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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.05.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190005273
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19000527
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19000527
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-05
- Tag1900-05-27
- Monat1900-05
- Jahr1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.05.1900
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Deutsche, wenigstens Berliner, singen in Paris die Marseillaise, das Cabinet Waldeck-Rousseau darf an dem Cassirertisch, den Frankreich für städtisch gekleidete, budenschaulüsterne Bäuerlein auf gestellt, sitzen bleiben; in Oesterreich schreibt ein deutsches Blatt, das Wiederinkrafttreteu des einstmals seinen Freunden nicht ohne Grund verhaßten 8 14 würde die Gemüther kaum erregen, und bei uns im Reiche jagt ein Friedenstractat den ander». DaS Heinze-, daS Münz- und das Fleisch beschaugesetz, diese erregenden Streitpunkte, sind verschwunden und, waS besonders pfingstlich ist, nach der Stillung deS vor gedachten Kampfe« giebt es nur Sieger, keine Besiegten. So nämlich zu lesen in der officiellen CeutrumSpresse. Die „Köln. BolkSztg." findet, daß sich Alles in Wohlgefallen auf gelöst habe, und die „Germania" feiert das Centrum als Triumphator in der Heinze-Angelegenheit. Die Reden der Roeren, Gröber, Lerno und Landmann sind ebenso ver gessen wie die Zumuthuog an den Herrgott, in krummen Linien gerade zu schreiben. Dagegen müssen einige oratorische Unbesonnenheiten von Schriftstellern und Künstlern in den Vordergrund treten, um zu beweisen, daß die Gegner der lor Heinze — das steht wörtlich in der „Germania" — eine „Blamage" erlitten. Bon den Strafrechtslehrern wird klüglich geschwiegen. Wenn eö sich um einen beendigten Feldzug handelte, dürfte mau diese Renommistereien der Geschlagenen ruhig hiunehmen. Da eS aber »ur eine Schlacht in einem der geistigen Freiheit und damit der deutschen Sache aufgedrungenen Kriege ist, die gewonnen wurde, so darf nicht geduldet werden, daß der Gegner aus einem harmlosen Scharmützel heraus zu kommen vorgiebt. Weil eS eine Niederlage erlitten, will das Centrum nur um Geringfügiges gestritten haben. Eines seiner eigenen Organe, daS sich freilich nicht viel um die Parteileitung zu kümmern braucht, belehrt aber Jeden, der es sonst nicht wußte, daß ein großer Schlag der Reactio» beabsichtigt war. Der im Westen sehr viel gelesene klerikale „Aachener Bolksfreund" schreibt unter der Aufschrift: „Eine unheilvolle Niederlage": „Entweder durfte der Kampf für die Schaffung von Rechts, garantien zum Schutze der Moral und der von der Verführung fo schwer bedrohten Jugend u. s. w. nicht unternommen werden, sofern er aussichtslos war; oder er mußte mit Consequenz und Energie bi« zum Ende durchgesührt werden, — mochte kommen was immer. Damno üaxitium aääitis, — Ihr Herren vom Eentrum zum Schaden für unsere Partei fügt Ihr jetzt auch noch die schwere Blamage, den Schimpf hinzu. Ist das politisch tlug, ist das staats- männjsch, ist das weise und eine Handlungsweise, angemessen der Führer einer großen Partei? Welche Consequenzen wird es haben, daß nicht etumal in einer solchen Frage das starke Ceutrum etwas zu leisten vermag, daß cs selbst vor einer lärmenden kleinen Minderheit socialistischer, sowie linksliberaler atheistischer und grund sätzlich laxer Elemente zurückweicht und den Kampf selbst in dem Augenblicke aufgicbt, wo es diese Minderheit zu Paaren trieb?!.." Mit anderen Worten: in der ultramontaneu Partei herrscht das Gefübl, daß das Centrum mit der lox Heinze einen großen Schritt zur Erreichung der Vollherrschaft machen wollte und daß der Siegeslauf für einen Augenblick zum Stillstand gekommen ist. Auf die Moral unv die sonstigen „rc." kommt eS natürlich dem jesuitischen „Aachener Volksfreund" nicht an, und auch der Hinweis deS Blattes auf die socialistischcn und liuksliberaleu Elemente, die das Centrum großgezogen, ist nur eine rhetorische Geste, aber für die Mackt Politik befürchtet man „Consequenzen". Leiber können wir unS die Besorgnisse deS ultramontanen Blattes nicht als Hoffnungen zu eigen mache». In einer Berliner osficiösen Antwort, die dem „Aachener Bolksfreund" zu Theil wird, finden wir — neben der interessanten Bestätigung der Meldung, daß da« Centrum nachgegeben, weil «ine „PräsideutenkrisiS im Hinter gründe war" — den Trost: „Verloren ist für uns nichts." . . . Unsere Führer haben in den letzten Jahren großartig gearbeitet und brillant abgeschnitten." Das stimmt, und nicht nur io Bezug auf das „Abschueiden". Die EentrumSführer sind au sich durchaus nicht „großartig", aber sie sehen sich so leicht zu behandelnder Schwäche, Kleinheit, und vor Allem Eitelkeit gegenüber, daß sie vorwärts kommen, weil sie eben die Zeitumstände auSnützen. ES ist wirklich zu glaube», daß die unleugbar erlittene Schlappe sie nicht mutblo« gemacht hat. Mit einer Kunst-lex Heinze kommt daS Centrum aber so bald nicht wieder. Dieser feine Schachzug bleibt dm Confer- vativeu überlassen, deren leitende« Orgau, die „Kreuzztg.", wünscht, eigentlich verlangt, daß von der Regierung die Campagne im nächsten Jahr« erneuert werde und daß der Reich-tag seine Geschäftsordnung ändere, um künftige Ob- strnctiourn bintanzuhalteu. Wer hinter diesen Forderungen der „Kreuzztg." steht, wissen wir nicht. Gewiß nicht Herr v. Levetzow. Der letztgenaunteHerr soll von Anbeginn von den Kunstparagraphea nicht erbaut gewesen sein; wenn er sich alle Mühe gab, der Obstruktion Herr zu werden, so Ivar die« nicht, wie Herr Richter schreibt, „gehässig", sondern eia bei einem wirklichen Conservatwen, der noch dazu langjähriger Reich«tag«präside»t gewesen, sehr begreifliche« Bestreben. Die Obstruktion ist etwa« Nihi listische« vom StaatSstandpunctr; daß sie vom rein parla mentarischen Standpunkte keine andere Bezeichnung ver dient, bezeugt kein Anderer al« der Reichstagsabgeordnete Heine, der — freilich rs den« gesta — ,» einer Berliner Versammlung offen erklärte, den» Entschlüsse, den Verschleppung«»«» zu betrete», seien schwere Kämpft innerhalb der socialdemokratischen Fraktion vorauSgegangen, man habe dort die Gefährlichkeit de« Mittel« keine» Augen blick verkannt. Der konservative Freiherr und die revolutio näre Partei begegnen sich also wenigstens theoretisch, und Herr v. Levetzow hat seiner Befürchtung vor den Conse- quenren, wie die „Freis. Ztg." ohne Widerspruch zu finden, mittheilt, eine kantigere Form gegeben, als wenigsten« in Hör weite der Socialdemokratie. Nach einer mehrtägigen fieberhaften Thätigkeit ist der Reichstag gestern dahin gelangt, wo daS preußische Abge ordnetenhaus sich schon seit Mittwoch befindet, in die Psingst- ferien. Hier und da gab es noch einen Aufenthalt, und daS ist manchesmal nicht unnütz. So konnte es wirklich nicht schaden, daß bei der dritten Lesung deS Nachtragsetats für die Colonien dem Herrn Direktor deS Colonial- amteS nochmals zu verstehen gegeben wurde, daß man Zweifel in die Zweckdienlichkeit seiner Amtsführung setzt, obwohl der bekannte Herr Eugen Wolf sogar im „Kleinen Journal" ihn für den providentiellen Manu erklärt hat. Auch war eS nicht von Uebel, daß gegen das Herüber holen und fast unvermeidliche Verderben von Eingeborenen Afrika« Verwahrung eingelegt wurde. Herr Richter ist nicht mehr Herr im Hause und darauf angewiesen, über Ungeberdigkeiten der Fraktion, die er nicht unterdrücken kann, in der Presse Klage ru führen. Er ver öffentlicht eine Note, die vor Jahr und Tag noch undenkbar gewesen wäre. Sie lautet: „Die„Freisi»nlgeZeitung" ist zum Unterschied von anderen Blättern nicht in der Lage gewesen, das am Montag Abend au- gebahnte Compromiß bisher ihren Lesern mitzutheileu, weil seltsamer Weise die Fraction vou der Annahme ausging, der Text dieses Compromisses müsse, bis ihm die Centrumspartei zugestimmt habe, der Oeffeutlichkeit vorenthalten werden." Daß mau Herrn Richter sogar in seine journalistische Wirksamkeit hineinredet, ist allerdings stark. Und das haben mit ihrem Brummen die volksparteilichen Flottensreunde im Laude gethan. Der Alkoholkrieg im französischen Heere. p. s. Die schrecklichen Verheerungen, die die Reblaus in den 80er Jahren in den französischen Weinbergen verursacht hat, sind inzwischen, soweit die Producenten betroffen waren, ziemlich wieder wett gemacht, doch für die Consumenten im großen Ganzen, besonders im nördlichen Theil des Landes, sind die Wunden noch nicht vernarbt. Unter dem Drucke der hohen Weinpreise wandte sich die Bevölkerung vielfach dem Ge nüsse der Spirituosen zu, die dem Volischarakter vielleicht wahl verwandter sind, als das phlegmatische Bier. Cognac, Absynth und sogenannte Aperitifs, die etwa unserem unheilsamen Magenbittern entsprechen, bürgerten sich immer mehr ein, und fast unbeachtet schwoll ihr Verzehr auch in den Casernen un heimlich an, und begann die Disciplin der Soldaten zu lockern. Die Casernencantinen sind in Frankreich eigenartige In stitutionen; gegründet wurden sie 1830, indem den Casernen- Waschfrauen, die die Soldatenwäsche zu besorgen hatten, die Beköstigung der Leutnants übertragen wurde. Allmählich legten sie sich nebenbei einen kleinen Lebensmittelhandel für die Mannschaften an; sie durften Landwein verabfolgen, ein Gläs chen Adsynth kam dazu. So entstand ein schwunghaftes Likör geschäft, und manch eine Waschfrau hat binnen zehn Jahren auf diese Werse sich ein Hotel oder eine Villa verdient. Nur wenige hohe Officiere beobachteten bisher die Gefahr, die für die Armee in diesem freien Alkoholverkaufe liegt. General Brugtzre, der heutige Militär-Gouverneur von Paris, that, als er noch Commandirender des 2. Armeecorps war, vor einigen Jahren den ersten amtlichen Schritt zur Be kämpfung des Alkoholismus in der Armee, indem er in den Casernen seines Corps den Cantinenwirthen verbot, schon vor der Morgensuppe Spirituosen zu verkaufen. Einzelne andere Corpscommandanten folgten dem Beispiel Brugöre's, so General Keßler und General Donop, beides Träger deutscher Namen. Letzterer stellte seinen Regiments kommandeuren sogar frei, in ihren Casernen den Spirituosen- Verkauf gänglich zu unterdrücken, woraufhin auch verschiedene diese Maßregel durchführten. Der Erfolg war ein ermuthigen- der; wohl raisonnirten die Wirthinnen, aber die Mannschaften lernten bakd den Segen des Verbots einsehen, nur die Char- girten schienen sich in ihre» Menschenrechten beeinträchtigt zu fühlen. Dann wurden in einzelnen Casernen Vorträge über sisi Gefahren des Alkohols «ingeführt, die guten Anklang fan den. Der Verzehr von Bier, Milch und warmen Wein stieg zu sehends. General Gallien!, der Gouverneur von Mada gaskar, trat, gestützt auf die Erfahrungen, die er in seinem Heere in den Tropen gemacht hatte, ebenfalls für Enthaltsamkeit auf den Plan, so daß der Kampf gegen den Alkoholismus die Aufmerksamkeit auch der höchst«, Militärbehörden auf sich zog. Angefeuert nicht nur durch daS Vorgehen seiner Landsleute, sondern auch belehrt durch daS energisch« Auftreten des deutschen Generals Grafen Häseler, de« Commandeur« des 16. (lothringer) Armeecorps, der nicht nur den Schnapsverkauf in den Cantinen untersagte, sondern auch das Militär-Bekbot über etwa 20 Metzer Schnapskneipen verhängte, erließ nun der französische KrieaSminister, General Gallifet, anfangs Mai das Verbot des Spirituosen-Verkauf« für alle Cantinen des ge lammten französischen Heere«. Im betreffenden Tagesbefehl heißt es unter Anderem: „In Folge dessen habe ich das unbe dingte Verbot deS Verkaufe« aller gebrannten Getränke, sowie deren Mischungen, unter welchem Namen sie auch gehen, aus gesprochen. Erlaubt ist dagegen der Ausschank der gegorenen Getränke (Wein, Aepfel- und Virnenwein und Bier) und aller nicht AkköW enthaltenden Getränke. Dieses Verbot erstreckt sich auf alle Casernencantinen, Mikitärquartiere, Lager- und Manöverplähe." Die französische Presse hat im Allgemeinen diesen Erlaß mit Freckden begrüßt, und spricht die Hoffnung aus, daß nun auch der Marineminifier nicht länger zögern solle mit einem ent sprechenden Befehl für alle Kriegsschiff«. Da der Erzbischof von Nancy einer der entschiedensten Vorkämpfer für die Mäßeg- keitSbewegung ist, begrüßt man vielfach die Allianz zwischen Heer und Kirche auf diesem Gebiete mit ungrtheilter Genug- thuuug, da eS hier einen Culturkamvf gelte gegen einen Volks verderber. Und die Lantinenwirthinnen mit ihren Gatten? Sie sind freilich hart betroffen. Kürzlich haben sie in Paris Kriegsrath gepflogen, und «inen Generalstreik beschlossen; ob er bereits in Scene gesetzt ist, darüber berichten die Blätter noch nicht. Der Krieg in Südafrika. Vom Kriegsschauplätze liegt heute Abend nur eine Nachricht vor, und auch diese ist ziemlich belanglos; sie besagt: * Warrentou, 25. Mai. (Telegramm.) (Meldung des „Reuter'schen Bureau-".) Die Boeren, welche sich vo» Mafeking nach dessen Entsetzung zurückgezogen hatten, bereiten sich jetzt vor, den Engländern den weitere» Vormarsch voll Mafeking an einem Puncte 10 englische Meile» östlich der Stadt streitig zu machen. AuS Capstadt, dem Brutorte für die fettesten KriegS- euten, kommen einige Meldungen mit der deutlichen Be stimmung, die Boerensache zu discreditiren, sie sind um so unzuverlässiger, als sie vom „Cape ArguS" stammen, dem bekannten Jiugoblatte. Es wird darüber telegraphirt: * Ea-sta-t, 25. Mai. (Telegramm.) Das Blatt „Argus" meldet aus Lourenco Marquez, die Regierung von Trans- Vaal «mittire Papiergeld. Eine Abordnung von einflußreichen Burghers habe dem Präsidenten Krüger gerathen, sich zu ergeben. Krüger habe geantwortet, die Sache liege in den Händen deS Commandanten. Gleiche Tendenzen wie daS vorstehende Telegramm liest man unschwer aus dem folgenden heraus: * New Castle, 25.Mai. (Telegramm.) „Reuter's Bureau". Der Beamte des Freistaates Koch hat sich heute hierher begeben und erklärt, alle BurgherS in de» Distrikten Harrismith und Vrede seien in ihre Farmen zurückgekehrt und weigerten sich, den Kampf fortzusetzen. Schließlich wird noch über einige Maßnahmen der Transvaalregierung berichtet: * Pretoria, 25. Mai. (Telegramm.) „Reuters Bureau": Alle Personen, die unter dem Verdacht, die Explosion in der Geschützgießerri von Begbie herbeigesührt zu haben, in Johannesburg vor Gericht standen, find freigelassen worden. Der Antrag, sie nochmals in Hast zu nehmen und über die Grenze zu schaffen, wurde abgelehnt. Roch ein Schwindel de« „Daily Express". Man schreibt unS aus London, 24. Mai. Der „Daily Expreß" wird nur von sich selbst in seinen Lügereien über troffen. Heute tischt er seinen N/, Millionen Lesern folgende Niederträchtigkeiten über vr. Leyds auf: Der Brüsseler Corre- spondent des Blattes habe „es sich zur Aufgabe gemacht, daS Geheimniß, daS die Beziehungen zwischen vr. Leyds und die Boeren-Abgesandten umgab, zu lösen" und berichtet: „Es war in Brüssel wohl bekannt, daß die Reise dieser Gesandten nach Europa dem vr. LeydS durchaus nicht Paßte, und obwohl er vorgab, mit ihnen in dem Versuche, euro päische Vermittelung herbeizuführen, Hand in Hand zu gehen, so konnte man bei genauer Beobachtung doch leicht ersehen, daß er sich nicht behaglich fühlte, und die Herren Fischer, Wessels und WolmaranS über alle Berge wünschte. Hierfür hatte er natürlich seine guten Gründe, und es ist mir gelungen, diese an Hand einer Information ausfindig zu machen. Meine Quellen sind als durchaus korrekt zu be zeichnen, zumal da einer meiner Gewährsleute früher selbst im Solde der Boeren stand. Ich gebe nachstehend die genauen Thatsacken, wie sie mir anvertraut wurden: „Die Transvaal-Regierung sandte einen Special-Emissär nach Europa, der sofort nack seiner Begrüßung mit vr. LcydS anfing, finanzielle Angelegenheiten zu besprechen. Leyds hatte bekanntlich große Summen Geldes — man spricht von 10 000 000 — von seiner Negierung anver ¬ traut bekommen, deren Verwendung seinem Gutdünken über lassen war, und er hat denn auch recht« und links mit vollen Händeu au unzählige Spione, an Zeitungen in Brüssel, Paris, Berlin rc. ausgetheilt. Die Resultate dieser ver schwenderischen Großmuth wollten jedoch den Präsidenten Krüger nicht befriedigen; dieser glaubte mehr für sein Geld erwarte» zu können und sandte daher den Specialboteu nach Brüssel mit der Vollmacht, alle noch nicht verausgabten Transvaal-Gelder von vr. LcydS zurückzuforder». LeydS war sehr unangenehm überrascht und weigerte sich zunächst, diese Angelegenheit überhaupt zu discutiren; al« dann Krüger'S Abgesandter seine geschriebenen Vollmachten vorzeigte, erklärte vr. Leyd«, daß sammtliche Gelder veraus gabt seien, und verlor alle Selbstcontrole, als sein Quälgeist eine Abrechnung, sowie Vorlage von Belägen verlangte. Es erfolgte ein scharfer Wortkampf, bi« plötzlich der Gesaudte von Pretoria seine Trumpfkarte auSspielte und drei Original- briefe auf den Tisch warf, die der Doktor selbst vor AuSbruch de« Kriege- au den Präsidenten geschrieben batte. In diesen versicherte LcydS, daß im Falle von Feindseligkeiten mit England Deutschland unv Frank reich zur Intervention bereit seien. Die Namen ver schiedener wichtiger Persönlichkeiten in diesen beiden Ländern wurden ,n den Briefen al« im Einverständniß ge nannt, und al- der Emissär drohte, diesen Leuten die Briefe vorzulegen, um festzustellen, ob sie den TranSvaal-Vertreter thatsächlich zu den erwähnten Versicherungen ermächtigt hatten, erreichte die Scene ihren dramatischen Höhepunkt. Leyd« riß die Briefe an sich, warf sie in« Feuer und vrrhinderte mit triumphirendem Lächeln den Boten de« Präsidenten die be- lastenden Dokument» au- den Klamme» zu retten. Dieser brach dann ia Heller Wutb in Verwünschungen gegen den Doctor au« und erklärte, daß Krüger nur im Vertrauen auf LeydS' Versicherungen Krieg erklärt habe, da er mit Reitz und Joubert der festen Ueberzeugung war, daß sie, wenn da« KriegSßlück sich gegen sie wenden sollte, mit Bestimmtheit auf nachdrückliche Hilfe von Europa rechnen könnten. Die in den Briefen ausgestellten Behauptungen, daß vr. Leyd« vou hohen Stelle» in Deutschlaud und Frankreich die betreffenden Versicherungen erhalten habe, entbehren natürlich jeder Berechtigung, aber der Negierung in Pretoria ging hierüber erst ein Licht auf, als es zu spät war. Die Mitglieder der Friedensmission waren selbstredend über Alles ioformirt, und dies erklärt „die zwischen ihnen und vr. LeydS herrschende Kälte in den Beziehungen, sowie die höhoischen Bemerkungen, die der Doctor dem Vertreter einer russischen Zeitung gegenüber über die Boerenmission machte". Ein Commentar zu diesem Scandalartikel, welcher den Stempel dreister Erfindung an der Stirn trägt, würde dessen Effect nur abschwächeu. (Keneral Cronje auf St. Helena. * Loudon, 23. Mai. Ein Mitarbeiter des „Chronicle" beschreibt Kent Cottage auf der Insel St. Helena, wo Cronje, seine Frau und drei Mitglieder seines Stabes unter gebracht sind. Nach Kent Cottage gelangt man auf zwei Wegen. Der kürzere ist die Jakobsleiter, eine in einen steilen Felse» gehauene Treppe von 700 Stufen. Auf der Höhe der Klippe angelangt, führt der Pfad in ein Thal, an dessen Ende Cronje's Behausung steht. Das Haus sieht aus, wie gar viele in eng lischen Dörfern, ein anspruchsloses, zweistöckiges Wohnhaus mit Schieferdach, gelbbemalten Wänden, die klar von dem grüney Hintergrund des Bergabhanges abstechen. Die Einfassung und die Fensterläden sind grün bemalt. Der Vorderseite des Hauses entlang läuft eine Veranda. Es ist auch ein Blumengarten vor handen, aber er ist schmählich vernachlässigt. Ein schwarzer, hölzerner Zaun umgiebt ihn und in einiger Entfernung nach vor» ist bebautes Land, auf dem Bäume stehen. Alles ist so ländlich einfach, mit Ausnahme des Zeltes im rechten Winkel des Gartens, wo die Schildwachen untergebracht sind. Den größten Theil des Tages über sitzt der General auf der Veranda. Sein Gesicht ist verbrannt, sein Bart sehr lang, und die Haare spielen ins Graue. Seine dunkelen, glühenden Augen liegen tief, und seine ganze Haltung drückt die äußerste Zurück haltung aus. Cronje spricht gut englisch, aber es ist vergeblich, in dieser Sprache Fragen an ihn zu richten. Er weigert sich einfach, eine andere Sprache, als sein heimisches „taal" zu sprechen, und selbst dann sind seine Antworten sehr einsilbig. Daß er seine Lage fühlt, sieht man ihm an, aber im Gcgentheil zu dem, was viele Leute denken mögen, ist er sehr dankbar für jede Freundlichkeit, die man ihm erweist, und würdigt die Be mühungen vollauf, die gemacht werden, um ihm seine Lage zu erleichtern. Den ganzen Tag lang befindet sich Mrs. Cronje in schwarzem Kleid mit dem schwarzen Boeren-„kappie" in der Ge sellschaft des gefangenen Generals. Andere Blutsverwandte des Generals mögen für kurze Zeit aus dem Hause kommen, aber sie zeigen alle die Ruhelosigkeit und Heftigkeit der jungen Boeren, wenn sie gefangen sind. Cronje und seine Frau hingegen haben die Kunst des Stillsitzens gelernt. Die Verehrung, die der General für seine Frau hat, ist sehr groß. Redet man mit ihm über irgend einen Gegenstand, so wird er sofort auf die An sichten und Handlungen seiner Gattin Bezug nehmen. Cronje der hingebende Gatte, und Cronje von Potchefstroom, von Mafe king und Kimberley! Unglücklicherweise ist unter den Boerengefangenen vor ihrer Abreise aus Capstadt Krankheit ausgebrochen. Die Klarsten werden indessen außerordentlich sorgfältig gepflegt; von den 200 Gefangenen befinden sich 20 im Hospital, während zwei starben. Diese wurden mit allen militärischen Ehren in der Nähe vo» Cronje's neuem Haus begraben.- Deutsches Reich. Berlin, 26. Mai. (Deutsch-sociale Reform partei und städtischer Mittelstand.) Das Organ der deutsch-socialen Reformpartei, die „Deutsch-Socialen Blätter", beschäftigen sich in einem Leitartikel mit der Frage: „Vermehrt der Handel das VolkSvermögen?" Die Antwort, die das genannte Organ hierauf giebt, muß den Nationalökonomen ebenso in Erstaunen setzen, wie sie den Anhängern der deutsch-socialen Reformpartei au« den Reihen des städtischen Mittelstandes zu denken giebt. Die „Deutsch-Socialen Blätter" verneinen nämlich schlecht weg, daß Beamte und Gelehrte, Künstler, In dustrie und Gewerbe neue Werthc erzeugen. „Der Handel gar", so heißt es wörtlich, „kann bei der Verrichtung seiner Arbeit niemals eine Vermehrung des deutsche» BolkSver- mözenS bewirken, wenn er Erzeugnisse des deutschen Landes gegen ebensolche austausckt." Wer also erzeugt nach der Ansicht der „Deutsch-SocialenBlätter" neueWerthe? Man höre: „Nur die Landwirthschaft erzeugt neue Werthe, gewiaut mehr an geernteten, also erzeugte» Güter», als sie auSgrebt. .. Die Landwirthschaft allein ist eS, die dem deutsche» Volke gestattet, sich Minister und Räthe, Professoren und Lehrer, Aerzte unv Pastoren, Generale und Grenadiere, Kanonen und Schiffe, Maler und Dichter, Buchhändler und ZeitungS- drucker, Kaufleute und Handwerker, Industrielle und Bau arbeiter halte» zu können." Auf die nationalökonomische Verkehrtheit dieser Anschauung einzugeheo, würde unS hier zu weit führen; wer sich de« Näheren für die gedachte Frage interessirt, mag die einschlägigen Abschnitte in Friedrich List'« „Nationalem System der politischen Oekonomie" Nachlese». Un« beschäftigt vor Allem die politische Bedeutung, die dem Artikel der „Deutsch-Socialen Blatt«?' innewohnt. Und diese besteht in der Frage: Wa« sage» zu solche» Behauptuuge» diejenige» Anhänger der deutsch-socialen Reformpariei, die de» städtischen Mittelstände angehören? Letzter« haben ohneZweifel ei» sehr dringliche« Interesse daran, sich Klarheit darüber zu verschaffe», »b die deutsch - sociale Reformpartei bei der bevor stehenden Erneuerung der Handelsverträge di« praktischen Eon sequ enze» au« dem Leitartikel der „Deusch-Socialen Blätter" zu ziehe» gedealt. l). H. Berlin, 26. Mai. (ErtheilungvonHausir- scheinen an Ausländer.) Der Verband der Teppich- und Möbelstoffhändler Deutschlands hat an all« Handelsvertretungen »in« Eingabe gerichtet, ia der
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