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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193210088
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19321008
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19321008
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1932
- Monat1932-10
- Tag1932-10-08
- Monat1932-10
- Jahr1932
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1932
- Autor
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Werne Kleider eine Flasche Tinte gegossen. Und solche Streiche macht er täglich. Selbst Schläge nützen nichts. Er beiß« die Zähne zusammen und sieht mich an mit einem Ausdruck, als wollte er mir an die Kehle springen. Ich habe mich schon ein paarmal bei Robert beklagt. Aber er erklärt mir, daß er höchst ungern als strafender Vater auftritt und von mir erwartet, daß ich mit dem Jungen allein fertig werde.- »Das hast du auch sehr falsch gemacht, liebe Ina. Wen» Weltner so eine Affenliebe für den kleinen Burschen ha!, nun gut, so muß ec-en äußerlich alles gut und im Friede» gehen. Weltner muß unbedingt den Glauben gewinnen, daß niemand es so gut mit seinem Kinde meint wie dn. Und daß niemand so gut mit ihm fertig wird.* »Aber wie soll ich das erreichen?* fttigte Ina heftig. »Der kleine Kerl kennt ja nur einen Menschen, an dem er hängt und an den er denkt, und das ist seine verstorbene Mutter. Die ist für ihn ein Heiligtum. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß ein so junges Kind seine Mutter so lange nicht vergessen kann.* »Und den Vater liebt er nicht so?* »Den liebt er sicher auch sehr*, meinte Ina nachdenk lich. »Aber er zeigt es in meiner Gegenwart nicht so. Ich habe ihn vielleicht auch ein wenig scheu gemacht, dadurch, daß ich dem Vater seine Unarten mitteilte.* »Dann mußt du es eben einmal anders versuchen*, sagte die alte Dame. »Soll ich vielleicht dem frechen Gör, das mich an der Erreichung meines Zieles immer und immer wieder hin dert, noch gute Worte geben? Ich kann nun einmal Kin der nicht leiden, und diesen Jungen am wenigsten. Er ist ohnehin eine unangenehme Mitgabe in eine eventuelle Ehe mit Robert*, sagte Ina heftig und stand auf. Sie sah nach der kleinen, blitzenden Armbanduhr, die sie an dem schlanken Handgelenk trug. »Zeit, daß ich gehe, Tante Sascha. Ich bin gern daheim, wenn Robert kommt. Gestern hatten wir zum ersten Male nach langer Zeit eine richtige behagliche Abendstunde in feinem Zimmer. Ich habe ihn recht verwöhnt und ihm nach dem Munde geredet. Das mögen die Männer alle gern, selbst die klügsten.* Ihre Mundwinkel zogen sich ironisch herunter. Sie sah in diesem Augenblick ihrer Tante erschreckend ähnlich. »Ra also', meinte die befriedigt. »Es wird schon werden. Du mußt nur diesen kleinen, verzogenen Bur schen, den Ralph, zur Vernunft bringen. Dann haft du auch Robert gewonnen.* Zehntes Kapitel. Ina «es unten das erste Auto an, das ihr entgegen kam. Dank des sehr reichlich bemessenen Haushallgeldes und der Tatsache, daß sie über große Mittel verfügen konnte, ohne daß Weltner Rechenschaft von ihr verlangte, konnte sie sich manchen Luxus leisten, der ihr sonst unmög lich gewesen wäre. Unterwegs, während das Auto in schneller Fahrt der Weltnerschen Wohnung entgegenfuhr, überlegte sie noch einmal die Ratschläge, die Tante Sascha ihr gegeben hatte. Befriedigt lehnte sie sich im Wagen zurück und prüfte im Schein der Lampe ihr Gesicht im Spiegel. Jetzt, in der halben Beleuchtung, sah man nichts von den ersten ver räterischen Spuren der Jahre um die Dreißig. Blühend, ebenmäßig, voll stolzer Schönheit blickte ihr ihr Antlitz unter dem beschattenden Samthut entgegen — der sehr schlanke Hals blühte makellos aus dem dunklen Pelz der kurzen Pelzjacke, die sie trug. Sie war auf einmal voller Zuversicht. Es mußte doch endlich gelingen, Robert dahin zu bringen, daß er um ihre Hand anhielt. * * , Weltner sah angenehm überrascht von seiner Arbeit auf, als sich nach leisem Klopfen die Tür öffnete und Ina bcreinkam. Wie sie. da in der Türöffnung Land in dem knappen braunen Kleid, mit dem zarten Weißen Spitzen kragen um den kleinen Halsausschnitt, dem von der Lufh leicht rosig angehauchten Gesicht und der hohen stolzen Ge-i ftalt, war sie wirklich ein schönes Bild von Kraft und Jugendlichkeit. Vorsichtig trug sie eine silberverzierte Kristallvase, aus der heraus in üppiger Fülle der Strauß roter Nelken schwankte, den das Stubenmädchen vorhin auf Wellners Geheiß in das Zimmer gestellt. Inas sonst so herrische Stimme hatte einen warmen, einschmeichelnden Klang; ihrs sonst kalten Augen blickten weich zu Robert hin, über die duftige Fülle der zarten Blumen. »Ich muß sie doch hierher bringen*, sagte Ina leise, »um dir zu danken. Ich gönne mir die Freude gar nicht allein. Wie lieb von dir, so an mich zu denken.* Behutsam stellte sie die Nelken mitten auf den Eßtisch „So, da kann ich dir ein Stückchen von meiner Freude geben. — Verzeih, daß ich zu spät komme. Ich war einen Augenblick bei einer Verwandten und glaubte dich noch nicht daheim.* »Aber ich bitte dich, Ina, du kannst doch nicht immer warten, wann ich gerade aus dem Büro heimkomme. Du bist doch dein freier Herr.* »Um so mehr halte ich es für meine Pflicht, immer da zu sein, wenn du einmal eine Viertelstunde Lust verspürst, während des Essens zu plaudern. Ein wenig Ent spannung mußt du doch haben, und wenn ich durch meine Anwesenheit dazu beitragen kann, bin ich wirklich glück lich* Er sah sie warm an. „Wie selbstlos du bist, liebe Ina. Mir ist, als hätte ich früher keine Augen im Kopfe gehabt, als hätte ich gar nicht gesehen, wie du dich bemühst, mir Arbeitsmenschen ein wenig Behaglichkeit in meinem verödeten Heim zu schaffen. Ging es heute übrigens mit Ralph? Ich hoffte, ihn noch zu sehen, aber er war schon zu Bett.* - Ein Zug wie Bedauern ging über Inas Gesicht; „Ach! Wenn ich geahnt hätte, daß du heute zeitiger kommst, dann hätte ich ihn sicherlich noch auf gelassene Aber ich wollte ihn lieber selbst ins Bett bringen. Ich überlasse seine körperliche Pflege so ungern den Mädchen. Gut ging es. Wir werden uns schon miteinander ver ständigen, Ralph und ich. Du sollst jedenfalls von mir keine Klagen mehr hören.* verzuch griss Wellner nach der Hand seiner Kusine: „Niemand wird dir das mehr danken als ich, lieb« Ina...' Ganz gegen seine Gewohnheit, blieb er auch nach dem Abendbrot noch eine Weile plaudernd bei seiner Kusine sitzen, ohne sich sogleich zu seinen Akten zurückzuziehen. Er erzählte ein paar Fälle aus seiner Praxis. Ina hörte aufmerksam zu, den feinen Kopf mit den klugen Augen leicht in die Hand gestützt. Ab und zu warf sie eine kluge interessierte Bemerkung dazwischen — und Weltner dachte, daß es doch schön wäre, ein teilnehmendes Frauengemüt nach der harten Tagesfron neben sich zu wissen. Seit Maria von ihm gegangen, war er sehr, sehr einsam gewesen — und er empfang dankbar, daß die Kusine ein so stiller und anteilnehmender Zuhörer war. »Das war heute ein behaglicher Abend', sagte er end lich, auf die Uhr sehend. „Ich bedaure, daß ich nun doch noch einmal an den Schreibtisch muß. Weißt du, es gibt Tage, die einem besonders glücklich und leicht erscheinen. Vielleicht liegt es auch daran, daß mir heute so gut wie alles geglückt ist, was ich angefangen habe. Vor allem habe ich heute ein armes, tapferes Menschenkind aus einer schwierigen Situation befreien können.* Er erzählte Ina von Edith Bernheim und ihrem traurigen Schicksal. „Glücklicherweise habe ich jetzt eine Vakanz im Büro und konnte sie sofort bei mir als Sekretärin einstellen. Sie tritt bereits morgen ihren Dienst an.* Seine Stimme hatte sich belebt, seine Augen bekamen »tnen warmen Scbei» in der Erinneruna an die alückliche Wendung, die vas Geschick der tapferen, unglücklichen Frau durch sein Dazwischentreten genommen. Mit steigender Unruhe hatte Ina seiner lebhaften Er zählung gelauscht. Mit dem feinen Instinkt der Frau Witterte sie eine Gefahr — eine Gefahr, der sich der Man« da vor ihr noch in keiner Weise bewußt war. »Ist diese Frau Bernheim noch jung?* fragte siervor- sichtig, als Weltner zu Ende gesprochen. »Doch, sie ist noch sehr jung*, sagte er harmlos. »Sie hat etwas vollkommen Mädchenhaftes, nicht nur in der ganzen Erscheinung, sondern auch in ihrer Art. Sehr an genehm, hübsch sogar, glaube ich, nur durch Kummer und Entbehrungen blaß und ein wenig elend. Denke aber, das Wird sich geben, sowie sie in geordnete Verhältnisse kommt.* „War sie denn vorher nicht in geordneten Verhält nissen?* »Ach, das ist eine traurige Geschichte, die ich dir kaum erzählen kann, denn ich bin als Anwalt zum Stillschweigen verpflichtet. Es war da eine düstere Sache mit dem Manne, dem sie nach Südamerika gefolgt ist. Er ist plötzlich ge storben. Seine früheren Freunde versuchen der armen Frau nun noch alles abzugaunern, was sie vielleicht für sich hätte retten können. Sie hat viel durchgemacht. — Du wirst sie ja hier im Hause auch vielleicht einmal kennen lernen, wenn sie manchmal nach Büroschluß oder an einem Sonntag für mich an Stelle meines ehemaligen Sekretärs schreibt. Dann, hoffe ich, wirst du recht gut zu ihr sein.* Ina schwieg. Sie war zu klug, etwas von dem zu ver raten, was bei den mitleidigen Worten Wellners in ihrem Innern vorging. Ihre Miene drückte nur Besorgnis aus, und ihre Stimme klang sehr sanft, als sie nun fragte: „Und du glaubst nicht, daß es zu irgendwelchen Miß deutungen führen könnte, wenn du eine so junge, und wie mir scheint, hübsche Sekretärin engagierst? Die Leute haben ost eine böse Zunge. Richt, daß ich etwas dabei fände, aber man muß auch an die lieben Nächsten denken.* Weltner lachte auf. „Aber, meine liebe Ina, wir leben doch nicht mehr im Mittelalter. Wir sind doch moderne Menschen. In der modernen Zeit findet kein Mensch etwas dabei, wenn man in der Arbeit sich auch junge Mitarbeiter heranholt. Glaube mir, man vergißt dann vollkommen, ob das ein Mann oder eine Frau ist, die einem an der Schreibmaschine gegenüber sitzt. Man sieht eben nur den arbeitenden Menschen — nichts weiter. Wer das nicht begreift, der kann mir leid tun. Du bist hoffentlich als vernünftige moderne Frau über solche Vorurteile erhaben?* »Selbstverständlich!' log Ina, denn sie fühlte sehr wohl, ein Widerspruch hätte in Weltner ein Mißtrauen erweckt, das um keinen Preis in ihm aufsteigen durfte. „Selbstverständlich, Robert, ich freue mich im Gegen teil, daß du eine Mitarbeiterin nach deinen Wünschen ge funden zu haben glaubst. An mir soll es nicht fehlen, wenn diese neue Sekretärin ins Haus kommt. Allerdings das eine muß klar sein: diese Dame ist nur eine Sekretärin; das zieht von vornherein gewisse Grenzen. Eine zu große Freundlichkeit gegenüber Angestellten tut nie gut.* »Handle ganz, wie du es für richtig findest*, gab Welt ner ein wenig verletzt zur Antwort. »Du bist es aus deinen Kreisen wohl nicht anders gewohnt, als diese Trennung zwischen Angestellten und euch zu ziehen. Ich bin ein schlichter Mensch, dessen Vater sich selbst aus kleinen Anfängen heraufgcarbeitet hat. Ich kenne derartige Standesunterschiede nicht. Im übrigen ist es dieser Frau Bernheim auch nicht an der Wiege gesungen worden, daß sie sich ihr Brot einmal als Schreibmaschiniftin würde ver dienen müssen. Sie war sehr reich und die Tochter einer angesehenen süddeutschen Familie, deren Namen einen guten Klang hatte. Das nur nebenbei. Run muß ich aber wirklich an die Arbeit gehen.* Er küßte Ina höflich die Hand und ging hinaus. Sie blieb unzufrieden zurück. Wie er sich für diese abenteuer- Üche Nerkon. di« da aus Südamerika derei,u»elöku«it war. »insetztr! Es Ivar wirklich auffallend, »er weiß, was das für eine Kokette war, die verstanden hatte, sich als un glückliche, vereinsamte Frau bei ihm einzuführen? Gerade- zu erregt war er bei der Schilderung ihres Schicksals ge- worden. ^nas Abwehr hatte ihn verstimmt, sie hatte das sehr genau herausgefühlt. Vielleicht hätte sie das auch nicht sagen sollen? Aber es war nun geschehen. Um so bringender war es, daß sie Wellner dazu brachte, sich zu erklären und sich mit ihr zu verloben, ehe ihr vielleicht eine andere ins Gehege kam. Sie durfte keine Zeit mehr verlieren, alles drängte zur Entscheidung. »»ftes Kapitel. Ein wenig verstimmt über den Abschluß des Abends war Weltner aus dem Speisezimmer gegangen. Die Be merkung Inas über die Schranke zwischen ihr und dieser armen kleinen Frau Bernheim hatte ihm nicht gefallen. Genau der gleiche Hochmut, den er an den Verwandten seiner Maria so oft gefunden, der beinah sein eigenes Lebensglück gefährdet hatte. Man hatte ihm, dem unbekannten bürgerlichen An walt, ja auch zuerst die Hand Marias verweigert; als ob ein ehrlicher bürgerlicher Name nicht auch etwas in der Welt wert wäre. Maria allein hatte nichts geerbt von dem Dünkel ihrer Familie. Sie hatte erklärt, daß sie Robert heiraten würde oder ledig bleibe. Schließlich hatte sich die Familie gefügt. Aber bei den Familientagen hatte Weltner immer wieder diese Mißachtung gegen den bürgerlichen Ein dringling in die Familie Marias heradsgefühlt. Er hatte es nur seiner glänzenden Stellung zu danken, die er sich geschaffen, daß man die Ehe Marias mit ihm nicht als eine Mesalliance ansah. Nun traf er bei Ina den gleichen Hochmut, wie er ihn in dieser ganzen Kaste kennengelernt. Nein, sie konnte eben nichts dafür, sie war eben ein Produkt ihrer Er ziehung. Wenn sie Edith Bernheim erst kennenlernen würde, dann würde sie wohl anders urteilen, und ihr gutes Herz würde siegen. Er ging durch den Korridor zu seinen Zimmern. Da stutzte er. War da nicht ein Geräusch im Zimmer von Ralph? Leise schaltete Weltner das Licht im Korridor wieder aus und lauschte. Wirklich, in die Stille klang etwas wie ein dünnes verzweifeltes Kinderweinen, das immer aufklang, um dann wie erstickt innezuhalten. Vorsichtig öffnete Weltner die Tür, schaltete jäh daS Licht ein. Das verweinte, tränenüberströmte Gesicht seines kleinen Jungen sah ihm erschreckt entgegen und versteckte sich im nächsten Augenblick in den weißen Kissen des Bettes. „Aber Kind! Aber Ralphi!* Mit einem Schritt war Weltner an dem weißen Kinderbettchen und setzte sich auf den Rand, Ralphs Hand ergreifend. „Bist du krank? Was ist dir? Warum weinst du?* Besorgt faßte er nach der Stirn des Kindes, aber sie zeigte nur die Wärme der Erregung, nicht die eines Fiebers. „Was ist dir, Ralph?* fragte Weltner noch einmal und versuchte das tränenüberströmte Gesicht aus den Kissen zu lösen, in die er es hartnäckig gepreßt hielt. „Warum bist du denn so traurig? Sag es mir doch, mein Junge!' Er streichelte leise und behutsam die Weichen blonden Haare des Kindes, die den gleichen lichten Schimmer hatten wie einst Marias Haare. Das Schluchzen wurde stärker; ein unartikulierter Laut kam aus dem bebenden Kinder mund und endlich klang es leise: „Mir ist so bange nach der Mutti — und mir ist so bange nach dir — niemand hat Zeit für mich, niemand hat mich lieb. Alle sagen, daß ich unartig bin und ein böser Junge — und ich bin doch nur unartig, weil mich keiner lieb hat.-."
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