L16 Protoeollextraet. Adorf, am 15. December 184L. In heutiger gemeinschaftlicher Sitzung des Stadt ratHS und der Stadtverordneten beantragte der Vor steher der Letzteren die Unterzeichnung einer Petition an die hohe zweite Kammer für Oeffentlichkeit und Mündlichkeit -es Verfahrens in Straf sachen. Dabei zeigte er in kurzer Rede, wie öffentliches und mündliches Verfahren bei unsern Vorfahren zur Zeit ihrer Freiheit bestanden habe, wie dies später untergraben und die Rechtspflege aus Gottes freiem Himmel in die Raths- und Gerichtsstuben verpflanzt worden sei, bis sich endlich unser geheimes und schrift liches Verfahren gebildet habe: darlegend, wie übel dieses Verfahren an sich sei und wie dessen Mängel nur durch den persönlichen Rechtssinn unserer Beam ten mühsam verdeckt würden. Der Vorsteher bemerk te ferner, daß, wie bekannt, von der Regierung, wel che den Uebclstand selbst erkenne, den Kammern ein Gesetz darüber vorgelegt, solches aber von der H. Kam mer für bedenklich gefunden und an dessen Stelle Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, also eine Rückkehr zur Natürlichkeit und zu einer unserer alten Volks- freiheiten, gewünscht worden sei. Advokat Becker er wähnte ferner, wie sich Oeffentlichkeit und Mündlich keit in Frankreich und England erhalten hätten und so weit ausgebildet worden wären, daß dort kein Mensch dächte, es könne anders sein. Dort wären aber allerdings Geschworne; diese sollten in Sachsen nicht eingesührt werden, sondern eine gelehrte Richter bank, welche ihre Sitzungen öffentlich hielte und vor welcher des Verbrechers Schuld, von einem Ankläger dargelhan, von einem Vertheidiger widerlegt, mündlich verhandelt und gerichtet würde. Bei dem hierüber ent standenen Parlamentären Kampf in der ersten Kam mer habe man, und namentlich Herr Amtshauptmann von Welk, gezweifelt, als sei die wahre Volksstimme für das Gutachten der zweiten Kammer: das Ge schrei nach Oeffentlichkeit und Mündlichkeit rühre nur von einigen Tagsschriftstellcrn und ehrgeitzigen Advo- caten her. Das Gegentheil, fuhr der Sprecher fort, sei Pflicht des Volkes, und Adorf, welches seine Ge richte zutrauensvoll in die Hände des Staats gelegt, ganz besonders dabei betheiligt, so wenig unsere Stadt auch für die Gegenwart, über ihre Beamten sich zu beklagen, Veranlassung habe. der Vorsteher mit dem Entwurf der Petition beauf tragt. Zugleich beschloß man, nicht nur die Bewohner der hiesigen Stadt dazu zu nehmen, sondern auch die Stadtverordneten in Oelsnitz, Neukirchen, Schöneck und Falkenstein, auch Auerbach, dafern Letzteres nicht seine besondere Petition einreicht, aufzufordern und in alle diese Städte einen Bothen zu senden, Letztem auch dafür aus der Stadtcasse besonders zu lohnen. Ueber die Frage, welchem Mitglied der Kammer man diese Petition besonders empfehlen sollte, ent spann sich eine kleine Debatte; von Herrn Bürger, meister Todt, der uns in dieser Sache, wie stets, oh. nehin so gut vertritt, glaubte man diesmal absehen zu müssen; dafür waren die Abgeordneten Braun und Oberländer in Vorschlag; man entschied sich jedoch endlich einstimmig für Herrn Amtmann Jani und zwar deshalb, um diesem Deputaten der voigtländi- schen Ritterschaft ein Zeichen jener wahren und ver trauenden Hochachtung zu geben, welche sich derselbe in seiner Stellung als Richter unseres Ortes schon im geheimen und schriftlichen Verfahren erworben hat, meinend aber, daß sich seine wohlwollende Unparthei- lichkeit im öffentlichen Verfahren noch ganz anders Herausstellen müsse, und annehmend, daß derselbe, selbst als Beamter, mit uns für Oeffentlichkeit und Münd lichkeit in der von der außerordentlichen De putation beantragten Maase stimmen würde. Die Petition soll sogleich morgen vorgelegt, un. terzeichnet und schleunigst weiter befördert werden. Das Protokoll ward vorgelesen, genehmigt und unterschrieben. Wilhelm Becker, als Vorsteher und Protokollführer. Johann Adam Gottlieb Geipel, Johann Gottlieb Heckel, Johann Adam Schopper, Johann Friedrich Schopper, Johann Georg Wilhelm Heckel, Christian Gottfried Geipel, Friedrich Gottlob Geipel, Adam Gottlieb Hendel, Johann Adam Geyer, Christian Gottlob Schopper, Carl Gottlob Roth, Heinrich Ferdinand Müller. Der Vorschlag ward einstimmig angenommen und