Anzeiger und Elbeblatt für Riesa, Strehla und deren Umgegend. Wochenschrift zur Belehrung «nd Unterhaltnng. -V,' 82. Freitag, den 11. Oetoder 1850. DerSiredeHanau. (Erzählung aus dem XVll. Jahrhundert.) Nach Henry d« Sauclisre-, deutsch von H. (Fortsetzung.) „Ich wurde gerufen, gnädige Frau?" fragte «r mit fragender Miene. „Nein," antwortete Clothilde, „Niemand hat nach Dir gerufen!" „Und ich glaubte die Stimme meines alten Herrn ju hören!" In diesem Augenblicke trat ein Diener in die Halle und meldete, daß ein junger Mann, über rascht von dem inzwischen herangezogenen Unwet ter, um Einlaß bäte. Clothilde gab Befehl, ihn aufs gastfreundlichste aufzunehmen, dann wendete fie sich wieder an Fritz und sagte: „Du kannst uns heute Abend, da wir so al lein sind, die Geschichte von dem Blutstropfen erzählen, von der ich schon mehrere Male hier im Schlosse reden hörte." Der Diener, seltsam durch diese Worte auf geregt, schüttelte bedenklich sein graues Haupt. „Nun, welch Bedenken hegst Du?" „Ich weiß wahrlich nicht ob ich darf . . . ." „Immerhin! Hältst Du mich für ein Kind, mein guter Fritz, und glaubst Du etwa, daß ich vor Furcht sterbe» werde, wenn ich Deine Schauer- Erzählung höre?" „Wenn Ihr es denn durchaus wollt, Herrin^,, sagte der Alte, gewaltsam seine auffallende Be wegung niederkämpfend, mit fast klangloser Stimme: „so will ich Euch erzählen, was ich von jenem Blutstropfen weiß." — »Mein verstorbener Herr," hob der Greis an, „erzählte einmal, daß es zu einer gewissen Zeit unter de» Edelleuten d«S HoseS zum „guten Ton" gehörte, dann und wann die unsinnigsten Narrenstreicht auSzusühren. Sie liefen als Srö- renfriede der ersten Klasse in den Straßen umher, prügelten die Polizeibeamten und die Nachtwächter ab, hänselten die ehrsamen Bürger aus jede Art und Weise, ja sie plünderte» sogar zuweilen die friedlich Vorübergehenden auS. ES mag heut etwa 100 Jahre her sein, daß eines Abends drei von diesen jungen Herren um die Ecke der Petite Rue Saint-Jean bogen, als plötzlich die Töne ei ner fröhlichen Tanzmusik an ihr Ohr schlugen." „Hier wird wahrscheinlich eine Hochzeit ge feiert," rief sogleich der ausgelassenste von den jungen Tollköpfen, der Marquis de Hanau, „wol len wir uns nicht das SlrumMand der Braut holen?" Der Vorschlag wurde mit dem lebhafteste« Beifalle ausgenommen, und gleich daraus klopfte die tolle Schaar lärmend an die Thür des Hau ses, aus welchem die Musik ertönte. „Was steht zu Euren Diensten, Ihr Herren?" fragte ei» bejahrter Mann, indem er die Thür öffnete." Der Marquis mußte den Sprecher machen. „Wahrscheinlich feiert Ihr heut Abend die Hochzeit von einem Eurer Kinder," sagte er mit der feinsten Höflichkeit; „wollt Ihr nicht einige« jungen Edelleuten erlauben, ein Tänzchen mit der Braut machen zu dürfen?" „Dieß würde mir sicherlich zur größten Ehre gereichen, gnädiger Herr, es ist aber wirklich un möglich." „Aha, ich sehe schon, wie die Sachen stehen. Gewiß ist Euer Töchterchen schmuck und hübsch, und Euer Schwiegersohn ein Stückchen von ei nem Tölpel, und da habt ihr Furcht, das einer von uns der Neuvermählten Glück stören würde!" „Nein, gnädiger Herr, das fürchte ich gerade nicht; meine Tochter ist sehr hübsch, aber sie ist noch vernünftiger als hübsch," „Nun, dann vergönnt uns doch den Einkitt!" „Nein, Herr, wenigstens nicht eher, bevor Ihr wißt, welches Haus Ihr jetzt betreten wollt."