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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 13.10.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-190910130
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19091013
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19091013
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFrankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
- Jahr1909
- Monat1909-10
- Tag1909-10-13
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OeMicder «»« 5Scbri«d« Frankenberg, 12. Oktober 1909. Der Berkehr auf dem hiesigen Bahnhofe gestaltete sich am vergangenen Sonntag trotz des höchst unerfreulichen Wetters immer noch verhältnismäßig lebhaft. Es wurden 1213 Fahrkarten verkauft, darunter 475 nach Chemnitz. sss. Gewerbeverei». Der gestern erst in die Oeffent- lichkeit gekommene Gedanke eines Herbstausfluges, der die Teilnehmer nur einige Stunden vom Hause sernhält, dürfte allseitigen Anklang bei den Mitgliedern gesunden haben. Der leitende Gedanke dazu war, nochmals die Natur mit dem buntgefärbten Laub der Bäume zu genießen, ehe der rauhe Herbst das Leben und Weben in der Natur zum Stillstand bringt. Der Weg von Braunsdorf über die Hofwiese, durch den Wald und an das stille Plätzchen, wo der wiederholt in diesen Blättern besprochene Denkstein des Hauses Vitzthum sicht, wird so manchem neu sein, und auch wer diesen Psad schon oft gegangen, wird immer gern durch das lauschige Stück Erde nach der Höhe von Niederwiesa hinausschreiten und inmitten des neueren, nach städtischer Art angelegten OrtSteils im „Brauhof" eine Gnkehr halten. Nach einem geselligen Stündchen mit dem Handwerkerverein von Ober- und Niederwiesa, einem frischen Abendtrunk und „einem Tänz chen in Ehren" wird jeder die rechte Zeit zur Heimfahrt mit einem der Abendzüge sich wählen können. -s-sx. Weberin»««-. Am 11. Oktober von abends 9 Uhr an wurde die 3. Quartalsversammlung im „Weber- meisterhaus' abgehalten. Hierbei erfolgte zunächst eine Lehr- Bergmann da man gar nicht dagegen, man solle nicht die Summe bewilligen, weil das Mi- nisterium eS fordere, sondern weil man eS für richtig erkannt habe. Der Beschluß deS Kollegiums seinerzeit habe dem Gesetz nicht ent sprochen und die betroffenen Lehrer hätten nicht nur daS Recht, sondern auch die Pflicht gehabt, Einspruch zu erheben. Nach wei teren Bemerkungen der Herren AmtsgerichtSrat Dr. Bähr, Schul rat Dr. Hözel und Schramm wurde der Vorlage zugestimmt. Des weiteren wurden 800 Mark aus Anleihemitteln für das Jahr 1910 bewilligt für Herstellung einer Schleuse in der Mittelstratze. Der Herr Vorsitzende berichtete noch über einige Vorlagen, die nach Aufstellung der Tagesordnung eingegangen waren. Sie betrafen eine unwesentliche Abänderung der Sparkassenordnung und eine Zuschrift der Landesversicherungsanstatt im Königreich Sachsen, daß der Zinsfuß für die Anleihe für die nächsten fünf Jahre 3.7 Prozent beträgt. Das Kollegium nahm von beiden Sachen in zustimmendem Sinne Kenntnis. Die erneute Vorlage wegen Verlegung des Weges am Krankenhaus wurde nach längerer Debatte, auf Vorschlag deS Herrn Vorsitzenden, nochmals an den Rat zurückgegeben. Sodann machte der Herr Vorsteher noch eine recht erfreu liche Mitteilung: Herr Stadtverordneter Kaufmann und Zigarren- fabrikant Otto Hunger, der sich neben anderen Herren verpflichtet hatte, zum Krankenhauserweiterungsbau 5000 Mark beizutragcn, übersandte diesen Betrag am 1. Oktober und sandte aus Anlaß seines 25jährigen GeschästsjubiläumS noch weitere 5000 Mark, di« alS Otto Hunger-Sttftung der Kleinkinderbewahr anstalt zugute kommen sollen. Der Rat hat im Einverständnis mit Herrn Otto Hunger beschlossen, die Verwaltung der Stiftung dem Vorstand genannter Anstalt zu übertragen. Das Kollegium erklärte sich hiermit auch einverstanden und nahm unter Ausdruck herrliche« DankeS von der hochherzigen Stiftung Kenntnis. Der öffentlichen Sitzung folgte noch eine geheime. richterstatter: Herr Fiedlers 793,95 Mark für die Wiederherstellung der durch daS Hochwasser beschädigten Straßen (Berichterstatter: Herr Agsten). 867.16 Mark für Herstellung besonderer Vorrich tungen an der Srssrlanlage de» KrankenhauserwetlerungsbaueS (Berichterstatter: Herr Kühn). Zu letztgenanntem Punkte gab eS eine Aussprache, an der di« Herren Schulrat Dr. Hözel. Rau. Steiner, sowie Stadtbaumetster Hofmann tetlnahmen und welche über verschiedene Punkte aufklärte und die einstimmige Annahme der Vorlage herbeiführte. Die nächste Vorlage, über dir Herr Köhler berichtete, betraf die Bewilligung von 5000 Mark auS Anlechemitteln zur Erneue rung der Kanaleinlausschützenanlage beim Elektrizität»- und Wasser werk. Auch hier konnte man sich der Notwendigkeit der Vorlage nicht verschließen, und nach kurzer Aussprache durch die Herren Steiner und Dr. Bähr stimmte man einhellig zu. Herr Berg man» gab hierauf Bericht über die Vorlage, betreffend Nach- btwilligung von 1058,33 Mark Wohnungsgeld für die ständigen Lehrer ohne eigenen Hausstand. Bet der Gehaltsrczulieruns vor etwa Jahresfrist war für die unverheirateten ständigen Lehrer ein WohmmgSgeld von 200 Mark bewilligt worden. Die in Frage kommenden Lehrer wandten sich an daS Ministerium und hatten de» Erfolg, daß nach langem Hin und Her das Ministerium ver fügte, eS sei ein Wohnungsgeld von 300 Mark zu zahlen. Herr Bergmann ersuchte um Bewilligung des höheren WohnungSgeldeS, da man gar nicht ander» könne. Herr Oberlehrer Glauch meinte lingSausnahme. Den Anwesenden wurde dann zur Kenntnis gebracht, daß der verstorbene Herr Rudolf Bogelsang letzt willig der Weberinnung ein Geschenk von 300 Mark über wiesen hat. Der Betrag soll als Rudolf Vogelsang- Stiftung verwaltet und die Zinsen Alljährlich al» Weih nachtsgeschenk an einen Meister oder eine Meisterswitwe ver wendet werden. Dem edlen Schenkgeber, sowie den Hinter lassenen desselben wurde von der Versammlung der gebührende Dank ausgesprochen. Weitere Mitteilungen, al» Zuschriften vom hiesigen Stadtrat, sowie von der Gewerbekammer zu Chemnitz, den Befähigungsnachweis betreffend, wurden unter bezüglichen Erläuterungen durch Herrn Obermeister E. Zeidler den Anwesenden zur Kenntnis gebracht. f Oberltchteva«. Am Sonntag fand hier Schau turnen statt; zu gleicher Zeit wurde auch die neue Turn- Ha l l e g e w e i h t. Die Uebungen wurden trefflich ausgeführt. f Oberwiesa. Das am vergangenen Sonntag hier ab gehaltene Heidenmissionsfest erfreute sich trotz der Un gunst der Witterung zahlreichen Besuches von nah und fern und nahm einen erhebenden Verlauf. Im Festgottes dienst um 3 Uhr predigte Herr Oberpfarrer Dr. Költzsch aus Chemnitz geistvoll und begeisternd auf Grund von 2. Cor. 9, 15 und unter steter Bezugnahme auf den Bilder schmuck der Kirche, von der Größe der Gabe Gottes und von unserer Pflicht zur Dankbarkeit. In der Nach versammlung im Gasthof zum Lamm wurden wieder vor zahlreicher Zuhörerschaft die Missionsaufgaben unserer Zeit im allgemeinen und besonderen durch die Ansprachen der Herren Oberpfarrer Ehmer-Frankenberg, Superintendent Fischer, Chemnitz und Pastor Holleuffer-Ebersdorf beleuchtet. Den Hauptvortrag hielt lebens- und eindrucksvoll der theo logische Lehrer am Leipziger Missionshaus, Herr Pastor Lohmann, über: „Einst und jetzt am Kilimandscharo." Für alles Gebotene dankte am Schlüsse der Ortspfarrer. Möchte außer dem schönen klingenden Ertrag (Kollekte in der Kirche 90.53 M., in der Nachversammlung 76,11 M.) eine nach haltende Belebung des Missionsinteresses in unserer Gemeinde die Frucht dieses Festes sein! — Mittweida. Zu erheblichen Ausschreitungen ist es am Sonnabend abend auf dem hiesigen Bahnhofe ge kommen. Etwa dreißig russisch-polnische Techniker verübten im Lichthofe großen Lärm, den sie später auf dem Bahnsteige fortsetzten. Alles Ersuchen um Ruhe war fruchtlos, so daß schließlich die Polizei herbeigerufen werden mußte. Bei der Feststellung der Hauptbeteiligten kam es zu Tätlichkeiten ge gen die Sicherheitsorgane. Schließlich wurden sieben Ver haftungen vorgenommen und weitere behördliche Erörterungen sind noch im Gange. Die Beteiligten haben eine gehörige Bestrafung zu gewärtigen. — Dresdea. Der Wirkliche Geheime Rat v. v. Zahn, seit 1884 Mitglied des Evangelisch-lutherischen Landeskon sistoriums, seit 1892 dessen Präsident, wird mit Jahresschluß in den Ruhestand treten. — Dresden. Als des Raubmordes an dem Fleischer lehrling Alfred Hoch dringend verdächtig ist der 19jährige Dienstknecht Witke sestgenommen worden. Er war am Sonn abend aus seiner Stellung in Ockerwitz entlassen worden und > ist vor der Zeit des Verbrechens bei der Schonermühle, wo der Lehrling Fleischwaren ablieferte und Geld in Empfang nahm, gesehen worden. Von der Mordstätte führten zwei Fußspuren über die Felder. In einer der Spuren paßte der Schuh des Verdächtigen genau. Bei seiner Festnehmung wurde ein Schlagring bei ihm gefunden, Geld jedoch nicht. — Riesa. In einem Steinbruche in Kleinzabel ist der 62 Jahre alte Arbeiter Thiele verunglückt. Beim Ueberschrei- ten des Feldbahngleises verlor er einen Pantoffel, den er wieder anzuziehen versuchte, dabei nicht die daherkommende Lori bemerkend. In dem Augenblicke, als er den Fuß in den Pantoffel stecken wollte, kam die Lori heran, stieß ihn um und fuhr über den zwischen den Schienen stehenden Fuß, denselben fast durchschneidend. Der Verunglückte wurde nach dem Ländlichen Krankenhause in Meißen gebracht, wo er ge storben ist. — Grotzeuhaia. Dem Gutsbesitzer W. in dem Großen hain benachbarten Naundorf war schon seit einigen Wochen, und so auch in letzter Zeit, von seinem Felde Kraut und Sellerie gestohlen worden. Alle Ermittelungen nach dem Diebe waren aber bisher vergebens. Da ließ er den Polizei hund „HarraS" mit seinem Führer von Meißen kommen, und mit dessen Hilse gelang eS, den Dieb in der Person des wegen deS gleichen Verbrechens schon vorbestraften Arbeiters Pfennig in Mülbitz zu ermitteln. „HarraS" verfolgte die Spur vom Felde bis zum Hause^ dr- Diebe-, in dessen Keller ein großes Krautlager vorgesunden wurde. — B*r«a bei Leipzig. Der 19 Jahre alte Hausknecht Martin aus dem Nachbardorf Flößberg wurde von Krämpfen befallen und riß beim Niederstürzen die brennende Petroleumlampe um, wobei diese explodierte. Der be dauernswerte junge Mann, der zufällig ganz allein in der Stube war, erlitt hierdurch so furchtbare Brandwunden, daß er am darauffolgenden Tage nach großen Schmerzen seinen Geist aufgab. — Kr»hb«rg. Von dem abends 6 Uhr 28 Minuten von Kohren nach Frohburg verkehrenden Personenzug ist auf dem Greifenhainer Straßenübergang das Geschirr des Gast- hofsbesttzers Klinger in Greifenhain angefahren worden. Dabet wurde das Pferd tödlich verletzt; der Kutscher ist un versehrt davongekommen. — Aauaber-. Reiche Vermächtnisse hat die Frau Dr. med. Schreiter letztwillig unserer Stadt ausgesetzt, die jedoch erst nach Ableben deS Gatten in Kraft treten: 1. ein Wohnhaus am Markt, das von dem amtierenden Bürger meister unentgeltlich benutzt werden soll, 2. 4600 Mark für Studierende der Medizin, 3. j« 1000 Mark für die Armen krankenpflege und für die Gemeindediakonie, 15 000 Mark für das Hospital. Der verstorbene Privatmann Irmscher, der Vater der letzteren, hat auf letztwilligen Entschluß der Stadt 9000 Mark ausgesetzt, ebenfalls zum Besten des Hospitals. — Pl««e«. Die Lohnbewegung in der Stickerei- Industrie, welche nun schon mehrere Wochen andauert, hat einen ernsteren Charakter angenommen. Die Mitglieder des Lohnmaschinenbesitzer-VereinS, welche den von den Fabrikanten geforderten Lohn nicht bezahlt erhielten, mußten, einem Be schluß des Vereins folgend, am Sonnabend ihren Stickern zum 23. Ostober kündigen. — Alteabarg. KönigFriedrichAugustvon Sachsen traf am Montag nachmittag kurz vor 5 Uhr, von Dresden kommend, zum Besuch des Herzogspaares hier ein. Am Bahnhof fand großer Empfang statt. Der König begrüßte den Herzog aufs herzlichste. Nach Vorstellung des Gefolges wurde die Ehrenkompanie abgeschritten und der Parademarsch abgenommen. Sodann wurde die Fahrt nach dem herzog lichen Residenzschloß angetreten. Zur Rechten des Herzogs hatte König Friedrich August Platz genommen, in den fol genden Wagen befand sich das Gefolge und der Ehrendienst. In den Straßen nach dem Residenzschloß hatten sich zahl reiche Zuschauer eingefunden, die den König und den Herzog aufs lebhafteste begrüßten. Die Stadt prangt im reichsten Flaggenschmuck, daS Wetter ist schön. Am Abend fand im Schloß Galatasel statt. Nach der Tafel wohnten die hohen Herr schaften der Ausführung deS Lustspiels „Renaissance" von Schönthan und Koppelfeld im Herzoglichen Hoftheater bei. Am Dienstag früh unternahm der Herzog mit seinem hohen Gaste eine Rundfahrt durch die Stadt. csgersercditdtt. »««tsch«» ««ich. — Zur Wahlbewegung. Wie verlautet, wird im 25. ländlichen Wahlkreise (Borna-Grimma) dem bisherigen konser ativen Abgeordneten Opitz von nationalliberaler Seite Direk or Grützner-Dresden gegenübergestellt werden. — Im 27. ländlichen Wahlkreis (Döbeln - Hainichen - Land), den bisher Geheimrat Dr. Mehnert vertrat, wurde von national liberaler Seite als Kandidat Gutsbesitzer Richard Schei nert aus Grünberg bei Augustusburg aufgestellt. — Weiter wurde in dem 39. ländlichen Wahlkreise (Crimmitschau-Werdau) von nationalliberaler Seite ein Kandidat in der Person des Rittergutsbesitzers und Fabrikanten Karl Wolf in Schweins burg aufgrstellt. — Bürgerliche Uneinigkeit in Halle? Eine Ai« letzten Naims. Roman von Albert Graf von Schlippe nbach. Nach wenigen Minuten, wäbrend welcher Herr Max aufgeregt hin und her lief, und Bernhard wie ein be gossener Pudel dastand, schallte denn auch ein Gekeife aus Frau von Apens Wohnzimmer, gegen das Herrn von Heubergs Toben gar nicht zu rechnen war. „Der Kampf mit dem Drachen," murmelte er grimmig, warf noch einen vernichtenden Blick auf den Sohn und ging dann den Ställen zu. Bernhard blieb allein. Sein Bruder und die Schwestern waren schon längst verschwunden. Die kurze Heimfahrt nach Schwarzhof verlief ziemlich einsilbig. Selbst Rosemarie plauderte wenig. Kaum war Kurt in sein Zimmer getreten, als Franz ihm eine Depesche überreichte. Sie enthielt die Nachricht, daß der Streik in Garenzo ausgebrochen war. Dann wurde das Abendessen gemeldet; der Aufenthalt in Oberrankin hatte sich doch über zwei Stunden, länger als man gerechnet, ausgedehnt. Während der Mahlzeit versuchte Kurt unbefangen zu plaudern. Es gelang ihm jedoch nur schlecht, seine Er regung zu verbergen, denn daß er morgen reisen mußte, stand bei ihm fest. Außerdem sehnte er sich, die Cousine endlich allein zu sprechen. Agnes wiederum merkte dem Netter an, daß etwas Besonderes ihn beschäftigte. Sie ahnte eine unangenehme Nachricht aus der Schweiz; aber sie fragte nicht, da Kurt schwieg. Die Ungewißheit, ob er reisen würde, marterte sie; sie fühlte auch, noch heute mußte eine Entscheidung über ihr ganzes zukünftiges Leben fallen. Das machte sie nervös und zerstreut. Die Schweizerin beobachtete beide scharf. Da sie Kurt und Agnes mit den eigenen Gedanken beschäftigt glaubte, hielt sie Augen und Mienen weniger im Zaum als sonst. Aber Agnes bemerkte ihre forschenden Blicke und wurde dadurch erst recht ver wirrt. Endlich ging die Malzeit zu Ende. Rosemarie, nicht gewöhnt, unter vielen Menschen zu sein, hatte der Ausflug müde gemacht. Sie sagte daher dem Vater und der Tante gute Nacht und zog sich mit ihrer Erzieherin zurück. Nm liebsten wäre Agnes auch in ihr Zimmer geflohen. Sie war sicher, den Vetter von Herzen zu lieben. Aber eine mädchenhafte Scheu ließ sie vor dem Augenblick erzittern, in dem sie es bekennen sollte. Wenn sie darandachte, Kurt ja schon am Morgen gezeigt zu haben, wie es um ihr Herz stand, glaubte sie vor Scham versinken zu müssen. Doch sie mußte bleiben, schon um Gewißheit zu haben, ob der Vetter reisen würde. Kurt hatte sich von seinem Sitz erhoben und ging einige Male im Zimmer auf und ab. Die innere Erregung spiegelte sich deutlich in seinem Gesicht. Jetzt blieb er vor Agnes stehen. „Ich muß morgen fort. Vor einer Stunde erhielt ich das erwartete Telegramm. Der Streik ist ausgebrochen." Sie war ja darauf vorbereitet, aber nun, wo es zur Gewißheit geworden war, traf sie es hart. Sie wurde leichenblaß und bedeckte die Augen mit der Hand. Ein Beben flog durch ihren Körper. Weinte sie? „Agnes! läßt du mich ungern ziehen? — Sieh, auch mir tut es weh, gerade in dieser Zeit von dir scheiden zu müssen. Heut morgen der Brief Kagens, nachmittags die Belästigung durch Bernhard Heuberg — ich sah es dir an, ohne daß du es mir sagtest. — Wer weiß, wer noch weiter versuchen wird, sich an dick heranzudrängen! Willst du mir nicht den Trost mitgeben, daß ich von nun ab nicht nur die Pflicht als dein einziger, männlicher Verwandter, sondern das Recht habe, dich künftighin zu schützen und alles Un angenehme aus deinem Weg zu räumen? — Willst du mir endlich die Frage beantworten, die ich morgens an dich richtete?" Kurt nahm ihr sanft die Hände vom Gesicht und zog die Willenlose an sich. „Hast du mich ein wenig lieb, Agnes? Willst du nicht schon um Rosemaries willen mir einen Platz in deinem Herzen einräumen und dem verwaisten Kinde eine treue Mutter sein?" Agnes schluchzte leise. Sprechen konnte sie nicht, aber sie legte den Kopf auf Kurts Schulter und schmiegte sich an ihn. Einen Augenblick ruhte sie dort. Dann hob sie das Gesicht, und aus ihren Augen leuchtete so viel Demut, Liebe und Vertrauen, daß er die Braut überglücklich in seine Arme schloß. Agnes und Kurt merkten nicht, daß Franz mit einem Tablette vom Eßzimmer her hereintrat, um seinem Herrn den gewohnten Abendtrunk zu bringen. Leise auf den Zehen schlich der alte, treue Mensch zurück. Die Platte zitterte ein wenig in seinen Händen. Draußen, außer Hör weite, setzte er sie auf einen Tisch und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. „Wenn das mein seliger Herr erlebt hätte I" murmelte er mit glückstrahlendem Ge sicht. Dann wartete er, bis er nebenan wieder sprechen hörte, und kam, sich vorher verschiedene Male diskret räuspernd, wieder ins Zimmer. Agnes trat tief errötend einen Schritt zurück, aber Kurt nahm sie bei der Hand. „Mein Alter," meint« «r zu Franz und zog die Braut zu ihm heran, „du sollst der erste sein, der uns seinen Glückwunsch sagen darf. Hier stelle ich dir die zukünftig« Herrin von Schwarzhof, meine liebe Braut, vor." Viel schöne Worte zu machen, hatte Franz in der Ein samkeit von Schwarzhof nicht gelernt. In einfacher, schlichter, aber herzlicher Weise brachte er seinen Glückwunsch dar und zog bewegt die Hände des Brautpaars an die Lippen. „Kurt," meinte Agnes stockend, „ich möchte aber, daß Franz noch nicht über unsere Verlobung spricht, wenn es dir recht ist." Befremdet schaute Kurt sie an. »Ich sage dir meine Gründe nachher. „Gut, mein Liebling. Ganz, wie du es wünschst. — Also, mein Alter, npch nichts verraten." „Von mir erfährt kein Mensch etwas," versicherte der Getreue und zog sich mit einer Verbeugung zurück. „Und warum soll unsere Verlobung noch geheim bleiben?" fragte Kurt und legte den Arm um Agnes' Taille. „Ich hätte dir gleich davon sagen sollen, als ich es bemerkte. Die Benoit kennt Donatus Heuberg entschieden längst und steht mit ihm in Verbindung. Zweimal bereits fing ich Blicke des Einverständnisses zwischen ihnen auf." „Aber ich bitte dich, du mußt dich täuschen. Woher sollte sie ihn kennen, und was hat es mit unserer Ver lobung zu tun?" „Nein, Kurt, ich täusche mich nicht! Woher die Be kanntschaft stammt, kann ich nicht sagen, aber ich bin sicher, daß sie besteht. Das Geheimhalten gibt mir zu denken. — Hat sie sich vielleicht ehemals Hoffnungen gemacht, einmal Rosemaries Stiefmutter zu werden; spinnt sie nun eine Intrige? Ich weiß e» nicht, aber sie ist mir geradezu un heimlich geworden. Eine innere Stimme sagt mir, daß sie nichts Gute» im Schilde führt. Bitte, laß unsere Verlobung erst nach deiner Rückkehr bekannt werden. Walkerode» werde ich es natürlich sagen, ebenso unserm allen Hörn."
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