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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990127024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899012702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899012702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-27
- Monat1899-01
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Die Parteileitungen baden längst auf da« Unzweideutigste be kundet, daß möglichst einiges Vorgehen das Ziel ihre« Strebens ist, und wenn auch vielleicht die beste Form, die allen Zerwürsniüen tbunlichst vorbeugt unv die Freiheit der Mäkler der einzelnen Wahlkreise nicht ungebübrlich einschränkt, noch nicht gesunden ist, so wird sie gefunden werden. Auch der am 29. d. in Chemnitz statlfindende national liberale Drlgirtentag wird, wenn er nicht bereit« zu dem von den Parteileitungen getroffenen Abkommen sein Ja und Amen geben kann, sich im Sinne ihrer Bestrebungen äußern. Eö wäre daher überflüssig, die Angelegenbeit schon beute zu berühren, wenn nicht die „Dre-dner Ztg." Widerspruch gegen die Erneuerung de« Cartell« erhöbe. DaS genannte Blatt begründet seine bedauerliche Stellung nahme mit dem Hinweis auf da« vor einigen Jahren eingefübrle Dreiclassenwahlrccht, unter dessen Herrschaft ein Wablbündniß argen die Socialdemokratie nicht zu den staatSerbaltenden Nothwendigkeiten gehöre. Um zu zeigen, wie kurzsichtig die „DreSdn. Ztg." sich erweist, wenn sie einer solchen Anschauung bulvigt, erinnern wir an einen Artikel der socialdemokratischen „Sächsischen Arbeiterzeitung" vom 30. September 1897, der u. A. Folgendes ausführte: „Nur da? Zusammenwirken beider Momente, des CartellS und der Dreic^assenwahl, hat den „Ordnungsparteien" den Sieg verschafst. Bei allgemeinem, gleichem Wahlrecht wären die „Orb- nungsvartcirn" geschlagen, trotz des CartellS: das beweist das Stimmenverhältnis. Ohne Cartell wären die „Ordnnngsparteien" an manchem Ort geschlagen, trotz deS DreiclassrnsystemS: da« beweist die Zahl der socialdemokratüchen Wähler in der dritten Classe und der Umstand, daß eS ihr gelang, an einzelnen Orten selbst in der zweiten Classe Wahlmänner zu gewinnen. Man hüte sich, das, was auf den Theil de-CartellS, die Vereinigung der reaktionären Parteien, fällt, auf das Dreielassenwahl- shstem abzuwälzen. Wenn uns bei den ReichStagöwahlen überall ein derartiges reacttionäres Cartell gegenüberstände, wie in Sachsen, jo würde» wir auch bei den Reichstags- wählen vielleicht nicht einmal den zehnten Theil der Mandate erobern können, die wir jetzt haben. . . Unsere Taktik rrgiedt sich daraus klar: Wir müssen die Organisation der dritten Wählerclasse, die wir mit solchem Erfolg bereits begonnen haben, weiterfiihren. Wir müßen cs uns zur Ehrensache machen, jämmtliche Wahlmänner der dritten Wählerclasse für uns zu ge- winnen. Das ist, wie die überraschenden Resultate in den rück ständigsten Wahlkreisen beweisen, wohl möglich. Wir müssen Alle- aufbieten, um das Cartell zu stürzen. Organisation der dritten Wählerclasse und Desorganisation der ersten zwei Wähler- classen — das ist der Weg zum Sturze des Dreiclassenwahljystems. Einen anderen giebt e« nicht." Mögen die Cartellparteien diese Würdigung des CartellS sich in alle Zukunft vor Augen halten! Die kaiserlichen CabinetSordre«, welche die jetzigen preußischen Regimenter in Hannover mit den alt- kannoverfchen Traditionen in Verbindung setzen,und die kaiserliche Ansprache an die altbannoverschen Ofsiciere haben wir und mit un« fast die gesammte deutsche Presse selbst verständlich nur al« einen Beweis de« kaiserlichen Willen deuten können, die Untrennbarkeit Hannovers von dem preußischen StaatsorganiSmuS feierlich zu betonen, den alt hannoverschen Soldaten die Aussöhnung mit dem durch das Jahr 1866 geschaffenen Zuständen )U erleichtern und dadurch der w elfisch en Agitation allmählich den Boden zu entziehen. Ganz ander« aber deutet da« hannoversche Welfenorgan die kaiserliche Maßnahme, eS schreibt: „Ist diesen Bnaden-Bezeugungen deS deutschen Kaisers in seiner Eigenschaft als König von Preußen erblicken wir zunächst die Er kenntnis diese« (I) Fürsten, daß eine Arme» von der Be deutung und den Traditionen der Königlich Hannoverschen sich nicht einfach, wie 1866 geschehen, wegdecretiren läßt. Die jetzigen preußischen Regimenter hannoverschen Ersatzes al- unmiitel- bare Fortsetzungen der althannoverschen Truppen zu denken, ist zwar möglich, Träger der Traditionen derselben können sie innerlich aber nur werden, wenn sie wieder Königlich Hannoversche Regimenter unter ihrem an gestammten König-Hause sind. Gleichwohl erkennen wir dankbar an, daß durch den heutigen Erlaß Sr.Majestät der über- triebenen Cen4ralisation der preußischen Armee rnt- gegenzuwirkenverjuchtwird, und wir erblicken darin zugleich in Berücksichtigung der als nothwendige Folge eintretenden Aushebung der Annection und der damit verbundenen Wieder erstehung der Königlich Hannoverschen Armee eine Förderung unserer Ziele. Dieser, wenn auch, ebenso wie die bisherigen, gering scheinende Erfolg nach 33 jährigem Kampfe für unser Recht darf nicht unterschätzt werden, wenn auch bis zu dem Tage der Wiederherstellung Hannover- der hannoversche Geist und die hannoversche Tradition ihren Hort im Hannoverschen Königs hause und hannoverschen Volke sichergestellt wissen." Es entspricht der bisher von den Welfen befolgten Taktik, den Act deS Kaisers um jeden Preis als einen Erfolg ihrer Bestrebungen binzustellen. Das kann natürlich bei keinem Verständigen die Bedeutung der kaiserlichen Initiative ver wischen, denn daß die von den Welfen beklagte „Cenrralisation der preußischen Armee" doch widerstandsfähiger ist, al« die wetfische Propaganda, liegt ebenso auf der Hand, wie eS einleuchtend ist, daß der Kaiser die althannoverschen Ofsiciere nicht deshalb im Kreise ihrer preußischen Regiments kameraden heimisch macken will, um die Letzteren an den Ge danken der Wiederherstellung des Königreichs Hannover zu gewöhnen. Ihren Werth aber behalten die Bemerkungen deS Welsenorgans darum doch, denn sie zeigen, wie zäh die welfischen Führer an ihren Bestrebungen festbalten unv welche Förderung diese Bestrebungen erhalten würden, wenn der Sohn des Herzogs von Cumberland Offerier in einem deutschen Truppentheile oder gar Herzog von Braunschweig würde. Sie beweisen aber auch ferner, daß die dir welfischen Ansprüche auf den braunschweigischen Thron fördernde, von preußischen Beamten unterstützte „conservative" Parteiorganisation in der Provinz Hannover die Absichten, die der Kaiser mit seinem Acte ver folgt, direkt kreuzt. Es ist daher zu erwarten, daß der preußische Minister deS Innern v. d. Recke endlich Anweisung erhält, um jene Organisalionsbestrebungen sich zu kümmern. Ueber den vombenanschla« In Alepanaria, der, wie s. Zt. berichtet wurde, angeblich gegen den deutschen Kaiser geplant gewesen war, bat bekanntlich bei der ElatSvebatte im preu ßischen Abgeordnetenhanse Minister r. d. Recke Mitthei lunzen gemacht, nach denen man an maßgebender Stelle in Berlin an der Urberzeugung festhält, daß thatsächlich ein ernste« Attentat gegen den Monarchen im Werke gewesen sei. Wie man weiß, ist die« vielfach bestritten worden, und jetzt tritt ein italienische« Blatt, der „Don CbiSciotte", sehr scharf auch gegen die Angaben de« preußischen Minister« auf. DaS Blatt beruft sich auf Mittheilungen deS italienischen Minister« dc« Aeußeren Canevaro und bemerkt: Das sogenannte Attentat war lediglich das Werk eine« im Dienste der Geheimpolizei von Alexandria stehenden italienischen Spitzels, der nunmehr aus Veranlassung de« italienischen Consuls verhaftet worden ist. Um seinen Plan auS- zuführen, sandte der Spitzel einen Araber nach der Likörbude de» Italieners Parrini. Der Araber trank rin Glas und gab dem Wirth eine kleine Kiste zur Aufbewahrung. Eine Stunde daraus erschien bereits die Polizei und confiscirte die eine Bomb« enthaltende Kiste und entdeckte daS famose „Complot". Die Ver hafteten sind, so sagt der „Don Chi-ciotte" weiter, zwar söge- nannte Anarchisten, aber sie wären nicht im Stand«, auch nur die geringste „Thal" auszuführen. Es sei merkwürdig, daß rin preußischer Minister im Landtage die Lügen der egyptijchen Polizei bestätige, während eine Untersuchung im Gange sei, welche dir Dinge in ihrer wahren Gestalt zeigen werde. Wir selbst erhalten folgende Meldung: * Rom, 26. Januar. (Kammer.) Bei Schluß der Sitzung stellt de Nicolo eine Anfrage wegen der anarchistischen Ver bindung in Alexandria. Canevaro erklärt, nicht darauf antworten zu können, da der deswegen eingeleitete Proceß noch im Gange sei; nur wünsche er, durch den Proceß möchte der Beweis erbracht werden, daß die Bomben, die bei den Anarchisten, von Lenen mehrere italienische Staatsangehörige seien, gesunden wurden, nicht zu einem Attentat gegen Kaiser Wilhelm bestimmt gewesen seien. Wenn Canevaro sich in der Kammer so zurückhaltend ausgesprochen bat, wird er dem Berichterstatter des „Don CbiSciotte" gegenüber schwerlich sich so geäußert haben, wie dieser behauptet. Allerdings legt der Umstand, daß der Minister den Wunsch ausspricht, der Proceß möge beweisen, baß nicht- gegen den deutschen Kaiser geplant gewesen sei, die Bermutbung nahe, der Minister wisse bereit«, daß der Proceß diesen Beweis erbringen werde. Sollte das Letztere der Fall sein, dann wird man hoffentlich deutscherseits nicht unterlassen, den „Machern" auf die Spur zu kommen und sie verdientermaßen zu brandmarken. In einer Zuschrift aus Petersburg, in der auSzesührt wird, daß daS russische Budget trotz der Friedenskundgebung des russiichen Kaisers erheblich mehr Mittel für Kriegszwecke bereit hält, als im vergangenen Jahre, wird der „Deutschen TagcSztg." berichtet: „Daö russische Finanzministerium hat seit etwa einem Jahre mit großem Erfolg versucht, aus die Richtung zahlreicher bedeutender Blätter deS Aus landes, Deutschlands sowohl wie England«, Frankreichs und Oesterreich - Ungarn«, Einfluß zu nehmen. Wenn dies bei einigen Blattern durch die Gewährung materieller Vortheile erzielt ist, angefangen von der Gewährung der Annoncen der Reichsbank, so sind andere durch da« Angebot von Informationen, die natürlich nicht tendenz frei sind, gewonnen worben." ES wäre sehr dankenSwerlb, wenn der Correspondent der „Deutscken Tagesztg." mittheilen wollte, welche Zeitungen auf diese Weise für die Interessen der russischen Regierung gewonnen worden sind. Es wäre daS einmal für solche Leute von Werth, die ihre Capitalien in fremden StaatSpapieren anlegen und die dann wissen würben, bei welchen Zeitungen sie nicht auf einen objek tiven Rath rechnen dürfen. Es wäre daS aber auch von einer gewissen politischen Bedeutung; denn wenn auch di- deutschen Zeitungen im Sinne des Fürsten Bismarck die Freundschaft mit Rußland fördern wollen und sollen, so entspricht e« doch den BiSmarck'schen Auffassungen, daß sick diese Freundschaft nur auf der Basis der deutschen Reichs-Interessen, nicht aber auf der Grundlage russischerseits gewährter Privat - Vortbeile aufbauen soll. Gerade Fürst Bismarck hat in einer Rede vom 9. Februar 1876 darauf hingewiesen, daß nicht nur die Annahme materieller Vortbeile, sondern auch schon die Entgegennahme von Informationen aus der Hand fremder Staatsmänner durch die Presse den Interessen der eigenen Regierung abträglich sei. „Der fremde Staatsmann sagt niemals Alles, waS er weiß, sondern nur Dasjenige, von dem er wünscht, daß eS geglaubt und öffentlich bekannt werde, nnd so entsteht zum Nachtbeil der Regierung der officiöse Sckein" Möge diese Mahnung de« größten deutschen Staatsmannes nicht nur gegenüber Informationen deS Herrn von Witte, sondern überhaupt gegenüber den Mittbeilungen ausländischer Staatsmänner beherzigt werden. Der mit den vaticanischen Kreisen in Fühlung stehende Gewährsmann der „Politischen Correspondenz" schreibt aus Rom: Der Papst hat jüngst an die sntzamertkautschen Bischöfe eine Encyktika erlassen, mittels welcher er sie zu einem am 28. Mai stattfindenden allgemeinen Concil nach Rom einberuft. Der Plan der Einberufung dieses Concil« rrickt hiernach bis in daS Jahr 1892 zurück, in die Zeit der Feier deS vierten Jahrhunderts der Entdeckung Amerikas. Damals erhielten die südamerikanischen Bischöfe Kenntniß von dieser Absicht des PapsteS; zu deren Verwirklichung begannen sie Synodalversammlungeu abzuhalten, in weichen die Vcr Handlungsgegenstände de« künftigen Concil« vorbereitet wurden. Daß die Bischöfe gerade nach Rom berufen werden, läßt sich leicht durch die Erwägung erklären, wie groß die Entfernung der einzelnen Bischofssitze in Süd amerika voneinander ist, und welcke schwierigen Communi- cationSverhältnisse dort bestehen. Ueberdics ist es auck wahr scheinlich, daß der Papst, der der Abhaltung diese- Concils eine große Bedeutung beimißt, darauf besonder« Werth legt, daß e« unter seinen Augen stattfinve und daß er selbst die Beratbungen überwachen könne. Leo XIII. hofft, daß dieses Concil die Erneuerung der Lebenskraft de« Katho- liciSmu« in Südamerika, eine neue Periode der Erhebung desselben zur Folge haben werde. Man ist im Vatican genügend darüber unterrichtet, daß sich der KatholiciSmuS in mehreren südamerikanischen Republiken jetzt in einem beklagenSwer then Zu stande befinde. Die bei verschiedenen Gelegenheiten an den Vatican eingesandten Berichte haben die Aus merksamkeit deS Papstes darauf gelenkt, wie nothwendig eS auch sei, dem Nachlassen der kirchlichen DiSciplin (soll wohl heißen: den Unabhängigkeitsbestrebungen. D. Red. d. „L. T.") unter dem Klerus dieser Gebiete entgegenzuwirken. E« wird deshalb eine Aufgabe deS ConcilS sein, für die Hebung der Moral und der Ausbildung des süd amerikanischen Klerus Sorge zu tragen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, mit größerem Erfolge seine pastorale FettLHeton. ns Onkel Mlhelm's Gäste. Roman von A. von der E lbe. «i«»driick versoten. „Nun — kenne ich denn Deinen Bewerber?" „Ganz gut. Er ist sehr reich, und meine Muller hat mir auch in ihrer letzten Stunde, als sie in Angst um mich war, ge sagt, ich solle ihn nehmen." „Da bin ich doch neugierig!" „Es ist — ja — Du wirst Dich wundern — es ist der Millirmair, unser Hauswirth, Herr Därmann." „Valetta!" rief Nella erschrocken, setzte ihre Spargelschüssel auf die Bank und stand mit aufgehobenen Händen vor der Cousine. „Den — den — wolltest Du heirathen?" „Ich dachte mir's wohl, daß Du Dich wundern würdest.' Aber ich bin's satt, mich zu plagen. Ich will in seinem bequemen Wagen fahren, ins Theater gehen und hübsche Toiletten haben. Da muß ich den Mann schon in den Kauf nehmen." „Thu'r nicht, o, thu'» nicht! Wie kannst Du Liebe schwören, wo Du nichts davon fühlst?" „Er weiß, daß ich ihn nicht lieb«, es liegt ihm nicht viel daran, er will mich nm haben." „Aber eS ist ja ein Verkaufen", rief Nella empört. „Nenne es, wie Du willst. Ich sagte Dlr schon, daß ich dieses Leben nicht mehr mag." Eine Pause folgte. Nella saß bei ihrer Arbeit und mühte sich, daS Gehörte zu begreifen, und sich die Lhatsache zurecht zu legen. Sollte eS vielleicht doch daS Beste sein, wa» die arme Valeska thun konnte? War eS unrecht, ihren Plan zu bekämpfen? Er schien Nella, al- müsse sie etwas Versöhnliche» und Besänftigende» sagen, wenn Valetta nun doch einmal ihren Entschluß gefaßt hatte; so begann sie und sah dte verstimmt Schweigende freund lich an. „Ich glaube, Herr Bärmann war netter, al» er schien. Kurt mochte ihn ganz gerne, und aearn Wendelstein, der sich über ihn lustig machte, habe ich Euer Afrikanerchen oft vertheidigt." ValeSka zuckte bei Wendelstein'» Namen zusammen. Aber sie wußte ja, daß die beiden Grundverschiedenen nicht zusammen paßten, daß der vornehme, feine Wendelin Bärmann nicht aus stehen konnte. Sie zog einen Brief au» der Tasche und sagte, das Papier langsam entfaltend: „Als Mama gestorben war, ließ er mir Geld anbieien, was ich nicht genommen habe. Dann bin ich ihm oft begegnet, habe ihn auch ein paar Mal bei Justizrath Seiferts unten in seinem Hause getroffen, die immer gütig gegen mich geblieben sind. Er sprach so freundlich mit mir, als sei er's nicht gewesen, der damals unsere rückständige Mi«the so hart eintreiben ließ, und ich konnte nicht anders, als vor den übrigen Gästen höflich gegen ihn sein. Wie er erfahren hat, daß ich fort wollte, weiß ich nicht, aber zwei Tage vor meiner Abreise hierher bekam ich diesen Brief." Sie las: „Liebes Fräuleinchen! Mutter ihre Wohnung habe ich fein zurecht machen lassen, und im Saal steht der schönste Flügel, den ich austreiben tonnte. Mir fehlt aber allerwegen eine hübsche junge Frau, und ich kann mich immer noch nicht entschließen, eine Andere zu nehmen als Sie. Wenn ich mir mal was in den Kopf gesetzt habe, so komme ich nicht davon. Ich weiß, daß Sie zu Ihrer Verwandtschaft aufs Land machen wollten, daß da aber auch nicht viel los ist. Nun wollte ich Ihnen man bloß sagen, daß, wenn es Ihnen da nicht gefällt, Sie mich immer noch kriegen können. Wenn Sie mir schreiben, Sie wollen mich nehmen, so komme ich gleich hin, hole Sie ab und gebe Sie hier so lange bei Justizraths in Pension, bis die Papiere zu unserer Ver heiratung in Ordnung sind, und dann halten wir vergnügt Hochzeit und reisen, wenn Sie eS gern wollen, weil es doch mal Mode ist, zusammen in die Schweiz. Ich verspreche Ihnen, daß Sie es ganz gut bei mir haben sollen, wenn Sie man bloß ein büschen nett gegen mich sind. Sie wissen, daß ich Sie von Ihrer Kindheit an verteufelt gern habe leiden mögen. Was wollen Sie sich noch unter fremden Leuten Herum plage»? Schicken Sie sich man, und schreiben Sie mir, daß Sie mich endlich wollen. Ihr Christian Bärmann." WaS war dazu zu sagen? Nella fühlte tief, sie wurde sich lieber der härtesten Arbeit unterziehen, al- diesem Manne an gehören. Für ihre zarte Cousine mochte der Kampf mit dem Ledrn zu schwer sein. Endlich begann sie: „Einer möchte ich Dir noch raihrn, Valetta, wenn Du Bär mann wirklich heirathen willst, befolge seine Wünsche und füge Dich ihm. Ich fürchte, Du könntest sonst, falls Du ihm Trotz und Widerspruch entgegensetzen wolltest, böse Dinge mit ihm erleben!" .Sei ganz ruhig", rief die in ihr Schicksal Ergebene. „So dumm werde ich nicht sein. Ich werde ihn zu nehmen wissen, habe ich doch nun schon meine bitteren Erfahrungen, unv da ich heirathe, um angenehm zu leben, will ich mir die Aussicht dazu gewiß nicht verderben." Am Nachmittage saß Valeska und beantwortete, während ihre Augen oftmals von Thronen verdunkelt wurden, den Brief ihre- ungeliebten Bewerbers. Sie gab ihm ihr Jawort und schrieb, er möge nur kommen und sie abholen. Als sie diesen Brief geschlossen hatte, legte sie ihren Kopf auf den Tisch und schluchzte herzbrechend. Dies war die letzte Abwehr, die sie ihrem Geschick ent gegensetzte. Neunzehntes Capitel. Adelheid von Hohenrain stand in ihrem eleganten Salon, halb verdeckt von einem reich besetzten Blumentische, und sah mit der Stiellorgnette vor den Augen, Spannung in jeder Miene, auf die Straße hinaus. Ihr Mann war im Dienst und sie erwartete angenehmen Besuch. Ein Geräusch hinter ihr ließ sie umblicken, Ihr Gemahl trat aus der Thür des Nebenzimmers herein. „Du, Max?" fragte die junge Frau gedehnt und ließ ihr» Lorgnette fallen. „Um diese Zeit? — Ist etwas Be sonderes ?" Er sah sehr ernst aus und war in den wenigen Jahren seiner Ehe, in der er zu kämpfen gehabt, bedeutend männlicher geworden. „Ja", erwiderte er jetzt kurz, „ich denke, Du wirst da», wa« ich jetzt Dir mitzutheilen komme, als etwas Besondere» ansehcn." Nichtachtend zuckte sie die runden Schultern. Sie war etwa» voller al« in ihrer Mädchenzeit und hatte mehr Frisch« bekommen, so stand sie in der Blllthe ihrer Jugend und Schönheit. Als er ihre abweisende Bewegung gewahrte, verfinsterten sick seine Ziiae, Oft gab sie sich so spöttisch, so ablehnend, daß sie ihn damit zur Gegenwehr reizte. Es herrschte fast immer ein kleiner Krieg zwischen ihnen. Er liebte sein Weid vielleicht gerade, weil sie ihm selten einige Wärme zeigte, um so mehr und jetzt mit verzehrender Leidenschaft, er kämpfte um sie und ihre Liebe, er wollte sich nicht zur Seite drängen lassen, wie es in spielender Weis« ihr Bestreben schien, und sein Ernst, seine männliche Kraft, waren in diesem Kampfe gewachsen. Während sie ihre Hellen Augen mit dem Ausdruck gleichgiltiger Ungeduld auf ihn richtete, zog er ein Papier aus der Tasche, sah sie fest an und sprach: „Bis jetzt habe ich Deinen Bitten nachgegeben, hier und im Dienst zu bleiben, obgleich, wie Du weißt, meine Ellern nichl- sehnltcher wünschen, als uns bei sich auf Hohenrainburg zu sehen." „Ost genug gehört", murmelte sie wegwerfend, „was willst Du eigentlich?" Es war aber doch jetzt eine gewisse Spannung in ihrem Ausdruck. „Ich wollte Dir mittheilen, Adelheid", erwiderte er an scheinend kalt und sehr fest, „daß ich hier meinen Abschied, die allerhöchste Genehmigung meines eingereichten Abschiedsgesuches — um meine Güter zu bewirthschaften — in der Hand halte." Keines Wortes mächtig, sank sie in einen neben ihr stehenden Lehnsessel. Ein Ausdruck bitteren Verdrusses, ja des Hasses, flammte in ihren Augen auf, und nur mühsam vermochten ihre erblaßten Lippen Worte zu formen: „Ohne mir eine Silbe zu sagen — abscheulich!" Sie trat mit dem Fuße auf. „Du weißt doch, wi« ungern ... Ich will hier bleiben, wo die Meinen leben — ich will nichi auf Dein Eulennest!" „Adelheid! Hohenrainburg ist einer der schönsten Herrensitze. Wir haben liebenswürdige Familien in der Nähe. Ich bin durchaus nicht gegen einigen Umgang, aber allerdings, dies freie Verkehren mit der .seunosso clorö, wie Du es hier trotz aller Mahnungen weiter treibst, wird ein Ende haben." „Umgang! Mit Doctors und Pastors, oder Deinen öden VerwalterSleuten?" sagte sie wegwerfend. „Achtbare Familien und ein zuträglicherer Verkehr für eine junge Frau, als mit diesem wie eine Klette an Dir hängenden Baron Spiegel, oder gar dem Rouö und Weltenbummler Mac Gregor." „Viel Ehre für den guten Spiegelintti, auf ihn so grimmig eifersüchtig zu sein." „Gleichviel, auf wen! Ich wünsche endlich, meine Fcau für mich zu haben! Oft schon habe ich Dir gesagt, daß ich dies Leben so nicht länger will, nichi länger ertrage. Du compro- mittirst mich, Du machst mich lächerlich, ich will nicht hinter jedem beliebigen Narren, der vor Dir katzbuckelt, zurückstehen." „Narren?" fragte ste spöttisch. „Ja, nur ein Thor oder ein Elender wagt sich an die Ge mahlin eines Ehrenmannes. Ueber kurz oder lang würde meine Geduld zu Ende sein, es würde einen Scandal geben, und deshalb gehen wir." Der Diener trat in diesem Augenblick ein und meldet«: „Mr. Mac Gregor." „Ich lasse bitten", rief Adelheid. Hohenrain aber trat einen Schritt auf den Diener zu und
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