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Wiv-euKee LageblM 2. Blatt zu Nr. 142. Donnerstag, den 22. Juni 1939 Tagesspruch Wohl kann die Brust den Schmerz verschlossen halten, Doch stummes Glück erträgt die Seele nicht. Der SchAereinssS Sei der Erntehilfe Einzel- und Klaffcneinfatz — Möglichst nur in den Ferien. Tariflohn Reichserziehungsminister Rust hat im Einvernehmen mit dem Reichsernährungsminister Richtlinien für den landwirtschaftlichen Hilfsdienst der Schuljugend herausge geben, die den Einsatz der Schüler und die Entlohnung regeln. Der Einsatz der Schuljugend erfolgt in erster Linie in den Ferien. In den ländlichen Volksschulen ist bei der Feriengestaltung schon weitgehend den Erfordernissen der Landwirtschaft Rechnung getragen. Für die Schuljugend der Städte darf die Ferienordnung erforderlichenfalls im. ge ringen Ausmaße, z. B. durch Verkürzung der Sommerserien und Verlängerung der Hcrbstferien, verändert werden. Der Einsatz erfolgt auf Anforderung ves Arbeitsamtes und wird durch die HI. geregelt und betreut. Der Einsatz außerhalb der Ferien darf nur in dringenden Notfällen erfolgen, wenn andere Hilfsmittel erschöpft sind. Hierfür gelten folgende Richtlinien: D-ie Hilfe leistung der Schüler und Schülerinnen wird von den Arbeits ämtern angefordert. Die Schulleiter sind verpflichtet. Ver zeichnisse über die für den Einsatz in Frage kommenden Schüler und Schülerinnen zu führen. Schüler und Schülerin nen, die für die landwirtschaftliche Arbeit körperlich nicht ge eignet erscheinen oder für die durch den Unterrichtsausfall schwerwiegende schulische Schäden zu erwarten sind, dürfen nicht beurlaubt werden. Bei der Hilfeleistung ist zwischen Einzeleinfatz und Klasseneinsatz zu unterscheiden. Der Einzeleinsatz soll sich auf die Fälle beschränken, in denen Schüler und Schülerinnen im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern oder Verwandten helfen wollen. Die Beurlaubung vom Unterricht darf für jeden Schüler grundsätzlich höchstens 1'/- Unterrichtswochen umfassen. Der Klasseneinsatz beschränkt sich auf die höheren und Mittelschulen, und zwar dürfen die Klassen 5 und 6 der Mittelschulen und der höheren Schulen sowie die Klasse 7 der letzteren unter Aufsicht eines Lehrers geschlos sen eingesetzt werden. Die Klasse 8 soll grundsätzlich nicht wäh rend der Unterrichtszeit herangezogen werden, es wird jedoch erwartet, daß sie sich während der Ferien weitgehend zur Verfügung stellt. Die Schuljugend wird nur für Arbeiten ein- gesetzt, die nach Art und Dauer dem Lebensalter und den Kräften der Schüler und Schülerinnen entsprechen sowie den Forderungen genügen, die aus erzieherischen Gründen an die Betreuung der Jugendlichen gestellt werden müssen. Städtische Schuljugend unter 14 Jahren soll im allgemeinen nicht zur lanöwirtschaftlichen Hilfsarbeit herangezogen werden. Die Hilfeleistung der Jugendlichen ist von der Zustimmung der Erziehungsberechtigten abhängig. Es wird aber selbstverständlich erwartet, daß diese ihre Zustimmung nur in wohlbegründeien Ausnahmefällen versagen. Den zur Landwirtschastshilfe eingesetzten Schülern und Schülerinnen über 14 Jahre wird grundsätzlich der Tariflohn gezahlt. Der Ernteeinsatz der Studenten Der vom Reichs st udentensührer befohlene EkMe- hilfsdieuft ersaßt nicht nur die ersten drei Semester, sondern die Studenten der Hoch- und Fachschulen aller Semester und aller Fakultäten. Sie dauert vier Wochen und wird in der steil vom 15. 7. bis 15. 8. 1939 in den Ostgauen des Deutschen Reiches durchgeführt. Der Einsatz beginnt in den Einsatzkreisen am 15. 7. mit einem kurzen Appell, in dem dir Richtlinien für den Einsatz erteilt werden. Am gleichen Tage noch fahren die Studenten zu ihren Bauernstellen. Sie wer den in Zellen zu 10 Mann zusammengefaßt. Ihr Ein- satz erfolgt nach Möglichkeit in einem größeren Betrieb oder in einem Dorf. Nur in dringenden Fällen werden von den örtlichen SMenkenfsthrern Bearrrmnungen Essen Haupr- examen und gesundheitlicher Behinderung vorgenommen. Jeder Student erhält während der Erntehilfe einen Einsatzpaß aus gestellt. Ohne diesen Paß ist eine Einschreibung im Winter- Semester nicht möglich. Die Zentralstelle für die studentische Erntehilfe be findet sich iw Berlin W. 35, Friedrich-Wilhelm-Straße 22. Amnestieerlaß des Führers Für sudetendeutsche Gebiete und Protek tor a t B ö h m e n u n d M ä h r e n Das Reichsgesetzblatt vom 19. Juni veröffentlicht einen Erlaß des Führers über die Gewährung von Straffreiheit in den sudetendeutschen Gebieten und im Protektorat Böhmen und Mähren. Durch den Erlaß werden alle Strafen aufgehoben, die nach den Vorschriften des früheren tschecho slowakischen Rechts wegen derZu- gehöri gleit zur NSDAP., der Deutschen Natio- nalpartei, der Sudetendeutschen Heimatfront, der Su detendeutschen Partei, ihren Gliederungen, Unterorgani sationen oder angcschlossencn Verbänden bzw. wegen der Förderung oder Unterstützung der erwähnten Parteien und Organisationen verhängt worden waren. Darüber hinaus wird Straffreiheit für Straftaten und Verwalmngsübertretungen gewährt, die in den sudetendeut- schen Gebieten vor dem 1. Dezember 1938 und auf dem Gebiet des Protektorats vor dem 16. März 1939 im Kampf für die Erhaltung des Deutschtums oder für die Heimkehr ins Reich begangen wurden. Ebenso wird Straffreiheit gewährt für Straftaten und Verwaltungsübertretungen, die in den sudetendeutschen Ge bieten vor dem 1. Dezember 1938 und auf dem Gebiete des Protektorats vor dem 16. März 1939 von deutschen Staats angehörigen oder Volksdeutschen aus politischen Beweg gründen begangen wurden, sofern nicht mehr als eine Frei heitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe bzw. eine Freiheitsstrafe und eine Geldstrafe zusammen, verhängt wor den waren. Landesverrat zum Nachteil des Deutschen Reiches ist von diesen Bestimmungen ausgenommen. Ferner verfügt der Erlaß ohne Rücksicht auf die Art und Höhe der Strafe Straffreiheit für Tschechen bzw. für die nicht deutschen Volksangehörigen der ehemaligen Tschecho-Slowaki- schen Republik für Straftaten oder Vergehen aus politischen Beweggründen, wenn sie in den sudetendeutschen Gebieten vor dem 1. Dezember 1938 und aus dem Gebiet des Protektorats Böhmen und Mähren vor dem 16. März 1939 begangen wor den sind. Ausgenommen von der Straffreiheit sind Verbrechen gegen das Leben, Raub, Sprengstoffverbrechen, wenn dabei ein Mensch getötet oder verletzt worden ist, sowie Handlungen, bei denen die Art der Ausführung eine gemeine Gesinnung des Täters erkennen läßt. Besuch in Estland und Finnland. Ter Chef des Gcneralslabcs des Heeres, General der Artillerie Halder, wird in den nächsten Tagen einer Ein ladung der estischen und finnischen Armee folgen und diesen beiden Ländern einen Besuch abstatten. lWeltbild-Waaenbora-M.k KoMungsveiMse werden schwer veMfk Gegebenenfalls Schließung des Geschäfts Der Reichskommissar für die Preisbildung teilt mtt: Verschiedene Vorfälle geben mir Veranlassung, mtt allem Nachdruck darauf hinzuweiscn, daß Kopplungs- Verkäufe von Lebensmitteln durch die Vorschriften der Verordnung zur Verbilligung des Warenverkehrs vom 29. Oktober 1937 in allen Wirtschaftsstufcn, vom Erzeu ger bis zum Groß- und Einzelhändler verboten sind. Zuwiderhandlungen werden streng be straft. Auch Waren, die zeitweilig knapp sind, müsse« ungekoppclt verkauft werden. Wer einen Käufer nötigt, zuvor oder zugleich andere Waren zu kaufen, um eine bestimmte Ware zu erhalten, verteuert damit die Koste« der Lebenshaltung des einzelnen Volksgenossen. Kopp- lungsvcrkäufc von Lebensmitteln sind deshalb Verrat am der Volksgemeinschaft! Der Kaufmann hat die Pflicht, seine Waren gerecht zu verteilen. Wenn er daher bei der Abgabe knapper War« seine Stammkunden in erster Linie beliefert, so beugt er damit Hamsterkäufen vor und sichert der arbeitenden oder i« Haushalt stark beschäftigten Hausfrau ihren Anteil. Gerecht handelt der Kaufmann, der bei der Verteilung knapper War« die Haushaltungskopfzahl des Stammkunden berücksichtigt Ungerecht handelt derjenige, der die knappe Ware m erste, Linie aus Kosten der wirtschaftlich schwächeren Kunden solche» zukommen läßt, die viel kaufen. Stammkunde ist nicht, we, viel kauft, sondern wer ständig in dem gleichen Geschäft seinen Bedarf deckt. Die Hausfrau muß wissen, daß sie es nicht nötig hat zuerst oder zugleich andere Waren zu kaufen, um bei ihre« Kaufmann ihren Anteil an einer knappen Ware zu erhalte« Sie soll aber nicht mehr verlangen, als der Kaufmann ihr geben kann, insbesondere muß jeder Versuch unterbleiben, der Kaufmann zu verleiten, ihr von einer knappen Ware mehr als ihren Anteil zu verabfolgen. Eine solche Bevorzugung iß ungerecht, weil sie immer nur aus Kosten eines anderen Volks- genossen möglich ist. Wer knappe Ware z« Hamstern versucht, ist ein Volks- schadling! Als ständiger Kunde eines Kaufmannes erhall jeder seinen Anteil auch an einer knappen Ware sicherer, all wenn er versucht, die Ware durch Hamsterkäufe in einer Vieh zahl von Geschäften zu erstehen. Die Preisüberwachungsstellen sind von mir erneut an gewiesen worden, gegen Kopplungsverkäufe von Lebens mitteln mit besonderer Schärfe einzuschreiten und die Schul digen empfindlich, evtl, mit dauernder Schließung ihres Ge schäftes zu bestrafen. Juden in Kurbädekk Wann werden sie zugelassen? — BeschränkMtgev WS Aufenthaltes. Der Reichsinnenminister hat im EinveMchmot mit dem Reichspropagandaminister neue Richtlinien für du Regelung des Besuches jüdischer Kurgäste in Bäder» und Kurorten erlassen. Danach sind jüdische Kurgäste in Heib bädern und heilklimatischen Kurorten dann zuzulassen, wen» ihnen durch ärztliches Attest im Einzelfall eine Kurbehand» lung verordnet ist und wenn außerdem die Möglichkeit bs steht, sie getrennt von den übrigen Kurgästen in jüdische» Kuranstalten, Hotels, Pensionen und Fremdenheimen usw» unterzubringen. Voraussetzung ist dabei, daß in diesen Aw stalten und Betrieben deutschblütiges weibliches Persons unter 45 Jahren nicht beschäftigt wird. Ein von einem jüdi schen Behandler ausgestelltes Attest für die Kurbehandlunj bedarf der Bestätigung durch das Gesundheitsamt. Gemein« schaftseinrichtungen, deren Benutzung für den erstrebten Heib erfolg unerläßlich ist, wie Trinkhallen und Badehäuser, sini den zugelassenen Juden zur Versügung zu stellen. Mit Rück sicht auf die nicht jüdischen Kurgäste können den Juden an gemessene örtliche und zeitliche Beschränkungen hinsichtlich de, Benutzung auferlegt werden. Von den Gemeinschaftseinrichtungen, die nicht unmitteb bar Heilzwecken dienen, z B. von eingezäunten Kurgärte« Sportplätzen, Kurgaststättcn, Kurkonzerten, Lesesälen, Strand» bädern und ähnlichen Einrichtungen, sind die Juden ausz» UrbeberrechiiLuS Kriv-Mordicke-Vcrlaa. Sambura v Das hatte sie auf Petersberg lernen müssen. In der ersten Zeit war sie durchaus nicht mit allem einverstanden, was Ulrich Raabe tat. Ein Mensch, der das Leben wegwerfen wollte, war in ihren Augen früher nichts als ein Schwächling und sie hatte kein Mitleid mit ihm. Aber das gab sich sehr bald, als sie einen Blick auf die andere Seite des Lebens getan hatte. Die hatte sie bisher noch nicht gekannt. Gewiß, sie wußte, daß es im Leben nicht immer so klappte, daß es natürliche Widerstände durch Krankheit oder Pech gab, aber ihr Leben war in einem so geruhsamen Tempo, auf einem so glatten Wege verlaufen, daß sie von den großen Schmerzen des Lebens nichts Wußte. Hier lernte sie Anteilnehmen am großen Leid, lernte sie... helfen. Danielas Schönheit in Verbindung mit der Traurigkeit ihres Wesens, der Zartheit ihrer Erscheinung, hatte etwas Rührendes für sie, und alles Mitgefühl in ihr wurde lebendig. So gerne hätte sie das Mädchen einmal gefragt, nach dem woher und wohin, aber sie wagte es nicht, denn Ulrich Raabe hatte strenge Anweisungen herausgegeben. Sie dachte noch mit Entfetzen an den Fall Manz, wo eine törichte Frage so erregend auf einen der Patienten wirkte, daß ein schweres Nervenfieber ausgelöst wurde. Als Daniela heute zur Ruhe ging, da half ihr die kleine Agnes, ein Mädelchen knapp achtzehn Jahre alt, und Da niela nickte ihr dankbar zu, als sie das Zimmer verließ. Bald schlief das Mädchen tief und fest. An diesem Abend saß Ulrich Raabe zusammen mit Dok tor Sütterlin und seinen Gästen, Geza Janoczi und Doktor Straub, der mit seinem kleinen Wagen aus Kronenberg gekommen war, auf der Terrasse, und sie unterhielten sich sehr angeregt. Lange sprachen sie über Daniela, das seltsame Mädchen. Bis sich das Gespräch dann einem anderen Thema, der Musik, zuwandte. Man sprach über Kunst und Künstler, und Doktor Straub, der das Cello meisterhaft zu spielen vermochte, brachte das Gespräch auf die großen Virtuosen. Man sprach über Paganini. Sie kannten Geza Janoczi alle als den großen Geiger Und waren auf sein Urteil aesvannt. „Ich liebe Paganini nicht!" nahm Geza das Wort. „Ich liebe Virtuosen, reine Virtuosen, deren Können sich im Technischen erschöpft, überhaupt nicht!" „Halten Sie Paganini für einen ausgesprochenen Vir tuosen, lieber Janoczi?" fragte Sütterlin nachdenklich. „Ich... glaube, er war doch mehr, wenn man die unge heuere Wirkung bedenkt, die er auf sein Publikum ausübte." „Und doch war er... nur ein Virtuose! Ich kenne alle seine Stücke, ich spiele die Teufelssonate genau so wie die anderen schwierigen Kunststücke. Aber glauben Sie mir, es ist nur Technik, und nichts anderes. Es ist Musik, die kalt läßt, die dem Herzen nichts gibt. Der einfachste Czar- das, das kleinste Lied, innerlich empfunden und mit Ge fühl gespielt, ist mehr wert!" „Aber wie erklären Sie dann die große Wirkung dieses Mannes, die doch nicht bestritten werden kann?" „Paganini hat in einem untechnischen und damit ruhi gen Zeitalter gelebt. Damals hatten die Menschen Zeit und sie wurden nicht vom Satan Maschine gehetzt. Damals gab es höchstens Spieluhren in kleiner Zahl, abe^ keine technisch vollendeten Musikinstrumente wie das Radio. Die Leute hatten Zeit! Die Ereignisse häuften sich nicht so! Ein gro ßer Geiger war eine Seltenheit. Wir haben heute in Ber lin soviel ausgezeichnete Geiger mit großem Können wie damals vielleicht in ganz Europa. Und kam nun ein so großer Geiger in irgendeine Stadt, dann war's ein gesell schaftliches Ereignis. Das satte Leben wurde aufgerüttelt, man wollte eine Sensation und ein Auftreten dieser selt samen Persönlichkeit wie Paganini genügte vollkommen!" „Und doch hat Paganinis Musik etwas... ganz Selt sames an sich!" warf Doktor Straub eifrig ein. „Sie haben recht, seine Musik ist kalt... aber... manchmal hat sie ge radezu etwas Unheimliches, sogar Quälendes an sich!" „Also teuslische Musik!" warf Ulrich Raabe lächelnd ein. „Gibt es das eigentlich?" erkundigte sich Sütterlin. „Ich meine, gibt es Melodien, die... verhängnisvoll ans die Menschen wirken können?" Aller Augen hingen an Geza, der nachdenklich vor sich hinblickte. „Was meinst du, Geza?" fragte Ulrich Raabe den Freund direkt. „Ja... es gibt solche Melodien! Wir haben in Un garn den Fall gehabt, daß ein Lied verboten wurde, weil es... nachgewiesener Maßen... die Menschen seelisch so ergriff, daß sie... Selbstmord verübten." „Das ist hochinteressant! Aber doch wohl... übertrieben, nicht wahr?" erkundigte sich Doktor Straub. Geza Janoczi sah ihn ernst an. „Haben Sie schon einmal etwas von .Liliths Lied' ge hört? Nein, meine Frage ist müßig! Das ist eine Melo die... die man nickt Ivielen soll. Es gibt auch... ganz wenige Virtuosen, die sie spielen können. Das ist eine Me lodie ... die seltsame Wirkungen auslöst. Sie versenkt in Schlaf, sie macht willenlos, sie bringt manches Menschen Nerven zum Erzittern, daß er sich krank sühlt, je nach der Art des einzelnen Menschen." „Ist das möglich? Das hätte ich nie geglaubt!" Straub schüttelt erstaunt den Kopf. „Und wie erklären Sie das, Herr Janoczi?" „Auf eine ganz einfache Weise. Beim Spielen dieser Me lodie entstehen Obertöne, die für das menschliche Ohr un hörbar sind. Aber diese Tonwellen empfängt der sensible Mensch doch und sie wirken quälend auf ihn." „Jetzt kommen wir auf ein interessantes Gebiet! Wir kung der Strahlungen und Wellen." Doktor Sütterlin war angenehm erregt. „Aber jetzt sagen Sie erst einmal, lieber Janoczi.^», spielen Sie ,Liliths Lied'?" „Ich... kann es!" entgegnete Geza zögernd. - „Aber... Sie spielen es nicht gern!" „Nein, Doktor Sütterlin, ich... müßte mich dazu zwin gen. Ich habe diese Melodie einmal gespielt und mußte erleben, wie ein junges Ding von achtzehn Jahren danach in einen Weinkrampf ausbrach. Ich bin nie so erschrocken, als an diesem Tage!" „Aber wir sind doch Männer, Herr Janoczi!" warf Dok tor Straub ein. Und die anderen vereinten ihre Bitten mit denen Straubs, so daß Geza nachgab und ging, um seine Geige zu holen. * Und dann klang ,Liliths Lied', diese geheimnisvolle Me lodie aus der Putzta, durch die Nacht. Unbeschreiblich süß begann sie, wurde zweistimmig in der Mittellage gespielt, bis die Töne mit einem Mals emporkletterten und die hohen Töne der Geige langgezogen klagten. Es war eigentlich keine Melodie, sondern eine scheinbar kunstlose Aneinanderreihung von Tönen. Manchmal ,chien es, als solle eine Melodie durchdringen, aber dann ver wehten die Töne wieder. Die drei Männer lauschten Gezas Spiel. So fremd kamen ihnen die Töne vor, die in Achtel-, ja Sechzehntel tönen ineinander übergingen und in einer lähmenden Mo notonie ausklangen. Und sie spürten, daß Geza nicht übertrieben hatte. Die Töne taten weh, schmerzhaft Weh, vom Unbehagen bis zum körperlichen Schmerz steigerte sich das Gefühl irr ihnen. „Genug!" sagte Geza Janoczi und ließ die Geige sinken« In dem Augenblick erhob sich Ulrich jäh und starrte ent setzt in die Nacht.