neugeschaffene Operationsbasis eine gänzlich veränderte. Rußland steht jetzt unmittelbar an den Grenzen Afghanistans und führt um den Einfluß in diesem Lande mit England einen eifrigen Wett kampf. Auch ist Dank der transkaspischen Eisenbahn daS Pamirplateau jetzt in den Vordergrund getreten, indem dieses Gebiet für die um die Vormachtstellung in Asien kämpfenden Mächte eine ungeheure Bedeutung erlangt hat. Die inselartige hochalpine Erhebung, welche die Kirgisen sehr bezeichnend Pamir, d. h. „Dach der Welt", benannt haben, stellt den Knotenpunct der drei HochgebirgSzüge Jnnerasiens dar. Hier laufen von Westen der Hindukusch, von Südosten der Himalaya, von Nordosten der Thian-Schan zusammen. Das ganze Gebirge hat ein rauheS Klima und ist wenig bewohn- bar. Nur die Hochtbäler des Amu-Darja und seiner rechten Querflüsse sind zum Theil bewohnbar. In der Richtung den Amu-Darja abwärts reiben sich die Alpenlandschaften Wachan, Garan, Schugnan und Roschan aneinander. Die auf etwa 30 000 Köpfe geschätzte Bevölkerung bewohnt viele kleine Landschaften längs des Flusses. Diese Landschaften sind im Hinblick auf die allgemeine politische Lage für Rußland sehr beaehrenSwerth. DaS rechte Ufer deS Amu bis hinauf nach Darwaz stebt schon seit Jahren unter russischer Hoheit; der Fluß wird mit flachgebenden Dampfbooten befahren. Bis an den Ein gang des Pamir führt somit ein brauchbarer Verkehrsweg, der im Anschlüsse an die transkaspische Eisenbahn — bei Tschardschui — eine ununterbrochene Verbindung bis ins Innere des europäischen Rußlands herstellt und gewiß berufen sein wird, eine für Handelszwecke und militairische Unternehmungen wichtige Rolle zu spielen. Durch die Ver längerung der transkaspischen Bahn von Merw bis nach dem Kusch-Posten erhält diese Linie eine noch weitere Bedeutung, indem nunmehr Rußland in der Lage ist, seine Truppen nach Afghanistan, sowie nach den anderen Grenzgebieten nut großer Leichtigkeit zu tranSportiren. Daß Rußland alle seine Unternehmungen in Transkaspien, namentlich aber den Weiterbau der Eisenbahn aus militai- rischen Gründen beginnt, beweist die militairische Macht entfaltung, die Transkaspien in wenigen Jahren erfahren hat. Zur Zeit ist das russische Centralasien noch in zwei Militairbezirke, Transkaspien und Turkestan, eingetheilt. An regulären Truppen verfügt Rußland in Transkaspien über 10 Bataillone, 2 Kosakenregimenter zu je 6 Sotnien, 1 reitende Kosakenbatterie, 2 Eisenbahnbataillone und IV2 Compagnien Festungsartillerie. In Turkestan befinden sich 29 Bataillone Infanterie, 5 Kosakenregimenter zu vier Sotnien, 4 Arlilleriebrigaden und »/z Sappeurbataillon. Zu gleicher Zeit ist eine ganze Anzahl von befestigten Plätzen errichtet worden. So in Aschabad, Merw, Samarkand, Taschkent, Marghellan für die transkaspische Eisenbahn. Andere, wie Kerki, Petro, Alexandrowski, Fort Perowski und Chodjent, sichern die Wasserverbindungen auf dem Amu und Syr-Darja zum Aralsee, während Kuschk am gleichnamigen Fluß als hochwichtige Ausfallsposition gegen Herat angesehen wird. Hierin liegt nun auch die hohe militairische Bedeutung der neuen Merw-Kuschk-Eisenbahn. Betrachten wir nunmehr noch die militairische Macht Englands in Centralasien im Falle eines Zusammenstoßes mit dem Zarenreich. England verfügt in Indien inSgesammt über rund 260 000 Mann, darunter 71000 national englische reguläre Truppen und 19 Freiwillige, außerdem etwa 27 000 Mann organisirte Truppen der indischen Lehnsfürsten. Der Rest sind indische Truppen mit zum Theil englischen Officieren. Aus taktischen und politischen Gründen sind aber für Operationszwecke nur 60 000 Mann verfügbar. Zur Mobilmachung der Truppen steht ein leistungsfähiges Eisen bahnnetz im Jndusthale zur Verfügung. Man sieht, daß die englische Armee in Centralasien keineswegs einen Vorsprung vor der russischen hat, welche doch noch 100 000 Mann im nahe gelegenen Kaukasus aufbieten kann, von den europäischen Truppen, welche für die westliche Grenze bestimmt sind, ganz abgesehen. Militärisch in Centralasien erstarkt, rückt Ruß land immer weiter vor und steht dort nun vor den Thoren Herats, wohin der nächste Ausfall Rußlands durch die neue Eisenbahn nach Kuschk gerichtet ist. Deutsches Reich. -0- Leipzig, 22. Mai. Der Gewerkverein der Maschinenbau- und Metallarbeiter (Hirsch-Dnncker) hält zu Pfingsten seinen 10. ordentlichen Delcgirtentag in Görlitz ab. Derselbe wird, bei der Reichhaltigkeit der Tagesordnung, eine volle Woche dauern. Der Hauptvor stand veröffentlicht gleichzeitig mit der Tagesordnung den Cassenbe richt der letzten drei Jahre. Darnach betrugen die Einnahmen an Mitqliederbeiträgen in der Gewerkvereins- casse 408 892,90 .6, der Begräbnißcasse 152 175,19 der Krankenkasse 1 115 398,80 An Unterstützungen wurden in derselben Zeit gezahlt: Krankengelder 970 116,00 Begräbnißgelder 55 997,15 und aus der Gewerkvereins- casse für einen Wochenbeitrag von 10 Reijeunterstützung in 6787 Fällen für 1022 218 km 25 555,48 Uebersiedlungsunterstützung in 751 Fällen für 132190 km 17 261,38 Abgestempelte Beiträge Arbeitsloser in 4531 Fällen für 16 846 Wochen 7002,28 Arbeitslosenunterstützung in 1702 Fällen für 9115 Wochen 67 516,02 Außerordentliche Unterstützung in 342 Fällen 4180,00 .E Der Casienbestand betrug am Schluß des Jahres 1895: Gewerkvereinscasse 326 663,37 mit 26 821 Mitgliedern, Begräbnißcasse . 233 029,31 - - 17 123 « Krankencasse . . 191092,73 « « 18 778 Das Gesammtvermögen beträgt demnach 750 785,01 Durch Auflösung der Jnvalidencasse im Jahre 1894 kam das vorhandene Vermögen derselben, 429 333,74 unter die Mitglieder zur Vertheilung. Seit der Gründung 1869 bis 1894 wurden an Jnvalidengeldern und Pensionen 422 626,02 Mark ausgezahlt. — Vertreten ist der Gewerkverein in Leipzig durch 6 OrtSvereine, die Versammlungslocale derselben sind im Adreßbuch verzeichnet. K. Berlin, 22. Mai. Wir haben von Anbeginn nicht den mindesten Zweifel gebegt, daß die nationalliberale Partei in der Angelegenheit der vierten Bataillone ihr Verhalten von rein sachlichen Erwägungen bestimmen lassen werde und daß die gegentbeilige Annahme in einem kleinen Theil der befreundeten Presse auf einem Sehsehler beruhte, der sich bald corrigiren werde. Auch die letztere Erwartung bat sich vollständig gerechtfertigt. Die Blätter, die die Vor legung einer Militairstrafproceßordnung und die Vorschreibung der zweijährigen Dienstzeit als Voraussetzungen einer Zu stimmung zur Militairvorlage ansehen mochten, batten sich wiederholt auf die Auslassung der nationalliberalen ,,^ö ürttem - bergischen Volkszeitung" berufen. Dieses Blatt hat nun aber schon vor der Berathung der Angelegenheit in Berlin das Folgende geschrieben: „DaS Gesetz vom 3. August 1893 war ein Compromiß zwischen der Volksver tretung und der Militairverwaltung, dessen Dauer auf eine genau bestimmte Zeit, bis zum 31. März 1899, festgesetzt wurde. Die jetzt vorgeschlagene Aenderung betreffs die vierten Bataillone kann und darf nicht anders auf gefaßt werden, denn als eine Abänderung einer technischen Einzeibestimmnng aus diesem Compromiß. Was der Reicks tag verlangen kann, ist eine authentische und bindende Er klarung darüber, daß diese Abänderung den übrigen Inhalt des Compromisses nicht berührt, mit anderen Worten, daß die Umwandlung der Halbbataillone in Pollbalaillone auf die Frage der zweijährigen Dienstzeit ohne Einfluß ist und bleibt, und ein Mehr würde eine Kündigung des Eompromisses von Seiten der Volksvertretung bedeuten, zu der wir nicht rat den möchten. Die Militairverwaltung wird ein solches An sinnen nicht mitUnrecht als illoyal zurückweisen können indem sie sich darauf beruft, daß sie sich an die Frage der zweijährigen Dienstzeit nur bis 31. März 1899 gebunden hat. Die Frage der Fortdauer der zweijährigen Dienstzeit zu ent scheiden, ist heute noch nicht die Zeit gekommen." Das ist sehr zutreffend gesprochen. /X Berlin, 22. Mai. Das Centrum hat bekanntlich den Münchener Universitätsprofessor Frhr. v. Hertling, der dem Reichstage schon früher als hervorragendes Mitglied der Partei angehört bat, im bayerischen Reichstags- Wahlkreise Illertissen als Candidaten ausgestellt. Die Uebertragung dieser aussichtsvollen Candidatur — bei den letzten Hauptwahlen erhielt der klerikale Bewerber über 9000 von den abgegebenen 12 000 Stimmen — ist angesichts des für die nächste Reichstagssession bereit gehaltenen Hand werksorganisations-Entwurfs nicht ohne Bedeutung. Frhr. v. Hertling ist ein ausgesprochener Gegner der zünstlerischen Bestrebungen. Er hat sich im Jahre 1894 in der bayerischen Ersten Kammer dahin ausgesprochen, „man könne dem Handwerk keinen größeren Dienst erweisen, als cs darauf hinzuweisen, daß eS auf dem Wege des Kampfes um den Befähigungsnachweis und der Zwangsinnung sein Ziel nicht erreichen könne." * Berlin, 22. Mai. Der hiesige „Confectionair" bringt folgenden Artikel: Die Katheder-Professoren sollen sich nicht um die Confection bekümmern, „dieweil sie davon nichts ver stehen". Der Verband der Berliner Herren- und Knaben-Con- fectionaire tagte am Montag den 18. Mai im Altstüdter Hof. Gleich nach Eröffnung der Sitzung erwählte die Versammlung eine Depu tation von 4 Herren (Hopp, Rosenbaum, Prenzlau, Goldberg), welche sich sofort in die von konservativen und nationalliberalen Abgeordneten nach dem Habsburger Hof einberufene Versammlung begab, in welcher Herr Weigert das Referat übernahm. Durch das in dieser Sitzung vorliegende Thema „Die Lohnstreitigkeiten in der Herren- und Knaben-Confection" fühlten sich die Fabrikanten berechtigt, an dieser Sitzung theilzunehmen. Nach Ankunst der vier Herren in der Ver sammlung gab jedoch der Vorsitzende in nicht mißzuverstehenden Worten zu erkennen, daß die Anwesenheit der Deputation nicht genehm sei. Herr Professor Schmoller erklärte, daß von Seiten des Ein- berufers Lurch Einladung der Presse die OefsentUchkeit garantirt sei, daß die Verhandlungen hierdurch zur Kennlnißnadme des großen Publikums, also auch der Fabrikanten kommen würden. Auch dürfte es bei dem lediglich „objektiven" (?) Standpunkte der Versammlungstheilnehmer nicht angebracht sein, irgend eine inter- essirte Partei zuzulassen. Nach diesen Erklärungen verzichteten die vier Herren auf ihr Bleiben. Das Erscheinen der Fabrikanten war aber durch die Person des Referenten, Herrn Weigert, gerecht- fertigt, denn die von dem Herrn bis jetzt in die Oefsentlichkeit gesetzten Berichte über diese Frage geben den Fabrikanten ihrer Meinung nach nicht die Garantie für einen durchaus objektiven Standpunkt, welchen man einer solchen Versamm lung gegenüber einnehmen muß. Da die Fabrikanten erklärt hatten, aus jede Theilnahme an einer Diskussion zu verzichten, hätte diese Versammlung schon auS praktischen Gründen die An wesenheit der Fabrikanten nicht hindern müssen. „Eines Mannes Rede ist keine Rede." Was sollen wohl die Beschlüsse dieser Ver sammlung, die sich mit den Arbeitsverhältnissen der Confections- branche beschäftigen, für einen Werth haben! Welche Beachtung können sie verdienen, wenn man es nicht einmal für angebracht hält, Interessenten, Fabrikanten oder Arbeiter anzuhören. Theo retische, doktrinäre Ausführungen vom Kathcderstandpuncte aus, wie sie gemacht worden sind, erinnern an eine vor Kurzem ver öffentlichte Kundgebung unseres Kaisers: Pastoren sollen sich nicht um Politik bekümmern, „dieweil sie davon nichts versieben". — Katheder-Professoren und ähnliche Persönlichkeiten sollen sich nicht um unsere Industrie, am allerwenigsten aber um die Eon« fectionsbranche bekümmern, „dieweil sie davon nichts verstehen". Zur Kritik dieser Auslassung schreibt die „Nationalztg." treffend: „Wir können den Leitern der Berliner Herren- und Knaben-Confection nur dringend rathen, ihre Interessen nicht weiter in dieser Art vertreten zu lassen: sie würden nur dadurch die öffentliche Meinung, die sich bei einer Wiederholung des Streites im Confections-Gewerbe schwerlich anders, als im Januar und Februar dieses Jahres verhallen würde, gegen die Confeclions-Jndustriellen aufbringen. Nur beiläufig bemerken wir, daß die obige Darstellung von Vor gängen in einer vertraulichen, deshalb bisher in der Presse nicht erwähnten Besprechung durchaus irrthümlich ist. Es handelte sich nicht um eine „von conservativen und national liberalen Abgeordneten einberufene Versammlung", sondern um eine die drohende Erneuerung des Streites im Confections-Gewerbe betreffende vertrauliche Erörterung, zu der Männer der ver schiedensten Berufs- und Parteistellung, darunter einige Ab geordnete, brieflich eingeladen hatten. Die uneingeladen er schienene Abordnung der Consectionaire wurde ersucht, auf ihre Theilnahme an der Besprechung zu verzichten, weil, wie Professor Schmoller — entgegen der obigen unrichtigen Darstellung — ausführte, die Conferenz den Eindruck der Parteilichkeit hervorgerufen hätte, wenn sie den einen der streitenden Theile, die Consectionaire, und nicht zugleich Zwischenmeister und Arbeiter angehört hätte. So viel zur Richtigstellung der thatsächlichen Angaben deS „ConfectionairS." Wie geschmacklos die Anwendung eines, noch dazu falsch citirten Ausspruche- de- Kaiser- ist, darüber braucht kein Wort verloren zu werden. Jedermann hat das Recht, sich um öffentliche Vorgänge zu kümmern, welche Noth und Elend schlimmster Art für viele Tausende ohnehin unter den ungünstigsten Verhältnissen arbeitender Menschen anzukündigen scheinen; dieses Recht haben auch „Professoren" — deren übrigens im Ganzen drei an jener Besprechung Theil nahmen. Man hat sich dabei lediglich aus acten- mäßigem Material über die bisherigen Verhandlungen iniormirt, und zwar durchweg in dem Wunsche, einen Lohn kampf im Interesse aller streitenden Theile zu verhüten. Man war allerdings — und unseres Erachtens mit Recht — überzeugt, daß die öffentliche Meinung nachdrücklich Partei gegen diejenigen ergreifen werde, welche etwa die endgiltige Einigung auf der provi sorischen Grundlage vom Februar vereiteln." )(. Berlin, 22. Mai. (Telegramm.) Ter Kaiser wird morgen früh Prökelwitz verlassen und Abends gegen 6 Uhr auf der Wiltparkstation wieder eintreffen. (-) Berlin, 22. Mai. (Telegramm.) Heute Vormittag 10 Uhr fand ein Requiem in der Hedwigskirche für den ver storbenen Erzherzog Karl Ludwig statt. Anwesend waren der Erbprinz von Hohenzollern als Vertreter des Kaisers, Kammerherr v. d.Knesebeck als Vertreter der Kaiserin, ferner die österreichisch-ungarischen Bolsckaftsmitglieder, Oberbofmarschall Graf Eulenburg, BundeSrathsmitglieder, die Spitzen der Civil- und Mclitairbehörden und das Officiercorps vom Kaiser Franz-Regiment. (Wiederh.) U. Berlin, 22. Mai. (Privattelegramm.) Der Kaiser hat bestimmt, daß im Anschluß an die diesjährigen Hcrbstübnngcn verlegt werden: der Stab der 16. Cavallerie- Brigade von Trier nach Saarbrücken, das 2. Rheinische Husaren-Negiment Nr. 9 unter Uebertritt in den Verband der 31. Cavallcrie-Brigade von Trier nach Straßburg i. E., daS Ulanen - Regiment Großherzog ' Friedrich von Baden (Rheinisches) Nr. 7 unter Uebertritt in den Verband der 16. Cavallerie-Brigade von Saarburg nach Saarbrücken (St. Johann) und das Schleswig - Holsteinscke Ulanen- Negiment Nr. 15 unter Uebertritt in den Verband der 30. Cavallcrie-Brigade von Straßburg i. E. nach Saar burg. Tas Husaren-Negiment Nr. 9 und das Ulanen- Regiment Nr. 7 treten bereits während der Herbstübungen in die neuen Corpsverbände und nehmen in letzteren an Len Manöver» Theil. — Mit seiner Vertretung bei der Leichenfeier für den ehemaligen Minister Camphausen bat der Kaiser be kanntlich den Staatsmiuister Grafen Botho von Eulen burg beauftragt. Die „Franks. Ztg." will daraus ersehen, daß dieser inactive Minister beim Kaiser noch in besonderer Gunst stehe. — Wie die „Deutsche Tagesztg." mittheilt, ist die Ein bringung einer Interpellation, betreffend das Bern steinmonopol der Firma Stanlien L Becker, nunmehr ge sichert. Es sei nur noch Gegenstand taktischer Erwägung, ob die Interpellation im Herrenhause oder im Abgeordneten hause eingebracht werde. — Die Meldung über neue Kämpfe in Deutsch- Südwestafrika, die zu bedeutenden Verlusten auf beiden Seiten geführt haben sollen, ist, wie berichtet, aus London verbreitet worden. In Berlin liegt keine Bestätigung hierüber vor und man hält diese Meldung nur für eine Aufwärmung der Nachricht von dem Gefecht bei Gobabis. — Die „Kreuzzeitung" bemängelt, daß der Doctor- titel, der, wie bekannt, an hohe Officiere konoris causa mehrfach verliehen worden ist, in der neuen Rangliste an den betreffenden Stellen nicht verzeichnet ist. * Stettin, 21. Mai. Ueber die Verhaftung deS Pastors Rauh in Kladow wird weiter berichtet: Die Verbrechen Rauh's kamen dadurch an das Tageslicht, daß der Super intendent Gehrke in Greifenhagen zum Sonntag, den 17. d. M., eine Cassenrevision angekündigt und, wie üblich, dies dem Pastor Rauh vorher mitgetheilt hatte. Darauf erhielt Ersterer am Freitag ein Schreiben, worin Rauh bat, von der be absichtigten Cassenrevision abzusehen, die Casse stimme nickt, weil er ihr 37 000 entfremdet habe. Später soll Raub dann noch nähere Mittheilungen gemacht haben. So habe er die unter Verschluß zweier Kirchenältesten im Pfarrhause befindliche Caffelte mit Len Werthpapieren der Kirchen Kladow und Kebrberg mittels eines zu diesem Zwecke beschafften Nachschlüssels geöffnet und von dem Inhalte nach Bedarf etwa 35 000 ./Ü entwendet, versilbert und für sich verbraucht, nachdem er die Jncourssetzung durch Fälschung der Unter schriften zweier Mitglieder deS Gemeindekirchenratbs und Hinzufügung seiner eigenen nebst dem Kirchensiegel bewirkt habe. Es würden also schwerer Diebstahl, Unterschlagung amtlicher Gelder und Urkundenfälschung vorliegen. * Reu-Ru-Ptn, 22. Mai. "(Telegramm.) Reichs tags-Ersatzwahl. Bis Mittags 1 Uhr erhielt v. Arnim (cons.) 4178, Lessing (freis.) 3833, Apelt (Soc.) 3031 und Schlickert (Antis.) 1888 Stimmen. * Braunschweig, 20. Mai. Um Anordnung einer Für bitte für den Prinzen Georg Wilhelm von Cumber land wandten sich vor etwa 14 Tagen Geistliche der Jn- spection Stadtoldendorf an daS herzogliche Consistorium. Bis letzt ist aber eine derartige Fürbitte noch in keiner Kirche der Stadtoldendorfer Jnspeclion sgesprochen worden. Es scheint darnach, als ob das Consistorium nicht geneigt ist, dem Wunsche der Petenten, unter denen sich auch der Kirchenvor stand von Stadtoldendorf befindet, zu entsprechen. (H. K.) * Hildesheim, 2l. Mai. Die Polizeibehörde in Hildes- heim bat die hiesigen Gewerkschaftsvereine für poli tische Vereine erklärt. Die betreffende Verfügung beruft sich nach der „Kornackerschen Ztg." darauf, daß dir Erzielung
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