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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.02.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000228027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900022802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900022802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Reklamen unter dem Redartlon-strich (-ge spalten) 50^, vor de» Famtltennachrichten (g gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichntß. Tabellarischer und Ziffernsa» nach höherem Tarts. Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l W.—, mit Postbesörderung ^ll 70.—. Tlnnahmeschluß fiir Anzeigen: Abend-Au-gabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anreise» sind stet« au di« Expeditta» zu richte«. Druck und Verlag von E. Polz in Leipz!» 94. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. Februar. Während der Reichstag gestern die zweite Lesung deS Militäretats zu Ende führte, den Gesetzentwurf über die Bestrafung der widerrechtlichen Entziehung elektrischer Arbeit nach kurzer Debatte an eine Commission verwies und eine ganze Anzahl von Petitionen erledigte, brachte das preutzischc Abgeordnetenhaus nur die erste Berathung der Vorlage über die Waarenhaussteuer zum Abschlüsse. Trotz der langen und eingebenden Berathung wurde aber nicht ersichtlich, wie die Mehrheit des Hauses den Entwurf gestaltet wissen will. Die Commission, der er schließ lich überwiesen wurde, hat daher eine schwere und zeit raubende Arbeit zu leisten, wenn sie dem Plenum Vor schläge will machen können, die Aussicht auf An nahme haben. Schon der erste Redner, der freiconservative Abg. Gamp, äußerte Wünsche, die weit über den Nahmen der Vorlage binauSgehen. Er billigte zwar ihr Ziel, sprach aber die Besorgniß aus, daß dieses Ziel mit den vor geschlagenen Mitteln nicht zu erreichen sein werde. Er empfahl, die Umsatzsteuer auch auf die übrigen Großbetriebe des DetailgcsckäftS auözudehnen, sowie den Ertrag nicht den Gemeinden zum Zueck der Steuererleichterung der kleineren Geschäfte zu überweisen, sondern zur Förderung von Ein richtungen behufs Hebung der Leistungsfähigkeit kleiner und mittlerer Geschäfte zu diSponiren, so z. B. zur Gewährung billigeren CreditS. Generalsteuerdircctor Burghardt erklärte hieraus, die preußische Gewerbesteuer habe von jeher den Gesichtspunkt verfolgt, der Entwickelung der gewerblichen Thätigkeit und den socialen Bedürfnissen der Zeit zu folgen. Die Waarenhäuser seien eine vergleichsweise neue Erscheinung von ganz besonderer Leistungs- und Concurrenzfäbizkeit, unter der die kleineren Betriebe empfindlich litten. Es sei daher die Aufgabe deS Staates, auf dem Gebiete der Besteuerung einen Ausgleich zu schaffen und dafür zu sorgen, daß infolge der Erhöhung der Gesainmtunkosten bei den großen Waarenhäuser» der Anreiz zur Neueinrichtung von solchen vermindert werde. Durch eine progressive Steuer, wie der Abg. Nocren sie wolle, die Concurrenz der Waaren- bäuser zu beseitigen, sei unmöglich, denn deren Con- currenzfähigkeit steige keineswegs mit der Höhe des Umsatzes. Auch eine Erstreckung auf andere Betriebe als die der großen Waarenhäuser, wie der Abgeordnete Gamp vorgeschlagen habe, werde die Negierung zu- zugebcn nicht in der Lage sein. Ter Gedanke, den Ertrag auf andere Weise als durch Steuererlaß zu Gunsten der kleineren Geschäfte zu verwenden, sei wohl diöcutabel. Wie der Abg. Gamp, so befürchtete auch der Abg. van der Borgbt, daß die Vorlage ihren Zweck nicht erreichen werde, aber aus anderen Gründen. Er glaubte voraussebcn zu können, daß der Entwurf, wenn er Gesetzeskraft erlangen sollte, gefährliche Consequenzen nach sich ziehen würde, insbesondere nach der Richtung einer schweren Vorbelastung der großen industriellen und kommerziellen Unternehmungen, wodurch die wirthschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes ver mindert werden könnte. Zn ähnlicher Weise äußerle sich der Abgeordnete von Eynern, der namentlich betonte, daß die Consequenzen des Gesetzentwurfs dahin führen könnten, große Landwirthschaftcn mit Maschinenbetrieb zu Gunsten der kleineren zu einer Umsatzsteuer heranzuziehcu. Nochmals trat hierauf Finanzministcr I)r. v. Miquel für die Vorlage ein und bedauerte, daß man ihre guten Absichten und ihren communalsteuerreformatorischen Charakter verkenne. Richtig fei allerdings, daß die Gewerbesteuer an sich der Be deutung der localen Verhältnisse wegen sich am besten zur Gcmeindebesteuerung eigne, aber die Communen hätten in Bezug auf die Waarenhäuser so ziemlich durchweg versagt und so sei eS die Pflicht des Staates gewesen, einzugreifen. Die Gemeinden würden aber in der Lage sein, wenn sie an eine Reform ihrer Gewerbesteuer gingen, diese der staatlichen Umsatzsteuer durchaus anzupaffen. Die Waarenhäuser bildeten eine besondere Erscheinung in unserem wirthschastlichcn Leben; durch Ersparniß an Unkosten seien sie in der Lahe, den kleineren Betrieben schwere Concurrenz zu machen. Diese Concurrenz trete vielfach noch in besonders verschärfter Form auf, und es sei daher in weiten Kreisen, nicht blvS bei den Kleingewerbe treibenden, sondern auch bei der übrigen Bevölkerung diese über mäßige Concurrenz als Mißstand empfunden worden. Der Staat habe demzufolge die Aufgabe, hier emzugreifcn und durch höhere Besteuerung der leistungsfähigen Geschäfte und Verwendung der hierdurch verfügbar werdenden Mittel zur Erleichterung der übrige» ausglcichend zu wirken. Die gesammte Be steuerung in Preußen, die Gewerbesteuer wie die übrigen Steuerkategorien, beruhe nicht auf theoretischen Erwägungen, sondern auf Anschauungen und Erfahrungen der öffent lichen Verwaltung. Niemals habe man ausschließlich die wirthschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt, sondern vor Allen auch die sociale Wirkung im Auge gehabt. So sei in Preußen zu Zeiten, wo der Großbetrieb der Landwirthschaft für den Einzelbetrieb so überwiegend wurde, daß eine Auf saugung der Bauernstellcn in Latifundien zu drohen schien, der Staat und daS Königthum zum Theil mit sehr kräftigen Mitteln eingeschrilten, um auS socialen Gründen den Bauernstand trotz seiner wirthschastlichcn Schwäche zu erhalten. Es sei für Staat und Gemeinde keineswegs gleichgiltig, ob sie mit selbstständigen Existenzen zu thuu hätten, die fest mit ihren Betrieben verwachsen seien, oder mit Gewerbegehilfen. Jene selbstständigen gewerblichen Existenzen bedeuteten ein ganz anderes Element der Kraft, als die in Großbetrieben beschäftigte» Hilfepcrsor.r:: entspreche daher durchaus dem socialen Zwecke der preußischen Gesetzgebung, wen» jetzt die neue Erscheinung der Waaren häuser zu dem Gedanken einer Sonderbesteucrung derselben be hufs Erhaltung der kleinen selbstständigen Betriebe geführt habe. Mit dieser allgemeinen Betrachtung erntete der Minister allerdings Beifall, batte aber keineswegs die Bedenken der Gegner der ganzen Vorlage, noch die ihrer bedingten Freunde entkräftet, noch die weiter gehenden Wünsche einer dritten Gruppe zum Schweigen gebracht. Denn nach ibm polcmisirte der Abg. I)r. Barth heftig gegen daS ganze gesetzgeberische Projekt, äußerte sich der Abg. Horn im Sinne seiner Partei genossen van der Borght und v. Eynern und bekannte sich der Abg. Lückhoff zu den Wünschen des Abg. Gamp. Nach diesen Ausführungen auch noch eine des Abg. Or. Hahn zu genießen, hielt das Haus nicht für nölhig und schloß daher die Debatte. Die NeichStagSersatzwahl im Wahlkreise Calbc- Aschcrolcbcn bat, wie schon berichtet, mit einem Siege der Nationalliberalen geendet. Gleich im ersten Wahlgange ist rem nationalliberalen Candidaten, Kaufmann Placke in Aken, der bereits von 1893 bis 1898 den Wahlkreis vertrat, das Mandat wieder znzefallen. Nach den bisher vorliegenden Zahlen bat Herr Placke rund 19 300, sein socialdcmokratischcr Gegcncandidat Schmidt 17 900 Stimmen erhalten; mit einer Mehrheit von etwa 1500 Stimmen ist der nationalliberale Can- didat Sieger geblieben. Zeit und Umstände, unter denen sich diese Ersatzwahl vollzogen, legen ihr eine außerordentliche Bedeutung bei. Der von der Socialdemokratie ausgestellte Candidat war der im Jahre 1898 in demselben Kreis gewählte social demokratische Abgeordnete Schmidt, der infolge der durch Freisinnige und Antisemiten verursachten Zersplitterungen der bürgerlichen Parteien im zweiten Wahlgange mit etwa 200 Stimmen den nationalliberalen Candidaten überholte. Aber nur wenig mehr als ein Jahr blieb er im Besitze deS Mandats. Im Oktober 1899 wurde daS Erkenntniß rechts kräftig, das ihn auf Grund eines in der „Magdeb. Volksstimme" veröffentlichten Artikels wegen MajestätSbeleidigung zu drei Jahren Gefängniß und zum Verluste sämmtlicher auS öffent lichen Wahlen hervorgegaugenen Ehrenämter verurtheilte. Um eine Demonstration gegen dieses Urtheil und unmittelbar gegen die monarchischen Einrichtungen herbeizuführen, stellten die Socialdemokraten ihren Parteigenoffen Schmidt wieder auf, das Ccatralorgan der socialdemokratischen Partei wandte sich „an alle Männer von Ehre und Charakter" in diesem Wahlkreise mit der Aufforderung, dem Wahrspruch des Gerichts „den Wahr spruch Les Volkcs entgegenzustellen", und gab der Erwartung Ausdruck, der Wahrspruch des Volkes, der Instanz über alle Instanzen, werde unzweifelhaft dahingeben, daß Genosse Schmidt nach wie vor wertd bleibe, das höchste Ehrenamt zu bekleiden, das vom Volke zu vergeben sei. Um so schärfer ist die nun zu constatirende Niederlage. Vor Allem aber ist bervorzubebcn, daß diese Wahl unter dem Programm vor sich gegangen ist, unter dem bei einer eventuellen Auslösung des Reichstags die Neuwahlen zu vollziehen sein würden. Der nationallibcrale Candidat trat nicht nur für die Flotte ein, sondern ist auch ein Vertreter einer den berechtigten Interessen der Landwirthschaft zwar durchaus entsprechen den, aber auch die Gesammtinteressen des Staates respec- tirenden WirtbschaftSpolitik. Die Probe auf die Partei verhältnisse dieses Wahlkreises, die im Jahre 1898 gemacht wurde, ergab neben rund 14 000 Nationalliberalen etwa 2300 Volksparteiler und 1200 Antisemiten schroffer Richtung. Slö..'de,l hiutic den Gegnern der Flottenverstärkung auch ihre früheren Wähler, so hätte in diesem Wahlkreise, nach der letzten Wahlstatistik zu urtheilen, eine große Mehrheit gegen die Flottenverstärkung bestehen und demgemäß der social demokratische Candidat im ersten Wahlgang erst recht siegen müssen. Es ist aber genau umgekehrt gekommen; er hat sein Mandat verloren und an seiner Stelle kehrt der Abgeordnete Placke als neues Mitglied der nationalliberalen Neichstags- fraction in seinen früheren politischen Wirkungskreis zurück. Daher giebt dieses Wahlresultat den Vertretern einer aus reichenden Seewehr erneute Zuversicht für die immer näher heranrückende Entscheidung. A»S Kalkutta, 24. Februar, meldet „Neuter's Bureau" „aus bester amtlicher Quelle" u. A.: „Im Hinblick auf die jüngst vor genommene Bcrmchrung Vcr russischen Truppe» in der Nähe der Grenze von Afghanistan sei die Regierung auf der Hut und es seien bestimmte militärische Vor bereitungen getroffen worden. Dieselben blieben aber geheim." Unser Herr Mitarbeiter in Kalkutta war jedoch schon am 8. Februar in der Lage, uns über eines der Geheimnisse zu berichten. Er schreibt nämlich: „Ich hatte bereits vielfach Gelegenheit, auf die bevorstehende Verwickelung in Afghanistan hinzuweisen. Aus sehr guter Quelle erfahre ich, daß die mili tärischen Autoritäten jedes verfügbare Maulthier in Sind und im westlichen Pandschab aufkaufen und nach Quetta dirigiren. Daß diese große Ansammlung von Transportthieren in Quetta zur Winterszeit, wo noch Mitte Februar tiefer Schnee liegt, nicht ohne die allerschwerftwiegenden Gründe unternommen wird, liegt auf der Hand. Irgend welche Unruhen in Beluchistan, welche zur Entsendung einer militärischen Strafcolonne nöthigen, sind nicht vorgekommen. Die große Wahrscheinlichkeit ist also die, daß diese Maulthiere das Gepäck der Truppen befördern, welche Kandahar besetzen werden, sobald die Russen den Vormarsch nach Herat antreten. Im Uebrigen ist es mit der Armee, die Rußland eventuell gegenwärtig gegenüber ge stellt werden könnte, numerisch schlecht bestellt. An europäischen Truppen verfügt nämlich Indien zur Zeit nur über eine Feld armee von etwa 30 0M Mann. Zu dieser Ziffer gelangt man durch folgende Berechnung: Die Sollstärke der in Indien statio- nirten europäischen Truppen beträgt etwa 73 000 Mann; da hiervon aber zum Mindesten 10 Proc. felddienstuntauglich im Lazareth liegen und ebenso viele abcommandirt sind, so beträgt im besten Falle die Stärke der europäischen Truppen in Indien 60 000 Mann aller Waffengattungen. Davon sind 8078 Mann nach Südafrika gesandt worden (7725 Unterofficiere und Ge meine, 353 Officiere), bleiben also gegenwärtig höchstens 52 OM Mann. Im Falle einer Verwickelung in Afghanistan können also im allerbesten Falle etwa 30 OM Mann abgeschickt werden, die übrig bleibenden sind mehr als unzureichend, die wichtigsten Garnisonen zu halten. Aber auch die eingeborenen Truppen sind zur Zeit geschwächt, weil einige Regimenter Indien verlassen haben. So sind zwei Sepoy-Regimenter abgegangen, das eine nach Ceylon, das andere nach Singapore. Uebrigens wird die Schlagfertigkeit jeder englischen Truppe durch den ungeheuren Troß geschwächt: schleppen doch die oben erwähnten, nach Süd afrika entsandte^ 8078 Mann einen Troß von nicht weniger als 2565 Mann mit!" Der Krieg in Südafrika. -p. Wir batten Recht mit unserer Bermuthung, daß dir am Modderfluß erfolgte Capitulalion Eronje» nicht die ganze Westarmee und vor Allem nicht die von verschiedenen Seiten eingetroffenen Verstärkungen die Waffen haben strecken müssen. Es sind annähernd 4000 M an«, die sich Roberts auf Gnade und Ungnade ergeben haben. Wenn man nun, wohl zutreffend, angenommen bat, daß in Cronje's Hauptlager sich zwischen 6000 und 7000 Mann befunden haben, so erklärt diese Differenz sich daraus, daß eS, wie berichtet wurde, einem Theil der Eingeschloffencn geglückt war, sich durchzuschlagen und an einer anderen Stelle sich festzusetzen, wodurch die Vertbeidigungölinie der Boeren von Nordwest nach Südost erheblich verlängert und die englischen Umschließungs versuche erschwert wurden. Aber nach der Darstellung unsere- Londoner Berichterstatter-Waren eS etwa mindestens vier Boerenlager, mit denen eS Roberts zu thun hatte. Sind also nur 4000 Mann bei der Waffenstreckung betheiligt, so könnte nur Cronje's Hauptlager capitulirt haben, während der übrige Theil der Westarmee nebst den HilsscvrpS sich -weiter ostwärts in günstigen Stellungen zurückziehen konnte. Anders wenigstens vermag man sich nach dem bisher vorliegenden NachrichtenmaterialS die Situation schwerlich zu denken. Als Cronje's Armee noch bei MagerSfontein concentrirt war, soll sie annäbernd 20 000 Mann betragen baben, wovon bei French's Vorstoß nach Kimberley etwa die Hälfte in westlicher und nördlicher Richtung auSwicb, Frirrlletsn. Hans Eickstedt. Roman in zwei Bänden von Anna Maul (M. Gerhardt). Nachdruck verbvtcn. Sechzehntes Capitel. In Berlin angekommen, reichte Hans Eickstcdt sein Drama, betitelt: „Eisentönig", der königlichen Bühne ein, und that dann Schritte, um mit den Redactionen verschiedener angesehener Zeitungen und Familienblätter in Verbindung zu treten. Die Gedichte, novellistischen Skizzen, kritischen und biographischen Versuche, von denen er eine reichliche Auswahl vorlegen konnte, erregten Aufmerksamkeit, man aab ihm Aufträge, wünschte, ihn als Mitarbeiter fcstzuhalten. Es fand sich Gelegenheit, werth volle Bekanntschaften anzuknüpfen, und als Resultat der fieber haften Thätigkeit dieser ersten Wochen durfte er sich sagen, daß zeine Existenz durch die Erträgnisse solch' beiläufiger Arbeiten gesichert sei, die in den Ruhepausen seiner eigentlichen schöpfe rischen Thätigkeit aus Studienblättern und gelegentlichen Aus zeichnungen fast mühelos entstanden. Nach Gertrud hatte er im Kunze'schen Pensionat vergebens gefragt. Auch von Irmgard hatte man nichts gehört. Ihre letzten Briefe waren ihm aus ihrem elterlichen Hause zugegangen. Der kranke Bruder hatte die scharfe Seeluft von Helgoland nicht ertragen. Schon im August war man von dort nach Harzburg Lbergesiedelt, und da sich auch dort keine Besserung eingestellt *>atte, einige Wochen später nach Oberbeken. Irmgard hoffte, im October nach Berlin kommen und ihre Musikstudien wieder auf nehmen zu können. Jetzt aber erhielt Hans auf dem ungewohnten Umweg durch Gertrud ein paar Zeilen in ihrer schülerhaften Handschrift und ihrem naiven Stil, die nur ein Aufschrei zor niger Verzweiflung waren. Man ließe sie nicht fort. Die Mutter gebe nicht zu, daß sie wieder nach Berlin gehe. Mit der Kunst sei eS aus, und mit der Liebe erst recht. Man wolle sie von HanS trennen. Die Mutter wisse Alles. Die Baronin habe ihr geklatscht, Tietjen» sie aufgehetzt. Wenn Hans cs nicht möglich machen könne, nach dort zu kommen, dann gäbe es kein Wiedersehen für sie Beide. Es fehlte nicht viel, daß HanS sich mit dem nächsten Zuge nach Oberbeken begab. In aller Aufregung bewahrte er aber doch noch so viel Ueberlegung, um sich nicht durch «inen übereilten Schritt den Zutritt zu der Geliebten von vornherein ab zuschneiden. Er schrieb an den Lommerzienrath und bat um Erlaubniß, noch einmal auf einige Tage nach Oberbeken zu kommen, um einige Lücken seiner Studien vom Sommer aus zufüllen. Die Antwort ließ auf sich warten. Inzwischen hatte Gertrud folgende Zeilen von Hans er halten: „Wann kommen Sie, Gertrud? Sie fehlen mir unbeschreib lich. Ich bin in einer Lage, die — ich Ihnen brieflich nicht schildern kann. Fesselten mich nicht hundert Dinge hier, ich hätte Sie bereits in Elbing aufgesucht." Gertrud hatte sich in den letzten Wochen redlich bemüht, sich mit den Wünschen ihres Vaters zu befreunden und mit der Vorstellung eines dauernden Aufenthaltes im Hause auszu söhnen. Es rührte sie innig, wenn sie merkte, wie der alte Herr es sich angelegen sein ließ, ihr die Heimath wieder lieb zu machen, wenn er auf ihre Wünsche achtete, sich nach ihren Wegen, ihren Arbeiten erkundigte, Alles sehen wollte, was sie malte, bei jeder „Katzbalgerei" zwischen den Schwestern, so ärgerlich ihm der gleichen Störungen seines häuslichen Friedens waren, als un parteiischer Mittelsmann scherzend und begütigend auszugleichen suchte. Zuweilen glaubte Gertrud schon, sich mit einer Zukunft, die eigentlich keine war, ohne Streben, ohne höhere Ziele, eingelebt zu haben. Denn daß sie eines Tages frei sein würde von der Liebespflicht gegen den Vater, daran mochte sie nicht denken. Vielleicht war es ihr wirklich nicht beschicken, jemals über einen anständigen Dilettantismus in der Kunst hinauszugelangen. Wogen solch' unsichere, schattenhafte Erfolge das Wohlbefinden ihres theuren Vaters auf? Sie wollte bei ihm bleiben, ihn pflegen und aufheitern, wenn er krank und hinfällig wurde — wen hatte sie denn sonst auf der Welt, der ihrer bedurfte? — Eickstedt's Karte warf alle diese frommen Vorsätze über den Haufen. Gertrud fühlte plötzlich wieder, daß sie ein Leben für sich habe, mit eigenen Rechten und Nothwendigkeiten, daß es em unverhältnißmäßiges und unfruchtbares Opfer war, wenn sie ihre kraft- und schwungvollen Jugendjahre der Bequemlichkeit eines Greises hingeben wollte, der sie zwar vermissen, aber, nichts Wesentliches entbehren würde, wenn sie ihm fehlte. Sobald sich Gelegenheit bot, allein mit d-m Vater zu sprechen, faßte sie sich ein Herz zu der innigen Bitte, er möge ihr Urlaub und die Mitt-l zur Fortsetzung ihrer Studien ge- wäbren. Der Oberstleutnant war bestürzt. Auch er hatte sich in den Glauben eingewiegt, seine Tochter sei mit ihren Wünschen und ihrem Sehnen zur Ruhe gekommen und verlange nicht mehr, über die Schranken des väterlichen Hauses hinaus. Er fing von vorn an mit seinen liebevollen, verständigen Argumenten, er brauchte seine ganze einfache Bercdtsamkeit, sie seinem Willen, dessen naive Selbstsucht ihm kaum zum Bewußt sein kam, fügsam zu machen. Als sic bewegt und unglücklich für jeden Grund einen Gegengrund hatte und beharrlich mit heißem Flehen in ihn drang, verfinsterte sich das Gesicht des alten Herrn, und er verwies sie zum Schweigen. Am folgenden Tage rief er Gertrud in sein Zimmer und ver schloß die Thür. „Du bist also mit Dir einig, Du willst nicht bei mir bleiben?" fragte er in ungewohntem, herbem Tone. Dem Mädchen stiegen die Thränen in die Augen. Der Vater sah so leidend aus, blaß und abgespannt, wie nach einer schlaf losen Nacht, und dabei streng und unfreundlich. Sie faltete die Hände und sah ihn, demüthig bittend, an. „Ich komme ja wieder, Vater, Weihnachten und nächsten Sommer." „Nicht also, meine Tochter", erwiderte der alte Herr mit ge runzelter Stirn und etwas heiserer Stimme. „Die Besuchs reisen werden aufhören. Ueberhaupt machst Du Dir eine falsche Vorstellung von unserer Lage. Davon nachher. — Du willst also nicht bleiben? Gut. — Ich werde von meiner väterlichen Gewalt keinen Gebrauch machen. Du kannst gehen, wann und wohin Du willst. Ich habe mich nicht aus Eigensinn Deinem Wunsche widersetzt, sondern weil mir die Mittel fehlen, Dir ein Leben für Dich allein nach Deinem Wunsche zu schaffen, unter den bestehenden Umständen wenigstens. Ich bin bereits bis an die äußerste Grenze gegangen in der Schmälerung meines Kapitals. Allein Dir stekt das Recht zu, einen Theil davon als Dein mütterliches Erbe für Dich zu fordern. Damit müßtest Du Dich einrichten, und wst, Frida und ich, mit dem Rest. Vielleicht kostet es Dich etwas Ucberwindung, gegen Deinen alten Vater zu processiren. Allein, das hilft nichts. Wer den Zweck will, muß auch die Mittel wollen. Ich hätte Dir diesen Schritt schon früher anheimgestellt, hätte ich mich von der Noth- wendigkeit und Ersprießlichkeit Deiner Kunstbestrebungen über zeugen können. Du sollst jetzt erfahren, wie das Alles zu- sammcnhängt." Bestürzt hörte Gertrud die Aufschlüsse an, die der Oberstleut nant mit gewissenhafter Ausführlichkeit und allen Zahlenbelegen ihr ertheilte. Er selbst besaß kein Vermögen. Er hatte früher durch mili tärische Fachschriften seine Einkünfte erhöht, aber sein langjähri ger Aufenthalt in der Provinzstadt batte eS ihm unmöglich ge macht, den raschen Entwickelungsschritten der KriegSwiffenschast zu folgen und seine zunehmende Kränklichkeit ihn allmählich in beschaulichen Müßiggang eingelullt. Seine Gattin hatte ein mäßiges Vermögen ererbt, und durch gegenseitiges Testament war dem Uebcrlebenden der beiden Eheleute die Verfügung über die Hinterlassenschaft des Anderen gewährleistet worden. Beim Tode der Frau waren die Kinder noch unmündig ge wesen. Das Testament war in Kraft getreten und geblieben, sie hatten nie erfahren, daß sie Rechte besaßen, die sie hätteu geltend machen können gegen den Vater. Jetzt erfuhr es Gertrud. „Du bist mündig, Du kannst das Testament ansechten und Dein Muttertheil fordern. Es beträgt etwa zehntausend Thaler. Käthe hat bei ihrer Verheirathung den fünften Theil davon ausgezahlt erhalten und von dem übrigen bezieht sie die Zinsen. Elfriedens Seminarausbildung und ihr Aufenthalt in England und Frankreich hat etwa halb so viel gekostet. Für Dich ist noch weniger übrig geblieben. — Du brauchst Dir meinetwegen — unsertwegen durchaus keine Bedenken zu machen, Gertrud", fuhr der Oberstleutnant fort, da seine Tochter stumm und blaß vor sich niedersah. „Wird Dir Dein Capital zugesprochen, so wird sich das sehr einfach regeln. Ich beziehe mit Elfriede eine kleine Wohnung und richte mich ökonomisch ein. Es wird schon gehen. Nicht so hübsch freilich, als wenn wir Drei zusammenblieben. — Ein Gastzimmer für die Künstlerin aus Berlin — daS überstiege unser bescheidenes Budget. — Es muß sich eben Jeder seinen Weg suchen und sich nicht viel nach den Anderen umsehen, die er zurückläßt. Das ist man sich selber schuldig, nicht wahr? Und es ist für uns Alle am besten so." „Vater —", begann Gertrud mit mühsam errungener Fassung. „Wie kannst Du mir solch einen — unmöglichen Vorschlag machen? Das ist grausam. Da» habe ich nicht ver dient." „Durchaus nicht grausam, Trude. Uebrigens — ein bischen hart ist besser al- allzu weich. Wir werden Alle weich durch die Familiensimpelei. Na — alte Mariell' —" Gertrud hatte ihre Arme um seinen Hal» geschlungen und küßte ihn ungestüm. „Vater, ich verstehe wohl, daß Du mir all' das gesagt hast — auS peinlicher Gewissenhaftigkeit um Deiner. Ehre willen. Aber daß ich irgend einmal in meinem Leben davon Gebrauch machen könnte, das hast Du selber nicht geglaubt." „Na, ich weiß doch nicht. Wa» gilt solch ein invalider Vater und der Friede seiner alten Tage, wenn die Kunst —" „Vater, nun höre mich einmal gütig an. Meine Kunst gebe ich nicht auf. Im Gegentheil, seht erst recht nicht. So viel ich
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