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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1991
- Erscheinungsdatum
- 1991
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-199100000
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- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19910000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- SLUB Dresden
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Zeitschrift
Universitätszeitung
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Band
Band 1991
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UZ/24 17. Juni 1991 WISSENSCHAFT/DISPUT 3 Z u mehr Mut hat der wissen schaftspolitische Sprecher der CDÜ-Landtagsfraktion, Dr. Matthias Rößler MdL, die erneue- rungswilligen Kräfte an den Sächsi schen Hochschulen aufgerufen: Die anlaufende Stasi-Überprüfung und die jetzt beabsichtigten Grundzüge des Hochschulerneuerungsgesetzes seien ein Signal der Hoffnung. Rößler warn te gleichzeitig vor Einschüchterungs versuchen, Tatsachenverdrehungen, und nicht-sachdienlicher Polemik be züglich des nun angestrebten Verfah rens. Rößler wörtlich: „Es gibt am Ende einen großen Gewinner: Das sind die Studenten der Sächsischen Hochschu len, die die Chance bekommen, von ei ner erstklassigen Hochschullehrer schaft ausgebildet zu werden. Die Ge winner sind aber auch alle bislang Be nachteiligten und die erneuerungswil ligen Kräfte an den Hochschulen und Universitäten: Sie haben im Wettbe werb die Gelegenheit der vollen Reha bilitierung. Wir werden viele hochqua lifizierte Wissenschaftler aus dem außeruniversitären Bereich wieder in die Hochschulen integrieren können und machen unsere Hochschulen auch attraktiv für Wissenschaftler aus dem Ausland und den alten Bundesländern. Verlierer sind diejenigen, die gehofft haben, daß die Wende des Jahres 1989 den Campus nicht erreicht. Den „Muff von 40 Jahren“, der sich unter man chem Talar verbirgt, werden wir gründ lich aufwirbeln. Mit der generellen Neuausschrei bung wird ein unmißverständliches Signal gesetzt: Die CDU ist fest ent schlossen, die Revolution des Jahres Grundzüge dsr Hochschulerneuerung in Sachson: „Kein Kahlschlag, aber Signal der Hoffnung“ Verkürztes Berufungsverfahren sichert Kontinuität und Qualität 1989, die das morsche Kommandosy stem der SED zum Einsturz gebracht hat, mit rechtsstaatlichen Mitteln in den Bildungseinrichtungen unseres Landes fortzusetzen! Alle Lehrstühle werden auf der Ba sis eines von der Hochschulstruktur kommission entwickelten Stellenplans neu ausgeschrieben. Die Ausarbeitung des Stellenplanes wird möglichst beschleunigt. Das Bewerbungsverfahren ist offen für alle. Ein Hausberüfungsverbot gibt es dabei nicht. Eine Reihe von Ecklehrstühlen, die im künftigen Stellenplan auf jeden Fall enthalten sein werden und die schon jetzt besetzt sind mit integren und kom petenten Wissenschaftspersönlichkei ten werden nach Überprüfung durch die Personal- und Fachkommissionen vom Staatsminister in einer Art ver kürztem Berufungsverfahren bestätigt. Dadurch wird die Erneuerung be schleunigt und kommt sofort in Gang. Gleichzeitig werden unverzichtbare Wissenschaftler auf jeden Fall in Sach sen gehalten. Es gibt eine klare rechtliche Unter scheidung zwischen Hochschullehrern alten Rechts - nach DDR-Hochschul lehrerberufungsordnungen berufen - (Gruppe 2) und Hochschullehrern neu en Rechts, die bereits in HRG-konfor- men Verfahren berufen (Gruppe 1) oder vom Staatsminister kommissarisch und ohne Anspruch auf einen Lehrstuhl in die Statusgruppe 1 versetzt wurden. Es war der ausdrückliche Wille des Ministerpräsidenten, einen Qualifika tionsunterschied zwischen Hochschul lehrern, die auf der Grundlage von DDR-Rechtberufen wurden, und „neu en“ Professoren festzustellen und auch sichtbar zu machen. Die Hochschullehrer der Gruppe 1 bilden den Nucleus für die weitere Er neuerung: Nur sie dürfen Mitglieder von Berufungsgremien sein. Sie bilden eine eigene, exklusive Statusgruppe, die sich im Zuge der Erneuerung nach und nach anfüllt. Die übrigen Hochschullehrer bilden die Übergangsgruppe 2 der Hoch schullehrer alten Rechts, die es während der Gültigkeit des HEG geben wird, in die aber auch Angehörige des akademischen Mittelbaus aufgenom men werden, die die Bewerbungsvor aussetzungen für Professuren erfüllen. Alle aus der Gruppe 2 können sich um Lehrstühle bewerben, daneben aber auch Wissenschaftler aus der Akade mie der Wissenschaften, ausländische Professoren und Wissenschaftler aus den alten Ländern. Das bringt uns ein Aufweichen der alten und sich festi genden Herrschaftsstrukturen an den Hochschulen und verschafft den er neuerungswilligen Kräften eine glän zende Ausgangsposition. Von Kahl schlag oder genereller Entlassung kann keine Rede sein, die verkürzten Beru fungsverfahren halten jene Wissen schaftler im Land, die Sachsen unbe dingt braucht. Eine endgültige Klärung der künftigen Strukturen wird in jedem Fall früher erzielt, als mit dem Offen- halten der Entscheidung über eine künftige Verwendung bis zu einem ei genen Struktur- und Überleitungsge setz. Die Personal- und Fachkommissio nen arbeiten wie im Entwurf vorgese hen: Das Votum der Kommission ist nunmehr eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Erhalt einer ordentlichen Professur. An einer raschen Arbeit der Kommissio nen haben insbesondere die Betroffe nen, die zu Überprüfenden, nunmehr hohes Interesse. Darüber hinaus prüfen die Kommissionen das gesamte wis senschaftliche Personal. Die bisher vorgesehene zeitliche Be grenzung der Arbeit der Kommissio nen entfällt, sie arbeiten bis zum Ende des Erneuerungsverfahrens.“ Dresden, 28. 5. 1991 V om 18. bis 23. September 1911 tagte in Paris der 4. Internatio nale Kongreß für Vererbungs- und Züchtungsforschung. Teilnehmer erschienen aus den verschiedensten Ländern Europas und aus den USA. Kein Gelehrter wird aus dem damaligen Rußland gemeldet, obwohl es sich da mals in etlichen Wissenschaftsdiszipli nen eine geachtete Stellung erwarb. In folge des Ersten Weltkrieges vergingen 16 Jahre, bevor im September 1927 der nächste, der 5. Internationale Kongreß für Vererbungsforschung eröffnet wur de, diesmal in Berlin. Die stärkste aus ländische Delegation kam aus der So wjetunion. Es reisten aus diesem noch umstrittenen Lande 66 Teilnehmer an, einige ihre Ehemänner begleitenden - Frauen eingeschlossen. Fünfzehn der 4 Gäste aus der. Sowjetunion hieltenLYor- Erwin Baur (1875-1933) innehatte, Hans Nachtsheim, sein Mitarbeiter, schrieb nach einer Reise in die USA: „Die Rückständigkeit Deutschlands auf diesem Gebiet ist geradezu bedrohlich.“ Der führende deutsche Züchtungsfor scher Erwin Baur schrieb 1926: „Man mag sich zu dem heutigen Regime Ruß lands stellen wie man will, jeder, der die Verhältnisse kennt, wird zugeben müs sen, daß heute in Rußland auf dem Ge biete der Pflanzenzüchtung außeror dentlich intensiv gearbeitet wird.“ Und im Jahre 1932 beklagte Baur, daß dem von ihm geleiteten Institut nur 1/25 der Summe des vergleichbaren sowjeti schen Instituts zur Verfügung steht. Oh ne die Berechnung kontrollieren zu wol len, ist doch verständlich, daß nach dem 6, Kongreß für Genetik 1932 in Ithaca in den. USA.der 7. Kongreß, geplant für Sinnlose Selbstzerstörung Zur Vererbungsforschung in der UdSSR träge. Weicher Unterschied! Was war geschehen? Energische, begabte Forscher hatten in der Zeit zwischen den beiden Kon gressen in der Sowjetunion und na mentlich in Rußland die Vererbungs forschung auf einen hohen und in aller Welt geachteten Stand gebracht. Sie wetteiferten schon mit den USA um die Spitzenstellung. Als Organisator wie als origineller Forscher nahm Nikolai Iwa nowitsch Wawilow, geboren 1887 in Moskau als Sohn eines Kaufmanns, ei ne führende Stellung ein. Unter seiner Leitung wurde ein weites Netz von Ver suchsstationen über die ganze Sowjet union hinweg eingerichtet. Wawilow bereiste weite Teile der Erde, um Exemplare von möglichst allen Kultur pflanzensorten zusammenzutragen. Er fand, daß es bestimmte Gebiete auf der Erde gibt, die „Genzentren“, in denen besonders viele alte Kuliurpflanzensor ten zu erwarten sind. Mag Wawilows „Genzentrenlehre“ auch Abstriche er fahren haben, so gehörte sie doch zu den anregendsten Hypothesen für Genetik und Züchtung. Neben Wawilow wirkten andere welt bekannte Vererbungsforscher, deren Arbeiten von jedem bedeutenden Gene tiker zitiert wurden. Georgij Gawrilo- witsch Nawaschin (1857-1930) war ei ner der führenden Zell- und Chromoso menforscher. Georgij Dmitrewitsch Karpetschenko (1899-1942), auch Op fer der Stalinherrschaft, stellte aus Ret tich und Kohl einen Bastard her, der we gen seiner Bedeutung für die Frage nach der Entstehung neuer Pflanzenarten viel beachtet wurde. Alexander Sergeje witsch Serebrowski (1892-1948) er forschte die Vererbung beim Geflügel und war einer der Begründer der „Gen geographie“. Sergej Sergejewitsch Tschetwerikow (1880-1959) verband erfolgreich Genetik und Evolutionsbio logie. Weitere Namen könnten folgen. Die Vererbungsforscher in Deutschland 1 itten in der Weimarer Republik sehr un ter Geldmangel und schauten deshalb manchmal neidvoll in die Sowjet union... In Deutschland gab es damals lediglich eine Professur nur für Verer bungsforschung, die an der Landwirt schaftlichen Hochschule in Berlin, die August 1937, in Moskau und Leningrad stattfinden sollte. Der 1933 in die So wjetunion emigrierte Jenaer Biologe Ju lius Schaxel (1887-1943) beabsichtig te, diesen Kongreß auch zu einer Tribü ne der Abrechnung mit der nationalso zialistischen Rassenlehre zu machen. Schließlich war durch die willkürliche Verknüpfung von Rassenlehre und Ver erbungsforschung auch die letztere, die exakte Wissenschaft, in Verruf gekom men. Aber der 7. Kongreß für Vererbungs forschung fand erst 1939 statt, in Edin burgh, überschattet vom Beginn des Zweiten Weltkrieges. In der Sowjet union war der Kongreß unmöglich ge worden! Lyssenko und seine Anhänger, gestützt von Stalin, hatten den Kampf gegen die Vererbungsforschung aufge nommen und bald erlitten zahlreiche Vererbungsforscher Repressalien. Der führende sowjetische Genetiker und Züchtungsforscher Wawilow wurde am 6. August 1940 während einer Sammel expedition in den Karpaten von Ge heimdienstleuten verhaftet. Die Todes strafe wurde zwar in 10 Jahre Gefäng nis umgewandelt, aber der 55jährige, weltbekannte Forscher starb am 26. Ja nuar 1943 im Gefängnis in Saratow. Ge wiß wurden nach Stalins Tod die Verer bungsforscher nach und nach rehabili tiert. Aber der Rückstand ließ sich nicht aufholen. Die „Welt“ „blühte“ nicht, wie sie „sollte“, um den Titel eines durchaus wirkungsvollen Filmes über Mitschurin zu zitieren. Die Bevölke rung der DDR wurde nur wenig und bruchstückweise über diese Gescheh nisse um die sowjetischen Vererbungs forscherinformiert. Statt dessen wurden oft ephemere Namen auf einen Podest gehoben und waren der wahren Freund schaft und wechselseitigen Anerken nung zwischen Deutschen und Russen eher abträglich. Was in der sowjetischen Vererbungsforschung also hoffnungs voll begonnen hatte, als die „richtigen Leute“ die Führung in der Forschung besaßen, wurde von Ignoranten und Möchtegerngrößen zerstört. Aber war das nicht die „Tragödie“ des Sozialis mus auch auf anderen Gebieten und an derswo? Dr. rer. nat. GOTTFRIED ZIRNSTEIN Sozialwissenschaften als Stiefkind ostdeutscher Hochschulpolitik? Das sozialwissenschaftliche Studium an den ostdeutschen Hochschulen ist augenblicklich geprägt durch eine der wenigen - das meine ich jetzt ganz wert frei - originellen Erfindungen des deut schen sog. Einigungsprozesses. Ledig lich die Bezeichnung dieser durch zahl reiche juristische Winkelzüge ausge zeichneten Erfindung ist nicht ganz ori ginell. In schöner deutscher Juristentra dition erhielt der Vorgang den Namen „Abwicklung“ — vgl. „Verordnung über Durchführung der Verordnung der Aus schaltung der Juden aus dem Wirt schaftsleben“ vom 23. 11. 1938. Die Voraussetzungen inhaltlicher, struktureller und personeller Art für die Neugründung der Fachbereiche sind zu einem nennenswerten Teil nicht son derlich günstig. Die Rahmenbedingun gen ebenfalls nicht. Die „Aufwicklung“ findet in einem Umfeld statt, das - vor sichtig gesagt - nicht nur Gutes hoffen läßt. Das einzige, was ostdeutsche Sozial wissenschaftler für die Integration in das nunmehr gegebene politische Um feld qualifiziert, ist etwas, was ich grundsätzlich kritikwürdig finde. M. E. wird die wichtigste Erfahrung, die aus einem Engagement für eine zivile Ge sellschaft in der DDR hätte gezogen werden können, verdrängt. Die Erfah rung, daß radikale Kritik und grundsätz liche Infragestellung Voraussetzung ist für das Erreichen irgendwelcher - mög licherweise dann auch reformerischer — Veränderungen. Statt dessen findet sich bei den ostdeutschen Sozialwissen schaftlern schon wieder der Kompro miß bereits in der Konzeption. Die ironisch gemeinte Frage, die sich daraus ergibt, lautet: Wird denn diese In tegrationsfähigkeit ausreichen, um Ak zeptanz bei den politischen Entschei dungsträgern zu erlangen? Um Sachsen als Beispiel zu nehmen: Minister Meyer wird es womöglich reichen. Denn ihm genügen offensichtlich loya le Hochschullehrer. Also solche, die eine Grundidentifikation mit dem Sy stem vorweisen können und in ihrer Kri tik nicht allzu belastend werden. Dem sächsischen CDU-Fraktionssprecher für Wissenschaft, Rößler, reicht schlich te Loyalität offenbar nicht. Er möchte an den Hochschulen und also in der Aus bildung künftiger Kompetenzträger ak tive Vorkämpfer einer konservativen Politik in Amt und Würden wissen. An dernfalls würde er nun wohl kaum auch noch die von der realsozialistischen Loyalität in die FDGO-Loyalität ge rutschten Naturwissenschaftler abberu fen wollen. Die Frage nun ist, wie die Studenten diese Vorgänge reflektieren, und wie sie in diesen ungeklärten Verhältnissen zu recht kommen. Den Studierenden wird das Ungeordnete des Studienablaufs und die Unsicherheit bezüglich seiner baldigen Normalisierung langsam zu viel. Ein Großteil sieht sich im Westen nach Studienmöglichkeiten um. Die Mobilsten - i. d. R. auch die Leistungs fähigsten - werden wohl auch gehen. Wenn die Leute hier augenblicklich noch etwas hält, dann ist es - banal ge nug - der Wohnheimplatz. Sobald in nerlich akzeptiert ist, daß die Investition von ein bis zwei Semestern zur Suche nach einer Wohnung durchaus normal ist in westdeutschen Hochschulstädten - sobald das innerlich akzeptiert ist, werden die Studenten dorthin gehen, wo ein Examen auch Arbeitsmarktchancen eröffnet. sehe Wissenschaft zeichne sich doch durch Wertfreiheit aus. Auch bessere der ostdeutschen Wis senschaftler werden derweil hinauseva luiert oder nehmen entnervt andere be rufliche Angebote an. Gleichzeitig ste hen Dutzende Westdeutsche auf dem Sprung in den Osten. Nur leider nicht die prophezeite Leistungsspitze. Derart kann es dahin kommen, daß die ost deutschen Sozialwissenschaften letzt lich das Eldorado der zweitklassigen Ostwissenschaftler sowie der zweit- und drittklassigen Westwissenschaftler Inhaltlich dominieren augenblicklich die parteinahen Stiftungen mit den von ihnen bezahlten Gastprofessuren das Geschehen. Allein die Konrad-Ade nauer-Stiftung hat in diesem Semester 52 Profs vor allem für die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften hin- und herfliegen. Es kommt vor, daß Studen ten aus den Erfahrungen mit den Ade nauer-Flug-Professoren weltanschau liche und politische Pluralität bei den demnächst anstehenden Lehrstuhlneu- besetzungen einfordern. Dann werden sie darüber belehrt, daß dies kein The ma sei. Denn die etablierte bundesdeut werden allein deshalb, weil ja irgendje mand die Lehre absichern muß. Der bar jeder Rationalität erwartete wirtschaftliche Aufschwung in Ost deutschland führt zur Orientierung an vermeintlich auf marktwirtschaftliche Erfordernisse ausgerichtete hochschul politische Ansätze. An den westdeut schen Hochschulen findet eine schlei chende Umverteilung zugunsten der Verwertungswissenschaften und zu un- gunsten der Sozial- und Geisteswissen schaften statt. In Ostdeutschland kann nun durch die Neugründungsprozesse diese Entwicklung viel gründlicher und auf einen Schlag durchgesetzt werden. Hinzu kommen die haushaltspoliti schen Zwänge. Nun haben sich die west deutschen Bundesländer auch noch ei ner angemessenen Beteiligung am Hochschulsonderprogramm Ost ver weigert. Zu wessen Lasten die Einschränkung des Finanzvolumens dieses Programms gehen wird, kann wohl relativ leicht er raten werden. Als Ausweg aus der prekären Haushaltslage wünscht sich der Wissenschaftsminister Meyer mitt lerweile Privat- und Stiftungsuniver sitäten. Womit wir dann ein weiteres Element konservativer Hochschulpoli tik importiert hätten. Ganzheitliche Bildungsvermittlung ist nach wie vor ein uneingelöster An spruch der sich in der Humboldtschen Tradition verstehenden Universität. Die Chance der Umstrukturierung der ost deutschen Hochschulen wird jedoch flächendeckend lediglich zu einer kon servativen Modernisierung genutzt. Disziplinär ausgerichtete Strukturen werden verfestigt, indem man zum Stand vorder 3. DDR-Hochschulreform zurückkehrt. Vordergründige Berufs- feldorientiertheit der universitären Ausbildung und die Favorisierung der Fachhochschulen gegenüber den Unis stehen sozialwissenschaftlicher Quali fizierung entgegen und werden mit den vermeintlichen Anforderungen der Wirtschaft begründet. Die ostdeutsche Transformationssi tuation mit ihrem Laborcharakter böte eigentlich die besten Voraussetzungen für sozialwissenschaftliche Forschung und entsprechende attraktive Studien angebote. Wenn wir uns jedoch die all gemeine Entwicklung ansehen, müssen wir beobachten, was E. Altvater in be zug auf die ostdeutsche Wirtschaft „dauerhafte Hospitalisierung“ genannt hat. Er illustrierte es so: „Der Verzicht auf ökonomische Entwicklung in der Ex-DDR wird zur politischen Perspek tive. Die Treuhand würde bei dieser Strategie bald überflüssig: kaum Indu strie, ein wenig Nostalgie-Tourismus, viele Golfplätze, einige vorzeigbare Ökobauern, nachdem der große Rest der Landwirtschaft plattgemacht worden ist, nette Dörfer und Güter, diese viel leicht mit echten Junkern... Eine At traktion am Ende des 20. Jahrhunderts.“ Ein solcher zweitklassiger Landstrich mit zweitklassiger Wirtschaft braucht dann auch nur funktionierende graue Mäuse zu seiner Verwaltung. Diese können allemal auch von zweitklassi gen Hochschulen ausgebildet werden. Daß ausgerechnet das sozialwissen schaftliche Studium da eine Ausnahme bilden sollte, scheint mir zweifelhaft. Auch habe ich wenig Hoffnung, daß mit dieser Prophezeihung des Unheils die ses Unheil verhindert werden kann. PEER PASTERNACK
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