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02-Zweites-Blatt Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 21.02.1913
- Titel
- 02-Zweites-Blatt
- Erscheinungsdatum
- 1913-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-19130221029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-1913022102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-1913022102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Tageblatt
- Jahr1913
- Monat1913-02
- Tag1913-02-21
- Monat1913-02
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men muhte. Nach einer Erklärung des Mini sters des Aeußern erklärte sich auch Madero mit der Ernennung eines interimistischen Präsiden ten grundsätzlich einverstanden. Am Dienstag noch nahm der General der Bundestruppen, Bleuguet, wie er erklärte, um dein unheilvollen Bürgerkriege ein Ende zu ma chen, im Nationalpalast Madero gefan gen Es wurden auch sämtliche Mitglieder des Kabinetts mit Ausnahme des Finanzmini sters Ernesto Madero, der rechtzeitig entkam, go- fangen genommen. Einige Anhänger Maderos versuchten, ihm zu Hilfe zu kommen. Mehrere Schüsse wurden gewechselt, durch die der größte Teil des militärischen Gefolges Maderos ver wundet worden sein soll. Huerta wurde sofort zum proviso rischen Präsidenten ernannt. Zwischen Vertretern des neuen Präsidenten und denen Diaz' sand sofort eine Konferenz statt. In den Straße» kam es zu Kundgebungen fiir Huerta und Diaz. Darauf unterzeichnete Madero seine Demissio n. Huerta gab dem Bot schafter der Vereinigten Staaten den Regie rungswechsel bekannt und bat ihn, die Vertre ter der übrigen Großmächte davon zu unter richten. Der Botsä)aster antwortete, sie alle hät ten den Wunsch, daß Huerta die Ordnung auf recht erhalte. Huerta berief sodcmn die Kam mer zusammen. Wie aus Laredo gemeldet wird, billigen die Führer der Aufständische» des NordeiiS, Orozco und Getan, die Ernennung Huertas zum Präsidenten nicht; sie erklären vielmehr, vom Tramontan scharf durchwehten Lagen, star kes Schneetreiben, das Rom und dieKampagna in einen weißen Mantel hüllt und die Bevölke rung in lebhafte Bewunderung des ungewohn ten Anblicks versetzt. An der Peripherie bleibt der Schnee liegen, im Stadtinnenr löst er sich auf den Hauptstraßen rasch aus und beeinträch tigt überall den Verkehr. Im Borghesepark knicken die Aeste der feinen südlichen Ziersträu cher unter der weichen Last zusammen, während au den Abhängen des Pincios die Schuljugend ihre Begeisterung in gewaltigen Schneeschlachten austobt. Wundervoll ist der Anblick, den die überpuderten Kuppeln der Hügelltadt von der Villa Medici aus gewähren. * Der neue Etat der Stadt Berlin balanzicrt in Ausgabe und Einnahme mit rund 373 Millionen Mark. Als Zuschläge sollen erhoben werden, wie im Vorjahre, 100 Prozent der Ltaatseinkommensteuer, 164 Proz. Gewerbesteuer und 3,1 Proz. Grundwerlsteuer. * 6 0. Geburtstag eines Zwil lingspaares. Die Reichsfreiherren Fer dinand und Anton von Andrian-Werburg, die jüngeren Brüder des Regierungspräsidenten von Niederbayern, der eine Direktor der Papierfabrik Elsenthal in Grafenau inr bayrischen Wald, der andere Landwirt in Hof a. Saale, begingen am 9. Februar ihren 60. Geburtstag. * Ein Offizier zu Gefängnis verurteilt. Der 22jährige, aus Potsdam gebürtige Leutnant Weiher vom Regiment „Kö nigin", der fahnenflüchtig wurde und sich dann, von Dänemark zurückkehrend, selbst der Militär behörde stellte, wurde vom Kriegsgericht Flens burg zu sechs Monaten Gefängnis und Degra dation verurteilt. * E i n i r r s i n n i g e r P o l i z e i b e- amte r schoß im Polizeibureau zu Delhi drei seiner Kameraden nieder. Alle Versuche, den Kranken sestzunehmen, erwiesen sich lange Zeit als vergeblich, da er Schutz auf Schutz gegen die Beamten abfeuertc. Nachdem er etwa 30 Schüsse abgegeben hatte, gelang die Festnahme des Mörders, der sich in demselben Moment mit der letzten Patrone selbst entleibte. * Unfug an einem w e st f ä l i - schen Stauwerk. Ruchlose Hände zogen, wie aus Soest gemeldet wird, den Schieber im Umlausstollen der Möhne-Talsperre, wodurch dem Staubecken eine halbe Million Kubikmeter Was ser entzogen und der Wasserstand um etwa 25 Zemimeter gesenkt wurde. Der Polizei ist es noch nicht gelungen, den Täter, der mit der Ein richtung des Stauwerks genau bekannt gewesen zu sein scheint, zu ermitteln. *Sie verlangen ihren Anteil. Für so pfiffig die Nankees auch gelten mögen, es gibt auch unter ihnen Naive, die sogar in Dollar-Angelegenheiten Anschauungen von rüh render Kindlichkeit bekunden können. Diese Er fahrung mußte kürzlich, wie die „Newporter Han- delszeitung" mitteilt, auch das Schatzamt in den Ausstand fortsetzen zu wollen, wenn nicht ein anderer, am liebsten de la Barra, zum Präsidenten ernannt würde. Präsident Taft Hal ein Telegramm des provisorischen Generalgouverneurs von Meriko erhalten, das ihm meldet, die Negierung Ma deros sei überwunden, und Friede und Wohl fahrt würde von nun an in Meriko herrschen. Ein weiteres Telegramm besagt, daß G u st a s v M aderv , ein Bruder des ehemaligen Prä- stdenlen, st a n d r e ch t I i ch erschossen worden ist. Aeueltes vom Lage. Biel Tchnee. Aus London meldet ein Telegramm: Seil Montag wird der ganze Osten und Südosten von England von einem gewaltigen Sturm heimgesucht, der mit Schneefäl - l e n, großen Regengüssen und Hagelschlägen verbunden ist. Es schneit und stürmt noch fort. Auch London liegt im Schnee, doch gelang es bisher, größere Verkehrsstörungen zu vermei den. Auf dem Kanal herrscht ein gleiches Wetter, das bisher zahlreiche Schiffsverspätun gen zur Folge hatte. Auch in Paris und an der französischen Kiiste hat es am Montag geschneit. Aus Rom, 18. Februar, wird gemeldet: Seit heute nacht herrscht hier bei einer Tempe ratur, die viel milder ist als in den letzten Karle »ir rumänihü vu!gnl iscyni «pannu»,,. (Näheres h erzu siehe HaupiblaU.) Washington machen: Als das Amt am Jahres anfang wie üblich die Gesamtsumme der im Umlaufe befindlichen Zahlungsmittel publizierte und dabei bekannt gab, daß auf den Kops der Bevölkerung ein Bettag von 31 Dollar 72 Cent entfalle, nahmen viele biedere Bewohner des Landes an, daß das Schatzamt ihnen diese Summe schulde und als eine Art Dividende auszuzahlen habe. Mehrere Hunderte von Brie fen hat das Schatzamt erhalten, in denen die Schreiber uni gefällige prompte Uebersendung des ihnen zustehendcn Betrages von 34 Dollar 72 Cent ersuchen. * B a u e r n k r a w a l l in Tirol. Die Bewohner des Dorfes Seren an der süd lichen Landesgrenze von Tirol veranstalteten ge gen ihren Gemeindeausschutz eine Demonstration, weil dieser Schulden gemacht hatte. Die De monstrartten, darunter auch Frauen, stürmten das Gemeindeamt, schlugen die Fenster ein und drangen in die Gemeindekanzlei, wo sie Bücher, Dokumente und die Einrichtung durcheinander warfen. Die Gendarmerie zerstreute die Demo» stranten und verhaftete die Rädelsführer. Der Gemeindeausschuß demissioniette noch am glei chen Tage. * E i n e M o r d b a n d e. In der Ort schaft Beaume bei Tegomas (franz. Dep. See alpen) wurde ein Landwirt namens Chiapali verhaftet, der zu der Bande gehört, die seit sechs Jalpen die ganze Gegend durch Mordtaten, Brandstiftungen, Einbrüche und Verübung von Friedhofsschändungen aufs lebhafteste ungestraft in Schrecken versetzte. * Er m ordung eine s G e i st t i - ch e n i m Beichtstuhl. In der St. Engel- dettus-Kttche in Mülheim (Ruhr), wo gegen wärtig die Volksmifsion stattfindet, wurde eine schreckliche Bluttat verübt: Gegen 7^ Uhr schlich sich ein Mann in das Gotteshaus. Er "führte, unter einem Mantel versteckt, ein Jagd gewehr mit sich. In einem Beichtstuhl, nahe der Eingangstür, veichtete soeben ein junges Mädchen dem im Beichtstuhl sitzenden, die Volks Mission hallenden Missionar Wenger aus Em merich. Ter Fremde schlich sich an den Beicht habt heran und schob mit Blitzesschnelle, ehe es jenmnd verhindern konnte, die Gardinen vom Beichtstuhl zurück, legte das Jagdgewehr an und 'choß den Missionar durch das Herz. Der Mis sionar brach tot zusammen. Der Täter ist ei» 35 bis 36jähriger Maim namens Weinand und stammt aus Holland. Außer dem Jagdgewehr hatte der Mörder noch ein Dvlchmesser bei sich; ferner sand man bei ihm noch 13 Patrone». Der Täter wurde ins Polizeigewahrsam ge bracht. Bei seiner erste» Vernehmung gab er an, daß er nicht den von ihr» ermordeten Mis sionar, sondern de» Pfarrer Welter töten wollte. Ter Mörder führte jedoch ganz konfuse Reden. So sagte er n. a., er habe sich in der Person seines Opfers geint und am Pfarrer Welter Rache nehmen wollen, weil dieser ihm „seinen Schutzengel gestohlen". Man schließt aus den j wirren Reden des Weinand, daß er im Instand j des Jlnsinns gehandelt hat. M IM M Ml! Originalroman von H. C o u r t h s - Mahler. 68 (Nachdruck verboten.) Im Palais Kalnoky war alles zum Empfang der Herren bereit. Sonja sah mit großen Au gen auf das mächtige, vornehme Gebäude. Aber ruhig und ahnungslos schritt sie über die Schwelle, über die ihr Vater, als glänzender Of fizier und Sohn des Hauses, so oft lachend und siegesfroh, und dann zuletzt verfehmt, verstoßen, .verurteilt und elend geschritten war. Wie einst ihre Mutter, so staunte auch sie über die Pracht und de» Reichtum dieses Hau ses. Andere Zimmer, als die ihre Muller be wohnt hatte, wurden ihr angewiesen. Maria Pe trowna wollte sie mehr in ihrer Nähe l-aben und hatte im Hauptflüget, unweit ihrer eigenen Räu me, zwei Zimmer für Sonja bestimmt. Die waren noch schöner und komsorrabler eingerichtet, als die, die Elisa Helbig einst bewohnt hatte. Das junge Mädchen lachte in sich hinein, als sie sich darinnen umschaute. „Wenn Großtante oder Onkel Ernst mein neues Reich bewundern könnte» — die würden Augen machen. Und die drei- Doktorrangen wür den wohl gar fünf Minuten lang die Sprache verlieren", dachte sie. Und im Uebermut schritt sie stolz und gra vitätisch auf den von der Decke bis zum Fuß boden reichenden Ankleidespiegel in ihrem Schlaf zimmer los und machte vor sich selbst eine tiefe Verbeugung. „Ich heiße Sie hiermit seierlichsl und herz lichst willkommen, durchlauchtigste Gesellschafterin Ihrer Durchlaucht, der Fürstin Kalnoky. Ja wohl — mmi ist etwas, man stellt etwas vor, wenn einem die Luft eines so feudalen fürstli chen Palais uni die Nase weht. Wenn ich An lage zur Selbstüberhebung hätte, würde ich Sie, mein sehr verehrtes, törichtes Fräulein, mit dem Titel „Hofdame Ihrer Durchlaucht" beehren. Aber gottlob, noch fühlen wir uns recht wohl in der Haut der schlichten kleinen Sonja Rosch now", sagte sic lächelnd vor sich hin. Und dann wurde sie wieder ernst und ver sonnen. „Liebes Väterchen, liebes Mütterchen, seid ihr bei eurem Kinde? Ach, was hättet ihr wohl gesagt, wenn ihr gewußt hättet, daß eure Sonja in einem russischen Fiirstenhause Anker werfen könnte." Ja — was hätte Sascha Kalnoky wohl da zu gesagt, wenn er sein geliebtes Kind durch diese Räume hätte wandeln sehen! Und Elisa? Wie ihr Herz wohl in ban ger Furchi geklopft hätte bei dein Gedanke», in wessen Hause sich ihr Kind befand. „Wunderbar find die Wege des Herm", halte Johanna HemziuS gesagt. tliid sie und ihr Soh» waren heule in Ge danken mehr wie je bei Sonja, die ihnen den Tag bezeichnet hatte, wo sie in Petersburg ei» treffe» würde. Mil ihre» stille», innige» Wün schen begleiteten sie das Kind Sascha KalnokvS in das HauS der fürstliche» Großmutter. -ft Täglich >var mm Sonja viele Stunden lang in der Gesellschaft der Fürstin. Von Tag zu Tag gewann Maria Petrowna das junge Mäd chen lieber. Sie sträubte sich auch gar nicht ge gen dies warme Gefühl, das ihr Herz beseelte. Sonja schien ihr gewissermaßen geadelt durch die Aehnlichkeit mit ihrer Tochter, die sie mehr und mehr herausfand. Sie fühlte sich behaglich in Sonjas Gesellschaft. Di? junge Dame wußte, mm sie alle Scheu und Befangenheit verloren hatte, so heiter und anmucig zu plaudern. Sie spielte sehr gul und verständnisvoll Klavier, sang ganz allerliebst mit natürlicher Begabung ein fache Lieder, ihr Vorlescn war ein Genuß, und durch ihre Schönheit und Grazie bot sie immer eine Augenweide. Die Fürstin begriff jetzt kaum noch, datz sic es zuvor so allein in den weiten, großen Räu men hatte auShattni können. Mit toten Augen hatte sie diese Räume zuvor angesehen, als mahn ten sie an das verlorene Glück. Jetzt schienen sie wieder ein wenig mit Sonne und Leben ge füllt. Sonjas wannherziger Humor wagte sich immer unbefangener hervor, als sie merkte, wie wohl sie ihrer Herrin damit tat lind die ein same alte Frau sonnte sich in Sonjas Frohsinn. Trotzdem sich die Fürstin »ach Ivie vor vo» aller Geselligkeit zurückzog, kam doch zuweile» dieser und jener alte Freund, um ein Weilchen mit ihr zu plaudern. Und allen siel die Schön heit und Anmut Sonja Roschnows auf. Unter den ersten Besuchern sand sich auch Nikita Arganosf. Herzklopfend stand ihm Sonja gegenüber, und seine Augen suchten die ihre», als habe er voll Sehnsucht daraus gewartet, wieder Hineinschauen zu dürfen. So oft er in Zukunft nach Petersburg kam von seinem Gute, so ost sprach er auch im Pa lais Kalnoky vor. Fast seine ganze freie Zeit widmete er dann Maria Petrowna. Diese freute sich ahnungslos seiner Anhänglichkeit. Sie hatte ihn sehr gern, und nun sie mit Sonja vertrau ter war, sprach sie mancherlei mit ihr über Ni kitas Verhältnisse. Sie erzählte ihr auch, datz der junge Marrn auf eine reiche Heirat angewie sen war, indessen gar keine Lust verspürte, sich nach einer für ihn passende» Frau »mzusehe». Er sei ei» großer Idealist, trage sich mit Volks beglücknngsidee» und sei entschiede-» etwas de mottatisch veranlagt. Er stellte den Adel des Herzens höher, als den der Geburt und habe auf seinem Gute, trotz seiner mißlichen Verhältnisse, für seine Unter gebene» mehr getan, als für ihn selbst gut sei. Aber trotzdem oder gerade deshalb sei er der Mensch, dem iiberall die höchste Achtung ent gegengebracht würde, und sie selbst sei seine wärmste Anhängerin und Freundin. Sonja hörte dies alles mit brennendem Interesse an. Und es war ein heißes Freuen in ihr, worüber sie sich selbst nicht Rechenschaft ablege» mochte. Sie redete sich auch gar nicht erst ein, daß es nur ein schlichtos, menschliches Interesse sei, das sie an dem jungen Grafen nahm. Sie war sich bewußt, daß es doch noch etwas anderes sei. Aber warum sollte sie die ses Gefühl beteuchte» und zergliedern? Es war gekommen, ohne ihr Zutun, gegen ihren Willen, mid es würde bleiben, ob sie sich auch dagegen wehrte. Wozu also erst dagegen ankämpfm. Er würde nie etwas davon erfahren, und sie selbst fühlte sich durchaus nicht unglücklich dabei. So freute sie sich unbekümmert auf sein Kom men und war glücklich, wenn sie während seiner Anwesenheit im Zimmer bleiben und seine klu gen Reden anhörc» durfte. Noch glücklicher war sie, wenn seine Auge» die ihre» mit dem war me» Aufzuchten stichle»; und dann dachte sie befriedigt daran, datz er den Adel des Herzens höher schätzte, als den der Geburt, datz er sie also nicht gering achtele, weil sie nur ein schlich .les Fräulein Roschnow war. So vin freie Zeit wie in Paris hatte Sonja jetzt nicht mehr. Die Fürstin mochte sie am liebsten gar nicht von ihrer Seite lasse». Nur wenn sie »ach Tisch, zwischen drei und fünf Uhr, ihre Mittagsruhe hielt, konnte Sonja frei über ihre Zeit verfüge». Dann unternahm sie gern ihren täglichen Spaziergang und freute sich, datz sie wenigstens einmal am Tage flott ausschreiten konnte. Pe tersburg erschien ihr »och viel interessanter als Paris. Sehr gern suchte sie auch die in der Nähe des Kaluvtyschen Palais liegende» Anlagen auf, die sehr ausgedehnt waren und. auf deren ge pflegten Wegen man auch jetzt zur Winterszeit gut ausschreiten konnte. Um die Zeit, da sich Sonja dort aufhielt, waren sie fast menschenleer. Datz sich auch bei diesen Ausgängen viele Männeraugen bewundernd und auch begehrlich aus sie richteten, beachtete sie nicht. Sie war es pi sehr gewöhn!. Aber dann fiel ihr doch aus, das; ein sehr elegant und stutzerhaft gekleideter hagerer Herr von vielleicht vierzig Jahren wieder und wie der ihren Weg kreuzte und ihre Aufinerksamteil zu errege» suchte. Er versolgie sic einige Male bis dich» an das Palais, lind endlich sprach er sie auch an, als sie die fast mm'chknlcerc Anlage passierte. Ohne ihn eines Blickes oder einer Antwon zu würdigen, ging sic schnell weiter und hoffte, nun den lästigen Verfolger los zu sei». Aber am nächsten Tage stand er wieder trammd au ihrem Wege. Sein ganzes Wesen, sein verlebtes, von Lei denschaste» durchwühltes Gesicht war ihr so wi derwärlig, datz sie nun lieber auf den liedgewor- denen Spaziergang verzichte e, als diese» Be gegnungen noch länger ausgesetzt zu sein. Sie schlug am nächsten Tage einen ganz enrgegcngcsetztcn Weg ein und hatte die Genug tnung, ihren Verfolger nicht zu erblicken; aber schon am folgende» Tage halte er ausgekund schafter, daß sic einen anderen Weg gewählt, und taucht' auch hier auf. Als sie an ihm vorüber ging, hielt er ihr ein Brieschen entgegen. Sie wandle sich brüsk von ihm ab, ohne den Brief zu berühre». Achtlos ließ sie ih» stehen. Nu» versuchte sie, ihm mit List zu enrge he» und verließ das Palais durch die Hinter tür. Das glückte einige Tage. Toch als sie dann wieder einmal durch die schmale Hinter Pforte ins Freie trat, sah sie ihre» hartnäckige» Verehrer unweit dieser Tür warten. Ent'chlossen, dieser VeFolgung ein Ende zu mache», kehrte sie sofort wieder in» u»d ging in de» nächsten Tagen nicht ans. Maria Petrowna bemerkte, daß Sonja ihre läglichm Spaziergänze eingestellt hatte, und fragte sie nach dem GRmde. Offen teilte ihr nun Sonja ihr Erlebnis mit. Darauf bestimmle Maria Petrowna, daß Sonja von jetzt an aus ihren Ausgänge» vo» einem Diener begleitet würde. Der jungen Dame waren diese Spaziergänge in Begleitung des würdevoll cmherfchrtHtenden Lakaien sieilich nur noch ein halber Genus;. Manchmal mutzte sie in sich hineinlachen, wenn sie so einherschritt. Aber es war doch immer hin »och besser, als wen» sie ganz aus ihre Er holungsgänge hätte verzichte» müsse». Und wirtlich tauchte der Verfolger sofort wieder auf, als sie auf die Straße trat. Abn er hielt sich des Dieners wegen in respektvoller Entfernung. (Fortsetzung folgt )
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