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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 26.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189911260
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18991126
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- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18991126
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- Saxonica
- Bemerkung
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFreiberger Anzeiger und Tageblatt
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-26
- Monat1899-11
- Jahr1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 26.11.1899
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18»». demokratischer Redner den Mund recht voll nimmt und die Ver hältnisse in diesen oder jenen Zweigen als so entsetzliche schildert, daß einem ordentlich eine Gänsehaut über den Körper läuft. Immerhin haben sich die anderen Parteien daran gewöhnt, diese Uebertreibungen ruhig hinzunehmen, denn wenn sie protestiren, dann bekommen sie entweder die Phrase zu hören: „Für die Arbeiter haben Sie natürlich kein Herz" oder „Wenn Sie sich in der Loge befänden, würden Sie schon anders reden". Heute wurde die Berathnng nur sehr wenig gefördert, denn eS entspannen sich unter den Spezialisten der verschiedenen Parteien gewaltige Redeschlachten um verhältnißmäßig nicht übermäßig wichtige Dinge. Der Artikel VI fügt eine neue Bestimmung in die Gewerbeordnung ein, wonach der Buudcsrath für bestimmte Gewerbe Lohnbücher und Arbeitszettel vorschreiben kann, in die einzutragen sind 1) Art und Umfang der übertragenen Arbeit, 2) die Lohnsätze, 3) die Bedingungen sür die Lieferung von Werk zeugen und Stoffen, und 4) die Bedingungen für die Darreichung von Kost und LogiS, sofern diese auf den Lohn angerechnet werden sollen. Hierzu waren von 3 Seiten umfangreiche Ab- änderungSanträge gestellt. Zunächst wollte ein sozialdemokratischer Antrag festlegen, daß nur die genannten Dinge eingetragen werden dürfen, da sonst die Lohnbücher leicht zur Kennzeichnung mißliebiger Persönlichkeiten mißbraucht werden könnten. Dieser Vorschlag wurde zähe von den Abgg. Reißhaus, Stadthagen und Molkenbuhr vertheidigt, denen von den bürgerlichen Parteien aber nur Rösicke im Namen der freisinnigen Gruppen zustimmte, vr. Hitze (Z.) hielt mit den Rednern der anderen Parteien der angedeuteten Gefahr für genügend vorgebeugt durch eine andere Bestimmung der Gewerbeordnung, die solche Kennzeichnung generell verbietet. Die Hauptangriffe richteten sich aber gegen die Aufnahme der oben unter 4 angeführten Angaben in die Arbeitsbücher. Und zwar gingen sie aus einerseits vom Frhrn. v. Stumm (Rp.) und seinen Freunden und andererseits von den Sozialdemokraten. Allerdings waren für Beide verschiedene Beweggründe maß gebend, wie man sich leicht denken kann. Frhr. v. Stumm wollte damit den kleinen Arbeitgebern etwaige Unannehmlichkeiten er sparen, während die Sozialdemokraten überhaupt das sog. Truck system beseitigen wollten. Die letzteren beantragten deshalb, ent weder in Nr. 4 die Schlußworte zu streichen „sofern sie auf den Lohn ungerechnet werden sollen", oder die ganze Nummer zu beseitigen. Mit dem ersten Antrag hätten sie erreicht, daß die Bedingungen sür alle Lieferungen, also nicht nur sürdiejenigen, die sich als Naturallol,n charakterisiren, sondern auch jene, die den Arbeitern unter Einbehaltung ihres kontrahirten Lohn- betrageS gegeben werden, Aufnahme finden müssen, wodurch viele solcher Lieferungen unterblieben wären; und bei völliger Streichung sollte ein 8 des Bürgerlichen Gesetzbuches in Geltung kommen, der nach ihrer Interpretation das Einbehalten von Lohntheilen für Lieferungen seitens der Unternehmer verbietet und diese einfach in die Rolle eine- gewöhnlichen Gläubiger- verweist. Zentrum, Nationalliberale und Freisinnige hielten aber dih Nr. 4 aufrecht, die sie für den besten Mittelweg erklärt"». Auch die sonstigen unwichtigeren Abänderungsanträge wurden abgelehnt biS aus den unwichtigsten des Abg. Rösicke, der den sür die Lohnbücher vorgesehenen Abdruck der wichtigsten Bestimmungen der Gewerbeordnung über da- Arbestsverhältniß auch aus die Arbeitszettel ausdehnt. Im Anschluß daran wurde noch ein sozialdemokratischer An trag berathen und gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt, der die Heimarbeit (Hausindustrie) regeln und einschränken wollte. Die Heimarbeiter sollten der Ortspolizeibehörde gemeldet und ihre Arbeitsräume weder als Schlaf-, Koch- oder Wohnräume benutzt werden; auch die in der Hausindustrie beschäftigten Kinder sollten den bekannten für die Fabriken geltenden ein schränkenden Bestimmuiigen unterworfen werden. Die Antrag steller sanden aber auf keiner Seite Gegenliebe. Allgemein er kannte man bereitwillig an, daß die Hausindustrie schwere Schäden berge, gegen die vorgegangen werden müsse; das könne aber nicht durch eine solche allgemeine Gelegenheitsbestimmung in der Gewerbeordnung gemacht werden, über deren Folgen man sich gar kein Bild machen könne, sondern nur durch sorgfältig vorbereitete und gründlich durchgearbeitete Spezialgesetze. Den selben Standpuntt vertrat auch Gras PosadowSly namens der Regierung, wobei er mittheilte, daß ein solches Spezialgesetz sür die Tabakindustrie, in der die Schäden besonders groß seien, vor bereitet werde, und daß nach und nach auch die anderen Haus industrien an die Reihe kommen sollen. Politische Umschau. Freiberg, den 25. November. Neber den Aufenthalt des deutschen KaiserpaareS in Eng land wird vom gestrigen Tag gemeldet: Der Kaiser unternahm gestern Freitag morgens einen Spazierritt. Um 11 Uhr fand in der Privatkapelle des Schlosses ein Trauergottesdienst sür die Fürstin von Leiningen statt, welchem Kaiser Wilhelm, Kaiserin Auguste Viktoria und Königin Viktoria beiwohnten. Um 12 Uhr begab sich der Kaiser in Begleitung des Prinzen von Wales und deS Herzogs von Connaught nach dem Schlosse Bleuheim zum Besuche des Herzogs v. Marlborough. Auf der Fahrt wurde der Kaiser von einer dicht gedrängten Menschenmenge ehrfurchts voll begrüßt. In Blenheim wurde er am Bahnhose vom Herzog und der Herzogin von Marlborough empfangen. Eine Ab- theilung Oxfordshire-Husaren bildete die Ehrenwache. Unter Hochrufen einer großen Volksmenge fuhren die Herrschaften durch die schön geschmückte Stadt zum Schloß Blenheim, wo nach Besichtigung der mannigfachen Sehenswürdigkeiten ein Frühstück stattsand. Um 4 Uhr erfolgte die Rückkehr nach Windsor. Positive Fortsetzung der Reichstagsbeschlüsse zur „Zuchthausvorlage". Unter dieser Bezeichnung bringt die sozialdemokratische Fraktion den Entwurf eines Gesetzes, betreffend Abänderungen der Gewerbeordnung und deS Strafgesetzbuches ein, der dazu bestimmt ist, die „Arbeiterfreundlichkeit" des Zentrums und der Nationalliberalen aä Lb8nrcknm zu führen. Darnach soll fortan allen (also männlichen und weiblichen) „Personen, die gegen Vergütung die Leistung von Diensten oder Herstellung von Werken übernehmen", volle Koalitionsfreiheit gewährt werden. Zu diesen Personen gehören natürlich auch die Beamten, die in den Betrieben des Reiches, des Staates und der Kommunen an gestellten Arbeiter, die Landarbeiter und Jnstleute, daS Gesinde, die Seeleute u. a. Für alle diese Kategorien männlichen und weiblichen Geschlechts soll volle Streiksreiheit proklamirt und sollen die landesgesetzlichen Bestimmungen über das Versamm- lungs- und Vereiusweseu ausgehoben werden. Aufforderungen zur Förderung der Koalitionszivecke, Geldsammlungcn dafür, Mittheilungen und Erkundigungen, Verbreitung von Druckschriften sollen jederzeit zulässig sein und keinen landesgesetzlichen Be stimmungen, auch denen über Sonntagsruhe nicht unterliegen, auch nicht als grober Unfug bestraft werden dürfen. Auch der Streikterrorismus soll gesetzlich geschützt werden, demgemäß heißt in dem sozialdemokratischen Gesetzentwürfe: Das Verlangen . . Indem die Buren von Weenen im Osten Estcourt und di! englischen Positionen am Bushman-River und über Notting ham im Westen die Stellungen am Mooi-River umgehen, voll ziehen sie eine sogenannte doppelte strategische Umgehung, einer der am meisten versprechenden, aber auch gewagtesten Manöver iin Kriege. Wenn die Buren in dem nachfolgenden taktisch«! Zusammenstöße siegreich sind, so kann die doppelte strategisch« Umgehung die großartigsten Resultate, wie Einschließung und Gefangennahme des Gegners, zur Folge haben. Werden aber die Buren in dem unausweichlichen Kampfe geschlagen, dm könnten sie in eine sehr böse Lage gerathen. Außer diesen Natalarmeen rückt eine zweite englische Am« unter General Gatacre von Eastlondon aus mit 5006 Mm" vor, um den Buren im Norden der Kapkolonie ent gegen zu treten. General Gatacre hat sich zu dem stolzen Wm Hinreißen kaffen, daß es für seine Truppen kein Zurück giebt. Eine dritte Armee in Stäxke von 14 000 Mann ist unter Ge neral Methuen von De Aar aus zum Ersatz von Kimberley im Vormarsch begriffen. Ein Erfolg, den General Methuen cm Donnerstag beiBelmont errungen, muß die Engländer vorläufig trösten über ihre Niederlagen in Natal. Aus den Nachrichten des Generals Methuen bei Belmont geht bisher nicht bestimmt hervor, wie stark die Burenabtheilung war, über welche er einen entscheidenden Sieg davongetragen hat. Di! Engländer dürften numerisch dem Feinde dort ganz gewastig überlegen gewesen sein. Selbst in London wird Methuens Be richt über die Erstürmung von Belmont als eine der bekannten Siegesnachrichtcn angesehen, welche die Aufmerksamkeit von den englischen Niederlagen in Natal ablenken sollen. Sachverständige Kritiker in London heben hervor, nacy Methuens eigenem Bericht habe erenorme Verluste, 3 Offi ziere todt, einundzwanzig verwundet, fünfundzwanzig Man» todt, hundertachtundzwanzig verwundet und achtzehn vernM Der Krieg in Südafrika. Durch das kühne Vordringen des Burengenerals Joubert ist in Natal eine völlig neue Kriegslage geschaffen wordni, sodaß es angemessen erscheint, über die Kriegsstärke und über den Aufmarsch der einzelnen gegnerischen Truppenabtheilungkv einen Ueberblick zu gewinnen, sowit dies aus den ungenau«, und spärlichen Angaben englischer Blätter möglich ist. Soviel steht fest, daß die Buren zu der ihnen eigenth'ümlichen Krtz- sührung zurückgekehrt sind, mit kleinen oder größeren Trupps in Eilmärschen vorzudringen, den Gegner allenthalben zu bt- unruhigen und womöglich' von seiner Operationsbasis abzu schneiden. In englischen Blättern wird berechnet, daß Joukü etwa 15 bis 18 000 Mann mit sich führe, um den von Süden anrückenden Engländern den Weg zu verlegen, daß dagegen du britischeStreitmacht inNatal sich jetzt insgesammt aufLMW Mann belaufe. 2000 Mann sind mit dem General Hildyard in Estcourt, weitere 2000 unter General Barton am Mooi-Riv« abgcschnitten worden. Dazu kommt noch die in Ladysmith eingeschloffene Division, reichlich hoch auf 9500 Mann berechnt!. General Clery, der den Oberbefehl der zum Entsatz von Lady smith bestimmten Armee führt, soll in Durban etwa 9000 Man» haben. Gesellschaft wichtige Bestimmungen enthalten, die klar die Wahr, scheinlichkeit andeuten, daß der Endpunkt der neuen Eisenbahn nicht auf deutschem, sondern auf portugiesischem Gebiet im Norde, der deutschen Kolonie, nämlich in der großen Fischbai gelege, sein wird. Wie der „Daily Chronicle" auf Grund von Nachforschungen an einer Stelle, die sich, wie er sich ausdrückt, „nicht durch l«« Gerüchte beeinflussen läßt", mittheilt, ist Grund zum Verdacht vorhanden, daß die Konserven, die der britischen Regierung für die Verpflegung der Soldaten auf den Transportschiffen g^ liefert wurden, dieselben Konserven sind, die seinerzeit von der Regierung der Vereinigten Staaten während des Kriege- mit Kuba mit der Bezeichnung „ EinbalsamirteS Rind, fleisch" znrückgcwiesen und nun mit der Marke deS laufende, JahreS versehen wurden. Bekanntlich mußten beträchtliche Menge, von diesem Fleisch über Bord geworfen werden. Die Verant wortung für die Verpflegung der Soldaten auf dem Schiff s^« der Admiralität zu, da da- Kriegsministerium nach den gegen wärtigen Bestimmungen erst vom Augenblick deS Ausschjffng wieder die Verproviantirung der Soldaten übernehme. Seltsamer weise müsse aber das Kriegsministerium, dem man nicht gestM die Nahrungsmittel für die Soldaten zu beschaffen, für Futter der — Pferde sorgen. DaS Kriegsministerium unterzieh« Fleisch-Lieferungen stets einer sehr genauen Kontrolle. Trankreich. Der Pariser „Daily Mail"-Korrespm,d«H sendet seinem Blatte folgende, offenbar aus der Pariser britische, Botschaft kommende Depesche: Ich höre aus wohlinsoronwr Quelle, daß, wenn die pöbelhaften Angriffe gegen England und die Engländer in der französischen Presse s»q, dauern, der Prinz von Wales anstatt ein aktives Interesse,, der Pariser Weltausstellung zu bethätigen, nur thun wird, m,s die formelle Etiquette erfordert. — Inzwischen gehen „z Frankreich und Rußland hochgestellte Offiziere nach TraMM ab. Darunter der frühere Kommandant der Grodno-Hus««, jetzige General Seletz, um eine höhere Kommandostelle bei d» Buren zu übernehmen. Ruhland. Aus Petersburg schreibt der „Tgl. Rdsch," ih, Berichterstatter: Die Voruntersuchung in dem groß:, Untn- schlaaungsprozeß gegen Beamte und Lieferanten der Schwan- meerflotte ist jetzt beendet und die Gerichtsverhandlungen mei den vermuthlich noch im Dezember beginnen. Ursprünglich schätzte man die Summe, um die der Staat betrogen ist, zwölf Millionen Rubel. Möglich, daß sie noch Höher ist, aber man wird sie schwerlich genau feststellen. In keinem Reffon ist von jeher so viel gestohlen worden, als in der Marine. Alexander III. beseitigte gleich nach seinem Regierungsantritt den damaligen Chef der Marine, seinen Oheim, den Groß fürsten Konstantin, während dessen Amtsthätigkeit die Unter schlagungen zum guten Brauch gehörten. Sein Nachfolger wurde der Großfürst Alexei, der sich die redlichste Mühe gege ben hat, geordnete Verhältnisse zu schaffen. Zweifellos ist auch Vieles besser geworden in der Marine und namentlich gilt das Offizierkorps jetzt als intakt. Trotzdem kommen immer wie der Schwindeleien vor. In den bevorstehenden Prozeß sind nun wieder Marinebeamte, Lageraufseher, Zahlmeister u. s. w. und eine Reihe von Lieferanten verflochten. Angeklagt sind insgesammt 43 Personen wegen Urkundenfälschung, Bestechlich keit, Verschleuderung von Kronseigenthum und Betruges bei Lieferungen von Kohlen und sonstigem Proviant. Die Dauer des Prozesses ist auf mindestens einen Monat berechnet, da etwa 300 Zeugen zu vernehmen sind. Der russische Finanzminister Witte hat der „Libre Parole' zufolge die Berufung eine- Ehrenrathes verlangt wegen der Angriffe deS Finanzblattes „Rußkoi Dvoi". Der Ehrenrath hab« Witte ein Zeugniß der Korrektheit gegeben. andere in Arbeit zu nehmen . . bestimmte Bedingungen als Vor aussetzungen für Fortsetzung oder Aufnahme der Arbeit zu er füllen, sowie das Verlangen, einer WohlthätigkeitSanstalt, einer öffentlich rechtlichen Korporation oder einer politischen gewerb lichen oder gemeinnützigen Bereinigung eine Zuwendung zu machen, ist nicht als rechtswidrig im Sinne irgend eine- Gesetzes zu er achten." Danach könnten Unternehmer oder sonst von der Sozialdemokratie wirthschaftlich abhängige Personen dazu ge zwungen werden, die sozialdemokratischen Kassen zu füllen. Die „Gleichberechtigung" der Arbeitgeber kommt in der vorgeschlagenen Bestimmung zum Ausdruck, wonach Arbeitgeber oder deren Stell vertreter, die sich mit anderen Arbeitgebern oder deren Stellvertretern verabreden oder vereinigen, Arbeitern wegen ihrer KoalitionS- thätigkeit in ihrem Fortkommen Schwierigkeiten zu machen, sie nicht in Arbeit zu nehmen oder zu entlassen, mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft werden sollen. — Man könnte den „Gesetzentwurf" für einen schlechten Witz halten. Es fehlt nur noch, daß den Arbeitgebern mit Zuchthaus gedroht wird; dann wäre der Witz vollkommen. Aber der Wunsch der Sozial demokratie, auf der einen Seite den Koalitionszwang für die Arbeiter, auf der anderen das Koalitionsverbot für die Arbeit geber zu erlangen, ist so oft ernsthaft geäußert worden, daß wir gar nicht daran zweifeln dürfen, die „Genossen" halten, ermuthigt durch das Entgegenkommen der „arbeiterfreundlichen" Reichstags mehrheit, den jetzigen Zeitpunkt für vortrefflich geeignet, mit ihrem Verlangen offiziell herauszukommen. Sie haben aber bei ihrem Gesetzentwürfe offenbar vergessen, die Einsetzung eines Ueberwachungsausschusses, bestehend auS dem jeweiligen sozial demokratischen Parteivorstande vorzusehen; vielleicht hilft aber noch ein „bürgerlicher" Abgeordneter durch ein Amendement nach. Die Mehrheitsparteien des Reichstages werden in dem neuen sozialdemokratischen Anträge ohnedies nur die Frucht ihres immer weitergehenden Entgegenkommens er blicken müssen; die Sozialdemokratie nimmt mit dem kleinen Finger nicht vorlieb. Man wird auf die parlamentarische Be handlung diese- „Seitenstücks" zur „Zuchthausvorlage" gespannt sein können. Die gemaßregelten preußischen LandrLthe sind nicht mürbe geworden. Der frühere Landrath deS Kreise- Wohlau v. Wrochem äußerte, wie man aus Schlesien schreibt, in einer konservativen Wählerversammlung über die neue Kanal vorlage: Es ist kaum anzunehmen, daß eine Wiedereinbringung der Vorlage selbst mit größeren Kompensationsangeboten mehr Aussicht auf Erfolg hat. Diese Kompensationen müßten, soll anders allen durch den Kanal geschädigten Theilen der Monarchie Gerechtigkeit widerfahren, eine solche Höhe erreichen, daß selbst das reichste Land nicht im Stande wäre, sie zu tragen. D-rProzeß wegen der AugSbu rger Krawalle, die im Anschluß an einen Maurerstreik Ende Juli stattfanden, hat am Montag vor dem Landgericht in Augsburg begonnen. 33 Personen — Tagelöhner, Fabrikarbeiter, 11 Maurer, einige Frauen, verschiedene sehr junge Burjchen — sind wegen Auf ruhrs, Beleidigung der Polizeimannschast und Widerstands gegen die Staatsgewalt angeklagt; 11 weitere Personen werden sich vor dem Schwurgericht Mitte Dezember zu verantworten haben. Vorgeladen sind 123 Zeugen. Oesterreich-Ungarn. Ein so erfreuliche- Ereigniß dir durch dce beiderseitigen Deputationen erfolgte Einigung über die Quote sür Öesterreich-Ungarn ist, so erscheint damit die Schwierigkeit einer rechtzeitigen Erledigung dieser wichtigen AuS- gleichsfrage noch keineswegs behoben. Welche Steine der end- giltigen parlamentarischen Erledigung der Quote in Oesterreich in den Weg gelegt werden, ist bekannt. Und daß einer Erhöhung der ungarischen Beitragsquote zu den gemeinsamen Ausgaben ebenfalls Schwierigkeiten aller Art erwachsen, daS hat die letzte Verhandlung im Abgeordnetenhaus zu Budapest gezeigt. Die Unabhängigkeitspartei deS Herrn Kossuth, im Verein mit der ganzen Opposition will unter keinen Umständen auf die durch die einfache Gerechtigkeit gebotene Neuordnung der Quote eingehen. Das österreichische Abgeordnetenhaus hatte Donnerstag Nachmittag mit 118 gegen 112 Stimmen beschlossen, in Folge der gestrigen Obstruktion eine Abendsitzung abzuhalten. lieber diese liegt folgenderBerichtvor: „Wien,23.Nov. Die Debatte über1>en Drinlichkeitsantrag Dolezal wurde fortgesetzt und sodann ein Antrag auf Schluß der Debatte angenommen. Nach einer Rede des Generalredners der Czechen, Kurz, und nach thatsächlichen Be richtigungen des Italieners Zanetti und der Abgeordneten Verzegnassi und Cambon gegen die Ausführungen des Kroaten Spinzic sowie nach einer Replik des Abgeordneten Laginja be treffend die Jtalienisirung des Küstenlandes wurde die Dringlich keit des Antrages Dolezal mit 111 gegen 94 Stimmen abgelehnt. Das Haus ging zur Tagesordnung über und erörterte die Regierungsvorlage, betreffend die auf den Ausgleich mit Ungarn bezüglichen kaiserlichen Verordnungen. Der Czeche Kaftan, w lcher unter andauernder großer Unruhe sprach, ersuchte den Präsidenten, die Sitzung zu schließen und ihm zu gestatten, seine Rede morgen fortzusetzen. Da hiergegen keine Einwendung er folgte, wurde die Sitzung um 9^ Uhr geschlossen. Die nächste Sitzung findet morgen statt." — Die verschiedenen Abstimmungs ergebnisse zeigen, daß ein Theil der Rechten gegen die Obstruktion der Czechen Front macht, zugleich aber auch, daß die Czechen keineswegs vollständig isolirt sind. Nicht minder beweist die Haltung des Präsidiums, daß dieses den Czechen zum mindesten wohlwollend gegenübersteht. Nun wird allerdings von dem Rücktritt des Präsidenten von Fuchs gesprochen; ob aber, wenn dieses Ereigniß eintreten sollte, ein energischer Präsident gegen die Obstruktion gewählt werden würde, ist noch recht ungewiß. Jedenfalls scheinen sich die Parteien der Rechten über ihre Haltung zur czechischen Obstruktion noch keineswegs sicher zu sein. Uebrigens verläuft bisher die Obstruktion in den denkbar langweiligsten Formen als „Todtredeaktion"; eS wird freilich wohl bald lebhafter werden. EnglanV. Der Kaiser hat am Donnerstag m Schloß Windsor den englischen Kolonialminister Chamberlain und den Ersten Lord des Schatzes Balfour empfangen. Darüber wird weiter gemeldet: London, 24. Novbr. Gestern wurden in Schloß Windsor wichtige diplomatische Besprechungen gepflogen. Kurz vor dem Frühmahle kam Graf Hatzfeldt von London an, der Botschafter ist noch sehr unpäßlich und mußte vom Bahnzuge nach seinem Wagen getragen werden. Bald nach seiner Ankunft hatte er eine lange Unterredung mit dem Grafen Bülow. Nach mittags Uhr traf Chamberlain im Schlosse ein. Der Kaiser war noch abwesend, auf der Jagd. Inzwischen berieth der Kolonialminister zuerst mit Hatzseldt, später mit Bülow und wurde alsdann vom Kaiser in Audienz empfangen. Vorher hatte der Kaiser mit Bülow und Hatzseldt eine Berathnng. Chamberlain war fast drei Stunden im Schlosse. Auch Balfour, der während der Abwesenheit Salisburys die Geschäfte des Aus wärtigen Amts leitet, wurde gestern in Schloß Windsor vom Kaiser empfangen. Die „Times" erfährt, daß einzelne Punkte des in Berlin am 28. Oktober unterzeichneten Abkommens ^,.„^.^.",.^,^..,.8 — . zwischen der deutschen Regierung und der britischen Südafrika- j Das heißt natürlich gefangen. Von den Verluj
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