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Wochenblatt 1869. Freitag, den 15. Januar vierteljährlicher PränumerationSpreiS 10 Ngr. — Jnserti.nsgebühren ftr den Naum einer gespaltenen Corpuszeile 8 Pf.— Annahme von Inseraten bis Montag resp. Donnerstag Mittag. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, werden mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. für Wilsdruff, Tharandt, Roffcn, Giebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst Tagesgeschichte. Sicherem Vernehmen nach findet den 16. und 17. Jan. zu Leis nig eine außerordentliche Schuldirectorenconferenz statt, um einen wichtigen Gegenstand zur Berathung zu bringen. Bei der Landgensdarmerie sind jetzt doppelläufige Karabiner ein geführt worden. Für den Fall einer etwaigen Mobilisirung des sächs. Armeecorps sind kürzlich eine nicht unbeträchtliche Anzahl sächs. Postbeamten zu Feldpostbeamten ernannt worden. Während die Annahme dieser Func tion früher in dem freien Willen der betreffenden Beamten gestellt wurde, sind dieselben diesmal definitiv dazu ernannt worden. Auch wurde einem jjeden derselben die Erklärung abverlangt, ob er sich bei vorkommendem Bedarf ein Reit- oder Wagenpferd aus seinen eignen Mitteln anschaffen oder dasselbe von Staatswegen gestellt ha ben wolle. Das „L. T." berichtet: Von den Postbeamten Leipzigs sind der bei einer etwaigen Mobilisirung der sächs. Armee zu errichtenden Feldpost zugetheilt worden: Postmeister Lenk als Feldpostmeister, der Oberpostsecrctär Pfetzschncr, die Postsecretäre Mehlhorn, Ziegler, Dre scher, Baßler. Da diese Maßregel keineswegs als Anzeichen für kriegerische Aussichten aufgefaßt werden darf, braucht nicht erst be sonders versichert zu werden; die preußische Militärverwaltung ist gewöhnt, auch im tiefsten Frieden Alles in Bereitschaft zu haben, was sie in irgend einem zukünftigen Kriege brauchen kann. Aus der nördlichen Lausitz schreibt man: Die Trockenheit des vergangenen Sommers und Herbstes und die folgenden großen Stürme haben in Feld und Haide vielfachen Schaden angerichtet, auf dem Felde namentlich durch Wegwehen des lockern Sandes und Bloßleg ung der Wurzeln und der wegen Trockenheit nicht gekeimten Saat körnchen. In der Lausitz hat es in den letzten Tagen mehre Schadenfeuer gegeben. Am 7. Jan. brannten in Weißenberg das Johann Carl Mochwitz gehörige Wohngebäude mit Backofen, Scheune, Keller und eingebautem Holzschuppen mit Stall, das Scheunen- und Wohnge bäude der verehl. Ziesche, das Wohngebäude der Geschwister Mochwitz und das Scheunengcbäüde der verw. Israel und Genoffen total ab, am 9. Jan. wurde das Wohnhaus des Schuhmacher Burkhardt in Stacha nnd an demselben Abend die Gebäude des Gutsbesitzers Ull rich zu Rothuauslitz, sowie die des Ortsrichters Domsch daselbst durch die Flammen vernichtet. Chemnitz. Am Sonntag erkrankte aus der Mühlenstraße eine Frau und mehrere Kinder nach dem Genüsse grün gefärbter Zucker- waaren an den Zeichen heftiger Arsenikvergiftung; durch die von dem schleunigst gerufenen Arzte angewandten Gegenmittel gelang es, die gefahrdrohenden Symptome bei allen Erkrankten bald zu beseiti gen. Die Zuckerwaaren waren dem Anschein nach mit Schweinfur ter Grün gefärbt. Ein Verwandter der Familie hatte dieselben auf der Durchreise in Altenburg gekauft. Dieser Fall enthält eine dring ende Warnung, vom Genüsse solcher gefärbter Zuckerwaaren abzu stehen. Rochlitz, 12. Jan. Vergangene Nacht gegen 1 Uhr sind hier an der Zwickauer Straße 3 Wohnhäuser mit ihren Nebengebäuden abgebrannt und dabei leider auch 2 Menschen, die Wittwe Vulpius und deren Tochter, welche zusammen in einer Dachkammer geschlafen, mit ums Leben gekommen. Brand, 11. Jan. Gegen 1 Uhr letzte Nacht entstand in den Dachräumen des hiesigen, der Schützengesellschaft gehörigen, Schieß- Hauses Feuer, und nach 2 Stunden war dasselbe bis auf die Mauern cingeäschert und der angebaute Salon von der einstürzcnden Esse zer trümmert. Von den Mobilien des Pachter Paul ist viel gerettet, aber auch viel beschädigt worden. Sie waren versichert. Entstehunqsur- sache unbekannt. ' ' Löbau, 10. Jan. Am 7. d. M. Nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr ist unterhalb Gießmannsdorf auf Hirschfelder Flur am rechten Ufer der Neiße der Commis Gustav Alwin Feudel aus Chemnitz, Soldat der 3. Compagnie des 3. Jnfantrie-Regiments „Kronprinz", todt aufgefunden worden. Derselbe ist jedenfalls in der zu dieser Zeit etwas hochgehenden Neiße in der Nacht verunglückt. Neue Bundessteuern werden, wie man hört, erwogen (!); sie sollen zur Erhaltung des Heeres (!) dienen, und es dürfte sich fragen, ob Ersparungen und Verminderungen hier nicht Abhilfe zu schaffen geeignet sind. Da sich frühere Steuerprojecte nicht leicht verwirklichen lassen, so soll eine Bundes-Einkommensteuer vorgeschlagen werden, und soll dieses Project namentlich an dem Bundeskanzler Grafen Bis mark einen Anwalt finden. Das : Project hat allerdings zuerst den Bundesrath zu passiren, und wird es sich zu zeigen haben, wie die Kleinstaaten derüber denken. Preußische Blätter erzählen dem Grafen Eulenburg folgende Reise-Geschichten. Ein westpreußischer Landrath reiste voriges Jahr ohne Auftrag zum Abschiedsrssen für den Oberpräsidenten Eichmann in Königsberg und berechnete der Kreiskasse 74 Thlr. an Reisekosten. Derselbe Landrath reiste von Konitz nach Berlin, eine Reise, die er incl. Diäten mit 27 Thlr. recht gut Hütte h'n und zurück machen können; statt dessen machte er folgende Rechnung: Die Entfernung von Konitz nach Berlin betrügt (Gott weiß, nach welcher alten Post karte) 55»/, Meile, für die Meile 1 Thlr. Reisekosten — 55VsThlr. auf je 10 Meilen kommt ein Reisetag, also bis Berlin 5»/, Reisetag zu vier Thaler — 22 Thaler; also für die Hinreise 77»/, Thlr., für die Rückreise eben so viel, für vier Geschäftstage in Berlin 16 Thlr., zusammen 171 Thaler. Als Zweck dieser Reise ist angegeben, den Nothstand des Kreises dem Minister vorzustellen und eine Beschleuni gung des Eisenbahnbaues zu erwirken. Auch zu dieser Reise hatte er keinen Auftrag, die Kreisstände aber schwiegen. Berlin. Acm Untersuchungsrichter wurde dieser Tage ein Gau ner vorgeführt, auf dem der Verdacht ruhte, er simulire nur meister haft das zur Schau getragene Gebrechen als Taubstummer. Lange Zeit mußte der junge Mensch im Bureau sitzen, ohne daß sich der Richter mit ihm beschäftigte, bis dieser sich plötzlich an den tief in Gedanlen Versunkenen mit dem Ausruf richtete: „Sie können gehen, Sie sind der Haft entlassen!" Schleunigst wendete sich der Angeredete der Thür zu, noch schleuniger wurde der so Entlarvte aber wieder gepackt und der Untersuchungshaft zugeführl, wo sich schon im Laufe der nächsten Stunde auch die Sprache bei ihm einstellte. Hut ab vor dem Staatsanwalt Baron Seguier in Toulouse. Der Minister in Paris gab ihm die willkürlichsten Befehle zur Ver folgung der Zeitungen durch politische Prozesse, der Staatsanwalt verfuhr nach Recht und Ueberzeugnng. Als ihm seine Mäßigung Verweise über Verweise cintrug, legte er sein Amt nieder und theilte den Zeitungen seinen Brief au den Minister mit. Die Franzosen sehen mit Staunen aus dem Briese, daß die Staatsanwälte in den öffent lichen Sitzungen unter Aufsicht der geheimen Polizei und geheimer Berichterstatter stehen und daß sie ihre Strafanträge rc. nicht nach dem Ausfall der Verhandlungen, sondern nach den Befehlen aus Paris stellen müssen. — Seguier ist 34 Jahr alt und gehört einer alten Beamtenfamilie an; er erwarb sich vor einigen Jahren das Kreuz der Ehrenlegion, als er mit eigner Hand einen Mörder verhaftete, der sich mit der Pistole gegen die Gensdarmen vertheidigte. General Govou ist sein Schwiegervater. — In Vervins hat der kaiserliche Procurator Turquct aus denselben Gründen sein Amt niedergelegt. Unter den Vornehmen in Paris herrscht eine abscheuliche Spiel wuth. Ein junger Baron verspielte in einer Nacht sein ganzes Ver mögen; ein Staatsrath nahm einem Oberlichter in einem Satze 80,000 Frcs. «b. Verwandt ist das Börsenspiel- In Marseille verlor ein Prälat, der Geschäfte für die päpstliche Armee machte, an der Börse 600,000 Frcs., die durch Pcterspfennige gedeckt werden müssen. Die erste That der Pariser Cvnfcrenz war, die Griechen und Türken zur Einstellung aller Feindseligkeiten aufzufordern. Paris, 12. Jan. CorrespondenceHavas meldet: Heute, Nach mittags 4 Uhr fand die zweite Conferenzsitzung statt. ES wird ver sichert, daß die Mächte beschlossen, die Conferenz fortzusctzcn, auch falls Griechenland an seinen Forderungen fest hielte.