66 sah er Wilhelm sich aufs Pferd schwingen, und wünschte ihm füßlächelnd, mit verborgenem Spott, eine glückliche Reife. Schnell gings zum Dorfe hinaus. Der Mond begann seinen Pfad zu beleuchten; da sprengte Wilhelm vor einer kleinen Hütte vorbei, wo, von der Last und den Beschwerden des Tages ermüdet, Claus, der ärmste Tagelöhner der umliegenden Gegend, in feiner Hüttenthüre saß, in der Hand sein Abendbrod, das er endlich mit Muße verzeh ren konnte, mit trüben schläfrigen Augen und mit gähnendem Munde, den Mond kalt und gefühllos entgegensah, als Wilhelm eben vor- beijagte. Mit offenem Maule sich er ihm nach, voll Verwunderung, welche Geschäfte dieser Mensch noch so spät am Abend haben könnte. Zugleich gewahrt er, daß ein großer Bündel ganz über die eine Seite des Pferdes herüber hängt. Er ruft, schreit hinter her, und läuft schnell dem Reiter nach. Wer aber taub war, das war Wilhelm. Mit verhängtem Zügel flog er die Straße fort. Fast athemlos lief Claus hin terher, und fand endlich mitten im Wege den Mantelsack liegen. Er ruft, er schreit so stark er schreien kann, aber immer vergeblich. Wil helms Vorsprung war schon zu groß, als daß «r hätte sehen und hören können, was hinter ihm vorging. Ueberhaupt ließ ihn auf der letzten Station seine Eile auf nichts Acht Ha den. Claus, ohne den Werth seines Fundes zu kennen, hob seine Deute auf die müde Achsel, voll Verwunderung, sie so schwer zu finden, ohne daß er gleich eine nähere Unter suchung wagte. Sorgsam trug er seinen Fund zur Hütte und verbarg ihn hinter der Feueresse, ohne seinem Weibe etwas merken zu lassen, auf deren Verschwiegenheit er wenig oder nichts rechnen durfte. Täglich ging er nun zue Schenke um zu hören, ob keine Nachfrage ge schehen wäre, entschlossen, de» Mantelsack unerdffnet wieder zurückzugeben, sobald er das Verlangen darnach erfahren würde. Aber zwei Jahre verflossen und niemand meldete sich. Län ger konnte Claus seine Neugierde nicht unbe friedigt lassen. Er bindet und schnallt den Mantelsack auf, und findet zu seinem größten Erstaunen mehr Gold und Silber darin, als er je in seinem Leben gesehen hat. — Wilhelm, der arme Wilhelm , fern von schwarzen Ahndungen langte er um neun Uhr Abends, also noch eine Stunde früher, vor der Pforte des Grafen froh und wohlgemuthet an. Im Geiste schon hatte er die gnädige Miene desselben und die zwei Louisd'or in sei nem Schubfacke vorausgeschen. Er sprang vom Schecken herab, indem er es noch im Sprunge zärtlich am Halse klopfet aber, o Gott! — welch ein tödlicher Schrecken! — — Fort war der Mantelsack! — Starr, halb tobt vor Schrecken stand Wilhelm wie ein Klotz bei seinem Pferde steif und fest. Unnennbare Ge fühle der Schaam, der Furcht und des Er staunens hatten ihn gänzlich überwältigt. Plötz lich trat der Graf zu ihm , der ihn schon von weitem hatte kommen sehen, und sich selbst die hohen steinernen Stufen zu Wilhelm herunter bemühte. (Die Fortsetzung folgt.)