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Weißeritz-Zeitung : 06.06.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1761426109-192906068
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1761426109-19290606
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1761426109-19290606
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWeißeritz-Zeitung
- Jahr1929
- Monat1929-06
- Tag1929-06-06
- Monat1929-06
- Jahr1929
- Titel
- Weißeritz-Zeitung : 06.06.1929
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von Aegypten, der am Montag vormittag in der Reichshauptstadt eintrisft. Die Reichsregierung hat ihrem Gast einen Sonderzug zur Verfügung gestellt, der König Fuad mit seinem Gefolge in Genua auf nehmen wird. Die erste Begrüßung auf deutschem Boden erfolgt bei dem Grenzort Singen. In Ber lin wird König Fuad aus dem Lehrter Bahnhof durch den Reichspräsidenten und Vertreter des Retchskabi- netts begrüßt werden. Vor dem Bahnhof werden eine Ehren-Kompagnie der Wachttruppe sowie eine Schwadron des Reiterregiments 4 Aufstellung nehmen, während eine Batterie des Artillerie-Regiments 3 Salut feuert. Das heitere Festprogramm sieht u. a. eine Fest vorstellung in der Staatsoper, ein Frühstück im Rat haus und eine Rundfahrt durch Berlin vor. Ms Wohnung wird dem König das Prinz-Albrecht-Palais zur Verfügung gestellt werden. Im Anschluß an seinen Berliner Aufenthalt wird König Fuad die Leuna- Werke und die Landwirtschaftliche Versuchsanstalt in Halle besuchen. Er gedenkt sich auch nach Mus kau zu begehen, wo eine Verwandte des ägyptischen Königshauses ihre Grabstätte hat, die König Fuad zu besuchen wünscht. Die Brüder Nogens. Einer beschuldigt den anderen. — Der „Löwe von Palingen". — Neustrelitz, 5. Juni. Im Nogens-Jakubowski-Prozeß wurde am Mitt woch der Zeuge Wilhelm Nogens, der ältere Bru der der beiden Angeklagten Fritz und August Nogens, vernommen. Er schildert u. a. ein Gespräch mit dem Kriegsgefangenen Jakubowski, der ihm eines der Kin der zur Annahme anbot, weil Wilhelm Nogens hei raten wollte. Wilhelm sollte dafür ein Fahrrad und einen Anzug bekommen. Aus der Sache wurde aber nichts, und später soll dann Jakubowski gesagt haben, er würde die Kinder auch ohnedem los. Ms dann der Angeklagte Fritz Nogens die meisten Angaben des Zeugen entschieden bestritt, wurde der Zeuge sehr erregt und ries dem Gericht zu, Fritz lügt wie gedruckt. Wilhelm Nogens machte dann ziemlich genau« Angaben darüber, daß er bei seinem Bruder Fritz in Lübeck größere Geldbeträge gesehen haben will. Woher das Geld stamme, so habe Fritz gesagt, das gehe ihn nichts an. Später aber habe er ge standen. daß Jakubowski ihm schon vor der Tat ftir die Hilfeleistung bei der Beseitigung des Ewald 178 Mark gegeben habe. Jakubowski, so habe Fritz er- zählt, habe dem Ewald kurz vor dem gnsa^rne^ treffen mit ihm die Kehle zugedrückt. Fritz habe dann die Leiche zu dem Kaninchenloch gebracht; ihn Habs das Geld gereizt. Der Mann mit dem Weitzen Vollbart. Mzze von ErtkLorenssen. MS Martin Wolter durch die Halle des Lehrter Bahnhofs ging, war der ehrwürdige Herr mit dem weißen Bollbart verschwunden. Die braune Akten tasche zärtlich ans Herz gedrückt, schritt Martin knicke beinig daher und philosophierte vor sich hin. „Ich bin ein Esel," dachte er, „und es ist alles in bester Ordnung. Aber es war unleugbar unangenehm, daß er die ganze Straßenbahnfahrt neben mir stand. Sein weißer Bart sah so ehrlich aus. Die Härchen waren so rechtschaffen nach beiden Seiten gebürstet, man hätte sofort gesehen, wenn eins verkehrt gelegen hätte. Ich kann wahrhaftig keine so redlichen Bärte Er strerchette vergnügt Mmunzemo ;ern glatt rasiertes Kinn, sah nach der Uhr und fand, daß es langsam Zeit sei, auf den Bahnsteig zu gehen. Alles in Ordnung. Wahrhaftig. Warum auch nicht? Er war doch ehrlich sechs Wochen beurlaubt; er hatte doch schon tagelang vorher von der lieben Tante in Hamburg erzählt, die er besuchen wollte; die Schiffskarte war aus den Namen eines wirklich vor handenen Onkels gekauft; der Amertkapaß war seit undenklichen Zeiten in Ordnung. Nun — und wer in den Buchungen vor Jahresschluß etwas finden wollte, der mußte schon ein Genie von Kassierer sein. Warum also nicht in Ordnung? Lächerlich! Er beehrte die braune Aktentasche mit einem liebevollen Seitenblick, und ein behagliches Gefühl der Ruhe und Sicherheit durchströmte ihn. Mit der Lässig keit eines erfahrenen Reisenden schlenderte er am Zuge entlang und suchte sich ein leeres Abteil. Ge mütlich verstaute er Köfferchen und Mantel, richtete sich in der Fensterecke behaglich ein und legte die Tasche vor sich aus die Knie. „Ich Pfeif' auf ein gutes Gewissen," philosophierte er weiter, „ich sitze zweiter Klasse ebenso weich. Es läßt sich nicht leugnen, daß ich auf der Straßenbahn eine unangenehme Viertelstunde hatte, aber das macht die ungewohnte Situation. Man sieht eben Gespenster." Er sah wieder auf die Uhr und stellte fest, daß es Absahrtzeit sei. Als der Zug dann pünktlich aus der Halle rollte, war er befriedigt. Es klappte alles wie am Schnürchen. Ein Uhrwerk, ein tadelloses Uhrwerk. Tas Schurren der Abteiltür störte ihn empfind lich. Peinlich, daß man nicht mit seinen Gedanken allein bleiben konnte. Ein hochgewachsener junger Mann stand in militärisch straffer Haltung an der Tür. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, denn er wintte eifrig in den Gang hinter sich hinaus. Es kam also noch einer. Martin wappnete sich mit Tickselltgkcit. Der junge Mann brachte ein paar märchenhaft große Koffer mit und verstaute sie stöhnend über dem Platz an der Tür. Er war ganz außer Atem. An scheinend hatte er sich beeilt. Jetzt tauchte die zweite Gestalt in der Tür auf, und in diesem Augenblick war es Martin, als schnüre ihm einer die Kehle zu. Es war der Mann aus der Straßenbahn. Der Mann mit dem ekrttlben Vollbart. Der Angeklagte Fritz Rogens bestritt auf wie« verholte Vorhalte alle Angaben des Leugen. Unter allgemeiner Spannung wurde dann der Zeuge Paul Kreutzfeldt vernommen, der wegen seiner Körperkräfte im Orte den Beinamen „Deß Löwe von Palingen" führt. Er wurde nicht very eidigt, weil er der Beihilfe an der Ermordung des kleinen Ewald stark verdächtig ist. IM übrigen HÄ stritt der Zeuge fast alles, was ihm vorgehalten wurde. Im Anschluß daran wurde die Aussage der kom missarisch vernommenen Zeugin und ursprünglichen Angeklagten Frau Lübke, der Schwester Kreutzfeldts, verlesen, die u. a. bekundet, wiederholt von Jaku bowski gehört zu haben, er wolle sich verheiraten« aber die Kinder seien ihm dabei im Wege, MLttelstandsdebatte. ! Fortsetzung der Aussprache zum Etat des Reichs« ! wirtfchaftSministeriumS. — Berlin, den 6. Juni 1929. ? In der heutigen Reichstagssitzung, die der Fortsetzung ! der Aussprache zum Etat des ReichSwirtschaftsnnntstermmS > gewidmet war, nahm als erster Abg. Koenen (Komm.) das > Wort. Redner übte an der gestrigen Rede des Ministers Dr. j Curtius Kritik. Abg. Bchthien (D. Vp.) dankt« dem Minister für di« ? Stellungnahme zu den Nöten des Mittelstandes. Eine et- . waige Reparations-Lastenerleichterung müsse nicht zuletzt - dem Mittelstand zugute kommen. Abg. Drewitz (Wirtschp.) sprach die Erwartung aus, ! daß die Wechsel eingelöst werden, die dem Mittelstand s ausgestellt worden seien. Von einer Realsteuersenkung sei ' nicht mehr die Rede. Abg. Meyer (Dem.) kündigte einen Schritt seiner Frak tion an, der die Aufnahme von Vertretern des Getreide- t Handels und des Müllereigewerbes in den Zollausschutz be- ; zweckt. ! Steichswirtschaftsminifier Dr. Curtius legte gegen die gestrigen Ausführungen des sozialdemokratt- ! scheu Redners Verwahrung ein und protestierte dagegen, dah ' ! der sozialdemokratische Vorsitzende Wels in Magdeburg ge- > ! äußert habe, die bürgerlichen Parteien wollten gar keinen > Erfolg der Regierungsarbeit, weil das Kabinett von Sozial- j demokraten geführt werde. Auf di« Neparationskonstreuz ! eingehend erklärte der Minister, mit der Borlegung des i KonfevenzergednisseS müsse dem Parlament auch ein Reform» j , Programm unterbreitet werden, das folgend« entscheidend« > Fragen betreffe: die Revision des Datvesplanes, die Räu- mung des besetzten Gebietes, Maßnahmen zur Reichsreform, , durchgreifende Agrarreformen, Maßnahmen zur Erleichte rung der Wirtschaft auf allen Gebiete» und schließlich die ! Reuregelung der Arbeitslosenversicherung. Zum Schluß ? seiner Ausführungen sprach sich der Minister noch gegen eine I Erhöhung der Beiträge in der Arbeitslosenversicherung aus. i Den Zollschutz könne die Landwirtschaft zwar nicht ent behren, doch bilde der Zollschutz nicht das einzige Mittel. ; Eine Politik des Hochschutzzolles lehnte der Minister ab. Abg. Loibl (Bayer. Vp.) Sutzerte Bedenken gegen die Ausführungen des Ministers in der Zollfrage und betonte, ohne Zollschutz könne die Landwirtschaft nicht gesunden. Die Aktentasche auf den Knien begann zu zittern. Martin spürte deutlich, daß ihm das Herz bis in den Hals hinauf schlug. Hier stimmte etwas nicht. Das war doch kein Zufall. Flüchtig segnete er innerlich seine Vorsicht. ES war doch gut, daß er sich den Bart ab rasiert hatte. Sicher war er nicht leicht zu erkennen. Das war jetzt feine einzige Hoffnung. Die beiden kümmerten sich nicht um ihn. Schwei gend nahmen sie ihre Plätze an der Tür ein und sahen ziiii vor sich yin. Der militärische junge Mann zog umständlich eine Pfeife aus der Tasche und begann zu rauchen. Auch nrcht ein Seitenblickchen fiel auf ihn. Kein Wort wurde zwischen ihnen gewechselt. „Gefangen," dachte Martin und hörte sein Herz in rasenden Schlägen pochen, „sie sitzen an der Tür. EL mutz irgendein Fehler in meiner Rechnung gewesen sein. Aber wo steckt er?" Träge verrannen die Stunden. Fieberhaft sucht« das Gehirn nach einem Ausweg. Die Höllenpein der Stille begann aus die Nerven zu wirken. Sie wurden zu Gummischnüren, die ein schwarzer Kobold mit wider wärtiger Aufdringlichkeit zog und streckte. Jetzt waren sie zum Zerreißen gespannt, dann erschlafften sie plötz lich wieder in stumpfer Gleichgültigkeit. Unentwegt ' ratterte der Zug seinem Ziele zu. Als sie in Wittenberge anhielten, war Martin einen Augenblick in Versuchung, aufzuspringen und zu fliehen. Aber er gab den Gedanken sofort wieder als Wahnsinn auf. Das durfte er nicht wagen, hier galt es nur abzuwarten. Und jetzt begannen die beiden zu - sprechen. i „Werden wir in Hamburg erwartet?' „Ich habe im letzten Augenblick telegraphiert und < die Antwort hierher erbeten. Unter unserer Chiffre." „Unter ,Argus'?" ' „Ja, unter,Argus'. Aber es scheint nichts dazusetn. ' Sie erwarten uns noch nicht. Nun, wir werden es auch allein schaffen." „Sicher." > Der Zug fuhr wieder an, und der Ruck ging Mar- ; tin schmerzlich durch den ganzen Körper. Jetzt kam das i Ende. Bis Hamburg gab es kein Entrinnen mehr. Das - Spiel war verloren. Er fühlte, daß ihn seine Nervenkrast im Stich ließ. ; Die Versuchung, sich auf die beiden Spione zu stürzen f und ihnen den Hals umzudrehen, war übermächtig in ! ihm. Mit dem letzten Rest von Vernunft wehrte er sich verzweifelt gegen diefen Gedanken. Wie die vorüber- slieaenden Telegraphenstangen jagten sich die Pläne in seinem Gehirn. Doch sie scheiterten alle an seiner vollkommenen Unkenntnis und Verwirrung. Was wußten die beiden? Hatten sie nur irgend einen Verdacht, oder war er durchschaut? Konnte nur die Vermutung aufgetaucht sein, daß es bei seiner j Ferienreise nicht mit rechten Dingen zuging, oder ver folgten sie ihn auf Grund bestimmter Beweise? War irgendein Umstand eingetreten, den er nicht kannte, der die feinen Fäden seines PlanS zu einem Netz verknüpft hatte, in dem er sich fing? Der Zufall kam chm zu Hilfe. Die Männer flüsterten miteinander, und so angestrengt er horchte, er konnte durchaus nichts verstehen. Aber jetzt schnappte er doch einen Satz auf. L« Ausbruch des DeprvS. MM Pa* tzm MeSer -Sh». — Da» HmH Ter^i-no bereit» geräumt. Wie aus Neapel berichtet wird, hat der seit einig«» Tagen eingetreten« Ausbruch des Vesuvs pwtz« ltch eine unvorhergesehene Steigerung erfahren. Inner« halb 24 Stunden waren drei Ausbrüche zu verzeichnen. In Riesenwellen überflutet die glühende Lava nach allen Seiten den großen Kegel und ergießt sich in dach Tal. Die Feuersäule steigt etwa 600 Meter über den Krater empor, um in einem ausgedehnten Feuerregen die Glut auf die Kraterwände herabzuschütten. In der Nacht zum Mittwoch erfolgte eine riesige Explosiv» »m Innern des Kraters, die von einem feurigen Stein- und Aschenregen begleitet war. Infolge der .Erschütte rung durch die Explosion stürzten größere Gesteins-, mengen von den Besuvhängen ab und zwangen die Touristen zur Flucht, die in großen Scharen herbei« geeilt waren, um das seltene Naturschauspiel zu ge« nießen. Die Lava füllt vaS ganz« Höllental ans unv teilt sich dann in zwei Arme. Der eine fließt «ach Terzigno, der andere, der sich auf der Lava vom Jahre 1SOS ergießt, hat schon in der Ebene das Lavafeld von Eapo- se«chi erreicht. Mehrere Dörfer am Anße des Vesuvs sind von dem Fenerstrom bedroht, der sich in einer Breite von 50 Metern mit einer Geschwindigkeit von 150 Metern in der Stunde vorwärtsbewegt. Mittags erreichte die Lava die erste» Weinberge bei Barre, einem kleinen Flecken, der etwa ein Kilometer von dem Dorf Terzigno entfernt ist und sofort ge« rSumt wurde. Um Mitternacht wurde die Terzigno vorgelagerte Ansiedlung Eampttelli vom Keuerstrom eingeäschert. Eine Stunde später vernichtete der Lava strom das Wasserreservoir von Terzigno. Terzigno ist von der Bevölkerung bereits geräumt worde«. Die Einwohner von Terzigno und den benach barten Ortschaften hatten die ganze Nacht aus dem Markte und in der Dvrskirche zugebracht, wo Bitt gottesdienste abgehalten wurden. Als die Lava immer näher an Terzigno heranrückte, wurde die Räumung des Ortes angeordnet. Die Behörden hatten umfassende Maßnahmen getroffen, um Hab und Gut der Bedroh ten zu retten. Auf der um das Vesuvmassiv herum- führenden Kleinbahnstrecke waren mehrere Hilfszüge bereitgestellt, außerdem standen zahlreiche Lastwagen für einen Abtransport bereit. Truppen und Miliz hielten die Ordnung aufrecht. „Es war gut, daß ich noch zur Bank ging, werweiß, wie lange wir sonst noch in Berlin geblieben wären," sagte der Weibbärtige. Da wurde ihm mit einem Schlage klar, woran er scheiterte. Irgendeine unsinnige Kleinigkeit, eine Lächer lichkeit hatte die Nachprüfung der Buchungen veranlaßt und einen vielleicht ganz vagen Verdacht zur Gewißheit gemacht. Eine blöde Sinnlosigkeit warf das ganze Ge bäude von List und Verstellung über den Hausen. Und nun überwältigte ihn plötzlich die Angst. Alle Enttäuschung über das Mißlingen seines Anschlags, aller Kummer über den Verlust des vielen schönen Geldes ging unter in jämmerlicher Furcht vor der Zu kunft. Sein Geist wanderte von der Gerichtsverhandlung in die Gefängniszelle, aus der Hast in das Elend der Großstadt. Tie Bilder begannen sich zu verwirren. Der zerstörenden Marter der letzten Stunden waren seine Nerven nicht gewachsen. Ein fast wohltuendes Gefühl der vollkommensten Entschlußlosigkelt durch rieselte ihn. Mochten sie ihn in Hamburg aus dem Zuge zerren, mochten sie ihn doch mit Schimpf und Schande durch die Straßen schleifen, er war auf alles gefaßt. Und der D-Zug fuhr in Hamburg ein. Mechanisch sammelte Martin seine Sachen zusammen. Der Akten tasche begegnete er mit beleidigender Gleichgültigkeit. Sie hatte ihre Rolle ausgespielt. So sehr war er auf einen harten Griff an der Schulter gefaßt gewesen, daß es ihm fast den Atem verschlug, als die Männer ihn ungehindert durch die Tür ließen. Einen- Augenblick schnappte er nach Luft und versuchte, sich über die neue Situation klar zu werden. Dann tat er ein Paar vorsichtige Schritte und sah sich verstohlen um. Der militärische junge Mann hatte sich wie ein Schatten an seine Fersen geheftet und bummelte mit der gleichgültigsten Miene von der Welt hinter ihm her. Ta packte Martin Wolter aber die Wut. Sollte das Spiel so weitergehen? Hatten sie es darauf abgesehen, ihn zu quälen? Sie wollten ihn wohl verrückt machen? Aber das sollte ihnen nicht gelingen! Er hatte die Ge schichte jetzt satt. Er machte nicht mehr mit. Alles, was kommen konnte, war nichts im Vergleich zu dieser peinigenden Marter. Mit entschlossenem Schritt ging er auf einen Schutz mann zu, der harmlos in der Bahnhofshalle die Vorbet flutende Menge musterte, und sagte kurz und energisch: „Ich bin der Kassierer der Handelsbank und mit einer halben Million durchgebrannt. Verhaften Sie mich." Und als Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptung wies er die banknotengefüllte Tasche vor. Der Schutz' mann wußte nicht, ob er es mit einem Verrückten oder einem Spitzbuben zu tun hatte, und nahm ihn kurzer hand mit zur Wache. Als Martin sich unter seiner sicheren Begleitung triumphierend umsah, war der mili tärische junge Mann verschwunden. * Tie Handelsbank aber weiß heute noch nicht, daß sie die reumütige Anwandlung ihres flüchtigen Kassierers eigentlich dem Chef des „ArguS", Vertrieb für Nachtbeleuchtungen, verdankt. Dem Chef und seinem jungen Mann.
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