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Die Aebergabe der Die Botschafter Englands. Frank reichs, Italiens und Japans, sowie der belgische Gesandte haben gestern nachmittag dem Reichskanzler die Kollektivnote übergeben, in der die alliierten Regierungen der Reichsregierung die Maßnahmen mitteilen, von denen sie die Räumung der nördlichen Nheinlandzone abhängig machen. Der Reichskanzler nahm die Note mit fol gender Antwort entgegen: „Seit der llebergabe der alliierten Noten am 5. und 26. Januar, auf die Euere Exzellenz soeben Bezug ge nommen haben, hat die Reichsregierung sowohl bei der Beantwortung jener Noten als auch bei anderer Gelegenheit wiederholt Anlaß genommen, ihren Standpunkt in der Frage der Räu mung der nördlichen Nheinlandzone darzulegen. Ich nehme auf diese Erklärungen Be zug. Die mir übergebene Note wird von der Reichs regierung unverzüglich geprüft werden. Die Neichs- regierung wird sodann Entscheidung über ihre weiteren Mahnahmen treffen." Die Note und ihre Anlagen werden am Sonn abend morgen veröffentlicht werden. Mit der Ueberreichung der alliierten Note über die Entwaffnungsfrage tritt jetzt die außenpolitische Lage in ein entscheidendes Stadium ein. Wie wir hören, gedenkt die Reichsregierung nunmehr eine Reihe von diplomatischen Aktionen zu unternehmen, um die Folgen, die sich aus den neuen alliierten Entwaffnungs bedingungen ergeben, abzuwenden und zu verhüten, daß die feit den letzten Monaten betriebene Außen politik mit einem Mißerfolg über die Regierung Luther-Stresemann endet. Ueber den In halt der alliierten Note wird bis zur Veröffentlichung -es Dokumentes von Seiten der deutschen Regierungs stellen strengstes Stillschweigen gewahrt. Aus den An deutungen der unterrichteten Stellen kann man nur so viel entnehmen, daß die Lage ziemlich ernst ist, daß aber mit der Wahrscheinlichkeit baldiger Verhandlungen zwischen Deutschland und den Alliierten gerechnet werden kann. Im ersten Augenblick erscheint die Situation allerdings so, daß die vorhandenen Schwierigkeiten durch sehr ernste Gegensätze zwischen Deutschland und den Alliierten erheblich verschärft werden dürften. Die Der Amt m re» SiWeitsBI. Briands Antwort an Chamberlain. (Eigener Funkspruch der Radeberger Zeitung.) Paris, 5. Juni. Die französische Antwort auf die englische Note wurde, wie am Quai d'Orsay ver lautet, gestern abend nach London abgesandt. Das Schriftstück stellt, wie die heutigen Morgenblätter be haupten, die endgültige Fassung des französischen Ent wurfes einer Antwort auf das deutsche Sicherheitsangebot dar. Nach den Morgenblättern nimmt die französische Regierung in dem Antwortentwurf mit Genugtuung da von Kenntnis, daß das britische Kabinett bereit sei, die Sicherung der Rhein grenze zu garantieren und die bestehenden Verpflichtungen aus dem Ver sailler Vertrag und dem Völkerbundspakt erneut zu festigen. Das Schriftstück enthält keine Anspielung auf etwaige Schiedsgerichtsverträge betr. die West- und Ostgrenzen und hebt lediglich die Frankreich in dieser Frage zugesicherte Handlungsfreiheit ausdrücklich herovor. Die optimistische Auffassung der diplomatischen Kreise habe sich als begründet erwiesen, denn soweit die britische Note unkl are Stellen über die Ost grenzen enthielt, sei sie durch mündliche Zu sicherungen der Wortführer des Londoner Kabi netts ergänzt worden, die vielleicht noch schriftlich nie dergelegt werden würden. Der Nachtrag werde beson ders die Artikel 16 und 17 des Völkerbundspaktes be treffen. die sich aus Verpflichtungen beziehen, im Falle Frankreichs östliche Verbündete angegriffen werden. Nach dem Petit Parisien ist jetzt nur noch von einem Viermächte pakt die Rede, der auf Bel gien, England, .Deutschland und Frankreich beschränkt werde. Italien werde den Angelpunkt zu einem an deren Patt bilden, an dem Oesterreich, Deutschland,' dik Tscbechoslowakei und vielleicht noch andere Staaten be teiligt sein würden. Die Blätter betonen allgemein das völlige Einvernehmen zwischen Frankreich und England. Im übrigen wird angenommen, daß Briand und Cham berlain ihren Genfer Aufenthalt dazu benutzen werden, mn gewisse noch schwebende Fragen zu klären. Es wird erklärt daß in Fragen der Abrüstung zwischen Frank reich und England nahezu volles Einvernehmen herrsche. — Die Blätter weisen darauf hin, daß Deutschland j e tz t d a s W o r t h a b e. Ter Temps nimmt die Gelegenheit wahr, um in schulmeisterlichem Tone Deutschland Vorhaltungen und Mahnungen zu gutem Wohlverhalten zu machen. Diese Ausdruckweise dürfte nicht geeignet sein, in Deutschland eine günstigere Stimmung zu schaffen. Es heißt, man nehme trotz der gereizten Kommentare in einem Teil der deutschen Presse nicht an, daß Deutschland unter dem Vorwand der Nichträumung Kölns das Sicherungs angebot wieder zurückziehen werde. Tie deutsche Re gierung wäre sich darüber klar, daß sonst sämtliche Vor teile seit Annahme des Dawesgutachtens wieder ver loren gehen würden. Schon wegen des Eindruckes auf die ösfenmche Meinung Großbritanniens und Amerikas werde sich Stresemann vor einem übereilten Schritt in acht nehmen, um so mehr, als die Folgen einer neuen Auf lehnung Deutschlands (!) denkbar ungünstig wären. Das bringe auch die heute abgesandte Abrüstungsnote un- Entwaffnungsnote. Forderungen der Alliierten erscheinen derartig schwer wiegend, daß man zweifellos mit außerordentlich scharfen Depressionen bei der deutschen öffentlichen Meinung wird rechnen müssen. Aufgabe der Reichs regierung wird es sein, durch schnelle Entschlüsse dem Standpunkt der beteiligten deutschen Kreise Rechnung zu tragen und die Diskussion mit den alliierten Re gierungen sofort aufzunehmen. Wie die Tägliche Rundschau meldet, weist man in politischen Kreisen darauf hin, daß bei der Fühlung nahme der Reichsregierung mit den hinter dem Ka binett stehenden Fraktionen des Reichstages gewisse Meinungsverschiedenheiten auftauchen könnten, falls das Kabinett unerfüllbare oder auch unberechtigte Zu geständnisse machen würde, um eine möglichst schnelle Räumung der nördlichen Rheinlandzone zu erreichen. Selbstverständlich, so betont die Tägliche Rundschau, sollen die Interessen der Bevölkerung des besetzten Ge bietes soweit wie möglich wahrgenommen werden. In dessen dürfen die vom Neichsaußenminister in seiner letzten Reichstagsrede festgelegten Richtlinien gerade in dieser Frage nicht verlassen werden. Maßgebende po litische Kreise der Regierungsparteien sind der Ansicht, daß von entscheidender Bedeutung für die Erfüllung der Forderungen der Votschafterkonferenz die Tatsache sein werde, ob die Note bestimmte Zusicherungen über die Räumung der ersten Rheinlandzone enthält, das heißt, ob ein bestimmter Termin angegeben wurde und ob die jetzt ausgestellten Forderungen so klar und ein deutig formuliert sind, daß über eine Erfüllung oder Nichterfüllung dieser Forderungen nicht nachträglich neue Meinungsverschiedenheiten konstruiert werden könnten. In den parlamentarischen Kreisen der Rech ten trägt man sich mit dem Gedanken, nun endlich mit dem Schneeballsystem der alliierten Forderungen in der Entwaffnungsfrage Schluß zu machen. Keine Räumung Kölns vor Iahresschluß? Verlin, 5. Juni. Die Morgenblätter melden aus Köln: Wie der Londoner Vertreter der „Köln. Ztg." be richtet, beginnt man in englischen politischen Kreisen im mer mehr zu zweifeln, daß die Entwaffnungsforderungen so rechtzeitig erfüllt werden können, daß die Räumung Kölns gleichzeitig mit der Nuhrräumung im August er folgen könnte. Man hält das Jahresende für den frühe sten Termin. zweideutig zum Ausdruck, indem sie ausdrücklich fest stelle, daß die besäüeunigte Räumung der Kölner Zone nur eine Frage des guten deutschen Willens sei. Ilkan kann unmöglich annehmen, sagt der Temps, daß eine deutsche Negierung durch Auflehnung eine wei tere Hinausschiebung der Räumung der Kölner Zone auf sich zu nehmen gewillt ist. Abschied von der Papiermark. Jede Aufwertung von Geldscheinen ausgeschlossen. Mit dem heutigen Tage verschwindet das übelste Produkt der Inflationszeit, die Papi ermark. Auf Grund der Bekanntmachung der Neichsbank vom 5. März 1925 hörte sie mit diesem Tage aus, gesetzliches Zah lungsmittel zu sein. Neichsbankdirektor Schott äußert sich aus diesen: Anlaß einen: Zeitungsvertreter gegen über über die hierdurch geschaffene Lage für das große Publikum: Im Publikum herrschen trotz mannigfacher Bedenken noch viele Irrtümer über das Ende der Mark. Nicht mehr gesetzliche Zahlungsmittel nach dem 5. Juni sind alle Banknoten, die auf Mark lauten, während alle anderen Zahlungsmittel, die auf Rentenmark oder Reichsmark lauten — mit Aus nahme der wegen vieler Fälschungen aufgerufenen 5V-Nentenmark-Scheine — nach wie vor volle Gültigkeit besitzen. E, kommen vor allem die Villionenscheine in Betracht, die noch in größeren Mengen im Umlauf sind. Etwa der zwanzigste Teil der ausgegebenen Papier markscheine ist noch nicht zurückgeliesert; das ist in An betracht der ungeheuren Mengen Papiergeld, die in den letzten Jahren ausgegeben worden sind, nur noch sehr wenig; in Goldmark umgerechnet etwa 50 Millionen Mark, die wohl zum großen Teil, soweit sie nicht durch Verlust oder Beschädigung in Fortfall kommen, in den letzten Tagen noch eingeliefert werden dürften. Auf die Frage, ob durch den Aufruf kleiner Gruppen, die das Publikum auffordern, das Papiergeld nicht ab zuliefern, wiel es aufge wertet werden müßte, grö ßere Beträge zurückbehalten würden, erwiderte Reichs- bankdireltor Schott: „Tas glaube ich nicht. Ich ver weise darauf, daß eine Aufwertung 1. durch unser Gesetz abgelehnt wordm ist, daß dies 2. der Dawes- Plan verbietet, und daß 3. die Klage des Feuerwehr mannes Jaenisch gegen uns die prinzipielle Bedeutung hat, daß sie abgewiesen worden ist und nach meinem Ta- fürhalten auch in der Revisionsinstanz ebenso abgewiesen werden dürfte. So wie die Dinge jetzt liegen, ist jede Aufwertung von Geldscheinen auch in Zukunft ausgeschlossen. Ter 5. Juni ist gleichsam der endgültige Strich unter die Inflationszeit. Wer sich unnütze Mühe ersparen will", schloß der Direktor Schott, „sehe gleich noch ein mal Brieftasche und Sparstrumpf nach, ob sich in ihm vielleicht noch ein auf Mark lautender Papierschein be findet. Denn am 6. Juni nimmt außer der Reichsbank selbst kein Mensch mehr diesen Schein, da die Scheine mit dem 5. Juni ihre Eigenschaft als gesetzliches Zah lungsmittel verlieren." , Die Lage in China. Die Nachrichten aus Schanghai sind nach wie vor voller Widersprüche. Einerseits wird über eine Besse rung der Lage berichtet, andererseits nimmt die Streik bewegung an Auswirkung zu. Die Anzahl der Streiken den in Schanghai wird heute auf 100 000 geschützt. Zwei englische Kreuzer sind in Schanghai, zugleich mit Unter seebooten und Kanonenbooten, eingetroffen. Weitere Kriegsschiffe werden heute in Schanghai erwartet. In amtlichen Kreisen ist man der Meinung, daß mit dieser Verstärkung die Lage in Schanghai gesichert ist. Der russische Botschafter in Peking hat gestern an die chinesische Regierung eine Sympathienote gerichtet. In Peking sind die Bemühungen der Studenten schaft, mit der Kaufmannschaft eine Kommission zu bil den, fehlgeschlagen. Die chinesische Handeskammer hat es abgelehnt, den Streik zu erklären. Man weist darauf hin, berichtet Reuter, daß sich die Demonstrationen saft ausschließlich gegen Engländer und Japaner gerichtet hätten und nicht gegen andere Nationen. Der diploma tische Mitarbeiter des Evening Standard bezeichnet die Lage als gebessert, wenn auch noch als üußerstern st. Ein Bericht des Star ist weniger optimistisch. Er weist auf den fremdenfeindlichen Charakter der Bewegung hin. An der Börse zeigen die chinesischen Werte eine nicht unerhebliche Abschwächung. Alles in allem läßt sich nach den Eindrllen der gesamten Nachrichten in London nicht bestreiten, daß die Lage als recht ernst an- zufehen ist. Es sind weniger die tatsächlichen Ereignisse, welche Beunruhigung verursachen, als vielmehr der aus gesprochene fremdenfeindliche Charakter der Bewegung. Es muß darauf hingewiesen werden, daß die englische und interalliierte Politik seit Ende des Krieges bis zur Gegenwart den Boden für eine solche fremdenfeindliche Bewegung vorbereitet hat. Insbesondere trägt das Vorgehen gegen die deutsche Kolonie ^n China, die im Jahre 1919 von der chinesischen Regierung auf Drängen der Engländer und Amerikaner deportiert worden ist, nun Früchte. Dadurch ist das Ansehen Chinas im Aus lande stark herabgesetzt worden. Es war nicht über raschend, daß nunmehr seitens der chinesischen Bevölke rung die Forderung gestellt wird, auch den übrigen Aus ländern die Exterritorialität zu nehmen, die man den Deutschen im Friedensvertrag genommen hatte. Die Lage äußerst kritisch. (Eigener Funtspruch der Radeberger Zeitung.) Nach amerikanischen Meldungen hat der amerika nische Generalkonsul dem Staatsdepartement aus Schanghai mitgeteilt ,daß die Situation sich im merkritischer ge st alte und die fremden feindliche Bewegung immer mehr um sich greife. Ein Angriff der Streikenden auf japa nische Fabriken sei unter Verlusten zurllckgeschlagen wor den. Eine amerikanische Matrosenabteilung erwartet den Angriff auf den Wasserturm. Die Straßen in der Nähe des Wasserkessels werden andauernd von zwei Panzer autos bewacht. Politische TaAesichM. Ter Rei chsverkehrsminister besichtigt dos Aachener Industriegebiet. Nachdem erst vorgestern der preußische Handelsminister Dr. Schreiber in wirtschaftlichen Angelegenheiten Aachen einen Besuch abgcstattet hatte, weilte gestern Reichsverkchrsminister Dr. Krone in ähnlicher Mission in Aachen. Der Besuch erfolgte, um in Verfolg der kürzlich vom Neichstagsab- ,geordneten Sinn im Reichstag eingebrachten Interpella tion über den Bau des für das Aachener Wirtschafts gebiet so ungeheuer wichtigen Seitenkanals zum Rhein, Besichtigungen vorzunchmen und Feststellungen zu machen. Ter Minister hatte bereits eine eingehende Besprechung mit dem Reichstagsabgeordneten Sinn, dem Regierungs präsidenten, Vertretern der Städte, Industrie- Un- Handelskammer. Es fand auch eine eingehende Be sichtigung des Aachener Industriegebietes, insbesondere des Wurnrberzbaugebietes statt. Ein Mitglied der Pariser deutschen Wirtschaftsdelegation nach Berlin abge reist. Geheimrat Matthes, Mitglied der deutschen Wirtschaftsdelegation, der die Fühlung mit den Schwer industriellen aufrecht erhält, ist gestern abend nach Berlin abgereist. Frankreich. Ministerrat-Sitzung. Ter Ministerrat be schäftigte sich mit der Lage in Marokko. Nach dem offiziellen Kommunique spielen sich keine besonderen Kampfhandlungen ab. Tie Lage gibt zu keinerlei Sorge Anlaß. Bei Ausgang der Sitzung erklärte Briand in: Hinblick auf die Garamievertragsoerhandlungen, daß er ein volles Einvernehmen mit Großbritannien herbei führen werde. Tie Antwort auf das Sicherheitsan- gebot werde erst gegen Ende der Sitzung des Völker bundsrates nach Berlin gesandt werden. Caillaux er klärte auf Anfrage, daß die Tevisenhausse sich durch die Nohstoffkäuse der Baumwollindustrie erklären lasse, welche zu dieser Zeit des Jahres zum Abschluß gelangen. Es könne im Augenblick keine Rede davon sein, Gold reserven zur Durchführung einer Aktion aus den Mm,kt zu wclsen da die Hausse nicht durch Spekulation her- vorgerufen worden sei. Spanien. Eine spanisch-französische Mar okko kau fe rcnz. Aus Barcelona wird gemeldet, daß General Primo de Rivera in einem Interview die Eröffnung einer franko-spanischen Konferenz über Marokko als be vorstehend angekündlgt habe. Tie Bevollmächtigten der beiden Negierungen würden über die Grundlinien eines Abkommens verhandeln, das von beiden Mächten ratifiziert wird. Tas spanische Direktorium wünsche, daß die Konferenz in Madrid tagt, doch seien darüber noch keine Bestimmungen getroffen. Amerika. Prote st der Vereinigten Staaten gegen die Ansprüche Kanadas aus den Nordpol- Nach einer Meldung aus Neuyort beabsichtigt die Re gierung der Vereinigten Staaten, gegen die Ansprüche Kanadas auf den Nordpol Protest cinzulegen.