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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1990
- Erscheinungsdatum
- 1990
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-199000007
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- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19900000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19900000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
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Zeitschrift
Universitätszeitung
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Band
Band 1990
-
- Ausgabe Nr. 1, 12.01.1990 1
- Ausgabe Nr. 2, 19.01.1999 1
- Ausgabe Nr. 3, 26.01.1990 1
- Ausgabe Nr. 4, 05.02.1990 1
- Ausgabe Nr. 5, 12.02.1990 1
- Ausgabe Nr. 6, 19.02.1990 1
- Ausgabe Nr. 7, 26.02.1990 1
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- Ausgabe Nr. 17, 14.05.1990 1
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- Ausgabe Nr. 30, 01.10.1990 1
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- Ausgabe Nr. 33, 22.10.1990 1
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- Ausgabe Nr. 39, 03.12.1990 1
- Ausgabe Nr. 40, 10.12.1990 1
- Ausgabe Nr. 41, 17.12.1990 1
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DDR-Revolution Gewiß erfanden die Akteure des Herb stes 1989 in Leipzig oder Berlin die po litische Freiheit nicht im Sinne einer welthistorischen Innovation. Doch ist sie, da es noch nie gelang, sie diesseits repräsentativer Strukturen auf Dauer zu stellen, immer wieder ein Novum, ein Neubeginn gerade für jene, die sich das Recht auf Selbstbestimmung nehmen. Rainer Land erkannte ganz klar, „daß wir uns in der DDR wirklich in einer offenen geschichtlichen Situation befinden. Die se offene geschichtliche Situation wird nicht allzu lange anhalten, sie wird ir gendwann durch ganz bestimmte Ent scheidungen wieder geschlossen“. Was Arendt als das revolutionär Neue begreift, drückte sich im Herbst 1989 in eben jenem Moment aus, das die Revo lution in der DDR als demokratische kennzeichnete, das die Menschen glau ben ließ, sie machten ihre Geschichte selbst, und sie machten sie autonom und selbstbestimmt. Sie stellten - weniger emphatisch ausgedrückt - einen politi schen Raum für öffentliches Handeln und Räsonnement her, und damit began nen sie, die DDR als demokratische Re publik überhaupt erst zu konstituieren. Genau dieses Moment eines demokra tisch-republikanischen Gründungsakts war es, das auch die Zuschauer jenseits der Grenzen faszinierte. Mit der Parole „Wir sind das Volk“ wiesen die Bürgerinnen und Bürger, die sich zu Hunderttausenden auf den Straßen und Plätzen versammelten, den Herrschaftsanspruch von Partei und Staat zurück. Mit ihrem Handeln schuf en sie mehr als die bloße Summierung ei ner Vielzahl einzelner Akteure; sie stell ten Reziprozität durch Assoziation her. Die oppositionellen Gruppen, die teils schon vor dem Herbst entstanden waren, teils zu Beginn und im Verlauf der Re volution sich bildeten, wuchsen sehr rasch; zudem entstanden neue Aktions formen wie die Bürgerkomitees und die Runden Tische, die sich unmittelbar in die öffentlichen Belange einmischten und die politischen Themen bestimmten. Neues ließen die Bürger insofern entste hen, als die zuvor angepaßte und apathi sche Gesellschaft sich selbst überhaupt eine Gestalt gab und die individuelle Ver einzelung überwand, die zuvor nur in formell hatte durchbrochen werden kön nen. Die neuen Handlungs- und Organi sationsformen brachten überdies eine Pluralität von Interessen und Meinungen hervor, die über kurz oder lang nach konsentierten Mechanismen der Kon fliktregelung verlangte. Der Runde Tisch in Berlin einigte sich bereits in seiner ersten Sitzung (7. 12. 1989) darauf, eine neue Verfassung aus zuarbeiten. Sein Entwurf ist in unserem Kontext aus mehreren Gründen von großer Bedeutung. Erstens verlangt der Zusammenbruch der Strukturen des an- eien regime nach einer allgemeinen Ver ständigung über die politischen Spielre geln, nach denen künftig Konflikte aus getragen und Mehrheitsentscheidungen gefällt werden sollen. Warum sollten oh ne verfassungsgebenden Akt, an dem sich alle beteiligen, Minderheiten die Entscheidungen von Mehrheiten als le gitim erachten? Dieses Problem ist in der DDR nicht gelöst. Zweitens erweist der Verfassungsentwurf des Runden Tisches der demokratischen Revolution seine Reverenz, indem er von einer „Zivilge sellschaft“ ausgeht. Er stellt Bürgerbe wegungen als „Träger freier gesell schaftlicher Gestaltung, Kritik und Kon trolle" unter den „besonderen Schutz der Verfassung" (nicht etwa des Staates), und ordnet Gruppen, Parteien und Verbände dem Verfassungskapitel über Menschen- und Bürgerrechte zu (nicht dem Kapitel über Grundsätze und Organe des Staa tes). Die Priorität der societe civile vor dem Staat ist nicht nur der demokrati schen Revolution angemessen. Vergli chen mit der Staatslastigkeit des Grund gesetzes und angesichts der Verkrustun gen der Parteiendemokratie westlicher Prägung enthält sie überdies Korrektive für und kritische Fragen an das westliche Politik- und Gesellschaftsverständnis. Drittens überwindet eine in diesem Sinne bürgerlich-zivile Verfassung die marxistisch-leninistische Gesellschafts- und Staatskonzeption in äußerst über zeugender Weise. Gerade weil die Po- laksche Axiomatik die Staats- und Rechtstheorie in der DDR bis zum Schluß dominierte, ist eine Abkehr radi kaler Art bitter nötig. Der Verfassungs entwurf des Runden Tisches bricht mit der identitären Konzeption von Volk, Ge sellschaft und Staat. Er weist keinerlei Anklänge an organizistische Ganzheits vorstellungen auf, noch verschreibt er sich klassentheoretischen und ge schichtsphilosophischen Verheißungen. Es handelt sich auch insofern um die von Arendt geforderte Säkularisierung von Politik und Herrschaft, als niemand mehr „höheres“ Wissen um das Wohl und den Willen des Ganzen für sich reklamieren kann. Die Verfassung ist keiner apriori schen Fortschrittsidee untergeordnet; der Staat ist, aller marxistisch-leninistischen „Wesens“zuschreibungen bar, nichts als „demokratischer und sozialer Rechts staat“, Staat durchaus im „eigentlichen Sinne“: konstituiert von den Bürgerinnen und Bürgern, die sich die Verfassung ge ben. Dieser plurale und vernunftbetonte Grundtenor des Verfassungsentwurfs ist nicht selbstverständlich, wenn wir uns die Voraussetzungen seines Entstehens vor Augen halten. Der Sozialismus mar xistisch-leninistischer Provenienz brach te sowohl eine quasi-absolutistische Herrschaftsstruktur als auch eine klas senlose, egalitär-nivellierte Gesellschaft hervor, eine Konstellation also, die zu identitären Vorstellungen des Volkes und seines Allgemeinwissens geradezu ein lädt. Die Wirkungsmacht dieser Kon stellation zeigte sich seit dem November 1989 in aller Deutlichkeit, als aus der Pa role „Wir sind das Volk“ die Rufe „Wir sind ein Volk“ und „Deutschland einig Vaterland" wurden. Diese Parolen sind auch als Langzeit reaktion auf die Vorstellungen der SED zur nationalen Frage zu verstehen. Denn die Partei gab, so identitär ihre Konzep tion von Volk, Gesellschaft und Staat auch war, das spezifisch deutsche In- einssetzen von (Kultur) Nation und Staatlichkeit spätestens seit den 70er Jah ren auf. Die These, die Otto Reinhold noch kurz vor dem Umsturz vertrat und derzufolge die DDR ihre staatliche Exi stenz nur auf sozialistischer Basis würde halten können, hatte einen rationalen Kern. Ich eile hinzuzufügen: nicht den des Sozialismus oder der Eigenstaatlich keit per se. Der rationale Kern bestand vielmehr in der Annahme einer ver nunftgeleiteten Entscheidung der Bürger zugunsten eines universalistisch begrün deten politischen Gemeinwesens. Daß Reinholds Position der real-sozialisti schen Realität nicht entsprach, weil die klassentheoretischen und geschichts philosophischen Hypothesen den sozia listischen Universalismus kappten und er so zur Legitimationsfigur der Par teiherrschaft geriet, ist eine andere Frage. Mit dem Ruf „Wir sind das Volk" be gann die „Wende in der Wende“, der Richtungswechsel der Revolution, der ihr bürgerlich-ziviles Moment verdräng te. Die Politik der deutschen Einheit, konzipiert im Bundeskanzleramt, trug die Verfassungsdebatte über die Gren zen der DDR hinaus in die Bundesrepu blik. Nicht zufällig machten gerade Rechtswissenschaftler, auch Verfas sungsrichter, darauf aufmerksam, daß die Selbstdefinition des künftigen deutschen politischen Gemeinwesens davon abhän gen wird, ob ihm eine gesamtdeutsche Konstituante oder aber die Annahme einer „der Verfassung vorausliegenden nationalen Identität“ zugrunde gelegt wird. Dabei wäre es „nicht das erste Mal, daß die Deutschen die nationale von der konstitutionellen Frage trennen und die nationale Einheit gefühlsmäßig, logisch und zeitlich vor die Verfas sungsfrage setzen“. Im Gegenteil be steht zum ersten Mal die Chance, nicht primär von ethnischen, kulturellen und historischen Gemeinsamkeiten der (Volks)Gemeinschaft auszugehen, son dern von demokratischen Verfahren und allgemeinen Prinzipien, die die Bür ger als citoyens, nicht als Deutsche, ihrem politischen Verband zugrunde legen. Das würde mit der deutschen Tradition brechen, Ethnos höher zu schätzen als Demos, eine Tradition, die immer wieder dazu taugte und bis heute taugt, Nicht-Deutsche auszu grenzen, zu entwürdigen und zu entrech ten. Dies zumindest wäre aus dem natio nalsozialistischen Zivilisationsbruch zu lernen. Dr. SIGRID MEUSCHEL, Freie Universität Berlin Für die Mitarbeiter dernunmehr als In stitution aufgelösten Sektion Gesell schaftstheorien (der Nachfolgeeinrich tung der ehemaligen Sektion ML) besteht keinerlei Zweifel daran, daß das MLG in der bis September 1989 gelehrten Form keine Existenzberechtigung mehr hat. Vom Konzept her war es monopolisiert, insgesamt doktrinär angelegt, ließ keinen weltanschaulichen Pluralismus zu und zielte in seiner objektiven politischen Wirkung auf die Konservierung beste hender gesellschaftlicher Verhältnisse. Das müssen wir heute so einschätzen, dafür tragen wir Verantwortung, alle ge meinsam und jeder eine je konkrete, die genau zu bestimmen ist. Obwohl der Rechtfertigungsvorwurf sicher gemacht wird, stellt sich bei nähe rer Betrachtung dennoch der konkrete und von diesem postwendend zurückge wiesen. Daß über diesen Weg grundsätz lich keinerlei Änderung herbeizuführen war, zählt zweifellos zu den schwerwie gendsten Grundirrtümern, ein Sachver halt, den wir, wie viele, viel zu spät er kannten und damit kaum jemand recht zeitig die praktischen Konsequenzen zog. Im Lehrprogramm „Studium generale“ handelt es sich um keinen „zweiten Auf guß“ des alten MLG. sondern selbst die schärfsten Kritiker müßten mit nüchter nem Blick anerkennen, es wurde ein er ster Versuch unternommen, ein neues, dem internatonalen theoretischen Den ken verbundenes geisteswissenschaftli ches Angebot zu unterbreiten. Um so be troffener macht es. wenn in alt bekannter Manier per Dekret, nicht nach öffentli- verstoßen. Der Sektionsdirektor wird in dem Schreiben damit beauftragt, die end gültige Auflösung der Sektion bis 31. 12. 1990 abzuschließen. Dies betrifft dann auch den wichtigen, gerade erst neu etablierten Bereich Ausländerintegra tion, der Beratungsdienste für die aus ländischen Studierenden durchführt, für den es ohne Zweifel großen Bedarf und Zuspruch gibt. Es muß nicht unbedingt „pure Vergeßlichkeit“ sein, wenn in dem Schreiben ein Sozialplan überhaupt kei ne Erwähnung findet. Wenn die Art der Entlassung so wie vorgezeichnet, tatsächlich praktiziert wird, ist dies eine politische Entschei dung, in der wir keine neuen demokrati schen Ansätze erkennen können, und es dürfte schwerfallen. Gegenargumente dafür zu finden, daß es sich hier nicht um Sorgenvolle Frage: Wird ein Präzedenzfall geschaffen? Sachverhalt differenziert dar. Im Ver ständnis des von uns übernommenen Lehrauftrages und folglich in der prakti schen, individuellen Umsetzung gab es nicht unerhebliche Unterschiede sowohl im Hinblick auf die fachliche Qualität als auch in politischer Ausrichtung. Nicht wenige Lehrkräfte verstanden diesen primär als theoretischen Anspruch, ver suchten originär marxistisches Gedan kengut zu vermitteln, über theoretische Instrumentarien Problembewußtsein zu schärfen, mit dem zumindest anvisiert war, Anregungen fürdie Bewältigung der Probleme der Wirklichkeit zu geben. Auch unter damaligen Bedingungen läßt sich kein einfaches Gleichheitszeichen zwischen weltanschaulicher Theorie und praktizierter Politik setzen. In diesem Kontext gab es kreative theoretische An sätze und so gesehen ist es keine intel lektuelle Arroganz, wenn es Lehrkräfte gibt, die ehrlichen Gewissens von sich sa gen können, daß sie sich ihrer Lehre und Forschung nicht zu schämen brauchen, wenngleich damit eingangs gegebene Grundeinschätzung nicht außer Kraft ge setzt wird. Diesen Umstand anerkennen Wissenschaftlicher der „alten“ BRD durchaus. In einem Artikel von H. We ber. veröffentlicht in „Deutschland Ar chiv“. Zeitschrift für deutsche Einheit: Nr. 7, 1990, S. 1070 heißt es: „Und natür lich hat auch die DDR-Geschichtswis senschaft nicht nur Makulatur produ ziert. es ist auch dort — trotz der Fesseln der SED - .Parteilichkeit' - ernsthaft ge forscht worden, auf manches ist also zurückzugreifen.“ Eben auch aus diesem Grund sieht der Verfasser eine Zusam menarbeit als realistisch an. Ein überprüfbarer weiterer Fakt sei hinzugefügt. Wachsende Unzufrieden heit über das ümzusetzende Programm gab es auch bei uns vor der Wende (zu nehmend seit 1985), wiederholt wurden nach Diskussipnsrunden mit Studenten, in denen sie ihre weltanschaulichen Be dürfnisse artikulierten, Vorschläge erar beitet, beim damaligen Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen eingereicht eher Diskussion und schließlich ohne Be gründung, das „Studium generale“ an der KMU für das Studienjahr 1990/91 abge setzt wurde. Diejenigen, für die dies ein Angebot sein sollte, die Studenten, hat ten keine Chance, es auf seine Trag fähigkeit hin zu prüfen, da zu dem Zeit punkt, als die Entscheidung getroffen wurde, das neue Studienjahr faktisch noch gar nicht begonnen hatte. Es bleibt zu hoffen, daß damit die mit dem „Studi um generale“ verbundene Idee einer gei- stenswissenschaftlichen, humanisti schen und demokratischen Grundsätzen verpflichteten Allgemeinbildung, die über den engen fachwissenschaftlichen Rahmen hinausgeht, nicht für alle Zeiten an dieser Universität begraben wird. Die ser Stil des administrativen Umgangs miteinander oder besser „mit uns“ setzt sich fort. So gab es intensive Bemühun gen um das Bilden neuer Strukturein richtungen. mit wirklicher inhaltlicher Um- und Neuprofilierung (u. a. Leibniz- Institut, Sozialwissenschaftliche Fakul tät, Kommunalwissenschaftliches Semi nar). konzipiert mit interdisziplinärer Be teiligung und dem Vorschlag, die Lehr stühle neu auszuschreiben, um europäi schen Erfordernissen gerecht werden zu können, die nie öffentlich diskutiert wur den und schließlich ohne Ergebnis ver liefen. Das Schreiben an den Sektionsdirek tor, verfaßt vom Rektor a. i. und Mit gliedern des Rektoratskollegiums, da tiert vom 5. 10., eingegangen am 8.10., belegt dies erneut. Dort heißt es, daß die Sektion Gesellschaftstheorien ihre Tätig keit eingestellt hat, und zwar für diejeni gen, die trotz Lehre (im fakultativen An gebot, für die sich Studenten einge schrieben haben) davon nichts wissen, seit dem I. 10., also rückwirkend. Juri stisch eine Kuriosität, wie uns auf An frage ein Vertreter der GEW bestätigte, die keinerexakten Prüfung standhält. Für 'diejenigen, die seit dem 1. 10. weiter Lehrveranstaltungen durchführen, ist keine eindeutige Interpretation gegeben, ob sie nicht damit gegen diese Weisung eine Art von Berufsverbot handelt. Das aber wäre eine einfache Umkehrung bis heriger Praktiken, durch die erneut Men schen Demütungen ausgesetzt werden und auf sie politischer Druck ausgeübt wird. Nur bei äußerst kurzsichtiger Be trachtung scheint dies der bequemste Weg zu sein, unliebsame Leute loszu werden. Jedoch es bleibt zu bezweifeln, ob das Konzept wirklich aufgeht, diese Sektion komplett zu „opfern" und viel, leicht a) zu meinen, nun sei man der Ver gangenheitsbewältigung ein beträchtli ches Stück nähergekommen; b) gar der Illusion zu unterliegen, auf administrati vem Wege sei dies generell nur möglich oder c) zu glauben, das erspare allen an deren, nicht nur den geisteswissen schaftlichen Sektionen, ihre Vergangen heitsbewältigung. Das offensichtlich be siegelte „Schicksal des FMI" zeigt an, daß in diesem Stil weiter verfahren wird. Es erhebt sich die Frage, ob die Ver einbarung zwischen Rektor a. i. und dem Gesamtpersonalrat der KMU im Falle der Sektion Gesellschaftstheorie nicht gilt? Ausdrücklich wird dort u. a. ver merkt, daß Kündigungen zu vermeiden seien bei fachl icher Kompetenz und Qua lifikation sowie weiteren dort exakt for mulierten Gründen. Schon darin ist doch enthalten, daß dies dann nicht in „Kol lektivform“ erfolgen kann, sondern ein zeln überprüft werden muß. Eine kom plette Auflösung der Sektion Gesell schaftstheorie käme facto einer pauscha lisierenden Verurteilung alle Lehrkräfte gleich und dies träfe insbesondere den akademischen Mittelbau sehr hart, der in der Vergangenheit nicht die Hauptver antwortung für die konkreten Prozesse trug. Zumindest in den letzten 100 Jah ren der Geschichte unserer Universität, die wahrlich nicht unbewegt zu nennen ist, wäre dies ein einmaliger und daher bislang beispielloser Vorgang, daß eine Einrichtung komplett beseitigt wird. Dr. ASTRID FRANZKE. Dr. ELKE JANKE, Sektion Gesellschaftstheorien Nachkriegsdeutschland 1945-1949 Hrsg, von Peter Bucher. Quellen zum politischen Denken der Deut schen im 19. und 20. Jahrhundert. Freiherr von Stein-Gedächtnisausga be. Begründet von Rudolf Buchner und fortgeführt von Winfried Baum gart. Band X. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990, 494 S. „Wir haben fast alles verloren: Staat, Wirtschaft, die gesicherten Bedingun gen unseres physischen Daseins, und schlimmer noch als das: die gültigen uns alle verbindenden Normen, die morali sche Würde, das einigende Selbstbe wußtsein als Volk. Es ist wie am Ende des dreißigjährigen Krieges..." In diesem Worte des Philosophen Karl Jaspers Widerspiegelt sich das, was der Historiker Friedrich Meinecke — aber nicht nur er — als die „deutsche Kata strophe" bezeichnete (Vgl. Friedrich Meinecke, Die deutsche Katastrophe. Betrachtungen und Erinnerungen, Wiesbaden 1946). In der Tat haben — wie es in der Ein leitung zu dieser wertvollen und für das Studium besonders geeigneten Quellen sammlung heißt — nur „wenige Ereig nisse in der neueren deutschen Ge schichte... einen solch tiefgreifenden, alle Bereiche des Lebens umfassenden Wandel verursacht, wie ihn die Kapitu lation der deutschen Wehrmacht am 7./9. Mai 1945 auslöste“. (S. I) Den noch: In der Emigration und im deut schen Widerstand entstanden eine Fülle von unterschiedlichen Ideen über das, was „nach Hitler“ sein könnte und müß te. Entsprechend dem Anliegen der Rei he. Quellen zum politischen Denken der Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert der Öffentlichkeit in höherem Maße zu gänglich zu machen, hat der Herausge ber 46 Verlautbarungen von deutschen Institutionen, Parteien und Persönlich keiten (mitunter in Auszügen), die zeit lich vom Aufruf des Berliner Zentral ausschusses der SPD vom 15. 6. 1945 bis zu den sieben Leitsätzen des Histo rikers Ulrich Noack über die Neutrali sierung Deutschlands vom 2. 4. 1949 reichen, ausgewählt und chronologisch geordnet. Der zentrale Gedanke heißt „Neuord nung". Durch Hinzufügung der Adjek tive gesellschaftlich, politisch, staatlich und wirtschaftlich und des Substantivs Voraussetzungen entstand ein Verzeich nis der Quellen nach sachthematischen Gesichtspunkten. Wie der Hrsg, selbst bekennt, hat er sich von den Ergebnis sen der jüngsten zeitgeschichtlichen Forschung leiten lassen, vor allem von den Monographien von Theodor Es chenburg (Jahre der Besatzung 1945-1949, Stuttgart 1983) und Wolf gang Benz (Von der Besatzungsherr schaft zur Bundesrepublik. Stationen ei ner Staatsgründung 1946-1949, Frank furt a. M. 1984). Gleichzeitig hat er die fünfbändige Ausgabe „Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1949“und die vierbändige Doku mentation „Der Parlamentarische Rat 1948-1949“ ausgewertet. Jeder Quelle ist ein Resümee vorangestellt. Ein ver einigtes Personen- (mit Jahresangaben) und Sachwortregister erweist sich als außerordentlich hilfreich. Die Konzeption des Gesamtwerkes, die auf die Darstellung des politischen Denkens der Deutschen ausgerichtet ist, hatte bei Strafe ihrer Sprengung zur Fol ge, daß die Deutschlandpolitik der Alli ierten nicht dokumentarisch erfaßt wer den konnte. Das mußte sich — wie auf der Hand liegt - als ein erheblicher Nachteil erweisen. (Selbst die von Michael Hereth 1969 als Taschenbuch herausgegebene Dokumentation „Zwanzig Jahre Bundesrepublik Deutschland in Dokumenten" enthält z. B. das Besatzungsstatut für West deutschland von 1949). Der Herausge ber war zwar bestrebt, durch ein um fangreiches Literatur- und Quellenver zeichnis sowie durch ausführliche Ver weise in der Einleitung diesen Nachteil zu mildern, beheben konnte er ihn frei lich dadurch nicht. Die aus vier Haupt teilen bestehende Einleitung, die mit der sachlichen Einteilung der Quellen kor respondiert, besticht insgesamt durch ihren Aufbau und Prägnanz der Aussa gen. Die Leitmotive sind sofort erkenn bar. So heißt es treffend, daß in jener er regenden Umbruchperiode die Pro gramme für den Neuaufbau Deutsch lands von dem allgemeinen „sozialisti schen Zug der Zeit" bestimmt gewesen seien. Für viele habe es festgestanden, daß sich der Kapitalismus überlebt ha be und „die Auffassung, daß die Zukunft des deutschen Volkes in einem 'Sozia lismus' läge, der nicht nur den wirt schaftlichen, sondern auch politischen, staatlichen und gesellschaftlichen Sek tor umfassen und in einer Neubestim mung des Individuums innerhalb der Gemeinschaft münden müsse, verbrei tet gewesen" sei. „Umkämpft war dage gen von Anbeginn an, mit welchen In halten jener Sozialismus anzufüllen sei" (S. 21) Zustimmung verdient auch die These, daß alle darauf gerichteten Per spektiven darin übereinstimmten, „daß sie in gewissem Maße die methodischen Grundlagen anerkannten, die Karl Marx mit dem wissenschaftlichen Sozialis mus geschaffen hatte, daß sie aber (von Ausnahmen abgesehen wie der Hrsg, im folgenden nachweist, G. K.) seine Schlußfolgerungen mit Entschiedenheit ablehnten (S 4). Relativ ausführlich wird auf die Programmatik der einzel nen Parteien eingegangen. So werden z. B. die Kölner Leitsätze der CDU, von Ende Juni 1945 als das wichtigste pro grammatische Dokument aus der Grün dungszeit der CDU charakterisiert (S. 9). Es handelt sich um jenes berühmte Dokument, in dem es im zehnten Leit satz heißt: ..Das Recht auf Eigentum wird gewährleistet. Die Eigentumsver hältnisse werden nach dem Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit und den Er fordernissen des Gemeinwohles geord net. Durch gerechten Güterausgleich und soziale Lohngestaltung soll es den Nichtbesitzenden ermöglicht werden, zu Eigentum zu kommen. Das Gemein eigentum darf soweit erweitert werden, wie das Allgemeinwohl es erfordert. Post und Eisenbahn, Kohlenbergbau und Energieerzeugung sind grundsätz lich Angelegenheiten des öffentlichen Dienstes. Das Bank- und Versiche rungswesen unterliegt der staatlichen Kontrolle". (S. 29). Im nächsten Ab schnitt wird eindeutig erklärt, daß mit den Frakfurter Dokumenten, den „west deutschen Ministerpräsidenten am 1 .Ju li 1948 - überreicht, ...'die drei westli chen Militärgouverneure schließlich die Grundsätze fest-(setzten), die den Rah men für die verfassungsrechtliche Ord nung des von ihnen propagierten .West staates' bildeten (S. 14). Im Abschnitt über die wirtschaftliche Neuordnung heißt es völlig zurecht, daß mit der Wahl Ludwig Erhard, der als Vater der sozia- len Marktwirtschaft gilt, zum Direktor des Verwaltungsamtes für Wirtschaft am 2. März 1948, der völlige „Bruch mit allen sozialistischen Wirtschaftstenden zen“ vollzogen wurde (S. 20). Der Hrsg., stets um einen hohen Grad von Objek tivität bemüht, ist jedoch einem Irrtum erlegen, wenn er meint, daß in der Wirt schaftsordnung der sowjetischen Besat zungszone für Unternehmer kein - Platz gewesen sei und „sie ausnahmslos zu Kriegs- und Naziverbrechern erklärt und enteignet“ worden wären (S. 16). Wer begonnen hat. sich die Dokumente näher anzusehen, liest sich unweigerlich fest und gerät ins Nachdenken. So schrieb z. B. der Historiker Ulrich Noack am 2. April 1949: „Wir sind ebenso gewiß, daß die Einbeziehung Westdeutschlands in die Westeu ropaunion auf keinen Fall mit den Le bensinteressen des deutschen Volkes vereinbar ist; wir warnen eindringlich davor; unser Erstgeburtsrecht der Ein heit Deutschlands für das Linsengericht einer politischen Zweidrittel-Zu gehörigkeit zur westeuropäischen Wahlstandszone und für den leeren Schein einer angeblichen „Gleichbe rechtigung“ zu verkaufen." (S. 477). Ulrich Noack verstarb 1974. Prof. Dr. sc. GÜNTER KATSCH Wertvolle, für Studium geeignete Quellensammlung
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