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Hochschulspiegel
- Bandzählung
- 1966
- Erscheinungsdatum
- 1966
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- Deutsch
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- A 812
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- Universitätsbibliothek Chemnitz
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Hochschulspiegel
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Band 1966
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Der Trick mit dem scheinigt dann den darin zusammen gefaßten Menschen Verhältnisse . des Elends, des Mangels oder der Not, bei der in Ermangelung genügenden Einkommens und ausreichender Ar- menunterstützung nicht einmal mehr die unentbehrlichen Existenzbedürf nisse hinreichend befriedigt werden können.“ 1 Lebensstandard Aus den in diesen Darlegungen enthaltenen Verdrehungen und sozial völlig unhaltbaren Einordnungen soll zweierlei hervorgehoben werden. Er stens wird von Meinhold praktisch eine Definition des Wohlstandes ge geben. Damit macht er deutlich, wel chen Inhalt die so viel gepriesene .„Wohlstandsgesellschaft" hat, die als Alternative zur sozialistischen Ge sellschaft jeder bürgerliche Ideologe sofort zur Hand hat. Von der sozialen Demagogie der „Wohlstandsgesellschaft" zur „formierten Gesellschaft" des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Westdeutschland Der Bonner Koalitionskrach lenkte die Aufmerksamkeit der Weltöffent lichkeit einmal mehr auf West deutschland. Es wurde schnell offen bar, daß es sich bei diesen Ereignis sen nicht um ein Gezänk in und um Parteien und Koalitionen schlecht hin, sondern um eine politische und ökonomische Krise des ganzen Sy stems handelt. Sehl- schnell zeichnete sich in dem Streit um die Stabilität des Bundes haushalts eine Tendenz ab, die als typische Erscheinungsform der in Westdeutschland bestehenden ant agonistischen Klassenverhältnisse be zeichnet werden kann: beide Par teien streben mit unterschiedlichen Mitteln das gleiche Ziel, die inten sivere Ausplünderung der Werktäti gen im Interesse des Staates und der Monopole, an. Die CDU/CSU fordert Steuererhöhungen — die FDP Kür zung der Sozialzuschüsse aus dem Bundeshaushalt; beide „begründen“ ihre volksfeindlichen und einzig der verstärkten Rüstung dienlichen Ziele mit der demagogischen Behauptung, der Lebensstandard der westdeut schen Bevölkerung habe ein Niveau erreicht, das den ökonomischen Po tenzen des Landes vorauseile. Im Entwurf des sogenannten „Stabilisie rungsgesetzes“ bildet diese Behaup tung sogar die Grundlage der nun mehr gesetzlichen Sanktionierung der bekannten Maßhalteappelle Er hards, des „Kanzlers auf Abruf“. Der Begriff Lebensstandard schickt sich dabei immer mehr an, zum An gelpunkt eines propagandistischen Tricks zu werden. Auf der einen Seite soll mit ihm der sozialökono mische Inhalt der „formierten Ge- seiiscnatt" konstruiert und das Mais- halten begründet werden — anderer seits, als eine der vielen Formen des Antikommunismus, ist er Gegenstand der formalen Gegenüberstellung der sozialen Lage der Bevölkerung bei der deutschen Staaten. Dabei hat sich die Praxis eingebürgert, nicht mehr mühevoll „nachzuweisen“, sondern gewissermaßen als Axiom zu behan deln, daß eben der westdeutsche Le bensstandard dem der DDR haushoch überlegen sei. Durch die Abteilung Politische Ökonomie wurde aus diesem Grund in den Lehrplan ein Kolloquium zum Thema „Wie hoch ist der westdeut ¬ sche Lebensstandard wirklich?“ auf genommen. Der vorliegende Artikel soll für dieses Kolloquium die Dis kussionsgrundlage sein und erhebt deshalb keinen Anspruch auf Voll ständigkeit. Des weiteren soll hier nur darauf verwiesen werden, daß in der marxistischen Literatur über den Umfang der den Lebensstandard be stimmenden Faktoren und zu seiner Abgrenzung zu dem umfassenderen Begriff der Lage der Arbeiterklasse diskutiert wird. Der Trick... In Theorie und Praxis ist Fakt, daß der Prozeß der kapitalistischen Ak kumulation ständig die Klassenge gensätze und den Grundwiderspruch der kapitalistischen Gesellschaft in Westdeutschland verschärft. Nach wie vor gilt die Marxsche Erkenntnis, daß mit der Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol zugleich eine Akkumulation von Armut und Elend auf dem anderen erfolgt. 1 Die Verelendung der Arbeiterklasse in diesem Sinne ist also eine objektive Tendenz, deren konkrete Erschei nungsformen vielfältiger Natur sind und als Resultante unterschiedlicher Faktoren wirken. Die Gegner des Marxismus unter nehmen den permanenten Versuch, diese Tatsachen unter den heutigen Bedingungen ad absurdum zu führen, indem sie den Begriff Verelendung verabsolutieren und ihm Wesens merkmale unterstellen, die Marx nie behauptet hatte. Das Elend der Arbeiterklasse be steht im Kapitalismus insbesondere darin, daß sie als Nichtbesitzer von Produktionsmitteln ihre Arbeitskraft, gemessen am wachsenden und von ihr geschaffenen Reichtum, unter ständig ungünstigeren Bedingungen verkaufen muß — daß sie politisch rechtlich eihen Platz in der Gesell schaft einnimmt, auf dem sie einer zunehmenden Entrechtung ausgesetzt ist — daß sie schließlich das gegen wärtige und künftige Niveau der Bedürfnisbefriedigung nur im härte sten Klassenkampf halten und errei chen kann. Einer der die Lage der Arbeiter klasse ausdrückenden Faktoren ist ihr jeweiliger Lebensstandard. Die ser besitzt im Kapitalismus eine sin kende Tendenz — kann also in Ab hängigkeit von den Schwankungen der kapitalistischen Produktion und der Wirksamkeit des Kampfes der Arbeiterklasse zeitweilig steigen oder sinken. Bezogen auf Westdeutschland be deutet eben zum Beispiel die Ten denz der absoluten Verelendung kei neswegs, daß es der westdeutschen Arbeiterklasse materiell von Tag zu Tag schlechter gehe. Betrachtet man aber den Stand und die Dynamik ih res Lebensstandards im Gegensatz zu den durch die ununterbrochene Ent wicklung der Produktivkräfte gege benen Möglichkeiten und Erforder nisse, so ergibt sich, hervorgerufen durch die bestehenden Eigentums- und ■ Verteilungsverhältnisse,, ein Niveau, das weit vom gepriesenen „Wohlstand“ der Gesamtheit der-Be völkerung entfernt ist. Die Objektivität und innere Logik der marxistisch-leninistischen Darstel lung der Kategorie Lebensstandard und die damit verbundenen sozial ökonomischen Konsequenzen zwingen daher die westlichen Ideologen zu einer Vielzahl demogogischer Ent stellungen, Verzerrungen und Pseu dodefinitionen. ...mitdem Reallohn.. In allen bürgerlichen Definitionen des Begriffs Lebensstandard drückt sich die Tendenz aus, ihn lediglich auf den Umfang und die Bewegung des Reallohnes zu reduzieren. Weit verbreitet ist die Praxis, zur Illustration des angeblich gestiegenen Lebensstandards einen Arbeiterhaus halt vergangener Zeiten mit einem der Gegenwart zu vergleichen und die Konsumtionsgewohnheiten for- iidt gegeiiüverzusielreh. Drese "0e- thode entspricht dem bekannten Re zept der imperialistischen Propagan da, Halbwahrheiten und Lüge zu ei nem demagogischen System zu ver einen, dessen angebliche „Alltags logik“ leider noch viele offene Ohren und getrübte Augen findet. Der westdeutsche Prof. Dr. H. Rit tershausen definiert den Begriff Le bensstandard in dem von ihm 1965 berausgegebenen Wirtschaftslexikon wie folgt: „Von den Preisen hängt es ab, ob der Lebensstandard der Arbeiter und Angestellten hoch oder niedrig ist. Denn bei hohen Preisen kann man sich nur wenig für sein Geld kaufen, man hat also einen — schlechten Lebensstandard —. Bei niedrigen Preisen dagegen können sich die Familien viel kaufen, der Wert des Geldes ist hoch und der Lebensstandard ebenfalls.“ 2 Da die anhaltenden Preissteigerun gen nicht geleugnet werden können, w’erden derartige Definitionen durch die Feststellung ergänzt, daß die Nor mallöhne im Durchschnitt schneller wachsen als die Preise steigen. Gleich zeitig ist man natürlich bemüht zu verschweigen, daß die Arbeiterklasse die höheren Löhne nicht geschenkt bekommt, sondern in Anbetracht der steigenden Preise erst erkämpfen muß. Selbst die offizielle Statistik weist zudem aus, daß die Entwicklung des Realeinkommens eine rückläufige Tendenz besitzt. ...und mit dem „Wohlstand"... Allgemeine Anerkennung des Real lohnes als alleiniges Kriterium eines hohen oder niedrigen Lebensstan dards vorausgesetzt, wird in der bür gerlichen Literatur versucht, diese Kategorie als Zeuge der überwunde nen Klassengegensätze zu berufen. Von hier aus führt dann ein gerader Weg über die „Wohlstandsgesell schaft“ zur „formierten Gesellschaft“ Erhards. Als alleiniges Kriterium der durch den Lebensstandard zu unterscheidenden Klassen — die Ein kommensverhältnisse dabei zugrunde gelegt — wird in einem neueren west deutschen Lehrbuch 3 ein Gesell schaftsbild konstruiert, das wegen seiner Primitivität einerseits — we gen seiner Gefährlichkeit, anderer- seits hier erwähnt werden soll. Man unterscheidet dort zwischen „wirt schaftlich günstigen und wirtschaft lich ungünstigen Klassen“. Die „wirtschaftlich günstige Klasse“ wird u. a. folgendermaßen skizziert: „Auf der Stufe des Wohlstandes haben der einzelne und die Familie, wenn auch nur durch Arbeitseinkom men, ihr Auskommen im Umfange eines Bedürfnisstandes, welcher außer der Befriedigung der Existenzbe dürfnisse auch noch die Teilnahme an den allgemeineren Kulturgütern des Zeitalters gestattet . . .“ Die Charakterisierung der „wirt schaftlich ungünstigen Klasse“ be- Rezept: Man reduziere eine objektiv so um fassende Kategorie wie Lebensstan dard ausschließlich auf den Grad der Befriedigung des Existenzminimums und überschreibe ein durch mannig fache Umstände entstandenes relativ hohes Konsumtionsniveau mit dem wohlklingenden Wort Wohlstand. So mit ergibt sich eine klassenlose Ge sellschaft, in der lediglich einige we nige über dem allgemeinen Konsum tionsniveau liegen und die darunter Befindlichen arbeitsfaul und asozial sind. Der Wesensinhalt der im „Wohl stand“ befindlichen „Klasse“ ist zu dem absichtlich so abgefaßt, daß sich möglichst die Mehrheit der Staats bürger mit ihm identifiziert. In der gleichen Richtung verläuft das ausschließende „Elend“. Ebenfalls nur auf das Existenzminimum redu ziert, ist seine Existenz in West deutschland natürlich nicht die ty pische Erscheinung. Schließt man jedoch die Gesamt heit der Arbeits- und Lebensbedin gungen in den Begriffsinhalt ein und spiegelt damit die gesellschaftliche Stellung der Arbeiterklasse unter den staatsmonopolistischen Herrschaftsbe dingungen — also ihre Klassenlage — wider, so ist der Sachverhalt für die Tendenz des Verelendungsprozesses in Westdeutschland durchaus ge geben. ...klappt auch bei der „irdischen Pilgerfahrt" Auf eine scheinbare Inkonsequenz dieser Ideologie der Einengung des Begriffs Lebensstandard, die aber gleichzeitig nichts als eine Konse quenz staatsmonopolistische!’ Dem agogie ist, soll nur kurz hingewiesen werden. Am 29. Oktober 1960 sprach der damalige Bundesminister für Fa- nünen- un Jugencragen, ‘W uerme- ling, in Marburg vor 250 Delegierten der sogenannten Christlichen Jugend dörfer zum Thema „Lebensstandard — Lebensziel“ und sagte u. a.: „Ich glaube daran, daß unser Da sein nur irdische Pilgerfahrt (!) ist, zur Vorbereitung und Vorstufe für das eigentliche Leben, das nicht hier, sondern im Jenseits, bei Gott, liegt. Und darum kann ich das Ziel des Lebens immer nur überweltlich er kennen und bejahen. In diesem Sinne deute ich den Auftrag Gottes — Macht euch die Erde untertan —. Dieses Lebensziel zu erfüllen ist aber vom Lebensstandard völlig un ¬ abhängig. Der Arme wie der Reiche kann zu Gott kommen und in das Himmelreich eingehen.“ 3 Der Vollständigkeit halber sei ver merkt, daß zu diesem Zeitpunkt, also Ende 1960. das Konsumtionsniveau Westdeutschlands ungleich niedriger war als gegenwärtig und die Wirt schaft einer der modernen Teilkrisen zustrebte, wobei die industrielle Zu wachsrate von 11,3 Prozent 1960 auf 3,4 Prozent 1963 zurückging. Die bis 1965 anhaltende Hochkonjunktur setzte bekanntlich erst 1963 ein. Was aber sind die objektiven Fak toren? Der Lebensstandard ist eine in mehreren Wissensbereichen ange wandte Kategorie. Er kann nicht glo bal zur Charakterisierung der Le benslage der Bevölkerung z. B. eines Landes oder einer Nation allgemein dienen - also klassenindifferent sein. Erst mit dem Aufbau der sozialisti schen Gesellschaft setzt die Über windung der Differenziertheit des Lebensstandards nach der Klassen zugehörigkeit ein. Durch sein ständi ges Steigen erfolgt ein gewisser Aus gleich seines Niveaus bei den be freundeten Klassen und Schichten. Allerdings sollte man sich auch hier vor simplen und vereinfachten Dar legungen hüten. In der antagonistischen Klassenge- sellschaft ist der Lebensstandard ein Ausdrück der durch die Klassenzu gehörigkeit differenzierten Arbeits und Lebensbedingungen der Men schen. Das ökonomische Grundgesetz des Kapitalismus — das Mehrwert gesetz — besagt, daß das Hauptziel der kapitalistischen Reproduktion der Profit und das ausschließliche Mittel hierzu die Ausbeutung der Werktäti gen, besonders der Arbeiterklasse ist. Das Streben der Arbeiterklasse in Form der verschmolzenen Macht der Monopole und des Staates gilt dem zufolge nicht schlechthin der ständi gen Vergrößerung des Profits. Viel mehr richtet sich ihr Hauptstoß ge gen jegliche demokratische Regung des werktätigen Volkes zur Erleich terung und Verbesserung seiner Le benslage. Die Gesamtheit der staats monopolistischen Maßnahmen zur uneingeschränkten Machtausübung haben ökonomische, politische und soziale Auswirkungen für die arbei tenden Klassen zur Folge, die den Charakter deren Arbeits- und Le bensbedingungen bestimmen. Die Grundfrage der Einschätzung des Lebensstandards ist, auf welchen, dem Entwicklungsniveau der Pro duktivkräfte entsprechenden Stand der materiellen Produktion sich das jeweilige Land befindet. Das Produk tionsniveau setzt also gewisse objek tive Maßstäbe zur Charakterisierung des materiellen Lebensstandards. Genau so liegt die Frage in hoch entwickelten Industriestaaten — also auc n Westdeutstar ITm die materielle Lage der Werktätigen zu beurteilen sind subjektive Früher- Heute-Vergleiche ebenso unbrauch- bar wie z. B. einfache Gegenüberstel lungen zu anderen Ländern. In kei ner westdeutschen Quelle'findet sich dagegen eine Begründung für die nachweisbare disproportionale Asyn- chronitat zwischen der Dynamik des Produktionsniveaus und des mate riellen Lebensstandards der Arbei terklasse. Im Gegenteil! Die durch die kapitalistischen Produktionsverhält nisse verursachte zyklische Entwick lung und die ihr entsprechenden Wirtschaftszahlen werden benutzt, (Fortsetzung auf Seite 4) Die „Mauer brecher“ von Chemnitz Ein Beitrag zu Problemen der II. Hauptperiode der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Von Gen. H. Stöbe, Institut für Marxismus-Leninismus Die II. Hauptperiode umfaßt die Ge schichte der deutschen Arbeiterbewe gung von der Gründung der Sozial demokratischen Arbeiterpartei 1869 und von der Pariser Kommune 1871 bis zur Herausbildung des Imperia lismus zu Ausgang des Jahrhunderts. Viele Fäden verbinden diese Jahre deutscher Vergangenheit mit der Gegenwart. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die Anfänge des deutschen Imperia lismus, der nach dem II. Weltkrieg in Westdeutschland seine Macht mit Hilfe der westlichen Besatzungs mächte wieder restaurieren konnte. Wer denkt nicht angesichts der arbei terfeindlichen und antinationalen Po litik rechtssozialdemokratischer SPD- Führer an die opportunistischen An sichten des lassalleanischen Allge meinen Deutschen Arbeitervereins. Die Auseinandersetzung mit den Problemen der II. Hauptperiode der deutschen und internationalen Ar beiterbewegung ist deshalb unerläß lich, weil die gegenwärtig in West deutschland herrschenden imperiali stischen Kreise versuchen, ihre volks feindliche Politik historisch zu recht fertigen. Die unwissenschaftliche staatssozialistische Konzeption Las salles wird als das historisch wich tigste und bestimmende Element in der Entwicklung der deutschen Ar beiterbewegung hingestellt. Damit soll die Integration der westdeutschen Arbeiterklasse in das staatsmonopo listische Herrschaftssystem bemäntelt werden. Doch die noch so modern und demagogisch geprägten Termini von der „formierten Gesellschaft“, oder wie das auf rechtssozialdemo kratisch heißt, „offenen Gesellschaft“, können die Lehren der revolutionä ren Arbeiterbewegung nicht ver schütten. Es darf uns mit Stolz erfüllen, daß die deutsche Arbeiterklasse einen großen Anteil zum Erfahrungsschatz der internationalen Arbeiterbewe gung beisteuerte. Vorhut der proletarischen Weltbewegung Nach der Niederlage der Pariser Kommune stand das deutsche Prole tariat in der die II. Hauptperiode umspannenden Zeit an der Spitze des proletarischen Kampfes. Dies war u. a. darin begründet, daß die deut sche Arbeiterklasse in der im wesent lichen marxistischen Eisenacher Par tei eine starke Führerin besaß, die sich bis zum Ausgang des Jahrhun derts zu einer revolutionären Massen partei entwickelte. In dem preußisch-deutschen Mili tärstaat stand den deutschen Arbei tern ein mächtiger Rivale gegenüber. Um im Klassenkampf erfolgreich zu sein, mußte sich die deutsche Arbei terklasse die Erkenntnisse des wis senschaftlichen Kommunismus in im mer stärkerem Maße aneignen und anwenden. Die Chemnitzer Arbeiter haben bei diesen Auseinandersetzungen oftmals eine führende Rolle gespielt, die zu dem ehrenvollen Beinamen „Mauer brecher“ führte. Im Jahre 1870 hatten die Chemnitzer Arbeiter eindeutig ihre Solidarität mit der französischen Arbeiterschaft bekundet und sich da mit vom dynastischen Charakter des Deutsch-Französischen Krieges di stanziert. Karl Marx würdigte diese internationalistische patriotische Hal tung in der Ersten Adresse des Ge neralrates der Internationalen-Arbei- ter-Assoziation über- den Deutsch- Französischen Krieg vom 23. 7. 1870. Im Band I des achtbändigen Wer kes „Geschichte der deutschen Arbei terbewegung“ wird auf Seite 319 im Zusammenhang mit den „Gründer jahren“ 1871 bis 73 festgestellt: „Die Zusammenballung der Arbeiter in Industriezentren und Großbetrieben ließ das Bewußtsein der eigenen Kraft des Proletariats erstarken. Die objektiven Bedingungen für den Kampf der Arbeiterklasse und ihrer revolutionären Vorhut, der Partei, waren günstiger als je zuvor.“ Diese Tatsache wird durch den Kampf der Arbeiter in dem schon damals großen „Zentralpunkt“ der deutschen Industrie, dem ehemaligen Chemnitz, bestätigt. Im Oktober/No- vember jährte sich der große Streik von ca. 8 000 Chemnitzer Maschinen bauern, Eisengießern und Modell tischlern zum 95. Male. Es war eine Arbeitseinstellung, die in der Zeit vom 28. Oktober bis 17. November 1871 nicht nur das damalige Chem nitz in Atem hielt. In ganz Deutsch land und selbst im Ausland fand diese Kampfaktion der hiesigen Ar beiter starken Widerhall. Der Chemnitzer Streik war Teil einer gesamtnationalen Bewegung um den zehnstündigen Arbeitstag. Die Streikenden forderten außerdem einen Überstundenzuschlag von 25 %. Als „Mauerbrecher“ und „Advant- garde“, wie es im Aufruf des Streik komitees vom 28. Oktober 1871 hieß, standen die Chemnitzer Metallarbei ter an der Spitze des klassenbewuß ten deutschen Proletariats. Das Zentralorgan der Sozialdemo- kratischen Arbeiterpartei, „Der Volks staat“, betonte die nationale Bedeu tung des Streiks, als es am 1. No vember 1871 schrieb: „Bedenkt, daß vom Ausgang des Kampfes in Chem nitz das Schicksal der Zehnstunden bewegung in Deutschland abhängt.“ Ein Erfolg des Chemnitzer Streiks hätte zweifellos den Sieg der Bewe gung um den Zehnstundentag in ganz Deutschland angebahnt und die gesetzliche Regelung der Arbeitszeit erzwungen. Unter Führung der Partei August Bebels und Wilhelm Liebknechts leg ten die Chemnitzer Arbeiter mit ih rer Streikentschlossenheit erneut ein Bekenntnis ihres gewachsenen Klas senbewußtseins ab. Sie ließen sich dabei auch nicht von den Unterneh mern irritieren, die mit den verschie densten Machenschaften versuchten, den Klassengegensatz zwischen Pro letariat und Bourgeoisie zu verwi schen. So hatte u. a. der bekannte Chemnitzer Unternehmer R. Hart mann bei der Umwandlung seines Betriebes in eine AG 1870 der allge meinen Krankenkasse der Maschinen bauer 15 000 Taler überwiesen. Be zeichnenderweise bildeten gerade die 2700 Arbeiter der Sächsischen Maschinenfabrik A-G (vorm. R. Hart mann) den Kern der Streikenden. Rechtssozialdemokratische Gewerk schaftsführer behaupten heute, einen Kapitalismus, wie ihn seinerzeit August Bebel bekämpft habe, gäbe es in Westdeutschland nicht mehr. Mit dieser These soll der Klassencharak ter des westdeutschen Staates geleug net und die Notwendigkeit des pro letarischen Klassenkampfes ad ab surdum geführt werden. Gewiß geht es heule nicht mehr um die Erkämp- fung des Zehnstundentages. Eine wissenschaftliche Analyse beweist je doch eindeutig das Klassen- und Aus beutungsverhältnis, das die Stellung der Arbeiter in der kapitalistischen Gesellschaft bestimmt. Nach statistischen Untersuchungen gab es im Jahre 1963 in Westdeutsch land 11714 Millionäre mit einem Ge samtvermögen von 37,9 Milliarden. Dem standen ein Vermögen von 4,5 Milliarden der ca. 20 Millionen Arbeiter und Angestellten gegenüber. Wie zur Zeit des großen Metallarbei terstreiks von 1871 in Chemnitz ist auch heute noch in Westdeutschland der größte Teil der Bevölkerung von jeglichem Eigentum an Produktions mitteln ausgeschlossen. Die objekti ven Grundlagen des proletarischen Klassenkampfes sind in Westdeutsch- land noch nicht beseitigt. Revolutionäre Massenpartei - Unterpfand des Sieges Der Streik der Chemnitzer Metall arbeiter endete mit einer Niederlage. Ihre Kampfentschlossenheit war schneller gewachsen als ihre Organi sation. Sie begannen den Streik, ohne daß die Mittel dafür gesichert waren. Von den ca. 8 000 Streikenden waren vor Ausbruch des Streiks höchstens 311 in der Gewerkschaft und ca. 491 politisch in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei organisiert. Bei aller Rücksichtslosigkeit der Unternehmer den Ausständischen gegenüber war der moralische Erfolg des Streiks unverkennbar. Viele Ar beiter überzeugten sich davon, daß die Sozialdemokraten am konsequen testen ihre Interessen vertraten. Während der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein eine abwartende Hal tung einnahm, distanzierte sich der unter bürgerlichem Einfluß stehende örtliche Arbeiterverein von der Ar beitseinstellung. In der Zeit der Streikvorbereitung, besonders aber während des Streiks, erkannten viele Arbeiter die Notwen- (Fortsetzung auf Seite 4)
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