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Ar. 20 Gberlaufltzer Hslmatzeitung 267 nösen Achsenstäben, welche mit feinen becherförmigen Chitinzellen besetzt sind. Die Form des Achsenstabes oder des „Kanales" (gestreckt, gezogen, schraubig, spiralig) und die Form und Stellung der Zellen sind bestimmend für die Unterscheidung der Arten. Uber die Lebensweise wird vermutet, daß sie nicht einzeln, sondern gesellschaftlich an einer gemeinsamen Haftscheibe lebten oder als Anhängsel eines quallenartigen Tieres anzusehen sind. Nur in selirmn Fällen — nicht in der Oberlausitz — sind uns Reste von dem Quallen-Schwimmkörper erhalten geblieben, die zum Versuch einer bildlichen Wiederherstellung einer Grapiolithenqualle ver anlaßt hoben. Und damit tauchen aus der Erinnerung heraus auf die formen- und farbenprächtigen Bilder dieser dem Binnen länder so fremdartig und gar nicht tierisch anmutenden Lebewelt, die unsere Meere noch heute bewohnt und dem Besucher derOst- und Nordseebäder aus eigner Anschauung, den anderen aber aus Bildertafeln bekannt ist. Vergebens werden wir unter diesen Quallen die Graptolithen-Qualle suchen, wird heute der Seefahrer in den Wassern der Tiefsee nach ihnen ausschauen. Ja, wir müssen sehr lief hinabsteigen in die Erdgeschichte, müssen das erdgeschicht liche Lesebuch der Heimat sehr weit von den letzten Seiten mit ihren Gegenwartseintragungen aus zurückschlagen, wenn wir von ihrem Leben und Sterben etwas erfahren wollen. Wir haben diese Blätter in der Heimat bereits ausgesucht und nur einzelne Stücke von ihnen, größtenteils zerrissen und zerfetzt, vorgesuuden. Wie können aber diese Graptolithenschiefer als zu den ältesten Blättern der Erdgeschichte gehörig bestimmt werden? Diese Frage zu stellen ist berechtigt; sie kann mit Sicherheit schon aus dem heimatlichen Lesebuche der Natur, mit noch größerer Bestimmtheit aber durch Vergleichung mit den gleichzeitigen Blättern in der Oberlausitz benachbarten Gebieten, besonders des Bogtlandcs und Böhmens, beantwortet werden. Die Graptolithen-Qualle» be zeugen uns, daß die ihre Reste bergenden Schiefer Ablagerungen eines Meeres sind. Eine mikroskopische Untersuchung sehr dünner Schliffe aus weniger dunklen Kieselschiefern löst dieses dichte und äußerst spröde Gestein in ein sehr feinkörniges (kristal linisches) Gemenge von verschiedenen Kieseisäure-Mineralien, tonigen und kohiigen Teilchen auf und bestätigt seine Entstehung als Trümmergestein, als Schichtgestein. Die kohligen Teilchen, denen die Graptolithenschiefer ihre dunkle Farbe verdanken, weisen auf reiches organisches Leben in diesem Meere hin, und die meisten der untersuchten Dünnschliffe von Kieselschiefern öffnen den Blick in eine Lebewelt, die dem unbewaffneten Auge verborgen bleiben würde und deren Kenntnis der gegenwärtigen Formen in ihrer Mannigfaltigkeit und Schönheit uns Häckel und die anderen Tiesseesorscher vermittelt haben. Wenn wir ihre Schilderungen von dem beharrlich auf den Boden der Tiefsee niederrieselnden Regen der abgestorbenen zierlichen „Radiolarien" lesen, dann haben wir damit zugleich den Abschnitt aus der Ent stehungsgeschichte unsers heimatlichen Bodens aufgeschlagen, der uns in den Graptolithenschiefern auf festem und dauerhaftem Schriftgrunde eingezcichnet worden ist. Die Formen dieser Tier welt — besonders der Graptolithen, aber auch der Radiolarien — verraten uns auch das Alter ihres Wohngebietes: es sind Ver treter aus dem obersilurischen Zeitabschnitte dcs Urmeeres in unserer Heimat. Ein Vergleich mit den böhmischen und vogt ländischen Schichten ergibt, daß diese Lausitzer Graptolithenschiefer am Beginne der oberen Silurzeit abgelagert worden sind. Reste von anderen Tieren sind uns darin nicht erhalten geblieben, nur einige, durchschnittlich 1,5 mm große Abdrücke in den Schiefern von Iänkendorf und Weißig werden als von Kiefern zweier Gliederwürmcr-Arten abstammend angesehen. Auch zwei Beleg stücke der geraden, gestreckten Vorfahren von den Ammons hörnern, die im Mittelalter der Erdgeschichte das Iurameer be völkerten, sind nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Dagegen müssen wir aus dem nach unten zu mit schwarzen Kieselschiefern wechsellagernden und nach oben zu in rote Schiefer übergehenden Kalksteinzuge, der in nordwestlicher Richtung von Hennersdorf bei Görlitz bis östlich von Rengersdorf streicht, auf Grund seiner Einlagerung in silurische Gesteine auch auf eine kalkabschcidende Lebewelt in diesem. Urmeere schließen. Bis zum Lahre IS08 waren organische Reste aus diesen Kalken nicht bekannt; ihre vermutlich durch Druckwirkung nach der Entstehung erfolgte Umformung in kristallinischen Kalk ließ solche Funde auch als unwahrscheinlich annehmen. Im genannten Jahre veröffentlichte der Landesgeologe Professor Dr. Zimmermann in den Monats berichten der deutschen geologischen Gesellschaft die kurze Mit teilung, daß die den Kalk bei Niederludwigsdorf begleitenden roten Schiefer ihm Schwanzresie von Trilobiten (altzeitlichen Krebsen) geliefert hätten, die für ein jüngeres Alter, das Devon, sprechen. Ist die Zugehörigkeit dieser Kalke und der sie einstmals ausbauenden Lebewelt jetzt mithin zweifelhaft, so steht andrerseits die Zugehörigkeit in das Silur der an der Ostgrenze der Ober lausitz bei Lauban aufgedeckten schwarzen Alaunschiefer auf gründ der in ihnen erhaltenen Grapiolithenformen fest. Diese Schichten wurden im Jahre 1865 bei dem Bau der Eisenbahn am Stein berge angeschnitten. Ein reiches Material wanderte damals in das Museum der Naturforschenden Gesellschaft nach Görlitz. Der Aufschluß selbst bietet heute infolge der Verwitterung und der pflanzlichen Besiedlung dem Sammler keine Erfolge bei dem Suchen. Aber eine Rast auf diesem, von der Natur an den rechten Platz gestellten Steinberge lehrt uns diesen an der Grenze der Oberlausitz befindlichen Aussichtspunkt, dessen Bepflanzung :nd Bebauung den Wanderer zu Dank verpflichtet, schätzen. Wir genießen von hier aus einen sehr schönen Blick ans das Iser- und Riesengebirge, lenken nach diesem Genuß und anderen Erquickungen aber unsere Gedanken noch einmal zurück bis in die älteste Zeit der heimatlichen Vergangenheit, in welcher das Urmeer in der unteren Silurzeit die Quarzite der Dubrau und di- mit ihm verwandten Schiefer in einer Strandzone zur Ab lagerung brachte. Diese Schichten sanken nach ihrer Enistehung in beträchtliche Tiefen hinab. Wo ehedem in der flachen Uferzone nur die von der nahen Küste herangeführten Schuttmassen ab gesetzt wurden, da sanken in der oberen Silurzeit Milliarden zierlicher Skelette als dichter Kieselregen auf den Grund der Ticfsee nieder und bildeten hier die Kieseligen Schiefer- und Hornsteinschichten. Darauf folgten nach dem Einwandern der Graptolithen-Quallen die Kiesel- und Alaunschieferschichten, in denen uns die chilinigen Anhängsel dieser wieder schnell ver schwundenen Tierwelt trotz aller Gefahren, die ihrer Erhaltung drohten, aufbewahrt worden sind. Alle diese ursprünglich in wagerechier Lage übereinander geschichteten Blätter dcs erd geschichtlichen Lesebuches der Heimat sind durch die wechselnden Hebungen und Senkungen, Faltungen, Verschiebungen und Zerrungen im Antlitz der alternden Mutter Erde derart in Un ordnung gebracht worden, daß ihre Ordnung nach der Zeit ihrer Entstehung dem Geologen durchaus nicht leicht geworden ist. Zudem hat die Verwitterung einen großen Teil der Schichten zerstört, andere Teile wurden in die Tiefe versenkt und mit jün geren Bildungen bedeckt. So wird uns das inselartige Auftauchen dieser obersilurischen Gesteinsmasse in der Heimat erklärlich; ihre Einordnung in die Zeittafel der historischen Geologie aber wurde in erster Linie möglich durch die auf unsere Zeit über kommenen Reste jener altzeitlichen Tierwelt, der Graptolithen. Diese ihre Bedeutung für die Entstehungsgeschichte unserer Hei mat möge das längere Verweilen bei diesen ausgestorbenen Zeugen einer längstvergangenen Zeit rechtfertigen und die Be schäftigung mit ihnen wie jede erdgeschichtliche Beobachtung diesem und jenem bei seinen Wanderungen in der Heimat zu alten, bekannten Reizen neue Anregungen und Reize hinzufügen. Aus dem Gachsenlands Kamenz. Aussichtsturm. Der seinerzeit von der Stadt angekaufte Fiiegerbeobachtungslurm auf dem früheren Flugplätze bei Jesau ist jetzt seiner Bestimmung gemäß als Äussichtsturm auf dem Walberge aufgestellt worden. Der Transport bot infolge des steil ansteigenden Berges nicht unbedeutende Schwierigkeiten, desgleichen auch der Ausbau des Turmes. Letzterer ist zehn Meier hoch und bietet bei klarem Welter eine wundervolle Fernsicht, die bis zum Kolmberge bei Oschatz, zum Erzgebirgskamme, zu den Bergkupmn der Sächsischen Schweiz und zur Landeskrone bei Görlitz reicht. Sogar der Kamm des Isergebirgrs ist bei günstiger Witterung deutlich erkennbar.