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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 21.07.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190107210
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19010721
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19010721
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Tageblatt
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-21
- Monat1901-07
- Jahr1901
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 21.07.1901
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Politische Wochenschau. Das alte Vexirbild „Wo ist die Katz?" ist männiglich bekannt; es hat seitdem in tausendfachen Variationen neue Auflagen erlebt und erlebt noch fort während neue. Auf dem Gebiete der Politik giebt es auch feit zwei Jahren folch ein schönes Bexirbild; es lautet: „Wie ist der Zolltaris?" Die Frage be schäftigt Jedermann, aber die Antwort darauf ist bis her nicht gefunden worden. Wiederholt haben einzelne Blätter „abfolut authentische Informationen" über den neuen Zolltarif gebracht, aber da diesen alsbald noch „authentischere Informationen" folgten, so ist man allgemach gegen diese Informationen mißtrauisch ge worden. Auch in dieser Woche ist eine solche In formation veröffentlicht worden, die entweder richtig ist — oder nicht. Aber die Heftigkeit, mit der schon jetzt um den unbekannten Zolltarif gestritten wird, läßt einen Schluß auf die Heftigkeit des Kampfes zu der uns erwartet, wenn erst der Erisapfel des neuen Zolltarifes unter die Parteien geworfen sein wird. Ein kaum minder heftiger Kampf hat sich neuer dings zwischen dem Centrum und dem Bund der Landwirthe entspann m. Der Bund der Landwirthe hat seit einiger Zeit eine Pursche in die rheinischen und westfälischen Jagdreviere des Centrums unter nommen und das hat das Ccntrum zugleich mit Ent rüstung und mit Sorge erfüllt. Aus diesem Anlaß hat sich zwischen den Blättern der beiden Parteien eine Preßsehdc entsponuen, welche etwas Leben in die politische Sommerstille gebracht hat, die zwar diesmal später als sonst, aber doch endlich ei^getreten ist. In manchen Ländern freilich scheint diese Sommer stille ganz auszubleiben. So vergeht in Spanien keine Woche, in der nicht von neuen Unruhen und Zusammen stößen gemeldet wird. So ist cs in dieser Woche in Saragossa zu ein m Zusammenstoß zwischen den Klerikalen und den Amiklerikalen gekommen, der einen neuen B.weis für die Schärfe erbrachte, welche die antiklerikale Bewegung ir Spanien angenommen hat. In Dänemark ist es sogar zu einer in dieser hochsommerlichen Hitze doch durchaus unangebrachten Ministerkrisis gekommen. Das konservative Kabinet Sehested, das bei den letzten Wahlen eine schwere Niederlage erlitten hatte, hat seine Denniston eingereicht und der greise König Christian hat dies lbe angenommen. Da die Konservativen ihre Majorität in der Kammer verloren haben, wird entweder der Versuch mit einem Konzentrationskabinet aus einem Th il der Rechten und der Linken oder mir einem reinen Kabinet der Linken gemacht werden müssen. Auch in Belgien hat das parlamentarische Leb n noch nicht pausirt. Die harte Nuß, mit deren Knacken die belgische Volksve.tretung sich zur Zeit beschäftigt, ist die Kongovorlcg', der zu Folge Belgien den Kongo staat übernehmen soll, nicht wenn es dem belgischen Staate, sondern wenn cs dem König Leopold von Belgien paßt. Der sta ke Widerspruch, der in Belgien gegen die Annahme der so gestalteten Vorlage laut wurde, ist nach und nach zur Ruhe gebracht worden, sodaß die Repräsentantenkammer am Mittwoch mit 71 gegen 31 Stimmen der Vorlage zugestimmt hat. In Frankreich, diesem unruhigsten aller Länder, wo die Politik fast nie pausirt, ist es zwar auch all- mählig ruhiger geworden, und sogar das anr letzten Sonntag in Paris mit großem Pomp begangene Nationalfest ist mit verhältnißmäßig wenig Ruhe störungen vorüdergegangen, aber an Zwischenfällen hat es in dieser Woche doch nicht gefehlt. Die neueste „Sensation" war diesmal das Attentat, das eine allem Anschein nach mehr oder weniger überspannte Frau auf den Arbeit«Minister Burdin ausgesührt hat. Er freulicherweise ist das Attentat, das eigentlich dem Minister des Aeußeren galt, unblutig ausgegangen. Recht alarmirende Nachrichten sind in dieser Woche auch aus China gekommen, aber da alle diese Alarmnachrichtcn aus englischer Quelle stammen, so werden sie nachgerade mit skeptischem Mißtrauen aus genommen. Von einem berühmten französischen Diplomaten ist, als er starb, gesagt worden: Welchen Zweck verfolgte er damtt? So muß man auch nach gerade an die englischen Alarmnachrichten, denen zu folge sich dem Abschluß der Verhandlungen in Chino neue Hindernisse entgegenstellui, die Frage knüpfen: Welchen Zweck verfolgen die Engländer mit dieser phantasiereichen Berich'erstottunü? Noch größeres Mißtrauen wird mit Fug und Recht der englischen Berichterstattung über oie Vor gänge in Südafrika entgegengebracht. Den Berichten über die englischen „Siege" ist schon zu oft das „dick Ende" nachgefolgt, daß sie entweder überhaupt nicht oder wenigstens nicht von den Engländern erfochten waren. Auch bei der mit so viel Begeisterung ge meldeten „Gefangennahme der Regierung des Oranje- Freistaats" spielt ein gut Stück Optimismus mit, denn die Häupter der Freistaatburen sind in erste- Reihe Steyn und Dewet und diese sollen noch ge fangen werden! In Ermangelung kriegerischer Er folge befl ißigen sich die Engländer, den Buren aller lei angebliche Barbareien onzuhängen. Aber ein solches Unterfangen nimmt sich bei den Engländern, die doch wahrlich im Glashause sitzen, sonderbar genug aus! W MKmmMeil An WWc. Dem soeben erschienenen Jahresberichte der Handels kammer in Halle a. S. für das Jahr 1900 entnehmen wir folgende bemerkenswerthen Ausführungen über Ausstände, die die Verhältnisse klar und zutreffend schildern und die die größte Verbreitung verdienen: In Halle a. S. ist ein lang anhaltender Bauhandwerker-Ausstand, namentlich im Maurerge werbe eingetreten, der sogar während des arbeitslosen Winters weiter genährt und durchgehalten wurde, in dessen mit einer Niederlage der Ausständigen geendet hat. Auch die sonstigen sporadischen Ausstände haben, wweit sie uns bekannt geworden sind, einen Erfolg für die Arbeiter nicht gezeitigt. Im B'ginne einer sinkenden Wirthschaftsperiode kann auch auf einen der artigen Erfolq nicht gerechnet werden, und es ist ichwer begreiflich, daß von den Ausständigen so wenig Einsicht und Würdigung der thatsächlichen Verhältnisse bewiesen worden ist, die den Arbeitern weder unbe kannt geblieben sein können, noch ihnen verschwiegen worden sind. Indessen lehrt ja leider die Erfahrung einer längeren Reihe von Jihren, daß die Arbeiter vielfach gegen eigene, bessere Ueberzeugung handeln, wenn sie sich mit verbundenen Augen in einen Streik begeben. So mancher unserer Berichterstatter hat schon seiner Hellen Verwunderung Ausdruck darüber verliehen, daß alte, verständige, auf ihrer Arbeitsstätte seit langen Jahren beschäftigte Leute so wenig Ucberlcgung und Anhänglichkeit beweisen, daß sie blindlings dem Strome der Ausstands-Bewegung sich überlassen und damit das Band zerschn iden, welches sie bisher mit ihrem Arbeitgeber verbunden hat. Diese Erscheinung ist umso merkwürdiger, als gewöhnlich Führer des Streikes jange Leute ohne jedwede Erfahrung im wirthschaft- lichen Leben, dabei unfl ißig und lediglich Wort helden sind. Wer in Arbeiterkreisen viel verkehrt, wird sich von dem Eindrücke nicht frei machen können, daß diese jungen, unreifen, arbeitsuntüchtigen Elemente von den wirklich erfahrenen und tüchtigen Arbeitern über die Acksel und nicht für voll angesehen werden. Dennoch, und das ist das Eigenartige der so ost schon be obachteten Erscheinung, folgt der brave, für Frau und Kinder gern sorgende ältere Mann der ausgesprochenen Unersah''enheit und Arbeits-Unlustigkeit auf das Kom mando: „von morgen ab wird nicht weiter gearbeitet" und i uinirt sich in seinem wirthschastl chen Dasein aus Monate, wenn nicht auf Jahre hinaus. Ja, selbst die spätere Erkenntniß, daß ein solcher Ausstand ihm schwere finanzielle Wunden in dem einen Jchre ge- schlagen hat, hindert den Familienvater nicht, im nächsten Jahre wiederum auf das sozialdemokratische Glatteis zu gehen. Denn die Sozialdemokratie ist der Boden, auf dem tue Unzufriedenheit gesäel wird und in die Halme schießt, aber diese Halme tragen keine nährende, son dern eine verderbliche Frucht, und schwer ist es des halb, zu v rstehen, wie der Arbeiter nach soviel Miß erfolgen sich den durch die von der Sozialdemokratie angestellten Agitatoren angezcttelten Ausstands - Be wegungen immer wieder in die Arme werfen mag, obwohl wir wissen, daß eine Haupttriebseder mißver- standener kameradschaftlicher Sinn und die Furcht ist, an eigener Person Schaden zu nehmen. Wäre das Gesetz zum Schutze der Arbeitswilligen zustande gekommen, so würde dadurch zum wenigsten die Handhabe geboten worden sein, den gröbsten Aus schreitungen eutgegenzutreten. Vielen braven Arbeitern würde damit ernstlich genützt worden sein, wenn sie eS auch offen nicht bek.nnen mögen. Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, den 20. Juli 1901. — Machen S e Ihr Testament nur handschrifte lick.! — Eine sür -die weitesten Kreise sehr wichtig Entscheidung hat das B.rliner Kammergericht gelälli Ein in Breslau verstorbener Spediteur hinterließ ein eigenhändig geschriebenes Privattestament, durch welches er Frau und Kinder zu Erben einsetzte. Die Erben waren mit dem Testament einverstanden, doch weigerte ihnen die Behörde den Erbschein, da das Testament aus folgendem Grunde unrichtig sei: Es trage nämlich am Kopfe in Druckschrift den Vermerk: Breslau, den... X-Siraße N^. A. Hinter Breslau habe der Erblasser handschristlich das Datum hinzugesügt. Da das Wort Breslau aber gedruckt sei, so entspreche es nicht der gesetzlichen Bestimmung, da alle Worte deS Testaments handschriftlich ausgezeichnet sein müßten. Auch das Kammergericht hat sich der Auffassung der unteren Instanz angeschlossen. Ob dies Urtheil, daS unzweifel haft dem Buchstaben des Gesetzes entspricht, auch in nichtjuristischen Kreisen große Anerkennung finden wird, fft doch sehr zweifelhaft. Auf Grund einer leeren und nichtssagenden Formalität ist hier, wie die „Post" mit Recht hervorhebt, der Wille des Erblassers zu Nichte gemacht worden, obwohl über daS, was er durch sein Testament hat bekunden wollen, k in Zweifel bestehen könnt'. Hier Hut der Buchstube über den Sinn des Gesetzes gesiegt. — Ein Sonderzug zu ermäßigten Preisen 'ährt am 28. Juli von Chemnitz nach Dresden. Die Abfahrt erfolgt von Chemnitz aus 4 Uhr 35 Min. Vormittags. Die Rückfahrt ab Hauplbahnhof Dresden 9 Uhr 15 Min. Nachmittags. Die Fahrkarten haben 10 Tage Gültigkeit. Der Schluß des Verkaufs ist aus Sonnabend, den 27. Juli Abends 8 Uhr festgesetzt. — Preußische Renten - Versicherungs- Anstalt in Berlin. Nach dem Rechenschaftsbericht kür 1900 Hal die Anstalt zur Zeit an Rente jährlich 5444478 M. zu za'len. Außerdem bestehen bei ihr noch Versicherungen über aufgeschobene Renten im Jahresbetrage von 747100 M. und Kapitalversicher imgen im Betrage von 4031440 Mk. Sie ist die bedeutendste RentenanstaltD.utschlanbs. JhreDeckungs- wnds für Versicherungen beziffern sich auf 89688658 Mark, ihr Sparkassenfonds auf 12637006 Mk. und ihre Sicherheitsfonds auf 0572712 Mk. Von ihrem Vermögen sind angelegt 7149427 M. in mündelsicheren Werthpupieren und Staatsschuldbuch - Forderungen. 6 614285 M. in Darlehen an Kommunalverbände und 92529144 M. in Hypotheken. Als Beleiyungsgrenze bei Hypotheken gelten 60 Prozent des GrundstückS- werth-'s und wie diese Grenze innegehaltcn wird, läßt )er Umstand erknnen, daß sich der Kaufpreis der belü heuen Grundstücke in 198 Bssitzwechselfällen, die während der lctzten fünf Jahre vorgekonimen sind, aus 29744799 Mark, der Betrag der Hypothek'N auf 17 77549 M., der letztere also im Durchschnitt nur mf 58 P oz. des Kaufpreises gestellt hat. Ter JahreS- überschuß hat 243379 Mk. betragen. — „Wir sandten Ihnen auf Ihre Rechnung und Gefahr ..." Nach einer neuerdings ergangenen Ge richtsentscheidung schließt dieser auf Rechnungen sehr ost anzutreffende Vermerk nicht aus, daß der Besteller, beziehungsweise Empfänger der betreffenden Sendung oen Vrsender für nicht in unverletztem Zustande an- kommeude Sendung verantwortlich machen oder die Annahme der nicht ordnungsmäßig gelieferten Waare ohne Weiteres verweigern kann. In dem Urtheil ist auSgesührt, daß wenn diese Vereinbarung nicht vor dem Kausverirage ausdrücklich getroffen ist, dem Ver merk auf der Faetura kein Werth beizulegen ist, da es sich in einem solchen Fall nicht um einen Theil des Kaufvertrags handele, der von beiden Parteien angenommen sei. Der Empfänger einer Sendung, die in beschädigtem Zustande in seine Hände gelangt, ist also in einem solchen Falle zur Annahme nicht ver- pflichtet, er kann vielmehr die Uebersendung guter Waare verlangen. — Die vor zehn Jahren mit nahezu 1 Million Mark restaurirte Marienkirche in Zwickau wird im Innern erneuert. Diese Kirche besitzt außer an deren hochinteressanten Schätzen auch ein Kruzifix aus Bergkrystall im Wcrthe von 70 000 Mark und einen kostbaren, grün emaillinen Kelch aus reinem Golde mit großen Amechysten besetzt. — Im Raubenthal in Meißen wurde der Leichnam eines Einwohners aufgefuuden. Der Mann war, um den Heimweg abzukürzcn, einen Feldrain, welcher über einen nicht mehr in Betrieb befindlichen Steinbruch hinführt, gegangen und abgestürzt. — In Steinigtwolmsdorf gerieth am Sonntag Nachmittag das 2jährige Söhnchen des Hausbesitzers Wilhelm in ein in der Nähe der Wohnung befindliches Wasserloch und ertrank. — Beim Einfahren von Heu wurde in Böhlen der 14jährige Schnlkrabe Ernst Franz Meißner von dem beladenen Wagen derart überfahren, daß er nach schwerem Leiden an den erlittenen inneren Verletzungen verstarb n ist. — Atte. Auf eigenthümliche Weise wu.de in Bockau (in Sp'tzbube ermittelt. Der Dieb, der in die Wohnung der 70 Jahre alten Handelsfrau Herrmann daselbst eingebrochen, durch die Hilferufe derselben aber verscheucht worden war, hatte sein Jacket, in dem sich auch eine ZeitunqSquittung auf die „Volksstimme", lau tend aus Paul Hübner, und eine Fabrik Kontrolmarke befand, zurückgelassen. Der Fabrikarbeiter Hübner aus Bockau, der in Lauter beschäftig! war wollte die Marke verloren haben, er ist aber schon mehrmals wegen ähn licher Delikte in Untersuchung gewesen und wurde darum verhaftet. — Am 11. Juli spielten mehrere Knaben in einem unterhalb des Klostergartens bei Meißen stehenden kleinen Kahn. Hierbei stürzte der 6jährige Sohn des Schmicdemeisters Loose in den Strom. Die Knaben, welche Augenzcugen des Vorfalles waren, liefen aus Furcht fort und versteckten sich, anstatt die in der Nähe befindlichen Steinbruchsarbeiter oder an dere Leute aufmerksam zu machen. Von den Stein- vruchsarbeitern wurde der Knabe noch iw letzten Moment bemerkt, ehe die Lmte aber an die Elbe kamen und H'lfe bringen konnten, war er ertrunken. — W'gen Mordversuches hatte sich am Dienstag vor dem Bautzener Schwurgericht der Handarbeiter Göhler aus Alibernsdorf a. d. E. zu verantworten. Ein Verhältniß, das G. mit einer Fabrikarbeiterin ingcgangen war, blieb nicht ohne Folgen, und als : aS zweite Kmd geboren ward, versuchte er G., dieses mittels 60proz. Salpetersäure zu vergiften. Das Kind fing bei dem Versuche aber an zu schreien und der Mann ließ von feinem Vorhaben ab. Das kleine W sen erlitt wohl durch ein paar Tropfen einige Ver letzungen im Munde, wurde aber wieder hergestellt. Die Geschworenen verurtheilten G. zu 7 Jahren Zucht haus, 10 Jihren Ehrverlust und Stellung unter Poli zeiaufsicht. — Der Segen der bedingten Berurtheilung ist >n dem folgenden Falle zu Tige getreten. Die noch nicht 18jähcige Tochter einer Familie in Plauen bei Dresden, welche als Dienstmädchen bei einer Herr schaft thätig war, ließ sich beim Verlassen des Dienstes verleiten, eine abgetragene seidene Taille mitzunehmen. Dieses Eigenthumsvergehen kam zur Anzeige und das bisher unbescholtene Mädchen wurde zu einer Woche Gesängniß verurtheilt. Die Eltern, arme, aber wackere Leute, waren außer sich über diele Schmach, die der Famil e zugefügt wurde. Ein aufrichtiger Bekannter nahm sich der Angelegenheit an und klärte die Eltern aus, daß bei der sonstigen Makellosigk it ihrer Tochter von der „bedingten Verurtheilung derfelben Anwendung genommen werden könnte". Auf Ansuchen der Eltern wurde die ministerielle Verordnung vom 25. März 1895 angewendet und der Tochter ein Strafautschub von 2 Jahren gewährt. In dieser Zeit hat sich das Mädchen ehrlich und brav gehalten; und derfelben wurde nunmehr die freudige Mittheilung gemacht, daß die Strafe als verbüßt zu erachten sei; selbstverständ lich muß sich das Mädchen besonders hüten, nicht rückfällig zu werden. — Ronneburg. Der „Ronneburger Anzeiger" schreibt: Ein kleines Krachchen, jedoch nicht mit dem großen Krach der Leipziger Bank zufammenhängend, hat seit Donnerstag auch unsere Stadt insofern zu verzeichnen, als der Bäckermeister Br. Eckardt mit dem Nachtzuge 12 Uhr 19 Min. in Begleitung einer zweiten Person nach Gera gefahren und seitdem verschwunden ist. Daß Eckardt eine längere Reise angetreten hat, beweist auch die Mi nähme mehrerer Anzüge, die er in einem Koffer untergebracht hatte. Die Wirkung von dem Bekanniwerden des Verschwindens war eine deutlich sichtbare, indem verschiedene Geschäftsleute sehr begreiflicherweise sich beeilten, aus dem Zusammenbruch noch zu retten, was zu retten war. Es herrschte dem- gemäß vor der Hausthür der Wohnung E.'s ein leb haftes Treiben. Die verlassene Gattin hat keine Ahnung, wohin sich der reiselustige Herr Gemahl ge wandt hat, den höchstwahrscheinlich das Beispiel des Direktors Schmidt von der Treberlrocknung zur Nach ahmung reizte. Ja, die Welt ist schön u. s. w. — Graölitz, 17. Juli. Der Wirlhschaftsbe- sitzer Haala aus Weßhorsch, welcher am Sonntag mit 2 Frauen von einer Wallfahrt heimkehrte, wurde auf der Straße von Gewittern überrascht. Die drei trach teten durch schnelles Laufen das nächstgelege.ae Dorf Tiger zu erreichen, doch Plötzlich fuhr ein gewaltiger Blitzstrahl zur Erde und erschlug die 3 Flüchtenden. Vermischtes. * Die Unthate n der Fliege. Die Fliege ist ein Infekt, gegen das der Menfch eine angeborene und berechtigte Abneigung fühlt, und es ist nur rath- sam, diesem Widerwillen durch die That Ausdruck zu geben, und die Wissenschaft sollte es nicht unter ihrer Würde halten, nach den wirksamsten Mitteln zu suchen, Aus vergilbten Blättern Novellette von Ida v. Conring. (Nachdruck verboten.) Ich drücke an der Feder. Der Deckel springt auf. Eine lange Locke goldig braunes Frauenhaar, an dem noch ein wenig Puder haftet, liegt darin Margret fährt zurück, als ich sie behutsam heraus hebe: „Vielleicht von seiner Braut?" Ihre weiche Stimme hat einen fremden Klang, als sie ruhig sagt: „Wohl möglich, daß ihm deshalb die Dose so theuer ist!" 20. März. Mit der Locke hat es doch eine andere Bewandt- wß, als wir dachten. Der alte Diener hat den Kindern davon erzählt und meine Lotte, die sieben- jährige, plappert es aus. Wieder eine traurige Ge schichte, aber diese Seilen sind keine anderen mehr gewöhnt — eigene Noth und fremdes Weh begegnen sich darin auf jeder Zeile. DeS Marquis Vater ist ein großer Herr am französischen Hose gewesen. Als die schmutzigen Wogen der Pöbelherrschaft den Thron verschlangen, hat man ihn gemordet, dann auch seine junge Frau aufgespün, sie von ihrem hilflosen Kinde weggerissen und auf die Guillotine geschleppt. Am Abend vor ihrem Tode, als man ihr das schöne Haar abgeschnitten, ist es dem treuen Diener gelungen, eine Locke davon für den Knabe zu retten. April. Es gährt verstohlen, übermächtig allenthalben. Man ist der verhaßten Fremdherlschaft übersatt. Wie viele wagten schon Leben und Freiheit, um das Joch abzuschütteln. Alle Versuche haben gezeigt, daß es umsonst war. Woher soll uns auch Hülse kommen? Oesterreich liegt gedemüihigt am Boden — Preußens Macht ist vernichtet. Wenn der Kaiser nun auch Rußland bezwungen hat, wer will dann seiner Macht Schranken ziehen? Oder sollte das Wort von den Bäumen, die nicht in den Himmel wachsen sollen, doch Recht behalten? Wird Gott sprechen: Bis hier- her und nicht weiter? — Unser Kranker geht im Garten aus und nieder. Trotz der schlechten Nahrung hat ihn die sorgfältige Pflege durchgebracht. Und er erkennt alles so rührend an. Wie ein Sohn küßt er meine Hand und dank in seinem weichen Südfranzösisch, fröhlich wie ein Kind, für jeden kleinen Dienst. Wir lieben ihn alle, nur Margret ist garnicht mehr in seine Nähe zu bringen. Sie vermeidet ihn sichtlich und ist fremd und kalt geworden, so daß er sie oft traurig fragend ansicht. Nur heute, als die kleine Lotte uns die er greifende Geschichte von Gastons Eltern erzählte, hob Margret das Kind empor und küßte es zärtlich. Und jetzt höre ich ihr Helles Lachen draußen im Garten. Gaston stützt sich auf ihre Schulter und sie führt ihn sorglich auf und ab. Um Gotteswillen — wenn die beiden schönen, jungen Menschenkinder einander nicht gleichgültig wären? Der Erbfeind, daS deutsche Mid- L) n — es wäre entsetzlich! Mein armer Mann, der den eigenen Ruin über dem Zimmer des Vater landes fast vergißt, würde das nicht ertragen. Aber was fragt die erste reine Liebe nach Namen und Nation? Und vielleicht bangt das sorgende Mutter- herz um etwas, das nie Gestalt gewinnen wird! Margret ist gut und mitleidig — das Schicksal des v rwaisten, halbkranken Jünglings, der sich aus unserm kalten Norden in seine sonnige Heimat zurücksehnt, muß ja ihr weiches Herz bewegen. Darüber aber kann und darf sie nicht vergessen, daß sie ein deutsch S Mädchen ist. Mein Gott, was ist da vorgcfallen? Der Unglückliche, er ist noch so schwach. Un möglich erträgt er die Strapazen eines solchen Feld zuges. Aber mein Bitten und Warn n ist vergebens, er läßt sich nicht halten. Und als ich Margret sage: „Aber, so rede ihm dar doch aus — er geht ja in den sicheren Tod" — wendet sie sich ab und schweigt. „Vor dem Winter sind wir zurück,' heißt es in der Armee, deren Kolonnen sich unaufhaltsam, wie ein Strom des Verderbens, über unser Land dahin wälzen. „In Moskau dikiiren wir den Frieden, dann ist Europa unsir", sagen sie, und wir hören es schwei gend, mit gesenktem Haupt an. Ist Rußland zu Boden gcworfen, so reißt damit der letzte Anker, und wir treiben rettungslos hinaus, in das dunkle Meer der ewigen Knechtschaft. Nun ist Gaston seit langer Zeit fort. Margret geht still und blaß einher. Unsere Noth steigt täglich. Wir haben keine Ernte einzubringen, kein Brodkorn für den langen, harten Winter, kein Brennholz, keine Kartoffeln. In den Ställen ist kein Stück Vieh mehr. Womit sollten wir es auch ernähren? Die Strohdächer sind abgedeckt, unter Flüchen und Toben haben die französischen Reiter sie zur Streu verbraucht. Nun kann Schnee und Regen ungehindert dort eindringen — ebenso, wie durch die zersprungenen Dachziegel und die ein- qeschlagenen Scheiben unseres Wohnhauses, das wie Ruine auSsieht. Im Gartensaa! haben wir die Ziege angebunden. Bei nahender Gefahr verstecken wir das arme Tier im Gehölz, dann bringen ihr die Kinder heimlich Laub und Gras und trocknen davon zur Winterkost sür st'. Oktober. Lange habe ich nicht g-schrieben. Es fehlte mir an Muth dazu. Schlimme Zeiten liegen hinter unS. Die Truppen haben das Lazarettfieber eingeschleppt. Im Dorfe sterben die Leute wie die Fliegen. Und wir hatten leere Hände bei all dem Jammer. Unser Hans ist, wie durch ein Wunder, verschont geblieben, obwohl an eine Absperrung nicht gedacht werden konnte. Lene und ich waren täglich bei den Kranken. Auch Margret ließ sich nicht halten. Sie hat dar Lächeln
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