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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 28.09.1933
- Erscheinungsdatum
- 1933-09-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193309281
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19330928
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19330928
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1933
- Monat1933-09
- Tag1933-09-28
- Monat1933-09
- Jahr1933
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 28.09.1933
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Peter Hagenr uauLSkr-akeüiLLLtwir vup'ri vssis«» 0t>Z>H» q»Liv-«^v^kno/<u / r^. ^?ÜIIILöIL bö^ll^blL öürkmmraö WMik— (Lonne die dem >» ,» die glaubte die Sekunden langsam in die „Aver es ,s ,eyr scynmm ve, mir, nich?" „Och Gott, sichst n bißchen blaß au». — Last wohl viel ausstchen müssen, wa»? — Gehungert?" Tonne starrte in da» hell« Spiel de» Sonnenlichts, das auf dem weißen Deckbett lag. Und dann erzählte er dem Freund alles. In der friedlichen Krankenstube erstand noch einmal die grauenhafte Welt de» Elend», des Lasters und deS Verbrechen». „Vielleicht war es sogar ganz gut, daß ich so weit hinabsteigen mußte. Ich habe setzt die tiefsten Tiefen kennengelernt, Uli, und kann nun erst richtig verstehen, um was euer Kampf geht. Glaube mir, ich war sehr elend,' aber trotzdem habe ich mich da unten nich be- dreckt. Ich bin so geblieben, wie ich war. — Nur so furchtbar müde, weißt chu, entsetzlich müde bin ich ge- worden . . . Ich glaube, da» kam durch den Hunger. Und zum Schluß — lach nich, UM — da wollte ich sterben. — Blödsinn, natürlich. War weiter nicht» al» Feigheit nnd Faulheit. Aber ich war innerlich so zer rissen, Teufel noch mal, -aß ich alle Lust am Leben per» loren hatte." „Und nun ist sie wieder da," saate Mi. »Junge, werde bloß recht schnell gesund! Dich brauchen wir, und wir warten auf -ich!" Millionen glitzernde Sonnenstäuvchen tanzten in den Lichtbalken auf und nieder. Uli war gegangen — aber er hatte etwa» zurückgelassen, da» besser war, al» alle Fürsorge der Krankenschwester, besser, al» alle Rezepte des Arztes. Man konnte e» nicht beim Namen nennen, mair fühlte e» nur. Versunken blickte Tonne in da» wirbelnde Spiel -er goldenen Sonnenstäubchen ... * . » 14. Zortsetzung Auf feder saßen sieben Mann d«au nebeneinander, uno zwischen sich hatten sie noch die Tornister gestopft. Luft? — Ja, die kam durch eine kleine Holzklappe vorn an der Stirnwand herein. Aber augenblicklich war keine dr«n, sondern nur dicker Qualm. Die Männer husteten und schimpften, aber ihre Tabaks- pfeifen ließen sie trotzdem nicht ausqehen. Bi» ihnen schließlich der Truppführer, der vorn neben dem Fahrer saß, durch die Luke zuricf, das Rauchen sei für eine halbe Stunde einzustellen. Da klopften sie ihre Pfeifen aus und zertraten die glühenden Tabakreste. Dann erzählte einer Witze, und die andern lachten. „Mensch, Standartenkrüger," kam eine Stimme aus dem Dunkel, „halt die Schnauze! Wir wollen lieber einen singen. „Ihr seid wohl ganz und gar verrückt geworden? Gesungen wird nicht! Sonst schnappt nn» die Polente. Nachher, wenn wir draußen sind!" „Wir kvnn' ia leise machen, bet hört keen Mensch!" Und damit fing auch schon einer an zu summen „Zwei Knaben stiegen auf den Turm - au, au, au! Der eine yatt' 'nen Bahandwurm — au, au, au! Der. andre kühn und munter — au, au. au! Ließ sich daran herunter — au, au, au! rind dann sangen alle den Refrain mit, aber nur ganz leise: «Ja, wenn man so eine Musik hört, Dann wird alle» wieder gut. dann wird alles wieder gut! Ja, wenn man so einen Eierkuchen bäckt. Dann geht alle» wie genudelt, wie geleckt!" Während ihre Körper hin und her gestuckert wurden, lag ihnen das eintönige Rattern des Motors im Ohr. Hinaussehen konnten sie nicht. Ia, sie wußten nicht einmal, wohin e» ging. Bon ihrem Berkehrslokal aus waren sie zur Garage marschiert, in den Wagen ge- klettert, un- nun schuckelte man sie durch die Gegend. Eigentlich batte sich Tonne neben Uli setzen wollen. Aber nun saß der vorn an der Stirnwand und Tonne hinten bei der Tür. Neben sich hatte er den Standarten- krüger mit der groben Schnauze. Die ging wie ge- schmiert und sprudelte unablässig Witze, Einfälle und Randbemerkungen zu den Gesprächen der anderen her- au». „Die wer'n un» heute wieder schön schinden," sagte Krüger zu Tonne. „Haste schon mal so'n richtigen Nachtmarsch mitjemacht? — Mensch, da tränt dir det Oberhemd! Alle zehn Kilometer 'ne Pinkelpause, weiter nifcht. Und legsre dir hin, denn wer'n dir de Knochen lahm und du krichst 'nen Wolf." Tonne lachte. „Wird schon nicht so schlimm werden!" „Na, mein Junge, du siehst noch 'n bitzken spack au». Warte man ab!" „Krüger, halt die Schnauze!" ries Ul! herüber. „Bangemachen gilt nich! Wirst e» schon aushalten, wenn du ooch erst drei Wochen auS'm Krankenhaus rau» bist." Etandartenkrüger stieß Tonne in die Seite. „Hab'S ia nich iewußt, daß de krank warst, Mensch. Hab's ooch ja nich so schlimm femeint. Verstehst doch, nich wahr?" „Klar!" sagte Tonne und nickte ihm zu. „Du, Kruger " rief Uli noch einmal, „wenn der Tonne wieder auf'm Damm iS, dann läßt er dich am steifen Arm verhungern!" <lla, wolln wir mal sehen!" Die Vorderluke ging wieder auf. „Nun sind wir aus Berlin rau»," rief der Truppführer nach hinten. „Jetzt könnt ihr singen, wenn ihr noch Lust habt!" Und ob sie Lust hatten! Fritze Steckler holte die Mundharmonika raus, dudelte erst mal rauf und run ter und begleitete den Gesang. „Und wenn du eine Schwiegermutter hast. Dann schick sie in den Wald, Denn im Wald da sind die Räuhäuber, Iuvivallerallera, die Räuhäuber, Die machen deine Schwiegermutter kalt . . Da» dröhnte und ballerte in dem engen Wagenkasten. Im viereckigen Ausschnitt der Luke, die nun geöffnet blieb, sah Tonne die Straße vor sich. Die Bäume glitten im Licht der Scheinwerfer schnell heran und verschwanden seitlich. ES schien, als stände der Wagen still, und die Straße würde unter ihm weggezogen. Tonne war ost in die Nacht hinausgewandert, aber die Abenteuerlichkeit einer Fahrt tm Lieferwagen hatte er noch nie ausgekostet. „Mensch," sagte Willi Schmeer, -setzt müßte sone "ich- tige Mollenbewejung tn Jang kommen!" — Willi sprach nicht viel, aber wa» er sagte, das hatte Sinn und Verstand. „Du, Braumann," ries einer zum Truppführer hin- aus, „legen wir nich noch 'ne kleine Mollenpause ein?" „Abwarten!" klang es von draußen zurück. „Na, tS jut," sagte einer, „dann wolln wir erst mal > noch einen singen!" l „Der Braumann 1» sa vlaukreuzler," meckerte Schmeer vor sich hin, aber da hatten He anderen 'e- SUMomges. Am nächsten Tage kam wieder Besuch: Markgraf. Er sprach etwas befangen von Alltäglichkeiten, als wäre niemals etwas zwischen ihm und seinem Mündel vor- gefallen. So ganz nebenher meinte er, e» würde sicher nur noch wenige Tage dauern, bis Tonne wieder nach Haus kommen könne. Erstannt sah der Kranke aus. „Ich kann nicht wieder zu dir ziehen." „Vergiß nicht, Tonne," sagte Markgraf ernst, „daß du noch nicht großjährig bist, und daß ich immer noch dein Vormund bin. Ich hätte dich ja von der Polizei suchen lassen nnd vielleicht sogar . . . tn eine Er ziehungsanstalt bringen können . . ." Tonne biß sich auf die Lippen und antwortete nicht. „Ich meine nur," fuhr Markgraf fort, „daß ich ge setzlich dazu berechtigt gewesen wäre. Ich Habs ja nich getan . . ." „Eher hätte ich mich umgebracht!" erwiderte Tonne erregt. Markgraf schüttelte den Kopf. „TS wird nicht» so beiß gegessen, wie cS gekocht wird. — fiebrigen» hätte ich dir das ja auch nie angetan, Tonne!" Der Junge sah seinem Vormund forschend in» Ge sicht. „Du hast mir viel mehr angetan, Markgraf," sagte er, „und da» kann nicht einfach so au»gewischt werden. — Ich komme jedenfalls nicht mehr zurück." „Hast du denn Arbeit?" „Ja!" — Leicht brachte Tonne diese Lüge über Lippen. So!" Aie schwiegen nun beide. Markgraf spielt mit Zipfel der kleinen Tischdecke,' Tonne starrte in Stube hinein und glaubte Vergangenheit tropfen zu hören. ' „Ich weiß nicht, wie e» war," begann der Vormund wieder. „Ich will dir ja glauben, daß die Borwürfe, die inan gegen dich erhebt, nicht zutreffen. — Aber schließlich mußt, du doch auch verstehen, daß sie mich maßlos geärgert haben, Tonne." „Daran denke ich nun nicht mehr. Aber ich will dir reinen Wein ctnschenken: Heute bin ich wirklich ent schlossen, Nationalsozialist zu werden. — Nicht aus Wut und Haß oder etwa aus Enttäuschung. Glaub mir das! Nein, aus wirklicher Ueberzeugung. — Ich glaube daran." Der andere schwieg. Er sah, daß e» diesem kranken, blassen nnd ausgehungerten Jungen ernst war um da», was er sagte. Er lag hier, ein Bild unsäglichen Jam mers, und die Worte, die er sich abrang, wogen schwer, sehr schwer. Jedes einzelne klang wie ein Schwur. „Wir wollen in Frieden auSetnanderaehen, Mark graf." sagte Tonne leise. „Ich trage dir nicht» nach. Aber quäl mich nicht mehr! Ich muß jetzt meinen Weg allein gehen, und ich will ihn gehen! Ich glaube, daß ich diesmal auf der richtigen Straße bin. Man kann nur ciuc große Enttäuschung überwinden; ich jeden falls könnte eine zweite nicht ertragen. Dann würde was passieren, Markgraf!" Der Setzer hatte sich erhoben. Groß und aufrecht stand er vor dem Krankenbett und reichte Tonne dre Hand. - „Laß dir's gut gehen, Tonne!" fagte er. Der Junge nickte nur. Und mit festen Schritten ging der Vormund, der Freund des Vater», au» dem Krarrkensaal. Tonne schloß die Augen.« Er lächelte, trotz allem ... IS. Es war das Lieferauto einer Wäscherei, mit dem sie in die Nacht htnauSrumpelten. Ein geschlossener Holz kasten. in dem man Ignas zwei BAnke gufgestellkIaUe. „Solang noch Untern Linden die blauen Schupos gehn. Die Gummiknüppel schwingen, wenn sie zwei Nazis sehn, Solang noch Isidorchen regieret in Berlin — So lang wirs unsre Liebe zur Republik er- glühn . . . ." Sie sangen alle» herunter, wa» sie an lustigen Liedern wußten. Tonne staunte, als es einfach nicht abreißen wollte. Der Text war einfach und derb, aber er drückte klipp und klar da» aus, wa» diese Jungen dachten. Und dann ließ der „Blaukreuzler" Braumann Sei einem größeren Ausflugslokal doch halten; die ersehnt« Mollenpause war da! Sie kletterten aus dem Wagen. Teufel, waren die Beine lahm geworden! Man mußte sich erst mal ver treten. Koppel- und Schulterriemen wurden über den grauen Mintkirmänteln zurechtgeschoben, dann ging'S hinein. — Puh, eine Hitze! Schnell abgeschnallt und htngesetzt. „Drei freundliche Helle, Herr Wirt!" — „Nee, noch eins dazu!" — „Mir auch!" — „Hamse Fletschbrühe- Aber richtige!" — „'ne Tasse Kaffee!" Jetzt erst sahen sie sich gegenseitig an. Die Mützen hatten ihnen die Haare an den Kopf gedrückt, ihre Ge sichter waren rot. Ganz zackig mal wieder, so ein Nachtmarsch Die Stullen wurden auSgepackt. „Junge, Junge, Hai sich die Franenschaft Mühe gegeben! Bet mir iS sogar Kotlett drauf!" „Wat, du hast Kotlett? Auf meiner iS bloß Lever wurst! — Truppführer, haste nich für mich auch 'ne Kotlettstulle?" „Meckert nicht, sondern eßt, wa» Ihr kriegt!" „Nee, so wat muß einen ja verbittern! Det isset fa, wat den kleenen Mann uff die Barrikaden treibt!" Na, und dann girm'S weiter . . . Sie saßen jetzt still und rauchten vor sich hin. ES war Schlafenszeit, und die brachte Müdigkeit, die erst Überwlinden werden mutzte. Tonne hatte den Kopf an die schlitternde Holzwand des Wagens gelehnt und war trotz der vielen Kameraden mit seinen Gedanken so allein wie auf einer weltenfernen Insel. Er dachte an da», was vergangen war, und an da», was vor ihm lag. Wie ein tiefer Schnitt ging eS durch sein Leben. Aus dem Krankenhaus war er gewisser- matzen als neugeborener Mensch entlassen worden. Das war keine Redensart. Die Zeit vor seiner Krankheit lag hinter ihm wie ein abgeschlossenes erstes Leben. Und die Zeit -es Elends und der Erniedrigung lag noch weiter zurück. Die furchtbaren Bilder waren tn seiner Erinnerung schon zu wesenlosen Schatten ver blaßt und hatten viel von ihrem Schrecken verloren. ES war, als läse Tonne das alles in einem Buch. Nach seiner Entlassung war er dann auch immer stempeln gegangen. Und wo wohnte er? Bet einem jungen nationalsozialistischen Ehepaar, das ein kleines Siedlungshaus draußen lm Osten hatte; für billige» Geld. Seine neuen Kameraden waren ihm zunächst noch etwa» fremd. Aber feine neuen Aufgaben erschienen ihm alivertraut, weil er sie schon immer tm Herzen getragen hatte; nun waren sie geweckt. Nicht, daß er sich etwa tm Trupp als Fremder vorge kommen wäre, o nein! Er fühlte, daß er schon jetzt ^u seinen Kameraden gehörte. Nur die kleinen, alltag- lichen Beziehungen mußten noch ausgenommen wer den. Wenn es auch nur Aeutzerltchketten zu sein schienen: Er mutzte doch ihre Namen und ihre Eigen heiten kennenlernen, mutzte wissen, was sie trteoen, wenn Ne nicht tm Dienst waren, ob sie Arbeit hatten, oder ob sie stempeln gingen, oder was sie sonst taten. Mit dem Herzen gehörte er schon ganz zu ihnen. Er trug ein Gefühl der Gemeinsamkeit in sich, dem er mit dem Verstand nicht betkam. Daß sie alle den Nationalismus wollten und den Sozialismus, daß sie alle gegen den internationalen Wahn standen oder gegen die Reaktion, daß sie alle aus dasselbe Programm eingeschworen waren — das allein war nicht -er Kitt, der sie zusammenhielt. ES war mehr. Sie waren eine neue Glaubens gemeinschaft! Und der neue Glaube saß ihnen tm Herzen, im Herzen, daS bei allen den gleichen Takt schlug. Tonne wußte, daß er mit den Kameraden darüber nicht hätte sprechen können. Wie eine Entweihung wäre ihm daS gewesen. Wenn einer fein gläubiges Gemein schaftsgefühl auSbrücken wollte, dann hielt er keine schmalzigen Reden, sondern schlug dem Kameraden auf die Schulter, daß die Mantelnähte krachten, und sagte bloß: „Mensch. Fritze!" Au» feinen Augen aber brach ein funkelnde» Lachen. » - * Der Wagen hielt an. Eine Chaussee, überzogen mit Schlamm und Schneestreifen, links und rechts dunkler Wald. Sie saßen ab und traten tn Linie an. Dann lauschten ste in die Nacht hinaus. Ein metallisches Pochen klang In stampfendem Marschtakt die Straße entlang. Graue Gestalten lösten sich aus dem Dunkel. Der Truppführer ließ sttllsteheu, meldete: „Trupp 2 mit 1—14 zur Stelle!" Und dann: „Rührt euch!" — „Weaaetreten!" „RummSl" — Auch die anderen Trupp» hielten Un ikaten wea. LLsMMurg Lo«
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