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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 06.05.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190305067
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030506
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030506
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-06
- Monat1903-05
- Jahr1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 06.05.1903
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Erbsen. Trinkwafler entbehrte er freilich vollständig unk am letzten Tage hatte er Sal,wasser genoffen, um seinen Durst ,u stillen. * Weida. „Großfeuer" wurde am Sonnabend gegen 7 Uhr morgen» abermals aus Schüptitz ge meldet. Der bereit- kürzlich durch Brandschaden dreimal schwer geprüfte Gutsbesitzer Neupert war abermals durch ein Brandunglück betroffen worden. Nachdem das ihm gehörige neuerbaute Gehöft nieder gebrannt war, bezog der Geschädigte ein anderes, ihm und einem Mitbesitzer gehörige-, großes alte- GutSgehöft in Schüptitz, die sogenannte „Ettlersche Billa". Am Sonnabend früh brannte nun auch diese» Anwesen nieder, wobei auch acht Schweine, sowie der Hofhund Opfer deS Brande» geworden sind. * Nordhause«, 5. Mai. Gestern wurde in einem Chausseegraben die Leiche eines 70 Jahre alten Kommissionär» aufgefunden, welche schwere Kopfwunden aufwie», Geld und Wertgegenstände fehlten. Die Polizei nahm sofort am Tatort Er- Mittelungen vor. * Kassel, 4. Mai. In Nentershausen bei Rotenburg a. Fulda lösten sich am Sonnabend nachmittag in einer Grube de« dortigen Spatberg, werk» gewaltige Steinmassen von der Decke und begruben vier Bergleute. Beidensofort unternommenen Rettung»arbeiten wurde Obersteiger Messerschmidt, gänzlich verstümmelt, al» Leiche hervorgezogen. Den Bergmann Henning fand man gleichfalls tot in zusammengekauerter Stellung unter Steinhaufen. Zwei andere Bergleute erlitten schwere Verletzungen. * Arankfurt a. M., 4. Mai. Die „Frankf. Ztg." meldet au» New-Jork: 2000 polnische Au», flügler von Toledo im Staate Ohio drängten sich in Detroit trotz gesperrter Barriere auf die Bahn gleise, worauf der Blitzzug der Grand Trunk-Linie heranbrauste. 7 Menschen wurden getötet und 30 verletzt. * Mainz. Für den Fortschritt, welchen die Bewegung zu gunsten der Leichenverbrennung im deutschen Reiche macht, spricht wieder die Tatsache, daß soeben in Mainz ein neues Krematorium eröffnet wurde. * Essen (Ruhr), 4. Mai. Im benachbarten Vorbeck überfielen 4 Schnlknaben im Alter von 10 bis 13 Jahren ein sechsjähriges Kind und töteten e» durch Fußtritte. * München, 4. Mai. Die wegen Giftmord versuchs zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilte ehe malige Oberin Elise v. Heußler vom königlichen Moximilian-Waiscnstift in München, welche nach Verwerfung ihrer Revision durch daS Reichsgericht noch im Untersuchungsgefängnis interniert war, ist zur Beobachtung ihres Geisteszustandes nach der Anger fronseste übergeführt worden, nachdem sich in der letzten Zeit Anzeichen von geistiger Störung bei ihr bemerkbar gemacht haben sollen. , * Bern, 4. Mai. Aus dem Simplon sind zwei Kinder und die 80jährige Mutter des Wirtes Magnin vom UnterkunftLhauS Nr. 6 in einer Lawine umgekommen. Die drer sind samt einem Schirmdach, unter dem sie bei starkem Schneefall und Sturm Schutz gesucht, in die Tiefe gefegt worden. * Graz, 2. Mai. Schon seit längerer Zeit befanden sich die Bewohner der Sommerfrische Trofaiach (Obersteiermark) in großer Aufregung, ka kurz nach einander Brände auSgebrochen waren. Endlich gelang eS dem Nachtwächter, heute am frühen morgenden Kominfegergehilfen Eduard Pietsch, der ein sehr eifriges Mitglied der Trofaiachec Feuer wehr ist, bei frischer Tat zu überraschen. Er gestand, bereits 5 Brände gelegt zu haben. Ein Hausbesitzer befand sich vor kurzem, dieser Brandlegung verdächtig, unschuldig in Untersuchungshaft. Der Nachtwächter erhält 500 Kronen Ergreifer-Prämie. * Graz, 4. Mai. Gymnasialprofessor Rutar in Laibach, als Historiker bekannt, kam gestern nacht durch ein Brandunglück ums Leben, indem seine Kleider am Kerzenlicht Feuer fingen. * Asch, 3. Mai. In Schönlind bei Asch er eignete sich am Walpurgi«abend ein gräßlicher Un glücksfall. Dort hatten die Burschen einen großen Holzstoß ausgeschichtet und auf diesem ein mit Teer gestillte« Faß aufgestellt. Vorher war der Holz stoß mit Teer übergossen worden. Kurz bevor der Holzstoß in Brand gesetzt wurde, stieg der 15jährige Bahnwärterssohn Albert Leichter auf den Holzstoß, um da« Faß mit Teer, da« hcrunterfallen wollte, gerade zu richten. In demselben Augenblicke legte ein Bursche an den Holzstoß Feuer an; binnen wenigen Sekunden stand derselbe in Flammen, die bi« zu dem oben stehenden Jungen emporschlugen. Dieser stieß vor Schreck das Teergesäß um und der Inhalt desselben ergoß sich über die Kleider de« Burschen. Da erfaßten ihn auch schon die Flammen und jeder Versuch, den Unglücklichen zu retten, waren erfolglo«. Er verbrannte vor den Augen seiner entsetzten Kameraden. Drei Bursä en, welche e« versuchten, dem Knaben die brennenden Kleider vom Leibe zu reißen, erlitten nicht unerhebliche Brandwunden. * Stockholm, 2. Mai. In Falun traf der wohl einzig dastehende Fall ein, daß eine ganze Gemeinde beinahe von KohlengaS vergiftet worden wäre. In einer dortigen Kirche, die gedrängt voll war, wurden allmählich immer mehr Personen von Uebel- keit befallen. Ein Teil der Besucher siel in Ohn- macht und schließlich mußte der Prediger den Gottes dienst unterbrechen und einen Arzt herbeirufen lassen. Dieser hatte nicht weniger als 25 Männer, Frauen und Kinder, die vor der Kirche lagen, in Behänd- lung zu nehmen. Einige mußten in» Krankenhaus gebracht werden. * Temrjuk (Kaukasus), 4. Mai. Etwa 400 Schiffer und Städter verwüsteten vorgestern abend die Wohnung einer FischereiausscherS, welcher kurz vorher einen Schiffer wegen Zuwiderhandlung gegen die gesetzlichen Vorschriften erschlagen hatte Ehe da» herbeigerufene Militär eintraf, gelang eS dem Geistlichen, die aufgeregte Menge zum Auseinander- gehen zu veranlassen. Vermischtes. f Ein gemütlicher Einbruch. Ein Diebstahl, dem der humoristische Anstrich nicht fehlt, wurde in voriger Woche beim Gastwirt S. in Reinsdorf (Kr. Oschersleben) ausgeführt. Dort hatten sich nach Schluß des Geschäfts Diebe eingeschlichen, um die Kaffe des Besitzers zu erleichtern. Doch sie fanden nichts. Um nicht ganz leer auszugehen, nahmen sich die Einbrecher nunmehr der vorhande nen Zigarren, Spirituosen u. s. w. an. Eine Dose Bratheringe reizte ihren Appetit. Sie hatten so gar die Dreistigkeit, sich zu den leckeren Bratfischen in aller Gemütsruhe Kartoffeln zu kochen. Bei einem Versuch, den im Gastzimmer befindlichen Musikautomaten zu erbrechen, um die darin an gesammelten Nickelstücke zu stehlen, müssen die Diebe den Mechanismus berührt haben, denn mit einem Male setzte sich das Werk in Bewegung. Der durch dieses Morgenkonzert aus seinem Schlafe geweckte Wirt war nicht wenig erstaunt über die Zeche, die man diesmal ohne den Wirt gemacht hatte. Wie frech die Diebe waren, geht daraus hervor, daß sie den Hofhund, um nicht durch sein Bellen ge stört zu werden, einfach mit in das Gastzimmer genommen hatten. Der irregeführte vierbeinige Hüter des Hauses, der die „freundlichen Männer" jedenfalls für Gäste seines Herrn hielt, schaute ihrem Treiben gemütlich mit zu, ohne die warnende Stimme zu erheben. f Neber eine „dunkle Tat" wird der „Köln. Ztg." aus London berichtet: Ein dunkles Ver brechen, das schon seit längerer Zeit in weiten Kreisen die Gemüter beschäftigt hatte, beherrscht die allgemeine Unterhaltung in Stadt und Land. Vor ein paar Monaten wurde hier bei der Bank von England ein Mann namens Dongal verhaftet, als er eine Anzahl Noten, den Erlös eines Schecks, einwechselte, und dann unter Anklage der Fälschung vor Gericht gestellt. Dabei entrollte sich nun eine ganz seltsame Romangeschichte: Samuel Herbert Dongal ist ein ansehnlicher Mann um die Fünfzig herum, ein pensionierter Soldat und mit einer jungen Frau verheiratet. Er hatte aber nebenbei vor einigen Jahren die Bekanntschaft einer Miß Camille Holland, einer älteren Dame aus guter Familie gemacht, die einiges Vermögen, etwa 6000 Pfd. St., besaß, an dem stattlichen Manne Gefallen fand und sich schließlich mit ihm auf eheliches Zusammenleben einließ. Das Paar hauste erst an kleinen Orten in der Provinz in möblierten Wohnungen, erwarb aber später ein abgelegenes Haus, einen ehemaligen Gutshof in der Grafschaft Essex, der, von Welt und Menschen abgeschieden, von einem Graben umgeben als Moat Farm (der Grabenhof) bekannt und wie geschaffen war zum Schauplatz eines romanhaften Verbrechens. Die Farm war auf den Namen Dongals gekauft und das Paar lebte dort eine Weile als Mann und Frau, bis nor nahezu vier Jahren Miß Holland mit Dangal eines Abends dem Bahnhofe zufuhr, um eine kurze Reise nach London zu machen, nach dem sie noch dem Dienstmädchen zugerufen, sie werde nicht lange ausbleiben. Dongal kehrte eine Stunde später wieder heim, aber Miß Holland wurde nicht mehr gesehen. Sie war mit ihrer Familie überworfen, außer Zusammenhang mit ihren Angehörigen und Dongal gab sich den An schein, als glaube er, sie habe ihn verlassen und halte sich anderswo oder auf dem Festlande ver borgen. Seine wirkliche Frau zog nach einiger Zeit zu ihm in das einsame Haus, der Krieg ging in das Land, ein paar Jahre vergingen, die Nach barschaft hörte auf, von der Dame, die nicht zurück gekommen mar, zu sprechen und Miß Holland war verschollen. Nur Schecks, die von ihr auf ihr Bankguthaben gezogen waren, wurden in Zwischen räumen einkassiert und die Beträge oder annähernd ähnliche Beträge zahlte Dongal auf sein Konto bei seiner Bank ein. Anscheinend sind darauf all mählich die Verwandten der verschwundenen Dame aufmerksam geworden. Sie mögen an die Erb schaft gedacht und auf alle Fälle gewünscht haben, das Verbleiben der Dame und das Schicksal des Nachlasses festzustellen. Fast möchte man auch an nehmen, daß Gerüchte über Ermordung der Ver schollenen dem nnd jenem zu Ohren gekommen sind. Jedenfalls wind» in den letzten zwei Monaten scharf gegen Dongal wegen Fälschung der Schecks für die in den letzten Jahren erhobenen Summen von dem Guthaben seiner verschwundenen Freundin vorgegangen. Tie Bankbeamten hielten die an scheinend im Laufe der letzten paar Jahre er gangenen Unterschriften der verschwundenen Dame für richtig. Die Verwandten beantragten indessen bei Gericht, daß Camille Holland für verstorben erklärt werde und setzten den Tod auf den Tag ihrer Abfahrt von Moat Farin vor vier Jahren an. Das Gericht hatte diesem Anträge Folge ge geben. Gleichzeitig aber und gleich von der Ver haftung Dongals an stellte die Polizei eingehende und fortgesetzte Nachforschungen in und bei der abgelegenen Behausung in Esser nach der Leiche der verschwundenen Dame an. Der Burggraben, der das Anwesen umgab, wurde abgelassen und wochenlang war eine Anzahl Arbeiter unter Leitung der Polizei angestrengt, aber zunächst vergeblich beschäftigt, den tiefen Schlamm des Grabenbettes nach menschlichen Ueberresten abzusuchen. Dongal hielt sich inzwischen in der Untersuchung standhaft hinter seiner angeblichen Unwissenheit über das Schicksal und den Aufenthalt der Miß Camille Holland verschanzt. Die langen Nachsuchungen schienen ihn höchlich zu erheitern, allein die Polizei ließ nicht nach und begann rn den letzten Tagen einen früheren Graben aufzudecken, der ursprünglich als Abzugsgraben vom Gutshose nach dem die Gebäude umgebenden Teiche gedient hatte. Es ging nämlich das Gerede, Dongal habe diesen Graben zuschütten lassen. Bei dieser Arbeit Hal man nun endlich in der Seitenwand des ehemaligen Grabens in einer Tiefe von vier bis fünf Fuß eine weibliche Leiche in ihren Kleidern zutage ge fördert, die inzwischen an ihren Kleiderresten und an den ganz auffallend kleinen Füßen und Schuhen als die der verschollenen Camille Holland erkannt worden ist. Die Nachricht verbreitete sich in der Hauptstadt wie ein Lauffeuer, und man darf wohl sagen, daß es in der yanzen großen Hauptstadt kein Haus gab, wo nicht von dem ermordeten alten Fräulein und der weltverlorenen unheimlichen Moat Farm die Rede war. Die Polizei, der lange nicht alle Nachsuchungen nach dunklen Mordtaten glücken, triumphiert und das Publikum ist zwar überzeugt, daß Dongal seine Freundin umgebracht und ihre Schecks gefälscht habe, sieht aber mit großer Spannung der weiteren Entwicklung und der Art und Weise entgegen, wie gegen ihn der Beweis geführt werden kann. Handels-Nachrichten. UvrUn, 4 Mai. (Wrchsel-EourS.) vsp'l- vtsoont Mm: Amsterdam per 100 st. d. Brüssel und Antwerpen pr. 100 Francs. Italienische Plätze pr. 100 Lire Schweiz. Pl. 100 Frc. London pr. I Lstrl. Madrid und Barcelona pr. 100 Pesetas Paris pr 100 Franc Petersburg pr. 100 Rubel Warschau 100 Rubel Wien per 100 Kr. ö W. 3 g 3 47. 4 5 S 4 s r 2M s r SM 10 r 2M 10 T 8 T SM 14 r 2M s r 3M 8 T 3M Sy, 8 T 8 T o /»gM Reichsbank 3'/.°/», Lomb.-Z 85,40 -F. 4'/,°/°. »«räsbura, 4. Mai. Kornzucker cxcl. 887» Ren- dement 9,40—9,62. Nachproducte excl. 75'/o Rendement 7,40—7,70. Stimmung: Ruhig. Krystallzucker 1 30,077», Brodrasstnade 129,827,. Dem. Raffinade mit Faß 29,827^. Gcm. Melis 29,32. Rohzucker 1. Product Trans, f. a. B. kambmg per April 16,70 Gd., 16,85 Br., per Mai 16,75 Gd., 16,85 Br., per Aug. 17,15 Gd., 17,25 Br., per Okt.- Dezbr. 18,20 Gd., 18,25 Br., 17,20 bez., per Jan.-März 18,50 Gd., 18,55 Br. Stimmung: Ruhig, aber stetig. llamdnrL, 4. Mai. Weizen ruhig, tzolstcMischer und Mecklenburger 162, Hard Winter 133. Roggen still, südrufs. 105, Holsteinischer und Mecklenburger 140. Mais fest, 118—120, runder 927». Hafer stetig, Gerste fest. Wetter: Warm. Srvmon, 4. Mai. (Baumwolle). Tendenz: Ruhig. Upl. middl. loco 53'/, Bfg. Liverpool. 4. Mai. (Baumwolle.) Muthmaßlicher Umsatz: 7000 B. Stimmung: Stetig. Import: 1000 Ballen. Preise 1—2 Punkte niedr. — Umsatz: 8000 Ballen, da von für Speculation und Export 500 Ballen. Ameri kaner ruhig, 4 Punkte niedr., Ostindische unverändert. Lieferungen: ruhig. April 5,33, April-Mai 5,33, Juni- Juli 5,31—5,32, August-September 5,32, Oktober-Nov. 4,57 4,58. Zahlungseinstellungen. F. L. Schmidt, Eckernförde. Edmund Faber, Jena. Jahns k Winne, Martinroda-Ilmenau. Max Nietsch, Kattowitz. Biktor Immanuel Fosse, Meisten. Gebrüder Laute, Lenzkirch-Neustadt. Eduard Bong, Memel. Karl Hartneck, Bopfingen-Neresheim. Adam Matuszak, Posen. Gustav Mau, Rostock. Emil Rath, Schwerin i. Meckl. Wilh. Schweitzher, Stuttgart. Briefträgers Hannchen. Von Georg Paulsen. 42. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Mein Gott, Lebrecht, was hast denn, waS ist denn mit ihm, Herr Doktor?" Der Kranke hatte plötzlich begonnen, mit den Händen aus dem Bett herumzutasten, als wenn er da etwas suche. „Ihr Mann ist recht krank," sagte der Arzt leise. „Ja, was iS denn mit 'nem Lebrecht?" rief Frau Elise jetzt angstvoll. Der Doktor aber hob warnend die Rechte. „Pst!" machte er, „nicht ihn aufregen." Lebrecht Hölder hatte jetzt daS Herumsuchen auf der Bettdecke eingestellt, aber er blickte mit groß ge öffneten Augen starr in die Weite. „Hörst nix, Elise ? Hören'- nix, Herr Doktor ?" „Nein, lieber Hölder, eS ist nichts, der Wind bläst draußen etwas lauter." „Aber sowaS, aber Leut'! 'S Hannchen singt ja, mei Hannchen singt. Und so schön, wie i's nimmer hört hab. Ach so schön!" Er faltete die Hände. „'S Hannchen, immer denkt er an's Hannchen," flüsterte Frau Hölder. „'S Hannchen singt zu schön! I mein', daS könnt' gar kein'Menschenstimm'mehr sein, so müßten die Engel im Himmel singen. Hab mein Lebtag daran nimmer groß dacht, aber jetzt . . ." Er stockte, auf dem alten, verrunzelten Gesicht lag tiefe Bewegung, selige Rührung. Und nun erkannte auch Elise, wie eS um ihren Mann stand, die Freude hatte ihn zu heftig erschüttert. Lebrecht hatte sich zu sehr gefreut, als daß seine Gesundheit, die viel mehr geschwächt war, als er geglaubt oder auch nur für möglich gehalten, davon nicht berührt worden wäre. Es geht alten, müden Personen nicht selten so: Zu große Freude — letzte Freude! Der Kranke schlief sanft ein. Der Arzt zog die schluchzende Frau ins Nebenzimmer. „Tele graphieren Sie Ihrer Tochter, daß sie kommt; eS ist besser so!" Mit Mühe unterdrückte Frau Hölder einen lauten Aufschrei: „So schnell geht's zu End mit dem Lebrecht?" „Hoffen wir alles! Ich sage nur, es ist besser, wenn Sie telegraphieren." Dann ging der Doktor nochmals an daS Krankenbett und betrachtete den leise Atmenden aufmerksam. Ja, eS war so, das Oel der LebenSlampe war heruntergebrannt, keine Medizin und keine Macht der Welt konnte da mehr helfen Nach drei Stunden traf Hannchen Hölder bereits in Sonnenfeld ein. Die dringend ausgcgebene Depesche hatte sie so günstig erreicht, daß sie mit einigen schnell zusammengerafften Sachen gerade noch den fälligen Schnellzug erreichen konnte. Ueber ein halbe- Jahr war eS her, daß sie zum letzten Male von der Musikschule her einen Besuch daheim abgestattet hatte, und sie hatte sich in diesen Monaten außerordentlich verändert, so sehr, daß es auch der Mutter trotz der herben Trauer und trüben Gedanken ausfiel. AuS der wilden Hummel von Briefträger- Hannchen war eine sich zwar unge zwungen gebende, aber doch zuversichtlich und be- stimmt austretende junge Dame geworden, die sich äußerlicy ganz schlicht kleidete, von deren klarer Stirn, au- deren Hellen Augen aber Verstand und fester Wille sprachen. „JessaS, Mädele, wie siehst auS! Fast hätt' ich Dich nimmer wieder erkannt!" „Mutterle, mei gut'- Mutterle! Wie geht» dem Vater?" „Komm," sagte Frau Elise leise. Wenige Augenblicke später stand Hannchen am Krankenlager de- Vater«. Sie hatte keine große Erfahrung in der Beobachtung von Leidenden, aber hier war die schmerzliche Gewißheit sofort zu er- kennen. Und das starke, willen-kräftige Hannchen mochte sich zu bezwingen suchen, sie mochte die Zähne auf einander beißen, eS ging nicht. Sie preßte ihr Taschentuch vor den Mund und warf sich heftig schluchzend in deS Vater- ledernen Sorgenstuhl. „Mädele, Mädele!" suchte die Mutter zu be schwichtigen. Umsonst! Endlich war die heftige geistige Er schütterung überwunden, sie setzte sich still neben dem Vater nieder. Mit einem Mal schlug er die Augen auf. „Hannchen, mei Hannchen!" Sie stand bei dem so ganz veränderten Klang der lieben Stimme von neuem fassungslos; dann gewann sie mit schier übermenschlicher Anstrengung die Fassung. „Ja, Vaterle!" Erklang, als wären sie nimmer von einander getrennt gewesen. „Siehst wohl, Elise, daß 's Hannchen mir vor- g'sungen hat!" sprach er mit einem Anflug de alten Polterns. „Lebrecht, sei doch still, Du sollst doch nimmer sprechen, als der Doktor sagt hat!" „Ja, ja doch! O mein Gott, die WeibSleut,wegen a Spitz!" Aber er schwieg schon, al» er die bitten den Augen seines Lieblings bemerkte. Gerade kam der Doktor zurück; er drückte dem jungen Mädchen bedeutsam die Hand und beugte sich dann über den Kranken. Da fuhr der empor. „Ruhig, ganz ruhig, lieber Hölder!" Der Arzt flößte ihm einige Tropfen einer mitgebrachten Medizin ein. „Seliges tut gut," flüsterte der alle Briefträger. „Hannchen, weißt noch, als Exzellenz hier war!" „Ja, Vaterle! Aber sei doch ruhig." „Siehst, was ich kriegt hab'," sprach er unbe irrt weiter, auf daS auf dem Bett liegende Ehren zeigen deutend. „Lieb's Vaterle, ich bitt' Dich!" „Ja doch, aber sing mir eins, das mußt!" Sie sah den Doktor an; der nickte. (Fortsetzung folgt.) Neneste Nachrichten und Depeschen vom A. Mai. Berlin. Zu dem Besuch des Kaisers in Rom wird folgende kleine Episode gemeldet: Als der Kaiser das päpstliche Gemach verließ, löste sich sein weißer Federbusch vom Helm und fiel zu Boden. Prinz Eitel Friedrich hob ihn schnell auf und über- gab ihn dem Kaiser, der ihn wieder aufsteckte. Berlin. Wie aus München gemeldet wird, hat das Ministerium die Aufnahme der aus Frank reich vertriebenen Kongregationen verboten. Das Ministerium instruierte die Behörden, keinen Grund besitz abzutreten, sowie sie in ganz Bayern nicht zuzulassen, bis es nicht selbst die Erlaubnis dazu erteilt habe. Berlin. Auf dem Truppenübungsplatz Neu hammer brach gestern nach Blättermeldungen ein Waldbrand aus, der ca. 200 Morgen älteren Bestand auf dem Mallwitzer Terrain vernichtete. Die Löscharbeiten waren infolge des heftigen Windes fast nutzlos. Münster. In Allagen (Westfalen) wurden 12 Personen, welche auf dem Felde mit Pflanzen beschäftigt waren, vom Blitze getroffen. 3 Personen li.gen schwer verletzt darnieder, die anderen er holten sich nach einiger Zeit wieder. Rom. Zu dem Besuch König Eduards im Vatikan teilt der in vatikanischen Kreisen gut unter richtete „Corriere" mit, daß Rampolla kein Mittel unversucht gelassen habe, den Besuch des Königs zu hintertreiben. Das Blatt versteigt sich sogar zu der Behauptung, daß die Mehrzahl der italienischen Bevölkerung dem Könige feindlich gesinnt sei. Peinliches Aufsehen habe es erregt, daß Rampolla während der Anwesenheit König Eduards ostentativ unsichtbar mar. Paris. Präsident Loubet hat folgende- Tele gramm von König Eduard aus Cherbourg erhalten: „Bevor ich den Boden Frankreichs verlasse, danke ich nochmals ^herzlichst für den schönen Empfang, der mir von Ihnen und dem französischen Volke bereitet worden ist. Die Erinnerung an diese schöne Zeit wird mir eine bleibende sein. Madrid. Wie ein Telegramm au« Melilla berichtet, verfügt der Prätendent über 5000 Mann. Er beabsichtigt, innerhalb 2 Monaten in Fez einzu- drtngen. Er habe über 130 Delegirte zu den Kabylenstämmen entsandt, um sich deren Unter stützung zu sichern. Madrid. In politischen Kreisen ist man der Ansicht, daß der Ministerrat am nächsten Sonntag von großer Wichtigkeit sein wird, da sich der Minister rat mit dem Wahlergebnis befassen wird. Man befürchtet den AuSbruch einer MinisterkcisiL und zwar handelt eS sich um die Demission deS Ministers des Innern. Chicago. Ein Telegramm berichtet über die Sprengung der Negerkirche in Lian. Angeblich erfolgte die Sprengung, weil vor einigen Tagen in der Kirche ein Meeting abgehalten wurde, in welchem die Haltung deS Präsidenten Roosevelt gemißbilligt wurde. Die Zerstörung soll ein Protest dagegen bedeuten.
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