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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 15.07.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191907156
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19190715
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19190715
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- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Anzeiger
- Jahr1919
- Monat1919-07
- Tag1919-07-15
- Monat1919-07
- Jahr1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 15.07.1919
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Abg. Graupe (Soz.) erstattet den Bericht für die Mehrheit des Gesetzgebungs-Ausschusses und beantragt Annahme des Entwurfes in der Regierungsvorlage. Die Mehrheit vertrete den Standpunkt, das; die Förderabgabe aufgehoben werde. Ferner beantrage die Mehrheit, die Ne gierung zu ersuchen, der Volkskammer einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die Kohlen zehnten im Bergbau beseitigt werden. Abg. Hartmann (Dem.) vertritt als Mitberichterstatter den Standpunkt der Deputa tions-Minderheit. Diese stehe einer Streichuyg der die Vorentschädigung betreffenden Paragra phen nicht entgegen. Dagegen beantrage sie hin sichtlich der Fördcrabgabc, das; diese für Braun kohlen 3 Pfg. und für Steinkohlen 6 Psg. der geförderten velckaufsfähigen Kohlen betragen soll. Die Aufhebung des Kohlenzehntcn, die von der Mehrheit gewünscht wird, wäre ein glatter Nechtsbruch. Er bitte um Annahme der Min« derhcitsanträge. Abg. Nitzschke-Leutzsch (Dem.): Meine Freunde lehnen die Vorlage ab. In der Frage der Förderabgabe sei die Negierung wieder glatt lungefallen. Die Beseitigung des Kohlenzehntcn wäre eine staatlich organisierte Wegnahme wohl erworbenen Eigentums. Man spricht schon jetzt von dem R a u b st a a t e Sachsen, in dein kein Mensch mehr seines Eigentums sicher sei. Das Neichsgesetz steht den hier zu fassenden Be schlüssen entgegen. Will die Negierung die Neichsgesetze halten oder nicht? , Abg. Dr. E ck a r d,t (D.-N.): Für den Ge setzgeber gebe cs noch cin höheres Recht: die moralische Verpflichtung. Das vorliegende Gesetz sei eilt Ausnahmegesetz schlimmster Art. Die gegenwärtige Entwickelung sollte der Linken doch zeigen, das; es leichter sei, zu zerstören, als auf- zubaucn. Der Kohlenzehnte müsse unbedingt bci- behaltcn werden. Seine Freunde lehnten das Gesetz ab. Geh. Nat Dr. Krug: Dem Sozialisierungs- gcsetze stehe die Vorlage nicht entgegen: Das Reichsgesetz sehe die Entschädigung nur vor für bestehende wirtschaftliche Nntelmehmungen. Abg. Drescher-Gersdorf (Soz.):. Der uns heute vorliegende Gesetzentwurf hat schon bei der Vorberatung hier in diesem Hause eine lebhafte Aussprache hervorgcrufcn. Von bürger licher Seite wurde darauf verwiesen, das; die Einführung dieses Gesetzes einen gewaltsamen Eingriff in die Rechtsverhältnisse unseres Volkes bedeute, ja cs wurde von einem Redner sogar betont, das; dadurch geschädigte Personen geneigt sein könnten, von einer Naubpolitik des Staates zu sprechen. Gegen diese Ncchtsauffassung ein zelner Personen im Lande, die vielleicht auf Jahre hinaus cin wohlbcrcchtigtcs Interesse glauben für sich in Anspruch zu nehmen, müssen wir mrs natürlich mit aller Entschiedenheit tuen den. Allerdings können Fälle eintreten, wo wirklich berechtigte Interessen vvtlicgen, dort werden aber auch wir dafür eintreten, das; un gerechte Härten vermieden oder solche ausgegli chen werden. Wir müssen aber an unserem Standpunkt festhalten, das; im Interesse der All gemeinheit das Privatinteresse zurückzutretcn hat. Wirn befinden uns da in Nebercinstimmung mit der Mehrheit der sächsischen Bevölkerung. Ich freue mich, das; der GcsctzgcbnngsauSschuß in seiner Mehrheit sich den Vorschlägen der Regie rung angeschlosscn hat und dadurch diese Vor lage doch schließlich Gesetzeskraft erlangt. Damit wird endlich auch ein b c r e ch t i g t c r W n n s ch unserer sächsischen Bergarbeiter z u r Erfüll u n g gebracht. Die § § 21—78 des Kohlcnbcrgbaurcchts vom 14. Juin 1918, die die Fördcrabgabc, die Vorentschädigung und die Regelung der Vezugsverbände regeln, sollen be seitigt werden. Was die Fördcrabgabc betrifft, so lassen Sic mich darauf verweisen, das; in weiten Schichten des Volkes diese als h ö ch st ungerecht bezeichnet wird, selbst bis hinein in weite Kreise des Bürgertums teilt man sogar diese Auffassung. Auch die Herren Demo- traten vertraten einst unsere Meinung. Herr Abg. Günther als Führer derselben erklärte bei Beratung des Bergrealgesetzes, daß die Fürder- abgabe ungerecht auf die Allgemeinheit im Lande wirke, da hohe Summen, ja selbst Millionen von einzelnen Personen eingestrichen würden. Dies wäre ein Agitationsmittel in den Händen der Sozialdemokraten und hätte auch feine Berechti gung. Sie, meine Herren Demokraten, mühten also ihren früheren Standpunkt auch jetzt noch einnehmcn und mit der Mehrheit der jetzigen Volkskammer für Aufhebung oder für bedeu tende Herabsetzung der Förderabgabe mit stim men. Es wäre nur zu begrüßen, wenn diese Bestimmungen, die bisher Gesetzeskraft befaßen und die von dem Geist der Mitglieder der ehe maligen 1. Ständekammer diktiert waren, in der gegenwärtigen Zeit fallen würden. Dadurch würde die Bahn frei und der Weg gegeben sein zum Anfang der Sozialisierung im Bergbau. Bei der Vorberatung ist auch die Frage der Kohlenzehnten mit ausgerollt worden. Ein Teil der Kammermitglieder und selbst die Negierung haben Bedenken getragen, daß unser Antrag betr. Abschaffung der Kohlenzehntcn durchführbar sei. Es ist auch ferner dabei her- vorgehobcn worden, daß durch die Abschaffung der Kohlenzehntcn ein Einfluß auf die Preisge staltung der Kohlen nicht hcrbeigeführt werde und die breite Masse des Volkes davon also gar keinen Gewinn habe. Vielmehr käme diese nur einigen Grubenbesitzern - zugute, denn gerade die sen würde dadurch ein Geschenk bereitet. Dem gegenüber möchte ich nur erklären,' das; diejeni gen Grubenbesitzer, die bisher Kohlenzehntcn an die bctr. Inhaber abführcn mußten, diese nach unserer Meinung auch lveiterhin zu leisten haben, jedoch entweder an die Gemeinden oder aber auch dem Ausgleichsfonds im Bergbau zuznfüh- rcn sind. Daß auch die Besitzer von Kohlenzchn- tcn mit der Abschaffung ihrer bisher geltenden Rechte schon gerechnet haben, ersieht man? dar aus, daß sic sich znsämmcngeschlosscn haben und der Volkskammer eine Petition zugestellt haben, in welcher sie bitten, die Abgabe der Kohlenzehntcn auch weiterhin bestehen zu lassen. Wo aber »etwas Großes für das allgemeine Volkswohl geschaffen werden soll, kann die Ge setzgebung nicht jede kleine Härte vermeiden. Die gegenwärtige Zeit schickt sich an, mit eini gen veralteten Einrichtungen aufzuräumen und die zukünftige kommende Zeit wird noch weitere tiefeinschneidendc Beschränkungen althergebrachter oder vielmehr angemaßter Vorrechte unterneh men müssen, uin den Wünschen des Volkes ge recht zu werden. Die Sozialisicrungsfrage wer den wir mit allem Nachdruck zu fördern fachen, trotz dem Widerstande, den Sie uns dabei ent gegensetzen. Im übrigen aber bitte ich Sie, dem vorliegenden Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu erteilen. (Bravo! b. d. Soz.) Vizepräsident Dr. Dietel (Dem.): Tie Beseitigung des Kohlenzehntcn sei ein flagranter Rechtsbruch und eine Verletzung des NeichsrcchtS. Abg. Blüher (Dtsch. Vp.): Obwohl das Schicksal des Gesetzes entschieden zu sein scheint, muß gesagt werden, daß cs kein Ruhmesblatt für die Volkskammer darstellt. Die Regierung begeht ein unverzeihliches Unrecht, wenn sic dein Drängen der Linksparteien nachgibt. Sie wird die Folgen zu tragen haben. Die dem Neichs- recht gegebene Auslegung wird dem Sinne des Gesetzes nicht gerecht. Geheimer Justizrat Dr. Ma » sfcldt stellt fest, das; die Vorlage weder dem Reichsrecht noch deni SozialisicrungSgcsetz widerspricht. Finanzminister Nitzsche: Die Regierung ist. in einer Zwangslage. Sie soll Entschädi gungen gewähren und hat dafür keine Mittel zur Verfügung. Mit Zustimmung der Volkskammer wird cs auch in Zukunft möglich sciu, diese Entschädigungen zu zahlen. Nach weiterer Aussprache, an der die Abge ordneten Müller- Zwickau (Soz ), L i - pinski (Unabh.) und^ Günther-Plauen (Denn) sich beteiligen, wird die Aussprache ge schlossen. Nach Ablehnung der Minderheitsan- träge wird das ganze Gesetz nach den Be schlüssen der Ausschußmehrheit gegen die Stimmen sämtlicher bürgerlicher Abgeordneten angenommen. Auch die Beseitigung der Kohlenzehntcn wird gegen die Stimmen der Bürgerlichen bei der Regierung angeregt. Abg. Möller-Leipzig (Soz.) beantragt für - den Finanzausschuß A dem Ankauf des S t e i n k o h l e n w e r k e s Burgk zuzustim- men.. Das Haus beschließt demgemäß. ; Abg.- Dr. Barge (Soz.) berichtet sodann über die Ausschußanträge zum Gesetz über die Gemeinschaftserziehung. Wir haben diese Anträge bereits mitgcteilt. Auch hier stimmt das Haus dem Ausspruch des Ausschuh- gutachtens zu. — Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Präsident Fräßdors gibt sodann - eine ausführliche Ucbersicht über die Tätigkeit der Kammer in ihrem 'ersten Tagungsabschnitt. Die Kammer hat 58 Vollsitzungen und 119 Ans« schußsitzungen abgchaltcu und ihren Arbeitsstosf bis auf wenige Neste erledigt. Minister des Innern Uhlig verabschiedet das Haus im Auftrage des dienstlich nach Wei mar gereisten Ministerpräsidenten. Das Haus stehe am Schluß einer überaus reichen Tagung. . Immer neuer Arbeitsstoff habe sich hiuzugescllt, so daß die Vertagung hätte verzögert werden müssen. Trotz der schweren Krankheitscrschcinun- geu im Wirtschastskörpcr dürfte mau nunmehr ruhig iu die Zutuuft sehen. Durch die Arbeit der Volkskammer seien die Errungenschaften der Revolution in denkbar bester Weise gesichert wor den. Die Hoffnung aus eine endgültige Gesun dung der Verhältnisse erwachse aus der Tat sache, daß der Frieden den 'Beginn der Arbeit im Wiederaufbau erkennen lasse. Präsident F r ä s; d o r f teilt mit, daß er den auf 7000 Mk. augelausencn monatlichen Ent schädigungs-Aufwand, der ihm als Präsidenten gewährt wurde, dem Kreisverein der Stiftung Hcimatdank zur sofortigen Aufwendung für KricgSverlctzte und Kriegshinterbliebene über wiesen habe. Zum Schluß richtet er die erustc Mahnung an die Bergarbeiter und die Angestell ten und Arbeiter der Eisenbahn: An die Arbeit! Schafft, was das Volk so notwendig braucht: Nahrung und Kohle! Vizepräsident Dr. Dietel dankt dem Prä sidenten namens der Kammermitglieder für seine umsichtige und unparteiische Führung der Ge schäfte des Hauses. Präsident Fräßdorf schließt die Sitzung mit DankcSworteu an die Presse, das Bureau und. alle Mitarbeiter; er wünscht allen gute Er- holung iliid ein gesundes Wiedersehen üu Herbst. Nächste Sitzung: Voraussichtlich 14. Oktot^r. MW WiMltlttfMMMg. W e i m a r , 12. Juli. Präsident Fchrenba ch eröffnet die Sitzung. Auf der Tagesordnung stehen W a h l- prüs u n g e n. Der Wablprüfungsausschus; beantragt, im zehnten Wahlkreis (Oppeln) die Bernsung eines Bewerbers für ungültig zu erklären und fol gende Entschließung anzuuehmen: Als schriftliche Erklärung über die Verbindung von Wahlvor schlägen im Sinne des Paragraph 12 der Ver ordnung über die Wahl vom 30. November 1918 gilt auch die telegraphische Erklärung (im Gegensatz zu dieser Ausfassung hatte näznlich der Wahlkommissar eine telegraphisch crsolgte Listen- verbiudung für unzulässig und damit sür un gültig erklärt). Abg. Allelotte (Zeulr.): Ein Tele gramm kann als Beweisstück nicht angesehen werden, da der Absender nicht einwandfrei fest gestellt werden kann. Abg. Schmidt (Soz.): Schon die Be dürfnisse der Praxis zwingen dazu, die telegra phische Listenvcrbindung der schriftlichen gleich zustellen. Negierungsvertreter Freiherr von Welser: Das Reichsministerium des Innern schließt sich der Alüfassung des Wahlprüfungsausschusscs an. Die telegraphische Listenverbindung grundsätzlich der schriftlichen gleichzustellen, würde allerdings bedenklich sein. Schließlich wird die Wahl des Abg. Kubentzko (Zentr.) für ungültig erklärt und die Entschließung des Ausschusses angenommen. Es folgt die Beratung über die Wahl in; 23. Wahlkreis (Düsseldorf)l Abg. Zu bei! (Soz.) führt als Bericht erstatter aus, daß die Spartakisten durch An griffe auf Wahllokale uud Wähler die Ausübung des Wahlrechts sür etwa 58 000 Wähler un möglich machten. Der Ausschuß beantragt des halb teilweise Nachwahl, um Beweismateriäl zu der Mandatsvertciluug zu erhalten. Negierungsvertreter Freiherr von Welser führt .aus, das; Nachwahlen im Wahlgesetz nicht vorgesehen seien. Nach weiterer unerheblicher Debatte bezwei felt Abg. Gröber (Zentr.) die Beschlußfähig keit des Hauses. — Es tritt Vertagung ein. Nächste Sitzung: Montag. ItnWgtiMltt Parteitag. Unter gewaltiger Beteiligung wurde iu Bcr-> lin der erste Parteitag der Deutschnationalen - Voltspartci abgehalten. Abgeordneter Hergr eröffnete die Bettungen. Opposition aber nicht Gegenrevolution wolle man treiben. Neuwahlen zum Reichstag müßten bald ausgeschrieben wer den. Scharfer Protest wurde sodann gegen die Auslieferung Hindenburgs uud des Kaifers er hoben. Der Redner schloß mit dem Hinweis, daß wir nicht nötig haben zu verzagen; wenn uns auch die äußeren Ehren genommen worden sind, so liegt die wahre Ehre im Volke selber, in den Aufgaben, die es als Mitglied der Mensch heit erfüllt. Wir wollen glauben, daß aus Schutt und Asche der POmarchic wieder etwas heraus« wächst uud, so schloß der Redner, daß das Kai sertum neu erstehen wird. Es wurde sodauu .beschlossen, eiu Telegramm an die Königin der Niederlande aufzusctzen, in dem ihr' die Bitte unterbreite; wird, dem Verlangen nach Ausliefe rung des Kaisers nicht zu entsprechen. Ein Wei- teres HuldignngStelcgramm wurde au Hinden burg gesandt. Als erste Rednerin folgte daraus Frau Mar garete B c h m , die über die Tätigkeit der Par tei iu der Deutschen Nationalversammlung refc- ricrtc. Ihr folgte der Abg. Kardorff, der über die Tätigkeit der Fraktion in der preußi schen LandeSvcrsammlung berichtete. An dieses Referat schloß sich eine längere Aussprache, in der von Freytag-Loringhoven der Hosfnung Aus druck gegeben wurde, das; die Partei gegen die Verfassung stimmen werde, in der die Republik sestgelegt werden soll. Als weiterer Redner be nutzte Staatsminister a. D. Dr. Helfferich die Gelegenheit, in der Oessentlichkeit mit seinem „Freunde Erzberger" abzurechnen. Beim Waffen stillstand habe er uns mit schuhen und Strümp fen an Frankreich auSgcliefcrt. Unter seiner Fi- nanzpolitik seien, wir rettungslos verloren. Als nächster Redner berichtete der Abgeordnete Tranb - Dortmund über die Bilanz des Welt- kricgeS und der Revolution. Er hob hervor, daß der größte Fehler der Bethmanuschen Politik gc- wcscn sei, das; er cs nicht verstanden habe, mit dem zaristischen Rußland, das zum Frieden ge neigt war, eine Verständigung zu erzielen. Ter Parteitag fand am Sonntag seine Fort setzung. Als erster Redner .sprach Graf W e st - a r p über die Außenhandelspolitik. Er führte aus, das; wir aus der Krankheit und der Zer- Irauenliebe. Roman von Clara Aulepp-StübS. 22 „Glaube mir, Hellmut, ich spreche aus Erfahrung, nie war Gio ruhiger uud solider in seinem LebenS- wandel, wie in den Wochen, wo er halbe Nächte durch am Flügel znbrachte." „Daß Du das gelitten hast!" fuhr Hellmut Arn- Heim auf. „Was weiter? Ich sagte Dir bereits, daß Dein Sohn auf diesbezügliche Vorstellungen hin jedes mal die Abende außer dem Hause verbrachte und — er ist doch kein dummer Junge, den man am Gängelbändchen führen kann; mehr als Vorstel lungen machen — ihn zwingen — kann man doch nicht!" Da war der Kommerzienrat von seinem Sitz in die Höhe gefahren, sprühend vor Zorn hatte er seinem Schmager ins Gesicht geschrieen: „So meinst Du? Na, da sollst Du mal sehen, ich werde ihn zwingen!" Ruhiger werdend, hatte er dann mit gepreß- ter Stimme weiter gesprochen: „Du verkennst die Größe seiner Leidenschaft! O, ich habe es durchge macht, was cs heißt, gegen diesen Dämon zu kämp fen." Er schüttelte die geballte Faust. Noch nie hatte Czerny ihn so erregt gesehen. Was muhte da vorgegangen sein? Gab es irgend einen dunklen Punkt in der Vergangenheit, in der Ehe seines Schwagers? Vielleicht! Er wußte es nicht, wagte auch gar nicht zu fragen, aber da würden freilich alle Be mühungen vergeblich sein. Und so war denn das Heim des jungen Paa res ohne jenes Kunstwerk geblieben, das so vielen tausenden ein trauter Freund und Genosse trüber, sowie heiterer Stunden ist. Oh, die blonde Frau an seiner Seite ihn die Sehnsucht nach seiner Kunst wohl vergessen machen wird? Wer kann es wissen? „Mutti, Mutti, da sind wir!" Wie jubelnd die junge Stimme klang, wie ro sig daS liebe Gesicht unter dem grauen Reisehüt chen und dem goldblonden Haar hervorlugte. „Mein Kind, mein liebes, liebes Kind!" Frau Doktor Falk drückte die junge Frau immer wieder an sich. Und da hinter ihr: „Mutti, ich bin auch noch da!" Sie wollte sich rasch umwenden, aber da fühlte sie sich auch schon umschlungen uud geküßt. Zwei übermütige Augen lachten sie än. Ja, sie waren heimgekehrt, die beiden! Heim gekehrt aus dem Märchenlande des goldenen Sü dens, ans Giovanuis sonnigem Heimatland in den kalten Norden. Sich innig umschlungen haltend, standen sie am Fenster und sahen hinaus in die glitzernde Winterpracht. In einiger Entfernung vom Hause begann die lang ausgestreckte Werft anlage. Dort lag Giovannis Arbeitsfeld, dort er hoben sich auch die Bureaugebäude, alles massive, stattliche Bauten — sein Erbe! - Er preßte Lotti fester an sich. Sie strich ihm die dunklen Locken aus der Stirn. „Ich werde Dir helfen, Gio!" Er schüttelte den Kopf. „Das kannst Du ja gar nicht," lächelte er. „Hier kannst Du uicht die Kor respondentin spielen!" Lotti zuckte unteruehmend die Achseln: „Das wohl nicht, aber ich werde mir schon ein Gebiet aussucheu, auf welchem ich tätig sein und Dir nützen kann. Sieh, Gio, wie viel hundert Arbeiter zum Beispiel beschäftigt Ihr. Glaubst Du, daß ich für deren Kinder oder Frauen nicht wirken kann? Soviel mir bekannt, gehen letztere häufig irgend einem Gewerbe nach, und da könnte man sich doch mal darum kümmern und sehen, wie es um die Kindererziehung bestellt ist, und so weiter. — Es ist doch einfach meine Pflicht!" . „Ich weiß nicht, Lotti!" Giovanni zögerte, dann meinteer: „Ob da der Papa zufrieden sein wird—" Lotti warf das Köpfchen auf. Ihre Augen blitz ten. - I „Den Papa frage ich da gar nicht! Denkst Dn, ich fürchte mich vor ihm? Er wird mir doch nicht verbieten, das Recht der Frau auSzuüben." „Das Recht der Frau? Herzenskind, das ist ein weiter Begriff. So nennt sich jetzt wohl alles, was die Frauen sich zu erringen bestreben. Ich stehe dem Ganzen etwas skeptisch gegenüber, Lieb^ ling. Vielleicht, weil ich der Sache niemals näher getreten bin, sondern nur zuweilen die spnltenlan- gen Berichte in den Tagesblättern, teilweise auch Artikel in den Zeitschriften darüber gelesen habe., Na, und ich kann es nicht leugnen, ich bekam allen Respekt vor den Damen, die da so mutig redeten und parlamentierten und schließlich am liebsten noch selbst in den Reichstag gingen, nm „das Recht der Frau" zu vertreten. Sie bringen es auch so weit! Kann sein, daß es in wenigen Jahren schon weibliche Abgeordnete gibt. Nun, ich habe nichts dagegen, nur — meine Frau möchte ich nicht dort sehen!" entgegnete Giovanni. „Ei, ei! Sieh da, solch Egoist bist Dn?" Lotti hob lächelnd den Zeigefinger: „Möchtest mich wohl am liebsten hier im Strandhau» einbuddclu, un bekümmert um das Wohl und Wehe unserer Mit- meu^hen." Er zog das Fingcrchen herunter, trat vor sie hin, legte beide Arme um ihre Taille und lachte sie an. „Ja, Kind, das möchte ich; ich gönne Dich keinem Menschen! Schon nur, wie heimlich es bei uns ist!" Er deutete mit dem Blick in das Zimmer hinein. „Was gehen uns andere Leute an? Laß sie doch mit ihren Leiden und Freuden!" Seine Stimme senkte sich zum Flüstern herab, er zog Lotti vom Fenster fort; man verstand seine heißen Liebesworte uicht mehr. Sie ließ sie wvhl lächelnd über sich ergehen, schüt telte aber doch den feinen Kopf. „Und was nennt man eine moderne Ehe? Nein, Gio — das geht nicht! Wir haben auch Pflichten!" „Pflichten? Nun ja — die, uns lieb zu haben — selbstverständlich I" Geaen seine übermütige Flitterwochenstitnmung war nicht auf,^kommen; cs war ja aber auch so kosig nnd tränt an diesem ersten Tag im eigenen Rest. Bei der waten Mahlzeit stürzte Giovanni ziem lich rmch hintereinander einige Gläser des guten, alten Weines durch die Kehle. „Ich bin so durstig!" sagte er, wie entschuldi gend. Er wußte, Lotti billigte den etwas übermä ßigen Weingennß nicht. Sie hielt zuweilen mit bittender Gebärde sein Glas fest, wenn er es schon wieder zum Munde führen wollte. „Gio —" „Lieb!" Mit Küssen verschlossen wurdederkleine, rote Mund und die Ivie ein häßliches Gespenst jäh anftanchende, blasse Angst vor etwas Grauenvol lem, das ihr drohte und das sie abwenden müsse, ging unter in der Zärtlichkeit, die über sie hinflu tete. Das „Einbnddeln im StrandhäuS* wollte Gio- vanui nicht recht gelingen. Lottis, dem wirklichen Leben erschlossener Blick, ihrem Drang, sich nützlich zu betätigen, genügte die vornehmer Tändelei gleichende Tätigkeit im HauS durchaus nicht. Ihre Mutter und gut geschulte Dienstboten erleichterten ihr das wenige, was zu tun war, noch in einer Weise, daß ihrer Meinung nach ihr tatsächlich nichts blieb. Die meisten jun gen Frauen würden das nur sehr »angenehm ge sunden und wohl hier ein wenig gemalt, da ein wenig gelesen und dort wieder die neuesten Mode- blätter studiert haben. Doch das war nichts für Lotti. l , Die Gesellschaftssaison in Kiel wolltet» sie in diesem Winter nicht mitmachen, sie hatten beide keine Lust dazu, und so wandte sie ihr Augenmerk doch allmählich jenem Felde zu,, auf welchen, zu bauen sie als ihr natürliches Recht ansah. Eigentliche krasse Armut herrschte im allgemei nen nicht unter den Arbeiterfamilien, aber es gab doch Leute genug, die durch starken Familienzu wachs, Krankheit oder Gebrechlichkeit der Frau einer Hilfe bedürftig erschienen. 219,17
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