Suche löschen...
Der sächsische Erzähler : 27.09.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-191409273
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19140927
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19140927
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer sächsische Erzähler
- Jahr1914
- Monat1914-09
- Tag1914-09-27
- Monat1914-09
- Jahr1914
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 27.09.1914
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Sir. 228. An den Straßenrändern, jenseits der Baumreihen, marschieren die frischen Truppen, die die Stelle der Gefalle nen auSfüllen sollen. Ein Zuavenregiment hat auf einem Felde Halt gemacht; die Gewehrpyramiden sind geschmückt mit großen Dahlien- und Rosensträußen, die die Soldaten in den offenen Gärten am Wege gepflückt haben. Das Re giment wird zum Rapport gerufen und sammelt sich still, um die Verlesung eines Tagesbefehls anzuhören. Es ist, wie wenn sich ein ganzes großes Feld von weißen und roten Blü ten bewegte. Der Tagesbefehl ist verlesen. „Vive la france!" schreit das Regiment, und das Blumenfeld wogt hin und her. Die Ortschaften sind verlassen . . . Claye-Souilly. Bis hierher war vor einigen Tagen die Invasion gelangt. Die deutschen Vorposten waren nur 22 Kilometer von Paris entfernt. Nachdem der schwache Damm von Charleroi und von Mons durchbrochen war, hatte die deutsche Lawine keine Hindernisse mehr gefunden. Das französische und das englische Heer blieben in Fühlung und gingen zurück. Eine ernste Widerstandslinie konnte nur zwischen Paris und Verdun gebildet werden. Die Schlacht bei Charleroi, hatte gezeigt, welch' schweren Fehler man begangen hatte, als man sich mit un gleichen Kräften dem raschen, furchtbaren Vorrücken der deutschen Massen widersetzen wollte. An der Sambre hatte der deutsche Vormarsch französische und englische Divisionen verschlungen, wie ein Strom, der aus den Ufern tritt, den zu schwachen Damm niederreißt .... Die Armee, die an gesichts der Invasion langsam auf Paris zurückging, kam aus Lothringen. Sie war nach dem Norden geschickt worden mit der Aufgabe, in Fühlung mit dem Feinde zu bleiben, ohne jemals eine Schlacht anzunehmen. Von den englischen Streitkräften flankiert, war sie eine Art Vorhut der Deut- scheu geworden. Die Kavallerie war es, die in Fühlung blieb. Die deutschen Ulanen wurden manchmal mit einem lebhaften Gewehrfeuer empfangen; es waren Dragoner oder Husaren- oder Jägerabteilungen, die so die Spitzen des feindliches Heeres aufhielten. Nicht selten aber kamen die Ulanen unerwartet. Die französischen Reiter, die den Feind noch fern glaubten, hielten am Rande eines Waldes oder in einem verlassenen Orte Rast. Und dann gab es eine wilde Flucht und eine wilde Jagd. Mitten in der Nacht ging cs in gestrecktem Galopp durch das verlassene Land. Es war ein langer Kleinkrieg von der belgischen Grenze bis zum Weichbild von Paris. Die Infanterie hatte nur selten Ge legenheit, Mi Feind zu sehen. Jeden Abend nahm sie Stel lung, verschanzte sich, verbarrikadierte die Ortschaften, hatte die Illusion, daß sie sich für die große Schlacht vorbereite. Am Morgen aber ging es weiter. Der Soldat, der die große Linie und das Warum der Bewegungen nicht kennt, weiß nur das, was er sieht; er kann nicht tief denken und hat eine ganz naive oberflächliche Ansicht über den Krieg. Für ihn heißt vorrücken siegen und sich zurückziehen verlieren. Die große kampflose Rückwärtsbewegung unter dem Vor wärtsdrängen des Feindes war nicht ohne Einfluß auf die Moral der Truppen. Als sie zur Hauptstadt gelangten, har ten diese Truppen den Eindruck, daß sie alles aufgegeben hatten. Es herrschte bei ihnen keine Zuchtlosigkeit, aber doch M u t l o s i g ke i t. Die Einwohner der Stadt flohen vor ihnen, wie wenn sie den Zusammenbruch schon vor sich sähen. Die Soldaten mußten glauben, daß die Niederlage ihnen auf den Fersen folgte. Mitten im lebhaftesten Teile Frankreichs sahen sie nichts als Furcht und Entsetzen. Auch die Behörden flohen. Der Sächsische Byiihl«. Seite ü. — -7-? ' In manchen Orten in Luzavche» z. B, War pur der Pfader zurückgeblieben. Der Pfarrer ließ sich in der Mairie (Rat haus) nieder u. spielte Bürgermeister u. Gendarm, stellte Äe- leitbriefe aus, empfing die Stäbe der Truppen und vertrat nlutig alle, die nicht da waren. Das alles macht aus die Soldaten den Eindruck einer grenzenlosen Furcht. Der Rückzug nahm den Charakter von etwas Grauenhaften au. Das Vorrücken des Feindes wurde beklemmend. Er folgte inimer auf dem Fuße. Wenn die Franzosen am Ufer eines Flusses marschierten, geschah es gar nicht selten, daß am ge genüberliegenden Ufer beobachtende Ulanen erschienen. Bei Ereil hatten die Franzosen kaum die über die Oise füh rende Brücke überschritten, als auf der anderen Seite des Flusses die deutsche Kavallerie herangaloppierte. Es war gerade noch Zeit für die Franzosen, die unterminierte Brücke in die Luft zu sprengen. In der Eile aber vergaß man, die großen Gasleitungen, die sich an der Brücke befanden, zu schließen. Das Gas entzündete sich, das Feuer teilte sich der Stadt mit, und Crail ist halb niedergebrannt. Das ist nichts: Kleinigkeiten . . . Die Engländer wieder ver gaßen die Brücke bei Chantilly zu zerstören. Dafür sprengten sie später irrtümlicherweise die Marnebrücke bei Lagny, die für die Bewegungen der Verbündeten von grötz- ter Wichtigkeit war, in die Luft. Das alles zeigt, daß ein Gefühl der Beklemmung und der Angst auch die britischen Truppen erfaßt hatte. Der linke französisch-englische Flügel konnte unter »solchen Umständen kaum noch in der Lage sein, die Offensive zu ergreifen . . ." Barzini schildert dann die ersten Schlachttage (sein Brief -ist vom 12. September datiert), rechnet mit der Wichtigtuerei eines Privatstrategen dem deutschen Generalstab seine Feh ler vor und fährt also fort: „Der Ort Claye-Souille ist un bewohnt. Der Marschtritt eines Bataillons auf der Haupt straße hallt zwischen den verschlossenen Häusern gar seltsam wieder. Reste von Barrikaden, die aus Wagen und Balken bestanden, versperren den Dorfausgang. Nur ein Geschäft ist geöffnet: die Apotheke . . . Verlassen wir die große Straße, die nach Meaux führt, wenden wir uns nach links, um die Orte zu erreichen, an denen die Schlacht am heftig sten getobt hat, und gehen wir zwischen grünen Wiesen über einen jener von Hecken umsäumten Feldwege, die den Ein druck tiefster ländlicher Ruhe machen. Immer wieder Auto mobile, die mit Verwundeten beladen sind. Die Kanonen in weiter Ferne; die Schlacht entfernt sich wie ein Unwetter. Charni, ein Ort, der ganz in Grün gebettet ist und kaum seine Dächer sehen läßt, ist voll von Feldlazaretten, mit Le bensmitteln und Munition beladenen Wagen, Pferden usw. Verwundete, die Glieder mit blutbefleckten Gazen umwickelt, auf Packwagen liegend, warten, bis ihnen Wagen, die mit frischem Brot beladen sind, den Weg frei machen. Ein Ka nonenschuß hat das Zifferblatt der Uhr auf dem kleinen Kirchturm zertrümmert. Auf den Feldern beginnen die Spuren der Schlacht. Wo der Kampf getobt hat, ist alles, wie zerschmettert. Die Strohdiemen sind zerstört, das Gras ist niedergetreten, die Straßen- und die Grabenränder schei nen niedergedrückt zu sein. Etwas Gewaltiges, Schweres ist vorübergezogen. Man erkennt genau die Punkte, an denen die Angreifer sich gesammelt und gewartet haben, bevor sie einen Sprung nach vorwärts taten. Zahlreiche kleine form lose Laufgräben ziehen sich auf den Feldern hin und zeigen in den weichen, dunklen Höhlungen die frischen Zeichen eines Verweilens, wie Tierlager. Viele Stunden lang lagen hier Massen, die sich verkrochen hatten. Patronenhülsen liegen auf den Brustlehnen und ringsherum Zeitungsblätter, Kon servenbüchsen, Gerätteile, Kleidungsstücke, blutige Wäsche, ein wildes Durchelnknder der verschiedenmtigsten Dinge.. ? Ehtr«rs1sche „BehiMEkkRg« tzeüscher Derwu«d«r<r t« srattzSstsche» Lazarette«. Einem Privatbrief de» leitenden Chirurgen im Lazarett einer unserer westlichen Festungen entnehmen wir folgendes: ..... „Am Montag ging der Betrieb los: 820 Ver wundete, denen bis gestern weitere 250 gefolgt sind. Dazu die chirurgischen Fälle aus der Garnison. Ich habe jeden falls seit acht Tagen zu tun wie nie. Auf meine Station kommen sämtliche schwerverletzten und die größeren chirur gischen Fälle aus den hiesigen Truppenteilen (Blinddarm entzündung u. a.) Bei mir allein habe ich ständig 250 Bet ten belegt. Alles übrige sind Leichtverletzte, die in den Hilfs- lazaretten untergebracht sind. Der erste Verwundetentrans. Port brachte auch ziemlich viele deutsche Soldaten; im übri gen sinds meistens Franzosen, Engländer und Belgier. Ich habe recht schwere Verletzungen hier liegen, die zum Teil durch -en Transport erheblich gelitten haben. Auf meiner Abteilung ist von den Feinden ziemlich alles vertreten: französische Infanterie, Artillerie und Pioniere, belgische Infanterie und Pioniere, englische Infanterie, Hochländer, dann auch Zuaven. Man ist immer wieder erstaunt, in'wel- chen Uniformen besonders die Franzosen ins Feld gezogen sind. Schon vor etwa drei Wochen habe ich hier französische Offiziere gesehen, die an ihren Röcken so hohe rote Kragen haten, daß sie in der Bewegungsfreiheit des Kopfes sehr ge hindert wurden, und die richtiggehende — Lackschuhe tru gen; sie kamen eben aus dem Felde! Von unseren Stabsärzten, die aus Frankreich zurückge- kommen sind, hörte ich selbst, daß die französischen und Hel- gischen Aerzte so auffallend viel Amputationen bei deutschen Verwundeten machen. Und dabei ist der erste Grundsatz der heutigen Kriegschirurgie: soweit eben möglich, erhaltende Behandlung! Das spricht doch aller Menschlichkeit Hohn und kennzeichnet die Höhe der Kultur unserer Nachbarn! Die feindlichen Soldaten glauben ja dasselbe von uns; ich Habs in den letzten drei Tagen zweimal erlebt, daß ein Franzose und ein Engländer vor der Operation (am. Arme) mich immer wieder anflehten: O, Monsieur le Docteur, Pas couper le brasl, obwohl ich den Läuten sofort sagte, es »würde nur ein Einschnitt gemacht. Nach dem Aufwachen auS. dec > Narkose sah der Franzose plötzlich, daß sein Arm noch da war und versicherte mir: Je suis trss content de vouS— oh, j' ai encore mon bras! —, und dann warf er mir endlose Kußhände zu. Das ist so ein Beispiel dafür, wie man den französischen Soldaten uns Deutsche wieder hingestellt Hai. Allem die Krone setzt aber das auf, was mir heute der Lagerkommandant in der Nachbarschaft, erzählte, Dort sind in Baracken Gefangene gemacht. Sie waren ganz verstört ! und verängstigt angekommen und erzählten nachher nach einiger Gewöhnung, man habe ihnen in Frankreich stets ge- sagt, sie dürften sich nicht gefangennehmen lassen, denn die! Deutschen erschössen ihre Gefangenen. So sind die Leute! tagelang in einer furchtbaren Todesangst herurngefflhren. Mein heutiger Besuch im Gefangenenlager war ganz außerordentlich interessant. Dort sind jetzt 15 000 Gefangene untergebracht, ein gut Teil der Besatzung von Maubeuge. Ich war mit einigen Offizieren, darunter einem General, dort, und habe so alles restlos gesehen. Als wir ankamen, neuert. Und Tolsdorff erzählte allerlei Launiges und Ern- stes aus den Kriegszeiten und dann von der Berliner Zeil. ' Marlene wurde nicht müde zu lauschen, und da dec Hansl sie hier mit dem Wagen abholen wollte, so legten sich die beiden zuletzt in das blühende Gras unter einen weit schattenden Baum an den Weg, den das Gefährt kominen mußte, und träumten selig vor sich hin. „Vegetieren! Ob unser guter Doktor nicht sehr zufrie den mit uns wäre?" fragte Lothar, und kitzelte Marlene mit einem Grashalm hinten im Nacken. Am liebsten hätte er einen Kuß auf das köstliche Weitz gedrückt und mit der Hand das Kraushaar gefaßt, das so lustig vom Winde zerzaust wurde. Das junge Mädchen war aber auf seiner Hut und rückte ein wenig von ihm fort. Nun saß sie aufrecht da, ihm erst recht zur Augenweide. Er blinzelte mit halb geschlossenen Augen zu ihr hin und bat: „Singe Marlene." Und sie sang mit ihrer weichen süßen Stimme ganz leise, das paßte sich dem Zirpen der Heuschrecken an und dem Summen der In setten iiw blühenden Baum. Die ganze Luft umher wurde zu einA^ied, das sehnsüchtig im Herzen des Lauschenden widetklang. Nur Schönheit um ihn her und träumerisches Genießen. Ein Gesunden, ein leises Anschwellen der wiederkehrenden Kraft. Noch ein paar Monde so, und er zog wieder hinaus in das große Leben; ein Freier, ein Starker, ein ganzer Mann! „Geh nie wieder von mir", so klang und sang es in Marlenes Herzen, während seine Seele schon wieder von ihr strebte, Neuem entgegen zu Männerarbeit und Taten. Dann kam der Wagen, und sie fuhren heim. Wenn es Abend wird, weht eS in köstlicher Kühle von den Bergen zum See, dann ist eS köstlich, zu wandern. Lothar zog vor dem Abendessen, nachdem er am Nach mittag lange der Ruhe gepflegt hatte, noch einmal hinaus zu irgend einem nahe liegenden Ziel. Ein kleine- Auf und Ab war ihm jetzt erlaubt. So schritt er am Bergabhang ent lang durch den Lärchenwald nach Tegernsee hin, er gedachte, den Sonnenuntergang von dem kleinen ParaMie zu genie ßen. Die Tante hatte versprochen, ihn mit Marlene dort abzuholen. - Er war schon vielen Menschen hier vom Ansehen bekannt, rnd mancher heiße Blick au» schönen Frauenaugen folgte der rnziehenden, bedeutenden Erscheinung. Die sich besonder» für ihn interessierten, kannten in ihm einen der Tapferen aus Afrika, und seine Krankheit verlieh ihm noch einen be sonderen Nimbus. Es hätte nur eines kleinen Entgegen kommens von Lothars bedurft, und er hatte genug Bekannt schaften machen können, wie er deren früher mit Eifer gesucht hatte. Abenteuer! — Liebesabenteuer! Er lächelte, wenn er dieser Zeit gedachte. Nun liebte er seine Ruhe und . . . .? Auf dieses „Und" vermochte er keine endgültige Antwort zu > finden. Ja, er liebte dieses reizende, lebensfrische Mädchen, sie war ihm sympathisch in allem, was ihr zu eigen war. Ihre Natürlichkeit, ihr tüchtiges Schaffen in Haus und Hof, ihr heiteres, unbefangenes Kindergemüt, ihr kluges Verstehen, mit dem sie jeder Schwingung seiner Stimmung und Laune nachgab, und dann ihr Singen! War es die Umgebung, der sie sich so harmonisch anpaßte, war es seine jetzige Empfind- samkeit, die ihn ihre Kunst doppelt genießen ließ, war es der Duft der Reinheit und Unberührtheit, der seinen starke»» Zauber auf ihn ausübte? Er wußte es nicht zu sagen, aber er fühlte, daß von Tag zu Tag sich das Band fester schlang, und er schon mit dem Gedanken spielte, wie es sein würde, wenn er sich eine solche liebe Hausfrau für das Leben ge wönne. Für welches Leben? — Für das Leben eines kranken Mannes, für den Mann, der er früher gewesen war, alles vom Dasein verlangend; tüchtige Arbeit und leidenschaft liches Genießen des Augenblicks, wie er sich ihm in den Weg . warf. „Nein, nein, nicht sich binden zu einem Leben in engen Grenzen. Er ertappte sich dabei, daß er zu rechnen begann. Er Hauptmann, Marlene kleine Kapitalistin, dazu ihre bei derseitigen Renten! Wetter, immer Wetter reihte sich Bild an Bild, bis er unmutig den Kopf schüttelte und seinem Munde ein ärgerliche» Wort entschlüpfte. Da» brachte ihn in die Gegenwart zurück, er lachte spöttisch auf und setzte sei nen Weg in rascherem Tempo fort. Wollte er noch zur Zeit am Ziele ankommen, mußte er sich beeilen. Nun kreuzte er die Fahrstraße und bog in die grünen Wiesen ein, die zum See hinabliefen. Da lag der Pavillon, und ein Wunder, e» war ganz einsam dord Er setzte sich auf eine der Bänke, die unter dem runden Dach standen, nach dem der Parapluie seinen Namen trug. Zu seinen Füßen breitete sich der blaue See, der sich schon in den Färben de» Abendhimmel» zu färben begann.. Rote und goldene Lichter leuchteten auf, drüben das tiefe Grün war der Widerschein der Wälder und Wiesen. So dunkel standen die hohen kahlen Häupter des Hochgebirges über den grünen Vorbergen, und so scharf hoben sie sich von der klaren Luft ab, ihre Schluchten und Felswände entschlei- ernd, bis sie in ihrer großartigen nackten Schroffheit vor ihm lagen, die Sehnsucht, sie zu besteigen, bei ihm zu heißen» Begehren steigernd. Wie das Sonnenlicht flutete, als müsse es der Welt kün- den, daß es noch da sei, und daß es sicher Wiederkehre. Die Wasser warfen den Glanz zurück, vou fern winkten die jen seitigen Ufer. Die Fähre schwamm schwer beladen in dec goldenen Flut, die weißen Segelboote trieben langsam schwebend vor dem abflauenden Winde der Bucht von Egern zu. Von irgendwoher verklang eine jauchzende Stimme irr langem Jodler, und dann war der Träumende, mit allen seinen Sinnen Genießende nicht mehr allein. Vor ihm stand wie hingeweht eine schwarze Gestalt, dir sich in krassem Farbenkontrast von der leuchtenden Landschaft abhob. Sie stand im Bilde, und Lothar sah prüfend die schlanken Glieder, das wunderbare Gleichmaß der Linien, ihre Schönheit erkennend und genießend. Geblendet von all dem Schimmer wandte die Frau sich um. Er blickte in das bleiche, schöne Antlitz, das er vor Jahren in dem warmen, weichen Rot blühender Mädchen jugend gesehen hatte. Die dunklen Augen streiften ihn mit gleichgültigem Blick, der sich in kühles Staunen »sandelte, als er sich erhob und ihr entgegentrat. War sie noch geblen det von dem gelben Lichterglanz, oder hatte er sich also ver ändert? „Rose Marie!" „Lothar!" Sie rief e» in der UeberraschuNg des Wie dersehen» mit ausbrechender Freude. Der Klang blieb ihm im Ohr, auch al» sie mit ruhiger Stimme, der man nicht mehr die giwinHte innere*Erregung anmerkte, fortfuhr: „Ich dachte, du lägest noch fest in Grünhof, und wollte dir auf m^ney^Wsge nach Tirol einen Krankenbesuch machen." Ein schneidender Schmerz durchfuhr Lxn Mann bei ihren kühlen Wortto- Hp ihre sofortige DeiHysse verkün deten, sein Herz geM ini zitternde ErregMg, doch zwang er sich dazu, ebenso gelassen zu antworten: „Wie du siehst, empfange ich keine Krankenbesuche mehr." «sttschMg foigtt 4».' 2'E:?-.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder