So wie vom Erhabenen zum Lächerlichen nur ein Schritt zu tun ist, so lauert neben der kritiklosen Freude an der Buntheit — der Kitsch, den sich die Natur selbst nicht — auch im buntesten tropischen Falter nicht — zuschulden kommen läßt. Gewiß gibt es Kitsch (bekleidet oder unbekleidet) auch in den Niederungen der Kunst, aber Werke der Kunst werden vermöge einer an zahllosen echten Leistungen hochgezüchteten Kritik zu sicher von allen Fehlleistungen unterschieden und ausgeschie den, als daß sie selbst dadurch in ihrer Mission und in ihrem Rang ernstlich gefährdet wäre. Nein, einer wirksameren „Realistik“ darf sich die Farbenfoto grafie weder unter Hinweis auf die stärkere sinnlich-psychische Wir kung der Farbe, noch auf die ihr eigene größere Naturnähe und Natur treue rühmen. Diese Eigenschaften sind für die meisten mehr eine Ge fahr und eine Verführung, als ein Freibrief für ihre ungehemmte, zücht- und verantwortungslose Handhabung. Realismus hat, auch wenn der Fotograf heute die Farbe in die Wieder gabe der Wirklichkeit einbezieht und dadurch mit dem Maler in un mittelbaren, ihm früher gar nicht möglichen Wettbewerb zu treten wagt — denn das ist schon ein Wagnis! — nichts mit der bloß mechani schen Anwendung eines uns von der Wissenschaft gemachten genialen Geschenks zu tun. Realismus wird durch diese Zutat nicht, gleichsam von selbst, erhöht oder verstärkt. Vielmehr müssen wir als „reali stisch“ in der Farbenfotografie — weit mehr als in der Schwarz- Weiß-Fotografie — die Haltung des Bildschaffenden gegen über der Wirklichkeit, seine Beziehung zu ihr, anerkennen, nicht aber die Darstellung, weil sie farbig ist. Wie der Farbenfotograf diese Be ziehung im Bild gestaltet und zum Ausdruck bringt, das macht, ähnlich wie beim gemalten Bild, seinen und den Wert seines Bildes aus. Vll. Rangerhöhung der Fotografie durch museale Pflege In einem an anderer Stelle veröffentlichten Aufsatz habe ich die Frage untersucht, warum bedeutende künstlerische Fotografien nicht ebenso wie Werke der Kunst (Gemälde, Grafik) museal gesam melt und gepflegt werden, um sie dadurch der Vergänglichkeit zu ent reißen. 10 ) In der Pflege, die man Werken der Kunst angedeihen läßt, der Fotografie aber bisher versagt hat, drückt sich zugleich ein Werturteil für die Kunst und gegen die angeblich „schnellebige“ Fotografie aus, das diese nicht verdient. Dieses Urteil wird dadurch nicht entkräftet, daß heute für beide die Möglichkeit der Reproduktion und bequemer 10) Schimmer, Warum nicht museale Pflege der Fotografie? Bild und Ton, Jg. 1955, Heft 2—4. 3 Schimmer, Rangerhöhung 25