II. Die rote Fahne über Leipzig Der 8. November 1918 in Leipzig. Schneller, als die Leipziger USPD-Führung gerechnet hatte, über stürzten sich die revolutionären Ereignisse in der Stadt. Gegen Mittag zog ein Trupp von annähernd hundert revolutionären Sol daten und Matrosen vom Hauptbahnhof durch die Innenstadt. Der Anlaß zu dieser revolutionären Demonstration war der Entschluß beurlaubter Frontsoldaten, nicht an die Westfront zurückzukehren. Sie zogen bewaffnet und mit einem roten Taschentuch, das sie an einem Stock befestigt hatten, durch die Peterstraße. Dort wurde ihnen ein rotes Fahnentuch aus einem Stockwerk zugeworfen, das sie nunmehr vor sich hertrugen. Die Soldaten marschierten zum Volkshaus, wobei sich unterwegs der Zug ständig vergrößerte. Sie entfernten ihre Kokarden. Offiziere, die ihnen in den Weg liefen, wurden entwaffnet. Die Soldaten rissen den Offizieren Kokarden und Achselklappen herunter. Sie hielten die Straßenbahnen an und zwangen mitfahrende Soldaten und Offiziere zum Absteigen. Wo sich Widerstand geltend machte, war er schnell gebrochen 1 ). Die demonstrierenden Soldaten wußten, daß ihre revolutionäre Er hebung nur von Erfolg gekrönt sein konnte, wenn sie sich auf die Massen stützten. Gegen 11 Uhr trafen sie im Volkshaus ein. Hier wählten sie sich aus ihrer Mitte einen Soldatenrat und zogen auf dem Volkshaus die rote Fahne auf, die weithin als Symbol der Re volution leuchtete. Sie erwarteten Hilfe und Unterstützung durch die USPD. Lipinski, der Führer der Leipziger USPD, mußte tele fonisch herbeigerufen werden. Die Soldaten zogen danach zur „Goldenen Krone“ in Connewitz und weiter zum „Eiskeller“ und anderen Lokalen, die alle mit Soldaten belegt waren. Dort brachten sie lagernde Waffen und vorhandene Munition in ihren Besitz. Selbst der Gendarmerie-Inspektor Krause aus Connewitz mußte am 9. November 1918 an seine „Königliche Gendarmerie-Direktion“ nach Dresden berichten: „. . . Am 8. November gegen 2 Uhr nachmittags bewegte sich ein Zug Soldaten (400—500 Mann) mit einer roten Fahne an der Spitze durch die Südstraße (jetzt Karl-Liebknecht-Straße) nach Connewitz. Die Soldaten kamen vom Volkshaus. Eine Stunde später marschierte der inzwischen durch die Connewitzer Massenquartiere auf etwa 800 Mann verstärkte Trupp mit Gewehren zurück in das Innere der Stadt. Außerdem waren Straßenbahnwagen mit revolutionären Sol daten gefüllt, die ebenfalls nach den Stadtinneren fuhren . . . Seit *) Siehe LVZ vom 9. 11. 1918. 4 49