Nr.1v 16. Jahrgang Beilage zum General-Anzeiger Oktober 1939 Line NvMukekenMi't vor IVO Fakren Einkehr im Gasthof Zitzschewig Um die alte Postkutsche und um ihren Lenker, den Postillion, der, hoch kkuf dem Bocke thronend, sie unter Hellem Schmettern des blinkenden Post hornes über die Landstraßen führte, hat die gefühlsselige Biedermeierzeit einen! romantischen Schimmer gewoben, der bis in unsere Zeit hinein in den Liedern unserer Dichter und in Bildern von Malern wie Spitzweg, Ludwig Richter u. a. fortlebt. Sie verherrlichen die Reisen mit der Postkutsche und singen und sagen von den Reizen einer solchen, so daß man glauben möchte, eine Fahrt in einem solchen hochrädrigen Fahrzeug über die Landstraßen der sogenannten alten guten Zeit wäre eitel Freude und Lust gewesen, und man müsse bedauern, daß die Eisenbahnen, die mit immer größer werdenden Geschwindigkeiten Raum und Zeit überwindend, durch die Länder brausen, dieser rosenroten und himmel blauen Romantik den Garaus gemacht haben. Unsere Reichspost läßt heute solch ein Stückchen Biedermeierpoesie und Reiseromantik zwar wieder aufleben, hat in landschaftlich fchönen und reizvollen Gegenden den alten Postwagen wieder zu neuem Leben erweckt. Aber diesen neuen Neisegelegenheiten, die sich neben den modernen Autobussen und den riesenhaften Stromlinienlokomotiven wunder lich ausnehmen, haftet Musenmsgeruch an und macht sie zu einer Kuriosität in unserer Zeit. Zweifellos ist eine Fahrt in solchen wiedererstandenen Post kutschen besinnlicher und genußfroher, als eine Reise im Abteil eines V-Zuges oder in den Polstern eines kilometerfressenden Kraftwagens, aber sie ist doch eben nur eine liebenswürdige Reminiszenz an eine längst cntschwnndene Zeit, in der die Menschheit viel gemächlicher leben konnte als ihre Nachfahren der Gegenwart. In Wirklichkeit war eine Reise in der alten Postkutsche, wie sie beispiels weise zu Urgroßvaters Zeiten die Verbindung zwischen Dresden und Leipzig herstellte, eine Strapaze, und war alles andere als idyllisch und romantisch. s?