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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190305163
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19030516
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19030516
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-16
- Monat1903-05
- Jahr1903
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1903
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und «eine braune Mirjam, die so schöne Augen hatte und so gut für mich schaffte. Aber ich habe es satt, ich will hier nicht länger mehr auf einen warten, der doch nicht kommt; denn er ist tot; jetzt weiß ich es ganz ge wiß." ,Moher wirst Du das wissen? Bist auch gerade danach angetan, mit Deinem einen Auge in die Sterne zu gucken und zu weissagen." „Woher ich das weiß?" keifte Mehmed. „Weil ich mit meinem einen Auge und mit meinem kleinen Kopf mehr sehe und weiß, als Du mit Deinem Kamelschädel und Deinen beiden Glotzaugen. Ich sage Dir, Abdullah ist tot, und sein Geist geht um. — Als ich heute morgen an der Jordanbrücke herumstreifte, habe ich ihn ge- sehen. In einem schwarzen Kaftan, wie ihn die grie chischen Mursalin tragen, schritt er einher, wie einer von den bösen Engeln. Und es war einer bei ihm, der sah aus, wie der Teufel selber." „Du lügst," stammelte Ibrahim, der trotz seiner Rie sengestalt ein furchtbarer Feigling war und bei diesen Worten erbleichte. „Ich lüge nicht," krähte Mehmed. „Die Pforte des Paradieses sei mir verschlossen, wenn ich nicht die Wahr heit gesagt habe. So — stand er da" — dabei riß er sein einziges Auge, so weit er konnte, auf und machte eine Stellung, als wollte er dem Großen ins Gesicht springen. „Kehr Dich ab, oder ich schlage Dich zu Boden," brüllte Ibrahim, als wollte er das Schreckgespenst damit los werden. In diesem Augenblick wieherte in dem nebenliegen- den höhlenteil, der den Räubern als Stall diente, ein Pferk „Still, hörst Du nichts?" flüsterte Mehmed, vor Schreck ganz in "sich zusammensinkend. „Bei Allah," fügte der andere hinzu, „es ist Ab dullahs Rappe; er hat keinen Laut von sich gegeben, seit sein Herr von uns ging." /.Ich sage Dir^ es geht um! Laß uns fliehen, so lange eS noch Zeit ist." „Ja, es ist wahr. Geh Du voran und sieh nach dem Pferde." „Ich werde mich hüten," wimmerte der Kleine. „Du bist der Stärkere." „Nun denn, so laß uns zusammen gehen." Damit packte Ibrahim seinen Gefährten und war eben im Be griff, dem Ausgang der Höhle sich zuzuwenden, als beide mit furchtbarem Gewinsel zurücktaumelten und sich in die dunkelsten Winkel des Felsenloches verkrochen. In dem vom Sonnenlicht beschienenen Höhleneingang stand eine schwarze Gestalt. Einen Angenblick herrschte lautlose Stille. Dann dröhnte laute- Lachen durch den weiten Felsenraum. „Bind da- die gefürchteten Beduinen, die Reisende auSplündern und Dörfer in Schrecken setzen?" höhnte Ab dullah. „Bor ihrem eigenen Führer fliegen sie davon wie die aufgescheuchten Fledermäuse! Sagt mir doch, von wo Ihr Eure mutigen Seelen habt, daß ich auch hingehe und mir eine hole." „Bist Du es selbstz o Herr, und kein böser Geist, der umgeht?" wagte endlich Ibrahim zu stammeln. „Bist Du wirklich Abdullah, unser Führer und Herr?" „Der Geier sei Euer Herr! Seid Ihr nicht wie die Hyänen, die die Zähne fletschen, wenn es Nacht ist, und sich scheu verkriechen, wenn das erste Hahnengeschrei den Morgen verkündet?" „Mir war, als hätte ich Dich heute mit dem Teufel gesehen," sagte Mehmed, der jetzt aus seiner Ecke hervor- gekrochen kam. ,-Dieser Leusel ist gekommen, um Such zu Christen zu machen," entgegnet« Abdullah, „und ich hoffe, Ihr werdet Euch ohne viel Umstände bekehren lassen." Die beiden sahen sich verdutzt an. „Willst Du uns nicht sagen, Herr, wie das alles zusammenhängt?" fragte endlich Ibrahim. „Dazu wird sich ein andermal Zeit finden," gab Ab dullah zurück. „Jetzt sagt mir vor allem, ob Euer Mut aus Euren Knochen gewichen ist, oder ob mit Euch noch etwas anzustellen sein wird." „Alles," antwortete Mehmed, „nun Du wieder bei uns bist. Aber wir zwei allein? Sieh uns doch an, wie können zwei so ungleiche Hälften ein vernünftiges Ganze geben? Ob wohl ein Tag vergangen ist, daß er mir nicht hat den Schädel einschlagen wollen!" „Und ob wohl eine Nacht vorübergegangen ist, ohne daß er mit mir gekeift hat und mir die Augen auskratzen wollte, wie eine bissige Katze," brüllte Ibrahim. „Nun, Ihr scheint ja ein brüderliches Leben mit einander geführt zu haben," meinte Abdullah. „Aber er spart Euch Eure Zärtlichkeiten bis auf ruhigere Stunden. Jetzt haben wir Besseres zu tun. Sattelt die Pferde, gebt mir andere Kleider und merkt aus, was ich Erich sagen werde." , „Wir sind bereit, Herr," antworteten die beiden. „Wenn Ihr über die Berge reitet und in das Wadi en Nar niedersteigt, so findet ihr linker Hand eine Ruine. Dort lagert der schwarze Teufel, der Euch sol chen Schreck eingejagt hat. Der fromme Priester wird Euch freundlich empfangen, wenn ihr zu ihm tretet, und ihr werdet seine Höflichkeit erwidern und ihn an die nächste Eiche festbinden, damit er Euch nicht ver loren gehe. Habt ihr verstanden?" Die beiden nickten zustimmend. „Der gute Bruder Cyrill wird nicht wenig jammern," fuhr Abdullah lachend fort, ,-aber tröstet ihn dann und sagt ihm, daß Ihr ihn morgen wieder fieilassen und ihn inzwischen nur bei seinem Prior anmelden wolltet. Dann reitet Ihr weiter talabwärts und erwartet mich bei Chirbet Nimrin. Tort werdet ihr das Weitere er fahren." Am Abend dieses Tages schlichen drei Beduinen, ihre Pferde, deren Hufe umwickelt waren, hinter sich am Zügel führend, durch das Ufergebüsch des Wadi el Kelt dahin. In der Nähe des Klosters angelangt, bog der vorderste rechts in ein kleines Seitental ab, die anderen folgten, und bald waren alle drei in einer Höhle verschwunden. „Hier fesselt die Pferde," flüsterte Abdullah, „und wartet in dem nahen Gebüsch, bis ihr dort vom Kloster her dreimal den Schrei des Uhus vernehmt." Während Abdullah wieder seine Beduinentracht mit dem schwarzen Priesterrvck vertauschte, den er in der Satteltasche mit sich geführt hatte, banden Ibrahim und Mehmed nach Beduinen art den Pferden die Vorderbeine zusammen, um sie dadurch zum Stehenbleiben zu zwingen. Dann verließen alle drei die Höhle. Ibrahim und Mehmed krochen in das Gebüsch. Abdullah schritt auf das Kloster zu. An der Pforte angelangt, klopfte er dreimal und beantwortete den Gruß des Bruders Pförtners: „Gott sei mit Dir!" durch den Gegengruß: „Und gebe Dir seinen Frieden!" Daraus erkannte der Pförtner, obgleich er, wie ge wöhnlich, des süßen Weines voll und sehr verschlafen war, daß ein Angehöriger des Klosters Einlaß begehrte. Er öffnete, verschloß die Tür wieder, hing sein großes Schlüsselbund an die Gürtelschnur und legte sich dann, ohne sich um den Ankömmling weiter zu bekümmern, — 79 wieder in seiner Zelle nieder, nachdem er sich zuvor noch durch einen tüchtigen Schlaftrunk für die Störung ent schädigt hatte. Leise trat Abdullah in den Klosterhof ein. Es herrschte tiefes Dunkel und lautlose Stille. Die Brüder waren längst zur Ruhe gegangen, und auch in des Priors Zelle war das Arbeitslämpchen schon erloschen. Abdullah kroch in eine Nische, von der aus er den kleinen Wohnraum des Pförtners beobachten konnte, da die Zelle durcy eine ewige Lampe ein wenig Licht er hielt. Das kräftige Schnarchen, das sich mit zunehmender Heftigkeit von dort vernehmen ließ, bezeugte, daß der biedere Wächter wieder in festen Schlummer versunken war. Vorsichtig wartete Abdullah noch eine zeitlang. Tann kroch er geräuschlos, wie eine Katze, die einen Vogel über raschen will, an das Lager des Schlafenden und schnitt behutsam von dessen Gürtelschnurr das Bund Schlüssel ab, das, er, um das Klappern zu verhindern, mit dem aufgenommenen Unterteil der Kutte umwickelte. Der Mönch bewegte sich. Im Nu war Abdullah im Dunkel verschwunden. Wieder horchte er eine zeitlang. Der brave Bruder Pförtner schlief fester, denn je zuvor, und auch sonst regte sich nichts. Gleich darauf hatte Abdullah die Pforte leise geöffnet, und mit schauerlichem Klange ertönte der Schrei des Uhus dreimal durch das nächtliche Tal. Als die Mönche zur Frühmesse in der Kapelle sich vereinigten, war die silberne Jungfrau Maria von der Attarwand verschwunden und mit ihr all die Kostbarkeiten, die das Kloster seit Jahrhunderten gesammelt hatte, und angesichts deren Abdullah wenige Wochen zuvor mit so festlichem Gepränge getauft worden war. 12. 's Liesel. Vier Jahre waren vergangen. Fritz und Abu Hassan hatten sich zu Jünglingen entwickelt- und Fritz war am letzten Osterfeste mit seiner ältesten Schwester eingesegnet worden. Herr Hegeler hatte von diesem Tage viel erhofft. Er hatte seinem Schützlinge nie wieder zugeredet, sich taufen zu lassen, ihn aber in christlichen und echt deutschen Anschauungen erzogen in der Erwartung, daß die „neue Sonne" dem Beduinenknaben eines Tages von selbst auf gehen werde. Vielleicht wird Fritzens Einsegnungstag dieser Tag sein, hatte er gedacht, sich in dieser Erwartung aber getäuscht. Zwar hatte Abu Hassan, den ja auch sein Spiel kamerad immer aufs neue zu überzeugen suchte, den Ge danken, sich taufen zu lassen, oftmals selbst ernstlich erwogen. Wie gern hätte er seinem Wohltäter diesen Herzenswunsch erfüllt! Aber sein Gefühl sagte ihm, daß er dem Mörder seines Vaters doch nicht würde verzeihen können, und daß ohne diese Verzeihung sein Ueber- tritt eine Lüge sein würde. So mußte sich denn Herr Hegeler abermals auf die Zukunft vertrösten. Im übrigen hatte ihm Abu Hassan viel Freude bereitet und sich auch die Liebe der andern Haus genossen errungen. Selbst Frau Bärbele, die sich zuerst von dem Familienzuwachs der Hegelerschen Junggesellen schaft nichts Gutes versprochen hatte, war mehr und mehr anderen Sinnes geworden. Abu Hassan war bescheiden und freundlich gegen jedermann und wußte mit den kleineren Kindern so gut zu spielen, daß diese bald mit großer Zuneigung an ihm hingen. Nur Herr Weber blieb nach wie vor mißtrauisch und hatte deshalb manchen Strauß mit seinem alten Freunde auszufechten. „Er gefällt mir nicht, der Bengel," sagte er. Der Knabe zeigte in der Tat diel Geschick für di« Wirtschaft und der Webersche Garten war schon seit «ch^ M reren Jahren der ertragreichste der ganzen Kolonie M- worden. Abu Hassan hatte mit unermüdlichem Meiß^M« ganz kunstgerechte Wasserleitung vom Brunnen nach dei^H hinter dem Weinberge liegenden Feldern angelegt nnd hier gediehen nun die schönsten Gemüse, die von de» Gasthäusern in Jerusalem mit guten Preisen bezahlt wurden. Infolgedessen hatten sich Herrn Hegeler- Su-sichte» auf den Besitz eines Pferdes wieder sehr gebessert, und eines Tages überraschte er die zum Mittagsmahle ver sammelten Hausgenossen mit der in sehr großer Auf regung vorgebrachten Nachricht: „Kinder, ich habe ein Beduinenpferd in Aussicht! Gn Unteroffizier oben von der Davidsburg hat es mir angeboten, und morgen früh sott es und hier vorgeführt werden." Abu Hassan ließ den Löffel fallen, als er das Wort „Beduinenpferd" hörte; denn er hatte inzwischen Deutsch gelernt und verstand jedes Wort, das die anderen mit einander sprachen. Aber als Herr Weber ihn mit for schenden Blicken ansah, als wollte er seine Gedanken erraten, nahm er sich zusammen und unterdrückte seine Fragen nach dem Tier, obwohl er für sein Leben gern gewußt hätte, wie es aussähe, woher es stamme, und wie es heiße. , Für die letztere Frage erhielt er die Antwort bald von selbst; denn obwohl noch keiner das Pferd gesehen hatte, und man nur erfahren konnte, daß es eine Fuchsstute sei, wurde doch mit großem Eifer von der Familie die Frage erörtert, wie das Tier heißen sollte. Frau Bärbel meinte, eS könne gar kein anderer Name in Frage kommen als ,Liesel", denn daheim in Tutt lingen hießen alle Fuchsstuten Liesel. Herr Weber dagegen fand eS nicht sehr geschmackvoll, einem Tier einen Menschenamen zu geben, was Herr Hegeler, unterstützt von der ganzen sprechfähigen Kin- derschar, auf daS eifrigste bestritt. Der von Herrn Weber vorgeschlagene Name „Bueo- phala" wurde denn auch mit allen Stimmen -egen eine — seine eigene — abgelehnt und der Name Liefe! al- der aüserwählte proklamiert. „Sie haben wie immer da- Nichtigste getroffen, Frau Bärbel," meinte der glückliche Pferdebesitzer in spe. .Mo sel soll sie heißen, und dabet bleibt es!" Am nächsten Morgen begab sich die ganze Familie Weber, einschließlich Herrn Hegeler und Abu Hassan, nach den weiten Feldern des Grundes Nephatm, der sich hinter der deutschen Kolonie, an der Bahnstreck Jerusalem—Jaffa entlang, wohl eine Stunde wett bi- an den Rand der !-!-s Berge von Bitir auSdehnt. Hier sind die Gefilde >veNiger steinig und wohl zu einer Reitprobe geeignet. Zur festgesetzten Zeit erschien auch der türkische Sol dat mit dem Kaufgegenstand, dessen Anblick allgemeine Bewunderung erregte. Es war ein schlankes, zart gebautes Tier mit einem prächtigen Kopf, klugen, treuen Angen und einer weißen Blesse auf der Stirn. Auch an den Fesseln aller vier Beine waren weiße Stellen, die sich von dem glänzenden, hellbraunen Fell des übrigen Körpers sehr zierlich ab hoben. Der prächtige Schweif hing fast bis auf die Erde, und die sauber eingeflochtene Mähne fiel in zierlichen Strähnen über den schlanken Hals. Es war eine Lust, das Tier anzuschauen, und He« Hegeler wußte sich kaum zu fassen vor Glückseligkeit, daß er es nun sein eigen nennen sollte. Nachdem das fäne Zaumzeug und der bequeme Sattel aufgelegt waren, die er aus Deutschland mttgebracht uud schon seit Jahren in Bereitschaft hatte, wurde da» Pferd
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