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Weißeritz-Zeitung : 17.04.1875
- Erscheinungsdatum
- 1875-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1761426109-187504179
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1761426109-18750417
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1761426109-18750417
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWeißeritz-Zeitung
- Jahr1875
- Monat1875-04
- Tag1875-04-17
- Monat1875-04
- Jahr1875
- Titel
- Weißeritz-Zeitung : 17.04.1875
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Die Müller-Toni. Erzählung von S. von der Horst. (8. Fortsetzung.) Nur der Müller wälzte in seiner leidenschaftlichen, rast losen Seele fort und fort die verhängnißvolle Frage, deren Beantwortung hier im Dorfe Niemand zu geben vermochte. Niemand, als etwa Pater Clemens; aber diesen aufzusuchen, von ihm Raths zu holen, das gab wieder der Eigensinn nicht zu. Hatte doch der geistliche Herr ihm rund heraus erklärt, daß er mit dem fortgejagten Gotthold im Briefwechsel bleiben und Toni jederzeit Nachricht von dem Geliebten geben werde; ja, daß er zu Gott hoffe, in nicht zu ferner Frist daö junge Paar trauen zu können, da ihm Beide seit ihrer jüngsten Kindheit bekannt und gleich lieb und theuer wären. „Glaubt mir, Müller!" hatte er gesagt, „Ihr begeht himmelschreiendes Unrecht an eurem Kinde und an Euch selbst! Könnt nie einen besseren, passenderen Schwiegersohn finden und vergiftet statt dessen um des Mammonödienstes willen Toni's Jugend; macht Euch selbst die alten Tage blutsauer und widerwärtig! Was wollt Ihr antworten, wenn Euch das Mädchen dereinst vorwirft, daß Ihr sie um das ganze LebenS- glück betrogen habt aus Hoffahrt und Eigensinn?" „Pah! soviel für Lebensglück und Betrogensein! das Mädchen hat keine Romane gelesen; es wird ein Anderer kommen, der nicht weniger besitzt, als Toni, und dann schämt sie sich der Liebschaft mit dem Bellcljungen!" „Da kennt Ihr Eure Tochter nicht, Müller! hütet Euch vor Reue!" „Ich bereue überhaupt niemals etwas; irrte ich, so ver beiße ich den Schaden, aber nachgeben ist mir unmöglich, dazu bin ich zu trotzig. Schenkt dem Burschen zehntausend Thaler, wenn Ihr ihn so in's Herz geschlossen habt, Hochwürden!" „Ja, Müller," antwortete mit seinem freundlichen, leiden schaftslosen Tone der Priester, „ich kann's nur leider nicht, sonst wäre das Mittel allerdings das Einfachste!" „Nun," versetzte etwas beschämt und darum ärgerlich der alte Steffen, „Ihr seid ja ganz überzeugt, daß es der Herr gott in eigener Person thut, wenn's die rechte Zeit ist; so wollen wir denn getrost darauf warten! — noch sehe ich übri gens nirgends am Himmel einen Sack voll Thaler hängenI" Der besonnene Geistliche entgegnete kein Wort. Daß eS verlorene Mühe sei, hier Moral predigen zu wollen, sah er deutlich und ließ daher den alten starrsinnigen Mann einstweilen seiner Wege gehen. Toni aber bekam in jeder Woche Grüße von Gotthold, Nachricht, wie es ihm erging und ebenso blieb dieser unterrichtet über alle Vorfälle in der kleinen, ihm verschlossenen Heimath. Einmal hatte er eS versucht, ein Briefchen für Toni einzu legen; da kam Pater Clemens in die Mühle und zeigte eS dem Alten. „Müller, seht her! ich habe Eurer Tochter nichts gesagt von diesem Schreiben, um ihr nicht unnöthigen Kummer zu verursachen, dem Gotthold überhaupt niemals erlaubt, Briefe für sie beizuschließen. Toni ist Euer Kind und ich will sie nicht zu Heimlichkeiten gegen den Vater verleiten, wahrhaftig nicht; aber wollt Ihr selbst erlauben, daß sie diesen Brief bekomme?" „Nein, daö will ich nicht! absolut nicht, mein Herr Pfarrer! Wenn Jhr's freilich dennoch thätet, fo muß ich wohl dazu schweigen. Das Mädchen wird sich hüten, es zu erzählen!" „Ihr hört ja," sprach etwas nachdrücklich der Priester, „daß ich Euch frage, dürft mir also mit Recht nicht mißtrauen!" „So gebt den Wisch her!" „Nein, der Brief gehört weder Euch noch mir, Gotthold wird ihn zurückerhalten." „Daö glaube, wer Lust hat, ha, ha, ha!" rief der rücksichtslose Müller. „Jetzt werdet Ihr beleidigend, Nachbar Stesse«! Es thut mir Leiv, Euch gestört zu haben. Lebet wohl!" „Ihr gehorsamer Diener, Herr Pfarrer!" Damit war der Geistliche fortgegangen; bekümmere und traurig, weil er es in seinem grundredlichen Herzen für ein Unrecht hielt, Toni den Brief zu geben und ihr also die unverhoffte Freude nicht gewähren konnte, ihr, seinem Liebling, dem Kinde, das von jeher des einsamen Mannes Vorzug gewesen war; — ohne eine einzige Bemerkung, als habe er eS gar nicht gesehen, legte er daS Billet seinem Schreiben an Gott hold wieder bei; richtig voraussetzend, daß ihn ver jünge Mann auch ohne Worte verstehen werde. Gotthold entschuldigte sich mit einem desto größeren Aufwand von Versicherungen ; aber das gute Einvernehmen zwischen den langjährigen Nachbarn hatte doch durch diesen kleinen Zwischenfall bedeutend gelitten. Der Geistliche war nicht wieder zur Mühle gekommen, viel weniger der alte Steffen in die Pfarrwohnung; darum eben konnte sich der Letztere auch jetzt nicht entschließen, den Pater Clemens um Auskunft zu bitten. Die Ungewißheit trieb ihn aber ruhelos umher, daß er es sehr bald nicht mehr auszuhalten vermochte und beschloß, sich von seinem Advocaten in der Stadt endlich reinen Wein einschenken zu lassen. Die Braunen wurden vorgespannt und der Müller sagte seiner Tochter für zwei Tage Lebewohl; er wollte den Bescheid des Rechtsgelehrten ganz in der Stille einholen, Niemand aus dem Dorfe wußte um die Reise. Toni bekam strengen Befehl, Allen zu sagen, er sei zum Jahrmarkt im benachbarten Flecken; denn wenn nun das schlimme Gesetz wirklich bestand, so würden ja alle Vernünftigen nachgeben, ehe es zu ZwangSmaßregeln käme, und das wollte der Müller nicht. Nachdem der alte Steffen den Ingenieur so hohnlachend zur Thür hinauscomplimentirt hatte, in der Schenke ärger gewettert und mehr zur Opposition gerathen hatte, als irgend ein Anderer, — nun so ganz de- und wehmüthig großen Dank sagen, wenn die übermüthigen Herren aus der Stadt sich das beste Stück seines Besitzes herausgesucht, ihm die Mühle über'm Kopf eingerissen und gnädigst eine Handvoll Thaler dafür hingeworfen — o, ja wohl, Prosit! lieber die Zähne zeigen bis zum letzten Ende und sollte eS auch ein paar Tausend kosten; er konnte sich ja das Vergnügen machen, er hatte ja das Geld dazu! Ob aber viele Andere so denken würden, nicht lieber ein Auge zudrücken und dafür desto mehr dem silbernen Klange horchen — das war höchst ungewiß, sogar unwahrscheinlich, darum sollten sie auch nichts erfahren. Heimlich, am dunkeln Herbstabend, den Rockskragen heraufgezogen, die Pelzmütze in'S Gesicht gedrückt, fuhr er davon; aber am Hellen Tage, stolz wie ein Sieger, kam er zurück, hielt gleich im Dorfe vor der Schenke und verkündete, was ihm der Rechtsgelehrte auseinandergesetzt, versammelte wieder einen Kreis von gaffenden, horchenden Bauern um sich und wiegelte auf, hetzte, soviel ihm irgend möglich schien. Daö gefürchtete Gesetz bestand freilich, so weit es Staats bahnen anging; für die Unternehmungen der Privatspeculation aber nicht. Der Advocat hatte nun gesagt, daß die hier projectirte Linie von Capitalisten der Hauptstadt in's Leben gerufen werde, jedoch mit einem Staatszuschuß der ganzen Hälfte des Anlagecapitals; eS sei mithin mehr als ein Haken anzuschlagen, mehr als eine Hmterthür offen gelassen, die Bauern sollten sich hüten, ohne Weiteres nachzugeben. Den überhand nehmenden Vergewaltigungen gewinnsüchtiger Consor- tien müsse man energisch entgegentreten; seit es Eisenbahnen gebe, wäre das ganze Leben erst recht theuer geworden, die Arbeitskraft entwerthet und das niedere Volk zum Sklaven- thum verurtheilt. Alle diese Phrasen, dem Ohre deS Ungebildeten so wohl- thuenv, hatte der schlaue Advocat reichlich seinem streitsüchtigen und wohlhabenden Clienten aufgetischt; dabei so obenhin fallen
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