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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 187« Dienstag, den 25. Januar Tag esgeschichte. Dresden, 22. Januar. Die erste Kammer ist in ihrer heuti gen Sitzung nach sehr langer und heißer Debatte dem von der zwei ten Kammer bereits angenommenen Abrüstungsantrage entgegen den Vorschlägen der Majorität ihrer Deputation mit 24 gegen 21 Stim men beigetreten. Die Regierungs-Commiffare, der Kriegsminister v. Fabrice und Minister von Friesen sprachen sich bestimmt gegen den May'schen Antrag aus. Die „D. A. Z." schreibt: Dem Vernehmen nach soll der Schluß des Landtags nach Ende der ersten Woche des Februar stattsinden. Wenn dem so ist, dann haben die beiden Kammern tüchtig zu thun, um wenigstens mit den hauptsächlichsten der noch rückständigen Ar beiten aufzuräumen. —Bekanntlich halte die mit der Berichterstattung über die Theaterfrage beauftragte zweite Deputation der zweiten Kammer die Vorfrage wegen des Nechtspunktes der ersten Deputa tion (für Verfassungs- und Gcsetzgebungsgegenstände) mit Bewillig ung der Kammer zugeschoben. Soviel man hört, dürfte letztere mit überwiegender Majorität sich für die Nechtsverbindlichkeit des Landes zum Wiederaufbau des Hofthcaters aussprechen. Zum Wiederaufbau der abgebrannten StadtFrauenstein ver langt die Regierung von den Ständen mittelst königl. Decrcts die Summe von 12,000 Thaler. Die Dresdner Stadtverordneten wollen die Negierung angehcn, dem nächsten Landtag ein Polizeistrafgesetzbuch und eine Pvlizei- strafprozeß-Ordnung mit Taxvrdnung vorzulcgcn, und ersuchen den Stadtrath, mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen. Gegen den Wiederaufbau des Hofthcaters auf der alten Stelle spricht sich jetzt auch im „Dresdner Journal" Professor Jul. Hübner wegen der Feuergefährlichkeit für die Gallerie auf das Entschiedenste aus. Im Interesse der letzteren dürfe von einem Wiederaufbau an der alten Stelle unter keiner Bedingung die Rede sein. Das „L. T." schreibt: Wie aus parlamentarischen Kreisen der Hauptstadt verlautet, ist die mit der Verhandlung über die Angele genheiten der „Leipziger Zeitung" beauftragte Deputation der zwei ten Kammer der Ständeversammlung zu dem Entschlusse gekommen, der Staatsregierung die Verlegung der Zeitung von Leipzig und die Verschmelzung derselben mit dem amtlichen „Dresdner Journal" zu einen' einzigen größeren Negierungsorgan zu empfehlen. Aus Anlaß der Interpellation eines Mitgliedes über die jüngsten Angriffe der Redaction der Lp. Ztg. auf die Finanzverwaltung der Stadt Leipzig soll der in der Sitzung der Deputation anwesende Vertreter der Staatsregierung erklärt haben, dieselbe bedauere diese Vorgänge und habe auch die darauf bezüglichen Weisungen bereits nach Leipzig erlassen. Nicht?nur im Leder nahm die Leipziger Neujahrsmesse einen raschen Verlauf, so daß bald alle Vorräthe aufgekauft waren, sondern auch in Tuch war das Geschäft sehr zufriedenstellend. Da gegen klagt man, daß das Leinengeschäft nicht so ging, wie man es wünschte. Einer nach Vorgang früherer Jahre in der Stadt Leipzig be absichtigten Einsammlung milder Beiträge für die Diaconissenanstalt zu Dresden hat das Polizeiamt daselbst die Erlaubniß versagt. Obschon die Sammlung für die Hinterlassenen der am 2. Au gust v. I. in den Kohlenschächten zu Burgk verunglückten Bergleute längst geschlossen', so gehen trotzdem an den Hauptstellen immer noch ahnsehnliche Betrüge aus dem Auslande ein, weshalb man noch im mer auf die Veröffentlichung der Schlußquittung vergeblich wartet. Man glaubt, daß die Endziffer nahezu V, Million aufzeigen wird. Ein schönes Zeugniß für den nie versiegenden Wohlthättgkeitssinn der Menschen. s -« Aus Groitzsch wird den L. N. unterm 18. Januar geschrieben: Ein höchst beklagcnswertherjUnfall bewegt heute unsere Stadt. Der hiesige ^Schuhmacher Oscar Zettermann hat jVormittag in der 0. Stunde seinen Bruder, den Schuhmacher Robert Zettcrmann, bei welchem derselbe in Arbeit stand, infolge eines Wortwechsels ersto chen. Der Unglückliche hinterläßt eine Frau -und 5 Kinder. An dem Thäter sind schon früher Spuren von Geistesstörung bemerkt worden und ist anzunehmen, daß derselbe in einem solchen Anfalle die That verübt hat. Er ist bereits an das Königl. Gerichtsamt Pegau abgeliefert worden. Burkhardsdorf, 20. Januar. Gestern schlug der von Chem nitz nach Thum gehende Beiwagen der Abendpost kurz vor Burk- hardsdorf um. Derselbe war mit 3 Personen besetzt, die zum Glück nur unerheblichen Schaden erlitten und beim Aufstellen des Wagens behilflich sein konnten. Kaum stand dieser wieder auf seinen Rädern, als die jungen Pferde mit ihm durchgingen, in unseren Ortsweg einbogen und über den Markt wegjagten. Am Ende desselben blieb der Postwagen glücklicher Weise an einem am Wege stehenden Koh lenwagen hängen und die Flüchtlinge wurden gefangen. Die Reise nach Thum wurde nun mit einem Schlitten fortgesetzt, da das be- räderte Transportmittel durch die erlittene Niederlage sowohl, als durch den derben Zusammenstoß invalid geworden war. Am 17. Januar hat König Ludwig den bayerischen Landtag mit einer Thronrede eröffnet, die für ganz Deutschland wichtig ist. „Ich weiß sagte er, daß manche Gemüther die Sorge erfüllt, es sei die wohlberechtigte Selbstständigkeit Bayerns bedroht. Diese Be fürchtung ist unbegründet. Alle Verträge, welche ich mit Preußen und dem Norddeutschen Bunde geschlossen habch sind dem Lande be kannt. (Es gibt also keine geheimen mehr). Treu dem Alliance- Vertrage, für welchen ich mein königliches Wort verpfändet habe, werde ich mit meinem mächtigen Bundesgenossen für die Ehre Deutschlands und damit für die Ehre Bayerns einstehen, wenn es unsere Pflicht gebietet. So sehr ich die Wiederherstellung einer nationalen Verbindung der deutschen Staaten wünsche und hoffe, so werde ich doch nur in eine solche Gestaltung Deutschlands willi gen, welche die Selbstständigkeit Bayerns nicht gefährdet Indem ich der Krone und dem Lande die freie Selbstbestimmung wahre, erfülle ich eine Pflicht nicht allein gegen Bayern, sondern gegen Deutschland. Nur 'wenn die deutschen Stämme sich nicht selbst äufgeben, sichern si die Möglichkeit einer gedeihlichen Entwicklung Gesammt-Deutschlands auf dem Boden des Rechts." — Weiter kün diget der König „eine erhöhte Inanspruchnahme der Stcuerkräfte," den Entwurf eines Wahlgesetzes auf Grundlage directen Wahlrechts, eine neue Stafprozeß-Ordnung, Advokaten-Ordnung, eine Regelung der Tax- und Stempelgesetzc und eine Organisation der Bürger wehr an. „Mein höchster Lohn, schließt der König, wird das Glück meines theuercn Landes sein." — Die Staatsausgabcn sind auf 93,075,000 fl., die Erhöhung der Steuern auf 3,419,000 fl. ange schlagen. Paris, 22. Januar. Heute wurde Rochefort zu 6 Monaten Gefängniß und 3000 Frcs. Geldstrafe, Paschal Grousset zu 6 Mo naten Gefängniß und 2000 Frcs., Dcreure (wie Grousset Mitarbeiter an der Marseillaise) zu 6 Monaten Gefängniß und 500 Frcs. Geld strafe verurtheilt. Während der Verhandlung hatte sich eine zahl reiche Menschenmenge vor dem Justizpälast eingefundcu. Die Reihe war nirgends gestört. Rochefort wohnte der heutigen Kammersitz- ung bei.' Schwer genug wirds Ollivier gemacht, die Freiheit mit dem Kaiserthum zu versöhnen. Rochefort und Gambetta werfen ihm in der Kammer vor, er sei selber Republikaner gewesen und nur in der Republik sei Freiheit; er sei abgefallen, um Earriere zu machen und Vermögen sich zu erwerben. Gambetta ist scharf wie Gift, man er kennt in ihm den Knaben wieder, der sich ein Auge ausstach, um seinen Vater zu zwingen, ihn aus der verhaßten Schule zu nehmen. Ollivier antwortet ruhig und läßt sich durch nichts außer Fassung bringen. Ja, sagte er, ich war früher Republikaner und unterstütze jetzt aus Ueberzeugung das Kaiserthum, das die Freiheit gibt. Gam betta wollte antworten und wird unterbrochen. Er ruft: Sie haben der Lüge Beifall geklatscht, hören Sie auch nun die Wahrheit! — Er wird zur Ordnung gerufen. Rufen Sic lieber Herrn Ollivier zur Ehre zurück! schreit er. — Die Worte, die Paris Napoleon in den Mund legt, sind wenigstens gut erfunden. Ollivier legte ihm das Decret vor, welches Bonaparte in Anklagestand versetzt. De>