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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 19.09.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190309197
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030919
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030919
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-19
- Monat1903-09
- Jahr1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 19.09.1903
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Hchcnstcin-'ErnsttlM AnzeiM Tageblatt für L-henstem-Grnstthak, Gberkungwih, Hersdorf, Lermsdorf, Aernsdorf, Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Langenberg, Falken, Meinsdorf, Grumbach, Tirschheim rc. WW» «H» «WM» ..... Weitverbreitetes Insertions-Organ für amtliche «nd Privat-Anzeigen. ---------— Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Aus träger, sowie alle Postanstalten. Für Abonnenten wird der Sonntags-Nummer eine illustrierte Sonn tagsbeilage gratis beigegeben. Abonnement: Bei Abholung monatlich 35 Pfg. die einzelne Nummer 5 „ Durch die Post bezogen Frei ins Haus monatlich 42 Pfg. vierteljährlich 1. M. 25 Pfg. 25 Mk. excl. Bestellgeld. Jnsertionsgebühren: die sechsgespaltene Corpuszeile oder deren Raum für den Verbreitungsbezirk 10 Pfg., für auswärts 12 Pfg. Reklamen 25 Pfg. Bei mehrmaliger Aufgabe Rabatt. Auuahme der Inserate für die folgende Nummer bis Vorm. 10 Uhr. Größere Anzeigen abends vorher erbeten. Nr. 218. Fernsprecher Nr. 151. Sonnabend, den 19. September 1903. G-MDM-: Bah»str. s. 30. Jahrgang. Heute Sonnabend von vormittags 7 Uhr ab wird im hiesigen Rathause Rind- und Schweinefleisch öffentlich verpfundet. Kaiser Franz Joseph über die Armeefrage. Wien, 17. September. Kaiser Franz Joseph hat einen, Chlopy, den 16. September, datierten Armeebefehl erlassen, in dem es heißt: „Indem ich den großen Kavalleriemanövern in Galizien anwohnte, konnte ich mich von deren lehrreichen Anlage, Leitung und Durchführung sowie von der vorzüglichen Verfassung und hohen Leistungsfähig keit aller beteiligten Truppen erneut überzeugen. Je sicherer begründet mein günstiges Urteil über den militärischen Wert, die hingebungsvolle Dienst freudigkeit und das einmütige Zusammenwirken aller Teile meiner Gesamtwehrmacht ist, desto mehr muß und will ich an deren bestehenden bewährten Einrichtungen festhalten. Mein Heer insbesondere, dessen gediegenes Gefüge einseitige Bestrebungen in Verkennung der hohen Aufgabe, welche dasselbe zum Wohle der beiden Staatsgebiete der Monarchie zu erfüllen hat, zu lockern geeignet wären, möge wissen, daß ich nie der Rechte und Befugnisse mich begebe, welche dem obersten Kriegsherrn verbürgt sind. Gemeinsam und einheitlich wie es ist, soll mein Heer bleiben. Eine starke Macht zur Ver teidigung der österreichisch-ungarischen Monarchie gegen jeden Feind, getreu ihrem Eide ist meine Gesamtwehrmacht, fortschreitend auf dem Wege der ernsten Pflichterfüllung, durchdrungen von jenem Geist der Einigung und Harmonie, welcher jede nationale Eigenart achtet, alle Gegensätze löst und im besonderen die Vorzüge eines jeden Volks stammes zum Wohle des großen Ganzen ver wertet." Wien, 18. September. Der Armeebefehl des Kaisers erregt das größte Aufsehen. Es ist das erste Mal, daß der Kaiser in einer Kundgebung an die Armee persönliche Fragen der inneren Politik erörtert. Man nimnu an, der Armeebe fehl sei erst im Hauptquartier bei den galizischen Manövern beschlossen und im Rat der Generäle ausgearbeitet worden. Das österreichische, wie das ungarische Kabinett scheinen daran nicht beteiligt gewesen zu sein. Man erwartet in allen Garni sonen und Regimentern Kundgebungen der Ofsizier- korps im Sinne des Armeebefehls. — Von den Blättern wird der Armeebefehl des Kaisers als eine Kundgebung des obersten Kriegsherrn bezeichnet, welche in größter Feierlichkeit und Entschiedenheit die Ambition der ungarischen Armeesprenger zurück weist. Gleichzeitig wird der Ansicht Ausdruck ge geben, daß die sensationelle Willensäußerung des Monarchen einen gewaltigen Sturm in Ungarn entsesseln, aber schließlich doch zur Entwirrung der Krisis beitragen werde. Budapest, 18. Sept. Im Klub der liberalen Partei wurde von Vertretern der verschiedenen Fraktionen erklärt, daß der Ton des kaiserlichen Manifestes an die Armee unannehmbar und abso lutistisch sei. Oesterreich sei ein konstitutioneller Staat, in dem die Rechte der Majestät nur auf dem Gesetz beruhen. Es sei ungerecht, wenn auf die Forderungen der Nation einfach mit Säbelge rassel geantwortet würde. Von den Parteien wurde ein Schriftstück unterzeichnet, welches die schleunige Rückkehr der Abgeordneten nach Wien fordert. Krieg oder Frieden? Die Entscheidung, wie der Würfel fallen wird, muß stündlich erwartet werden. Bulgarien hat seine Truppen mobil gemacht und die Türkei hat das gleiche getan, sie hat auch noch zwei klein asiatische Armeekorps zur Verstärkung ihrer be deutenden europäischen Streitkräfte herangezogen. Die Mächte haben eS an eindringlichen Warnungen und Mahnungen nicht fehlen lassen, mit Waffen gewalt mochten sie nicht eingreifen. So mögen denn die beiden streitenden Parteien selbst zusehen, wie sie miteinander fertig werden. Daß der Krieg auf den Balkan beschränkt wird, dafür werden die Mächte hoffentlich sorgen können, so leicht auch internationale Reibungen aus einem türkisch-bulga rischen Konflikt entstehen können. Die Gefahr solcher Reibungen liegt deshalb so nahe, weil jede der Großmächte im Falle eines Krieges die Interessen ihrer Angehörigen auf dem Balkan wird mahrnehmen wollen. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika denkt angesichts der Lage der Dinge garnicht an eine Zurllckberusung ihrer Kriegsschiffe aus der Levante. Frankreichs Schiffe befinden sich auf dem Wege dorthin, England ist gleichfalls zur Entsendung von Kriegsschiffen entschlossen, und auch seitens der italienischen Regierung ist die Eventualität einer Schiffsentsendung ins Auge gefaßt worden. Bei "der Sonderstellung, die in der Orientfrage namentlich England einnimmt, ist es leider sehr wahrscheinlich, daß dieses sich als der Hecht im Karpfenteiche erweisen und Beute zu machen ver suchen wird. Die Folgen eines solchen Versuches könnten unter Umständen unabsehbare sein. Aber gerade weil die Gefahr eine so große sein würde, darf die Hoffnung gehegt werden, daß der türkisch bulgarische Krieg, wenn ein solcher nicht noch in letzter Stunde abgewendet werden kann, auf seinen Herd beschränkt wird, und daß Bulgarien allein die Kosten des Krieges zu zahlen kriegt. Verdient hat Bulgarien eine exemplarische Strafe, das kann kein unbefangener Beobachter der Balkanwirren leugnen. Fürst Ferdinand hat das sichere Cuxi- nograd am schwarzen Meere verlassen und befindet sich seit Donnerstag in Sofia, wo die Entscheidung über Krieg oder Frieden nunmehr erfolgen muß. Sozialdemokratischer Parteitag in Dresden. Dresden, 17. Sept. Die heutige Verhandlung wurde von Kaden-Dresden eröffnet. Den ersten Gegenstand bildete die parlamentarische Tätigkeit. — Abg. Stadthagen (Berlin) teilte zunächst mit, es habe sich ein Pflanzer an die Fraktion gewandt mit der Klage, daß er in Deutsch-Südwest-Afrika von deutschen schwarzen Polizisten in ärgster Weise mißhandelt worden sei. „Die ganze politische Situation zeigt, daß wir in einem Klassenstaate leben, in dem der Kapitalismus in brutalster Weise regiert. Ich erinnere nur an das Urteil in Brom berg in dem bekannten Landfriedensbruchprozeß. Es ist dies aber durchaus kein Ausnahmefall, sondern ein Symptom des heutigen Klassenstaates. In dem heutigen Klassenstaate sind die Arbeiter rechtlos. Durch solche Urteile wie in Bromberg wird das Koalitionsrecht eine Farce. Es wird notwendig sein, daß die Fraktion mit ganzer Energie für volle Wahrung des Koalitionsrechts und für Ausdehnung des Arbeiterschutzgesetzes im Reichstage eintritt. Die Fraktion darf nicht bloß abwehren, sondern muß zum Angriff übergehen. Ganz besonders ist es notwendig, den achtstündigen Maximal-Arbeits- tag zu verlangen. Ich bedauere, daß der Antrag auf Einführung der einjährigen Dienstzeit unter stützt worden ist. Wir müssen die Abschaffung des stehenden Heeres und Einführung eines Miliz systems sordern. Das heutige Heer, von dem ge fordert wird, daß es auf Vater und Mutter schießen soll, ist nur geschaffen zur Aufrechterhaltung und Befestigung des heutigen Klassenstaates. Der Redner bezeichnet es im weiteren als notwendig, das Koalitionsrecht auch auf die Landarbeiter, überhaupt auf alle diejenigen Arbeiter, die das Recht noch nicht haben, auszudehnen. Man möge im üorigen nicht alle Hoffnung auf den Reichstag setzen. Ganz besonders darf man in der Agitation nicht er lahmen, sondern immer mehr klassenbewußte Kämpfer erziehen. — Landtags-Abgeordneter Keil (Stuttgart) befürwortet folgenden Antrag des 2. württembergischen Wahlkreises: „Die Reichstags fraktion möge in möglichster Bälde im Reichstage für die Vereinheitlichung des deutschen Eisenbahn wesens durch Schaffung einer Reichsbetriebsgemein schaft und für eine Verbilligung der Personen tarife eintreten." — Trilse (Elberfeld) bezeichnet s als notwendig, daß die Fraktion die Beseitigung des Majestäts-Beleideigungs-Parag.aphen und die Schaffung eines ausreichenden Minyter-Verantwort- lichkeits-Gesetzes im Reichstage beantrage. Die be kannten Reden in Essen > i d Breslau machen die Beseitigung des Majestätsbeleidigungs-Paragraphen zur dringenden Notwendigkeit. — Straßenmeyer (Essen, Ruhr) befürwortet die Notwendigkeit, für eine wirksame Bekämpfung der Wurmkrankheit durch gesetzliche Maßnahmen im Reichstage ein zutreten. Der Redner führt aus, daß 70—80 Pro zent aller Bergarbeiter verseucht seien. Die An sichten der Aerzte gehen derartig auseinander, daß es erforderlich sei, amtliche Untersuchungsstationen zu errichten. — Arbeitersekreiär Katzenstein (Mann heim) bezeichnet es als notwendig, daß die Reichs tagsfraktion eine planmäßige Propaganda gegen den Militarismus durch Einbringung eines Gesetz entwurfs einleite unter besonderer Betonung folgen der Forderungen: u) Abschaffung der Militärjustiz und des Militärstrafrechts, b) Anerkennung des Rechts auf Notwehr gegen Mißhandlungen, o) All gemeine einjährige Dienstzeit. Der Redner be merkte: Bebel habe zum ersten Male im letzten Reichstage ein förmlich erlösendes Wort gesprochen; dasselbe lautete: dem mißhandelten Soldaten muß das Recht der Notwehr zustehen. (Bebel: Das habe ich schon vor 10 Jahren im Reichstage ge sagt.) Katzenstein: Um so besser. Er stehe auf dem Standpunkte des Milizsystems, aus taktischen Gründen empfehle sich aber die Einführung der allgemeinen einjährigen Militärdienstzeit. — Schrift steller Kautzky (Charlottenburg): Er habe die Ein führung der allgemeine» einjährigen Dienstzeit nur aus aggressiven Gründen befürwortet. (Abg. von Vollmar: Also auch Revisionist!) — Frau Apo theker Ihrer (Berlin) betonte die Notwendigkeit, den Arbeilerschutz noch weiter auszudehnen. — Abg Singer (Berlin) befürwortet darnach folgen den Antrag: „Der Parteitag beschließt, darauf hinzuwirken, daß der internationale Kongreß, der im August 1904 in Amsterdam stattfinden wird, von Deutschland durch zahlreiche Delegierte beschickt werde." Er ersuche, auch dem Antrag des Abg. Molkenbuhr: „Der Parteitag möge dahin wirken, daß die Arbeiterversicherung auf die Tagesordnung des internationalen Kongresses gesetzt werde", zu zustimmen. — Frau Zetkin (Stuttgart) befürwortet den Antrag einer großen Anzahl Genossinnen: aus die Tagesordnung des Kongresses zu setzen: die Eroberung des demokratischen Wahlrechts und im Anschluß hieran die Eroberung des Frauenstimm rechts. — Nach noch längerer Besprechung gelangten sämtliche Anträge einstimmig zur Annahme. — Alsdann wurde den streikenden Textilarbeitern in Crimmüschau die Sympathie des Parteitages aus gesprochen. — Darnach trat die Mittagspause ein. In der Nachmittags-Sitzung führte wiederum Abg. Singer den Vorsitz. Es sorgte die Debatte über die Taktik der Partei, die Vizepräsidentenfrage und die revisionistischen Bestrebungen. Singer teilte mit, daß hierzu bisher 20 Anträge einge gangen seien und sich 55 Redner gemeldet haben. — Äbg. Bebel: Es muß ausgesprochen werden, daß der Sieg der Sozialdemokratie in der Haupt sache auf Kosten der bürgerlichen Linken erfolgt ist, wenn auch allen anderen Parteien von den Sozialdemokraten Sitze abgenommen wurden. Trotz der Zunahme der sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichstage wird das Zentrum im Reichstage immer noch den Ausschlag geben. Es kommt noch hinzu, daß angesichts des Anwachsens der sozial demokratischen Abgeordneten es auch keinem Zweifel unterliegt, daß sich die bürgerlichen Parteien immer enger, aus Angst vor der Sozialdemokratie, zu sammenschließen werden. Der Deutsche Kaiser mit seinen impulsiven Empfindungen ist auch für uns eine willkommene Persönlichkeit. Durch die Haltung des Deutschen Kaisers sehen wir genau, wie der Wind weht. Auch der Umstand, daß der einzige Vertreter des protestantischen Kaisertums zu dem Oberhaupte der katholischen Geistlichkeit in die freundschaftlichsten Beziehungen tritt, zeigt, daß der Weg rückwärts, immer rückwärts geht. Es ist selbstverständlich, daß mit dem riesigen Anschwellen der sozialdemokratischen Wahlstimmen auch die Zahl der Mitläufer gewachsen ist. Aber es kann keinem Zweifel unterliegen: die überwiegende Mehrheit derer, die für uns gestimmt haben, sind, abgesehen von unseren Parteigenossen, unsere überzeugten Anhänger, die g. .iz genau wußten, wen sie wählten. Wenn die Wähler nicht von unseren Genossen ge hört haben, was wir wollen, dann haben es ihnen die Gegner gesagt. Unsere Wähler sagten sich jedenfalls: Verlästert und verhöhnt die Sozialdemo kraten, wie Ihr wollt, wir wählen doch sozialdemo kratisch. Die vollständige Kopflosigkeit in der inneren und äußeren Politik, die Plötzlichkeit, das fort währende Schwanken, heute vorwärts, morgen rück wärts, heute hü, morgen Hot, die immer trauriger werdenden wirtschaftlichen Verhältnisse, die stets wachsenden P lill.r- und Steuerlasten, die Blamage hinsichtlich der Weltpolitik, die schlechten Finanz verhältnisse im Reich und den Einzelstaaten haben eine furchtbare Unzufriedenheit geschaffen und uns die großen Wählermassen zugesührt. Die Finanz verhältnisse find so traurig, daß oftmals in den öffentlichen Kassen kein Geld vorhanden ist. Durch einen Terrorismus sondergleichen ist der Zolltarif nach dem Herzen der Mehrheit im Reichstage zu stande gekommen. Auf Grund desselben sollen nun Handelsverträge gemacht werden. Als die Herren aber zusammenkamen, da fühlten sich dieselben genötigt, sich erst gegenseitig zu beriechen. Es werden neue Steuervorlagen kommen, obwohl ich nicht weiß, was man eigentlich noch besteuern will, man müßte denn noch die Luft und das Wasser besteuern. Man braucht aber viel mehr Geld, denn schon wieder drohen große Militär- und Flotten vorlagen. Das festeste Bollwerk des heutigen Staates, die Armee, gerät ins Wanken. Unter den Offizieren herrscht volle Unzufriedenheit. In Amerika ist eine wirtschaftliche Krisis ausgebrochen, die noch immer größer zu werden droht. Amerika leidet an starker Ueberproduktion. Es kann nicht ausbleiben, daß diese industrielle Krisis sehr bald in Deutschland gefühlt werden wird. Die Haupt schläge dieser Krisis werden selbstverständlich die Arbeiter erhalte.,. Ich habe schon lange gesagt: das deutsche Volk geht schweren Zeiten entgegen. Da nit will ich nicht sagen, daß auch die Sozial demokratie schweren Zeiten entgegen geht. In dieser Beziehung bin ich vollständiger Optimist. Ich fürchte nicht, daß ein Ausnahmegesetz oder eine Beschränkung des Wahlrechts kommen wird. Wenn die Sozialdemokratie 2 300 000 Stimmen gehabt hätte, dann würde man sich das überlegen. Aber nachdem von 9 bis 10 Millionen abgegebenen Stimmen über 3 Millionen für die Sozialdemo kratie abgegeben werden, wagt man weder Aus nahmegesetze, noch eine Beschränkung des Wahl rechts. Man wird es sich genau überlegen, ehe man es wagen wird, gegen die Sozialdemokratie vorzugehen, denn hinter den 3 Millionen stünden alsdann noch viele Millionen, alle katholischen Arbeiter, ja alle Arbeiter Deutschlands überhaupt. Wenn die Regierung ein Tänzlein wagen will, dann kann sie es haben. Ich bin nicht im Zweifel, zu wessen Gunsten das Tänzlein aus fallen wird. Angesichts des großen Stimmen zuwachses und der Vergrößerung der Fraktion ist es allerdings erforderlich, die Taktik der Partei zu ändern. Liebknecht sagte einmal in seiner drastischen Weise: Wenn ich es sür notwendig erachte, dann ändere ich innerhalb 24 Stunden meine Taktik 24 mal. Aber das eine steht fest, die Taktik muß sich den Grundanschauungen der Partei anschließen. Ich bin nun der Meinung, das Anwachsen unserer Anhängerschaft erfordert allerdings eine Aenderung dec Taktik, aber in dem Sinne, daß wir energischer, rücksichtsloser und schärfer vorgehen müssen. (Stürmischer Beifall.) Man nennt mich den Mann der Negation, selbst in Parteikreisen. (Heine ruft: Durchaus nicht!) Bebel: Ich hab ' Sie auch nicht gemeint. Ich kann nur versichern, daß ich eine sehr große Anzahl Initiativanträge im Reichstage gemacht habe. Wir sind bekanntlich die Erben der bürgerlichen Parteien, aber nicht in dem Sinne, wie Heine es in den „Sozialistischen Monatsheften" schrieb. Nicht das Erbe der bürgerlichen Parteien wollen wir über-
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