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durch, locken die Wächter von der Stange fort, um für einen Haupttrupp die Bahn frei zu machen. Aber die wacht habenden Burschen sind scharf auf dem Posten. Irgendein Alarminstrument führen sie bei sich: die Trillerpfeife, eine Schreckschußpistole. Sobald sie Gefahr merken, alarmieren sie die Burschenschaft ihres Dorfes. Die Burschen springen wie bei Feuer aus den Betten und sind in wenigen Minuten auf dem Platze. Oft ist dann der Gegner in der Nacht verschwunden, vielleicht, daß noch ein fernes, höh nisches Lachen durch die duftschwere Mainacht klingt. Daß es dabei gelegentlich auch eine herzhafte Schlägerei gibt, ist selbstverständlich. Nach den aufregenden Tagen des Wachens wird die Stange etwa Mitte Mai geworfen. Dieses Maibaumwerfen bildet für die Jugend den Hauptspaß. Burschen und Mäd chen erscheinen im Staate, die Mädchen häufig in Weiß mit Blumen und Schärpen geschmückt, in wendischen Gegenden, in denen die Tracht noch üblich ist, in der farbenfrohen Tracht. In vielen Orten schwingt die Jugend um die Stange einen Reigen, ein eindrucksvolles Bild ländlicher Luft. Dann fällen einige Burschen den Baum. Diese Baum- fäller sind meist verkleidet. Komische, groteske Verklei dungen werden bevorzugt. Sie sind auch die Spaßmacher des Festes. Unter Scherzen, lustigem Schabernack, mit täp pischer Unbeholfenheit, verrichten sie ihre Arbeit. Im Rothenburger Kreise tragen die Burschen zu ihrer Verkleidung auch Masken. Hier scheint es auch in manchen Orten Sitte zu sein, das Maibaumwerfen unter feierlichem Stillschweigen zu vollziehen. In Krischa bei Weißenberg wird der Baum zersägt, seine Stücke werden ausgekegelt. Die roten Tücher, die ihn schmückten, werden versteigert. Der Erlös kommt in die !?estkasse. /In andern Orten ist vorher ein Maikönig ernannt worden, meist ein Bursche, der etwas springen lassen kann. Ihm wird der Maibaumwipfel überreicht. Er trägt ihn im Zuge der frohen Jugend nach dem Gasthofe. Manchmal wird der König auch in einem von Burschen gezogenen Wagen gefahren. Im Gasthofe wird der Wipfel auf den Saal gestellt. Zu einer bestimmten Stunde wird der abend liche Tanz unterbrochen, und die Tücher des Wipfels wer den versteigert. In den Dörfern um Hochkirch wird der König nicht vorher bestimmt. Fällt der Baum, rennen die Burschen danach, und wer zuerst den Wipfel erwischt, ist Maikönig. Er wählt sich aus den Schönen des Dorfes eine Maiköni gin. Auch hier bildet ein gemeinsamer Zug nach dem Hoch kircher Gasthofe unter Vorantritt der Dorfmusik und ein darauf folgender Tanz das Ende des Festes. Fragen wir nach dem Sinn dieser schönen, gehaltvollen Sitte, so ist offenbar, daß seine Glaubensgrundlage in der Religion des Bodens zu suchen ist, der unsre Vorfahren, die überwiegend Ackerbauer waren, huldigten. Der Mai baum ist eine Verkörperung des Frühlings und der in ihm wildschäumenden Lebenskraft. Wir wissen, daß am Lätaresonntage der Tod (der Winter) in der Gestalt eines Strohmanns aus dem Dorfe getragen warb, am ersten Mai wirb der Frühling ins Dorf geholt. Besonders zu beachten ist, daß der D^aibaum . dem ganzen Dorfe angehört, seinen Stolz und seine Ehre bil det. In diesem altertümlichen Zuge kommt deutlich zum Ausdruck, daß der Baum lebenspendende Kraft für den ganzen Ort besitzt, er ist der Lebensbaum des Dorfes. Diese Wertschätzung des Maibaums als Lebensbaum ist in einigen Ortschaften des bayrischen Waldes bis heute leben dig. Dort wird der Baum nicht bereits im Mai geschlagen, sondern erst im folgenden Jahre. Alle Ereignisse, die das Dorf betreffen, Tod, Geburt, Hochzeit, Unglück, werden in sinntiefer Weise am Baume zur Darstellung gebracht, in dem kleine Wiegen, Totenbretter oder entsprechende Gegen stände an ihn gehängt werden. Der Maibaum als Lebensbaum und Fruchtbarkeits träger war auch den alten Wenden eine geläufige Vorstel lung. Der wendische Stamm der Polaben oder Dräwonen, der ehemals in Hannover—Lüneburg ansässig war, pflegte am Tage vor Mariä Himmelfahrt den Maibaum aus dem Walde zu holen. Die ganze Dorfschaft versammelte sich in der Bauernstube und zog hinaus. Vor dem stattlichsten Baume traten die Hausväter aus dem Haufen heraus, und jeder schlug einen Hieb. Das wurde so oft wiederholt, bis der Baum fiel. Darauf wurde er auf einen Wagen gelegt, mit Kleidern und Tüchern so zugedeckt, daß von ihm nichts mehr zu sehen war, und unter Jubel und Geschrei zur Stätte des alten Baumes gefahren. Nun erst wurde der alte Baum gefällt, der neue errichtet. Ein Kreuz und ein Hahn schmückten seine Spitze. Nach der Aufrichtung zog der Dorfschulze seine besten Kleider an, band sich ein brei tes, weißes Handtuch um den Leib und sprang mit der Bauernschaft einige Male toll um den Baum. Hiernach nahm er in eine Hand ein Wachslicht, in die andre ein Glas Bier und besprengte unter Segensworten das ge samte Vieh des Dorfes, das hier zusammengetrieben wor den war. Nun war das Gedeihen des Viehs gesichert. Ja, der Baum wurde für so heilig gehalten, daß keiner die Stätte mit schmutzigen Stiefeln betreten durfte. Viele verrichteten dort knieend ihre tägliche Andacht. Heiratete jemand von auswärts ins Dorf, Mädchen oder Bursche, mußte es erst um den Baum tanzen, ehe es in die Dorf gemeinschaft ausgenommen wurde. Die letzterwähnten Tatsachen zeigen die Bedeutung des Baumes für die Dorfschaft in vollem Lichte. Nun haben wir auch den Grund dafür, daß die Nachbardörfler den Baum stürzen und stehlen wollen: sie wollen der Gemeinde den Wohlstanösspender rauben. Das ist zwar ein sehr un nachbarlicher Zug, aber erinnern wir uns, daß viele wen dische Dörfer Sippendörfer waren, erinnern wir uns, daß Sippenfeindschaften unter einfachen Völkern an der Tages ordnung sind, erinnern wir uns der zahlreichen sagen haften Erzählungen, in denen berichtet wird, daß beim an ziehenden Hagel oder durchs Land ziehender Pest ein zauberkundlicher Dörfler das drohende Unheil nach dem Nachbardorfe verweist, erinnern wir uns endlich der heute noch bestehenden Häkeleien und Neckereien zwischen Nach bardörfern, und wir werden überzeugt sein, daß dieses Maibaumstehlen ein Zug ist, der bis in hohes Altertum, wohl bis in die Zeit der Sippendörfer, hinaufreicht. Von diesem Maibaum des Gesamtdorfes ist eine Art des Maibaumsetzens im Rothenburger Kreise wohl zu unterscheiden. Dort setzt am Pfingstabenö der Liebhaber der Liebsten eine Maistange (einen abgeschabten glatten Stamm einer jungen Fichte) vor die Haustür. Auf ihrem grünen Wipfel wehen Bänder und bunte Tücher. Der Sinn gehalt des Brauches ist derselbe wie der oben geschilderte: Schäumende Lebenskraft bringt der Bursche seiner Liebsten zum Geschenk. Und wenn wir in unfern Stuben, vor unfern Häusern Maien setzen, dann seien wir uns bewußt, daß wir damit ein Sinnbild des Sommers im Hause haben, seine drängende Fruchtbarkeit, feine unerschöpfliche, könig lich verschwendende Fülle! F. S. MMurtWttederrotmMierEaKskn Von N. Zeißig Nachdem Sachsen am 15. Mai 1850 dem „Deutschöster reichischen Postverein" beigetreten war, war es zur Ein führung von „Frankomarken" verpflichtet. Nunmehr be schloß die Postdirektion, eine Zeitnngsmarke zu 3 Pf. in Auftrag zu geben, dieses erste Postwertzeichen Sachsens war die Freimarke zu 8 Pfennig rot.