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Weißeritz-Zeitung : 15.02.1934
- Erscheinungsdatum
- 1934-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1761426109-193402150
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1761426109-19340215
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1761426109-19340215
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWeißeritz-Zeitung
- Jahr1934
- Monat1934-02
- Tag1934-02-15
- Monat1934-02
- Jahr1934
- Titel
- Weißeritz-Zeitung : 15.02.1934
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171 Nachdruck verboten. Ein dummes Gerede, zum Spaß einen plumpen, braven (wie mau glaubte) harmlosen Jungen aufgcbundcn — und alles war vergessen, war null und nichtig? Glauben tonnte er nicht! Warnm also? Wollte er ihr eine Lehre zuteil werden lassen? Eine „Strafe" für ihr skrupelloses Ausschneiden? So wenig Sinn für Humor hatte er? Freiwillig und ganz aus sich nahm sie diese Maskerade, wie sie es heimlich nannte, ja gern ans sich. Alles mal kcnnenlerncu, alles verstehen lernen! Aber sic darin sitzcn- lassen? Wo er doch nicht wußte, daß sie das, nun cs so war, auch so wollte? Ihre zuversichtliche Laune schwand. Ihr heiter-hoch mütiges Gesichtchen wurde ernst und blaß. Sie starrte vor sich hin und schwieg zornig. Brcdcna beobachtete heimlich ihr Mienenspiel. Er kannte sich ein wenig ans in der Psvchc der Krimi- j ncllcu. Er glaubte, daß der Moment gekommen wäre, sie für ein „Geständnis" zu gewinnen. Aber ehe er noch ein Wort sagen konnte, atmete Luzie tief auf. Es war, als hätte sic seine Gedanken gespürt. „Haben Sie Gisclcr bei Lcheilclcrs .tennengelernl?" fragte sie sachlich. „Sie kennen Herrn Professor Gisclcr?" „Natürlich! Er ist doch mein Hauptkomplicc!' „Wic soll ich oas vcrstehcn?" „Er war doch, bis ich mündig wurde, mein Vormund!" „Professor Gisclcr?" „Ja!" „Profcssor Gisclcr sprach von cincr jungen Dame, die er vergeblich erwartete. Nachher teilte er uns mit, sie habe Migräne. Fräulein Hofmann ist eine Schwester der Frau von Schctteler. Geben Sie vor, diese junge Dame zu sein?" „Nein!" sagte Luzie kurz und scharf. „Vorgcbcn tu ich das nicht!" „Na also! Fräulein, diese Geheimnistuerei hat keinen Zweck. Sic erschweren nur Ihre Lage." Brcdena sprach mit sanft-gcwinncuder Stimme. „Sagen Sie, was zu sagen nötig ist. Es ist für Sie am besten!" „Und wenn ich es sage, glauben Sie es nicht und meinen, ich gäbe es vor!" sagte patzig Luzie. „Wie wollen Sie beweisen, daß Sie Fräulein Hofmann sind?" „Meine Schwester wird mich identifizieren! Der Um weg nach Bergen über Brömitz ist nicht weit. Machen wir den Versuch!" „Wenn Sie glauben, auf diese Weise Gelegenheit zur Flucht zu finden ..." „Drei große Männer werden doch wohl ein kleines Mädchen bewachen können!" „Unter Umständen, wenn das kleine Mädchen sehr raffiniert und sehr schlan ist..." „Gewiß! Männer hinters Licht zu führen, ist nicht schwer. Ich würde Ihnen mit Leichtigkeit entwischen können, wenn ich meine Talente auf diesen Punkt konzen trierte. Aber ich habe gar kein Interesse daran! Per — Per, dieser dumme Esel, den man mir noch dazu als Ehe mann präsentieren wollte! Nur Per tonnte meine lustigen Aufschneidereien glauben." „Herr Mackeprang hat mir mitgcteilt... Auch ich, als Kriminalist, habe den Eindruck, daß man so etwas nicht erfinden kann." „Ein Mann vielleicht nicht! Aber als Frau? Und wenn man in seinen Backfischjahren feste Kriminal- geschichlen gelesen hat? Aber wie gesagt, Herr Bredena, die Sache hat mir Spaß gemacht. Daß auch niemand auf oen Gedanken kam, die Fremdenlisten einzusehcn..." „Das würde in diesem Falle wenig genützt haben. Wer garantiert, daß Sic nicht unter ganz falschen Angaben leben?" „Täte ich sicher, wenn ich Verbrecherin wär'! Und sicher erzählte ich dann nicht haarklein Einbruchsgeschichten, wie man sie zu Tue nden täglich in den Zeitungen beschrieben liest!" „Man hat seine schwachen Stunden!" „Wie ich augenblicklich. Eigentlich sollte mich Hertha morgen früh aus dem Gefängnis erlösen! Aber die Sache wird mir doch z u dumm. Fahren wir also auf Brömitz vor..." „Falls ich mich dazu entschließe!" „Meine Verwandten werden Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie sich nicht dazu entschließen!" „Unverständlich ist mir Ihre Weigerung, Ihren Namen kanzugeben." „Ich dachte, Giseler sollte mich suchen."^ , „Das hat er getan! Das heißt, er hat Fräulein Hof- smann gesucht!" ,Ohke mich zu finden?"^, „Wie konnte er wissen, daß Sie unedle verhaftete Der« ibrecherin identisch seien?" Luzie wurde nachdenklich, ... . , „Wird man denn nun die beiden Burschen, die—"Ich Heute morgen angegeben habe, laufen lassen? Genügt es, imich zu verhaften und die vielleicht Schuldigen ihres !Weges ziehen zu lassen?" Bredena stutzte. Woher konnte sie wissen, daß Fräulein Hofmann diese Angaben gemacht? Vielleicht ein neuer Trick! Er heuchelte Glaube. „Ah, Sie waren das! Sic wissen das! Daun aller dings!" „Sehen Sie!" sagte erleichtert Luzie. „Nun schicken Sie diese bewaffnete Begleitung nach Hause und fahren Sic allein mit mir nach Brömitz!" Bredena lächelte verächtlich. „Sie sind wirklich schlau, liebes Fräulein. Aber — doch nicht schlau genug für uns!" Luzie seufzte. „Jedenfalls — wir fahren über Brömitz! Meinetwegen daun also iu bewaffneter Begleitung! Golt, was diese Männer bange vor mir sind! Ohne Revolver, Gummi- tuüppel und Seitengewehr — gleich doppelt — wagen sie nicht mii einem einzelnen Mädel über Land zu fahren Und Sie, Herr Bredena? Sind Sie ohne Waffen?" Aha, die wollte Lage spannen! Bredena griff iu die Tasche und holte seinen Revolver hervor. „Sehen Sie, Fräulein?!" Luzie lachte. „Wie viel mutiger sind wir Frauen doch! Ich habe gar keine Angst, trotzdem drei bewaffnete Männer mich sozusagen entführen!" Bredena ließ sich ihr aufreizendes Wesen schweigend gefallen. Sie tat ihm leid. Verbrecherin oder nicht: ein aller liebstes Mädchen! Und wer wollte ihr verdenken, daß sie in dieser Lage nervös wurde? „Weshalb fragen Sie mich nicht über das Leben der Luzie Hofmann aus, die zu sein ich vorgebc?" fuhr sic fort, ihn zu necken. „Diese interessante junge Dame, die in Berlin Musik studiert und sich zur Sängerin ausbilden läßt..." Und sie begann, so heiter und natürlich von ihrem Berliner Leben und ihrer Arbeit zu erzählen, daß Bredena unwillkürlich interessiert zuhörte. „Sehen Sie", sagte das junge Mädchen nach einer Weile, „so etwas kann man doch nicht erfinden, mit all diesen kleinen Zügen und Einzelheiten! Nicht wahr? Eines aber muß doch erfunden sein — dies oder mein .Verbrechcrlebcn'! Nun sagen Sie mir ehrlich, Herr Bredena: Was halten Sie für mein wahres und was für mein erlogenes Ich?" Bredena sah sie einen Augenblick prüfend an. Er sah ihr Helles, freundliches, ein wenig spitzbübisches Gesicht und die Gepflegtheit ihrer ganzen zierlichen Person. Und so etwas sollte reif sein fürs Zuchthaus? Ein herz liches Erbarmen faßte ihn. Trotz der Anwesenheit der beiden Polizisten nahm er ihre kleine braungebrannte Hand, die ein bißchen schlaff und nervös neben ihm auf dem Polster des Wagens lag, und führte sie an seine Lippen. „Ich hoffe von ganzem Herzen, daß Sie so unschuldig sind, wie ich wünsche!" „Das ist nett gesagt! Sie sind ein sehr liebenswürdiger Kriminalist, Herr Bredena! In Ihrer Nähe fühle ich mich wohlgeborgen! Und deshalb will ich jetzt ein bißchen schlafen. Denn alles in allem war cs doch ein aufregender Tag!" Sie lehnte sich in die Ecke und zog ihr Mützchen tief übers Gesicht, so daß cs noch die Augen verdeckte. Dann schlief sic cin. Wenigstens offiziell. Durch das dünne Ge webe der Mütze beobachtete sie ihre Wächter. Gern wäre sie ihnen noch entschlüpft! Aber sie sagte sich, das könne eine gefährliche Sache werden — und es war auch ihr jetzt des Spaßes genug. Sie merkte wohl, daß die Aufmerk samkeit der drei nicht nachlicß. Außerdem fuhr der Wage» sehr schnell. Endlich schlief sie wirklich ein und empfand, im Halbschlummer, das rasche Hingleiten des Wagens wie das sanfte Gleiten des Segelschiffes über die Wellen. Und sanft glitt ihr auch die Zeit dahin. Erst als sie, bei gelegentlichem Blinzeln, merkte, daß sie sich dem Ziel näherten, wachte sie mit einem Ruck auf, machte sich zurecht und gab Obacht, daß man auch den richtigen Weg einschlüge. Bredena gab Ordre, auf Brömitz zu fahren, und ein zufriedenes Lächeln seiner eigenartigen Gefangenen spannte ihn zu doppelter Achtsamkeit auf sie an. Hertha von Schettclcr hatte telephonisch aus Bergen eine Unmenge Lampions bestellt, denn sie hatte vor, am morgigen Abend eine „Italienische Nacht" zu veranstalten. Sie hatte ihre liebsten Bekannten, ebenfalls telephonisch, um ihr Kommen gebeten — und fast alle hatten zugesagt. Das Abendessen überließ sie ihrer tüchtigen Köchin, nachdem sie ein recht üppiges Menü zusammengcstellt. Weine und Bowle zu bestimmen, war Angelegenheit ihres Mannes. Sie aber saß jetzt mit dem Fräulein, das die kleine Ingeborg pflegte, auf der Veranda und befestigte Lichter in den Lampions. Ingeborg kniete auf dem Boden neben ihr und spielte. Sie fragte immer wieder: „Wann kommt denn Tante Luzie?" „Ja, wann kommt sie?" sagte die Mutter. Sie wun derte sich selbst aufs höchste, daß Giseler noch nicht, wic er versprochen hatte, angerufen. Er mußte sic doch längst ge sunden haben. Es tat ihr weh, daß sie sich gestehen mußte, von ihm enttäuscht zu sein. Darum, dachte sie, habe ich nun Jahre hindurch Rostock gemieden und fast alle Ver bindungen dort abgebrochen: ich fürchtete, nicht die Kraft zu haben, meiner großen Liebe zu widerstehen, wenn ich ihm gcgeuüberstände. Bin ich so verändert, oder ist er es? Öder sehe ich als Gattin und Mutter die Männer mit so ganz andere» Augen an? Aber der gute Herbert ist wirtlich kein Held und noch viel weniger ein Adonis. Er ist nicht einmal ein Ritter ohne Furcht und Tadel. Er ist ein überfeinerter, verzogener Egoist, der immer nur in Furcht lebt, seinen wichtigen Lebcnsgcwohnheiten, sciucn gelehrten Interessen könne eine geringe Kleinigkeit ab- gchen. Schctteler war gewiß kein Mustermensch, aber seine Frische und Natürlichkeit lai ihr' neben Gisclers Wesen fast wobt. Vielleicht nur Gewohnheit, überlegte sie, aber wenn schon nur Gewohnheit: cS zeigt mir, wohin ich gehöre und Ivas mir entspricht. Es ivar ihr, als ob die Wünsche ihres HerzenS, die bisher in stillen Stunden unruhig in die Ferne gestatten waren, wic heimaigcwohntc wciße Tauben zurückgekchn seien und sich friedlich und für immer bei ihr eingenisteu Eine stille Zufriedenheit erfüllte sic. Und Lnzic? Sic war die einzige, die ahnte, wic sic für Gisclcr ge- sühlt halte. Ob sie sich deshalb dem Werben des Professors gegenüber ablehnend verhielt? Jedenfalls wollte sic ihr andeulcn, daß das nicht not wendig sei. „Ich bin mit Gustav glücklich", wollte sie sagen. War das die Wahrheit? Hertha von Schettclcr lächettc versonnen. „Mit Gustav und Ingeborg!" Das erst war richtig! Schctteler trat ein. „Ist noch was zn bestellen in Bergen?"' fragte er. »Ich fahre früh zu unserer Sitzung. Ich will versuchen, Ramitz noch vorher zu sprechen. Er soll mir beichten. Er hat eine Dummheit bereits gemacht oder noch im Schilde. Und die braven Bürger im Städtchen haben wenig Sinn für seine Unarten. Ich mnß doch sehen, wie ich ihn ein bißchen am Gängelband halte!" Hertha lachte leise. „Vergräme mir nur Ramitz nicht. Ich brauche ihn morgen als maitre clo plaimr. Bei solch improvisierten Festen ist nun mal oer Spaßmacher die Hauplsache!" „Vergrämen? Ich habe mir eine ganze Büchse voll Honig eingepackt, die ich ihn um den Bart schmieren will." Schettclcr hob Jngcborg aus. „Will mein kleines Mädchen mit Vater fahren?" Die Kleine schüttelte den Kopf. „Inge geht bald schlafen!" sagte es vernünftig. „Damir sie morgen blanke Augen Hal. Morgen komml Tante Luzie aber sicher!" „Komisch, daß man nichts von den beiden hört!" seufzte Hertha von Schettclcr. „Vielleicht sind sie schon unterwegs. Der zerstreute Herr Professor hat nur vergessen, es mitzuteilen!" Schettclcr beugte sich über die Hand seiner Frau, um sie, abschiednehmend, zu küssen. „Ein Auto!?" sagte Hertha, in diesem Augenblick auf horchend. „Das könnten sie sein!" So geschah cs, daß die ganze Familie und cin Teil dcr Dienstboten herzueilten und vor der Freitreppe warteten, als der große Wagen, der Luzie in so sicherer Begleitung nach Brömitz brachte, vorfuhr. Bredena sprang aus dem Wagen. Luzie wollte folgen, aber die Polizisten hinderten sie energisch an solch frevelhafter Selbständigkeit. Sie schaute aber aus dem Fenster und winkte Hertha fröhlich zu. Bredena grüßte höflich, aber eilig. „Meine verehrten Herrschaften", sagte er cin bißchen außer Atem, „ich bringe Ihnen hier ein junges Fräulein, das unter dem Verdacht steht, am Einbruch bei Ihnen be- tciligt zu sein. Sie behauptet —" „Bredena, sind Sie verrückt? Das ist meine kleine Schwägerin. Haben Sie wirklich nichts Besseres zu tun, als in solchen Schelmenstreichen, wie Luzie sie liebt, mii- zuwirken?" Bredena machte ein wenig geistreiches Gesicht. „Sind Sie ganz sicher, Herr Baron —" „Na, nu schlägt's aber dreizehn! Wir werden doch unsere Schwester und Schwägerin noch kennen?" „Dann muß ich mich allerdings der Ansicht anschließen, daß Herr Mackeprang ein Riesenesel ist!" sagte er entsetzt. „Sehen Sic", rief Luzie durch das Wagenfettster, „ich habe es ja immer gesagt!" Jetzt hinderten die Polizisten Luzie nicht mehr, den Wagen zu verlassen. Verlegen kamen auch sie heraus und machten ihre Honneurs. „Ja, Luzie, aber sage mal", entfuhr es der völlig ver blüfften Baronin. „Was soll denn das? Und wo ist denn Herbert?" „In Saßnitz. Wenn er nicht etwa meinen Spuren ge folgt ist. UebrigenS, so recht Herr Bredena hat, wenn er sagt, daß dieser Mackeprang cin Niesenesel ist: ich", fügte sie in ihrer freimütigen und gewinnenden Art hinzu, „bin an der ganzen Sache eigentlich auch nicht unschuldig. Ich erzähle es nachher. Aber bitte, Herr Bredena — soviel ich weiß, haben Sie mein Geld —, bezahlen Sie den Chauf feur. Reichlich Trinkgeld — ja? Und dann laßt uns ins Haus gehen! Gustav, ich glaube, du mußt da einiges in Ordnung bringen, mit ein paar Behörden und so. Aber schimpf nicht! Ich mach's nicht wieder — und die Herren waren alle furchtbar nett zu mir. Herr Bredena geradezu reizend!" (Fortsetzung folgt.) >
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