Tags vor Weihnachten ein Ende. „Rich tet den Mantel her, so gut ihr es ver steht, und packt ihn wieder ein", sagte er, „ich nehme ihn mit." Zwei Tage später saß Husch im Zug und fuhr, Weihnachtsstimmung im Her zen, durch das verschneite Wintcrland. Ganz hell und licht war es in seiner Brust. Nur wenn er an das Palei dachte, das über ihm im Gepäcknetz lag, wurde ihm beklommen zumute. Un- gcrusen schwebte das Bild der fremden Mutter auf ihn zu, die sich gewiß nur schweren Herzens und aus übergroßer Liebe zu ihrem Jungen von diesem Mantel getrennt haben mochte. Erst am nächsten Abend, als sich der Zug mit kreischenden Bremsen dem stillen Hei matdorf näherte, zwischen kahlen Banm- gruppen die Kirchturmspihe auftauchte, ein paar Menschen gegen ein verschnei tes Holzaittcr aelehnt ihm freudig zu winkten, fiel die Last von >ym ab. Es war am heiligen Abend, als Hmch zum Nachbardorf hinauswanderte. Un term Arm trug er das Paket. Tas flache Land lag weit und still. Neu schnee war gefallen. Weit vorn säum ten dunkle Tannenwälder den schnee- verhangenen Wintcrhimmel. Anfangs ging Husch mit weitausholenden Schrit ten. Aber je mehr er sich dem frag lichen Hause näherte, um so verhaltener wurde er im Gehen. Zuletzt kam er kaum von der Stelle. Im Hauscingang trat ihm eine Frau entgegen. Kaminskis Mutter. Die Aehnlichkeit war unverkennbar. Sie stützte einen Augenblick, schien nachzu- bcnksn, Sann faßte sie seine Hand, führte ihn in ein Zimmer, drückte ihn in einen Stuhl und setzte sich ihm gegenüber. Eine Weile blieb es still zwischen ihnen. Dann raffte sich Husch auf und sagte: ,Lch bringe Ihnen den Mantel zurück, Mutter." Danach verfiel er wieder in Schweigen. Wie kann ich mich unterfangen, sie Mutter zu nennen, fuhr es ihm durch den Kopf. „Hat er mal von mir gesprochen?* Das Gesicht der Mutter veränderte sich, zuckte, die grauen Augen weiteten sich, immer rascher, kürzer und lauter wurde ihr Atem. Sie wiederholte: „Hat er mal von mir gesprochen?" „Sehr oft. Und er war einer der Tapfersten, der Fritz . .. und der Pelz- mantel hier . . ." Husch verkrampfte die Finger in dis feldgraue Mütze, „nein, er ist nicht mehr wie er, sein sollte. Flecke hat er, Risse und Winkel haken. Und Brandlöeher von heißen Zündern, die ihn trafen. Nein, ich will es nicht beschönigen, Mutter, wir alle trugen ihn da oben in den Erdlöchern vorm Feind. Dio ganze Gruppe. Sieben Mann. Und ich soll Ihnen danken, auch in ihrem Namen." „Und ihr habt euch allo darin ge wärmt...?" kam es langsam von drüben Husch nickte bejahend, „. . . und lasen im Schein der aufsteigendcn Leucht- rakcte euren Brief an den Fritz .. .und nannten alle such Mutter . . ." Dio alte Wanduhr tickte. Von drau ßen drang verschwommen Kinöerlachcn herein. Schneeflocken rieselten lautlos am Fenster vorbei. „So nimm ihn nur wieder mit, den Pelz", kam es ganz langsam zum zwei ten Male von drüben, „weil ihr mich Mutter nanntet ... das macht mich stolz. Und weil ihr da oben auf dem Hartmannsweilerkopf die Jungen aller deutschen Mütter seid. Ja, nimm ihn nur wieder mit." Eine kleine Hand streichelte sacht Huschinskis Rockärmel, und auf die Lippen der Mutter stahl sich ein Lächeln, in das sich Wehmut und Güt« wundersam vermischten . . . Heimzu ging Husch quer über die ver schneiten Aecker. Aus Sen Dörfern ringsum klang verwehendes Geläuts. Ja, es war Heiliger Abend . .. Walter Michel. lAns „Erzgebirgischer Hans- und Heimatkalender 1Ä40", Verlag von E. F. Kellers Witwe, Stollberg im Erzgebirge. Ein sehr empfehlens werter Kalender!) Heranrgeber: Reinh. Timme, Hschopau. l'eiantwort!. Schriftleiter: Heinz Voigtländer, Zschopau» Druck und Verlag: Wochenblatt für Zschopau und Umgegend, Richard Voigtländer, Zschopau.