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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 24.09.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-09-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-187809245
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18780924
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18780924
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFreiberger Anzeiger und Tageblatt
- Jahr1878
- Monat1878-09
- Tag1878-09-24
- Monat1878-09
- Jahr1878
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 24.09.1878
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1878. und Tageblatt. Amtsblatt sür die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur Iulius Braun in Freiberg. Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angenom men und beträgt der Preis sür die gespaltene Zeile oder deren Raum 1b Psennige. » - > — UV. Aaüraana. >»>» Erscheint jeden Wochentag Abends 6 Uhr für den Dienstag, den 24. September. zu unterstützen. Der Gesetzentwurf wurde einer Kommission von 21 Mit gliedern überwiesen, deren Zusammensetzung mannichfachen Schwierigkeiten begegnete. Die liberalen Parteien und das Zentrum wollten eine Stelle in dieser Kommission den Sozialdemokraten überlasten, wogegen die Konservativen unter Hinweis auf ihre Stärke diesen Sitz noch außer den ihnen bereits zugedachten für sich in Anspruch nahmen. Der Streit wurde nach langwierigen Verhandlungen da durch beglichen, daß durch das Loos die zweite Abtheilung berufen wurde, ein Mitglied aus freier Hand zu ernennen. Da sich innerhalb dieser Abtheilung Nationalliberale unv Konservative verständigt hatten, so traf die Wahl nicht den Abg. Bebel, welchem die Mitglieder des Zentrums und der Fortschrittspartei ihre Stimmen gaben, sondern den Abg. Gneist, der äußerlich zur nationalliberalen Partei gezählt wird, den aber nicht nur in Bezug auf das Sozia listengesetz, sondern auch in vielen andern Fragen die Kon servativen mit viel größerem Recht zu den Ihrigen rechnen dürfen. Die Kommission hat ihre Arbeiten begonnen und ist verhältnißmäßig schon ziemlich weit darin vorgeschritten. Die Nationalliberalen, und unter ihnen — was sür den schließlichen Ausfall von der größten Bedeutung ist — der Abgeordnete Lasker, sind eifrig bemüht, einen Boden sür eine gemeinsame Verständigung zu schaffen und der Regierung und den Konservativen soweit entgegenzukommen, als es nur irgend möglich ist. Es läßt sich daher wohl annehmen, daß saure Arbeit ihrer harre — gerade an diesem Tage auf ihren gewohnten Plätzen sich niederließen. Während der Sitzung wurde die Hausflur nicht leer von solchen, die durchaus nicht aus den Ruhm verzichten wollten, der Sozialistendebatte beigewohnt zu haben, und sich an den Strohhalm der Hoffnung klammerten, es werde der eine oder andere Zuhörer seinem Magen zu Liebe gegen 1 oder 2 Uhr den schwer errungenen Posten aufgeben, sodaß ein Andrer in dm eben verlassenen Platz .einrücken könnte. Leider schienen alle Zuhörer reichlich gefrühstückt oder wenigstens hinreichend mit Proviant sich versehen zu haben, denn nur Wenige verließen ihre Plätze vor Schluß der Sitzung und gestatteten einen Nachschub, die Mehrzahl der erwartungsvollen Menge mußte unverrichteter Dinge wieder abziehen. Und wozu dieser Sturm, da man doch sicher sein konnte, am andern Morgen in der „Vossischen Zeitung" oder im „Berliner Tageblatt" die Verhandlungen brüh warm in größter Ausführlichkeit zu finden? Warum drängte sich der Berliner auf die Tribüne, obwohl er ziemlich sicher sein konnte, daß er bei dem großen Andrange und bei der schlechten Akustik nicht ein Viertel von dem hörte, was er am nächsten Morgen, auf seinen Sopha ruhend, vor sich die Taste Kaffee, im Munde die Cigarre, in größter Be haglichkeit lesen konnte? Der Grund ist derselbe, der 90 Prozent von den vielen Tausend Berlinern, welche alle Sommer die sächsische Schweiz, das Riesengebirge, den Harz, Thüringen, den Rhein, die Deutschen und Schweizer Griefe vom Reichstage, u. U. Berlin, 22. September. Kaum jemals ist einer Reichstagsdebatte mit so großen Erwartungen entgegen gesehen worden als der ersten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie. Schon viele Tage vorher wurden alle Vie Glücklichen oder Unglücklichen, welche Plätze auf den Zuhörertrtbünen zu vergeben haben oder die man im Verdacht hatte, daß ihr Einfluß soweit reiche, Jemandem einen Platz zu verschaffen, mit münd lichen und schriftlichen Bitten bestürmt Die Abgeordneten konnten sich angeblicher Wähler, welche als Gegenleistung für die Wahlstimme einen Sperrsitz auf der Abgeordneten- trtbüne verlangten, oder solcher, die durch eine frühere flüchtige Bekanntschaft das Recht erworben zu haben glaubten, eine« solchen Anspruch mit Erfolg erheben zu können, kaum erwehren, und dem Bureaudireklor des Reichstags gingen täglich große Stöße von Briefen zu, in denen der einflußreiche Mann um seine Vermittelung zur Verschaffung eines Platzes, und wäre derselbe auch auf der hintersten Bank, angefleht wurde. Der größte Theil der Be mühungen erwies sich als vergeblich, nur eine verschwindende Minorität der Petenten konnte berücksichtigt werden. Die jenige Tribüne, welche den Abgeordneten zur Disposition steht, um auf ihr etwaige Gäste unterzubringen, wurde ausnahmsweise ihrer eigentlichen Bestimmung entzogen; man stellte sür jeden einzelnen Platz dieser Tribüne eine Karte aus und vertheilte die Karten unter die Fraktionen nach Maßgabe ihrer Stärke. Als der längsterwartete Tag erschienen und die Stunde gekommen war, zu welcher die Sitzung beginnen sollte, waren die schärfsten Maßregeln getroffen, um ein etwaiges Eindringen von Unbefugten zu verhindern. Schon im Hausflur war außer dem Portier und dem Schutzmann, die sür gewöhnlich für Sicherheit und Wohlfahrt in diesem Raume sorge», ein Saaldiener aufgestellt, der jeden Eintretenden nach seiner Karte fragte und ihn erst passiren ließ, wenn er sich durch den Augen schein davon überzeugt hatte, daß der Paffant wirklich voll berechtigt sei, dem seltenen Redeturnier beizuwohnen. Vor dem Eingänge zur Journalistentribüne — der zu andern Zeiten ganz unbeanstandet passirt wird, wenn nicht ein ganz fremdes Gesicht einest der wachthabenden Diener ver anlaßt, sich nach der Legitimation zu erkundigen — war ein eigner Cerberus aufgestellt, der dasselbe Manöver wiederholen mußt«. Die ältesten Habitues dieser Tribüne, ergraute Journalisten, die schon seit der Errichtung eines deutschen Parlaments fortwährend den Verkehr zwischen dem Reichstage und der Oeffentltchkeit vermitteln, mußten durch Vorzeigung des Passepartouts den Verdacht von sich abwenden, als ob bloß« Neugierde ihren Fuß den heiligen Hallen zulenkte, während doch die Meisten dieser Unglücklichen nur mit Widerwillen — denn sie wußten, Alpen unsicher machen, in die Fremde treibt: „Man iS da- ewesen!" In der That wurde die Debatte über das Sozialisten gesetz hinsichtlich des dramatischen Interesses und des leichthums an packenden Momenten von vielen ihrer Vor gängerinnen übertroffen. Der Gegenstand war ja nicht neu, sondern noch nicht vier Monate vorher in voller AuS- ührlichkeit in ebendenselben Räumen behandelt worden. Auch die Redner boten kaum etwas Außergewöhnliches. Die Redner des Centrums und der Nationalliberalen, Peter Reichensperger und vr Bamberger, sprachen kaum halb so interessant als sonst wohl; namentlich der Letztere, dessen Reden mitunter wahrhaft strotzen von geistreichen Wendungen, treffenden Bildern und pikanten Anekdoten, war kaum wiederzuerkennen, als er mit diplomatischer Vorsicht, seine Worte ängstlich abwägend und verklausulirend, die Stellung — der nationalliberalen Partei? o nein, nur seine eigne präzisirte. Und doch wollte alle Welt gerade wissen, was denn eigentlich die nationalliberale Partei von dem Gesetze hielt, da allgemein bekannt war, daß in derv orliegendeu Frage diese Partei den Ausschlag geben werde. Ebensowenig konnten auf größeres Interesse Anspruch machen die gewiß sehr wohlgemeinten und ihrem Inhalte nach hocherfreulichen Mittheilungen der Elsässer Fabrikbesitzers Dollfus über die Humanitären Be strebungen der elsässischen Großindustriellen ihren Arbeitern gegenüber, namentlich auch deshalb, weil sich das Organ des schon 78jährigen Mannes als zu schwach erwies, um in einer so großen Versammlung durchzudringen. Die AuS- sührungen des polnischen Geistlichen v. JazdzewSki enthielten nur die schon hundert Mal gehörten Klagen und Beschwerden der Polen und der Redner der deutschen Reichspartei, v. Kardorff, beschränkte sich bei der Ungunst der Stunde — er kam erst am zweiten Tage der Debatte, nach schon fünf ¬ stündiger Dauer der Sitzung zum Worte — auf das Aller- nothwendigste. Von hohem Interesse war dagegen die Rede des Abg. vr. Hänel, der am Beginn der zweiten Sitzung das Wort erhielt. Seine Beredtsamkeit feierte einen großen Triumph und über dem glänzenden Pathos seiner elegant stilisirten Rede konnte man leicht übersehen, daß er theil- weise von falschen Voraussetzungen ausging und daß sich demgemäß viele seiner Pfeile gegen ein Ziel richteten, das in der That gar nicht vorhanden war, daß ein großer Theil seiner Kanonenschüsse gegen Sperlinge, eine gute Anzahl seiner Lanzenstöße gegen Windmühlen gerichtet war/ Der Abg. v. Kleist-Retzow hielt eine lange Rede über die traurigen Folgen, welche das Verlassen der Grundlagen des christlich germanischen Staats mit sich gebracht habe, er donnerte gegen die sentimentalen Humanitätsbestrebungen der Neuzeit, gegen die neuere wirthschaftliche Gesetzgebung, gegen Theater- und Gewerbefreiheit, pries den Zunftzwang und lud ein zum Wiedereintritt in die weitgeöffneten Thore der orthodoxen Kirche. Die schwungvolle Rede des weiß ¬ haarigen, aber noch jugendlich lebhaften und feurigen Ritters ohne Furcht und Tadel würde unter andern Ver hältnissen die Zuhörer wohl gefesselt haben, aber er sprach zu einer unglücklichen Zeit, denn alle Welt stand noch unter dem vollen Eindruck einer Rede, welche unmittelbar vorher der Reichskanzler Fürst Bismarck gehalten hatte. Diese Rede und diejenige des Abg. Bebel am Tage vorher, zu deren thetlweiser Widerlegung die Bismarck'sche Rede be stimmt war, bildeten das eigentliche dramatische Element der Verhandlung. Bebel hatte nachzuweisen gesucht, daß dieselben Bestrebungen, welche jetzt als gemeingefährlich ver- , folgt werden sollten, seinerzeit von der preußischen Re gierung und insbesondere vom Fürsten Bismarck selbst unter stützt worden seien, und der Reichskanzler führte die Bebel'schen Erzählungen auf ihren wahren Werth zurück, indem er bebauptete, von allen angeblichen Beziehungen der preußischen Regierung oder seiner Person zu Führern der Sozialisten sei nur das Eine wahr, daß er einige Unter redungen mit Lassalle gehabt, welchen er auch als einen sehr geistreichen und liebenswürdigen Mann schätzen gelernt habe, ohne daß aber auch nur die Möglichkeit vorhanden gewesen wäre, mit Lassalle irgend welches politische Ab kommen zu schließen, denn dem würde schon der Umstand entgegengestanden haben, daß Lassalle keine Gegenleistung hätte bieten können. Bebel's Behauptungen gingen aller dings wesentlich weiter; nach ihm deuteten verschiedene An zeichen darauf hin, daß die Sozialdemokratie seinerzeit dazu benutzt worden sei, um für die Idee der Einigung Deutsch lands unter preußischer Führung in den kleineren deutschen Staaten, namentlich in Sachsen, unter den Arbeitern Pro paganda zu machen; indessen konnte er nicht nachweisen, daß Fürst Bismarck dabei selbst die Hand im Spielt gehabt habe. Bebel gilt Vielen als wahrheitsliebender Mann. Anderer seits ist aber auch Fürst Bismarck als ein Mann bekannt, der sich streng an die Wahrheit hält, und so bleibt als höchstwahrscheinlich nur die Annahme, daß einige über eifrige Organe des Fürsten, die l iSmarckischer waren als ihr Herr und Meister selbst — und deren giebt es ja, wie fast jede Nummer der preußischen offiziösen Presse zeigt, auch heutzutage noch viele — ohne Wissen und Willen des Fürsten mit den Sozialdemokraten Beziehungen ange knüpft haben, um mit deren Hilfe die Pläne des Kanzlers Einladung zum Abonnement. Indem wir das geehrte Publikum zum Abonnement auf den < „Irriberger Anzeiger" höflichst einzuladen uns erlauben, bitten wir, die Bestellungen auf das Blatt rechtzeitig machen zu wollen, damit eine Unterbrechung respektive verspätete Lieferung vermieden wird. Sämmtliche kaiserliche Postanstalten nehmen Be stellungen entgegen; außerdem abonnirt man in Freiberg bei der unterzeichneten Expedition und den nachgenannten Ausgabestellen: »«inLmsimn, Annabergerstratze; « Ecke -er äutzereu Bahnhofsstratze; »rui»» Erbischestratze; Krickel, Meitznergasse; » Obermarkt; HrvoSor StSlLnei-. Weingasse nnd kleine Borngasse; L r. HV ferner, Neugasse. Der Preis des Blattes bleibt unverändert und beträgt pro Vierteljahr 2 Mark 25 Pf. Der „Freiberger Anzeiger" wird auch für die Folge den von ihm eingenommenen Standpunkt wahren, durch regelmäßige Leitartikel politischen und volkswirthschaft- lichen Inhalts, die Vorgänge im Bereiche der Tagesgeschichte erläutern, durch Telegramme, Korrespondenzen, Lokal- und Provinzialnachrichten, Handels- und Börsenberichte, sowie durch ein gut gewähltes Feuilleton allen billigen Ansprüchen seiner geehrten Leser nach Mög lichkeit zu entsprechen sich bestreben, um nicht nur das bisher in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen, sondern auch immer neue Freunde zu erwerben. Inserate finden im bei der bedeutenden Auflage desselben die weiteste und zweckentsprechendste Verbreitung. Viv Lxpväiiro».
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