73 Günter Jäckel Adam Mickiewicz und die Dresdner Totenfeier. Wechselbeziehungen zwischen polnischer und deutscher Literatur o Es mag erstaunen, daß die bedeutendsten literarischen Zeugnisse der sächsisch-polnischen Be ziehungen nicht aus der augusteischen Zeit oder dem sächsisch-polnischen Herzogtum unter dem Protektorat Napoleons stammen, sondern aus den Jahren um 1830. In den sechs Jahrzehnten der sächsisch-polnischen Union gewährten die Topoi der spät barocken Hof- und Dedikationspoesie nur wenig individuelle Spielräume. Robert Friedrich Arnold gibt im Anhang zu seiner »Geschichte der deutschen Polenliteratur von den Anfängen bis 1800« einige Proben. u Johann Michael von Loen zeigt 1719 nicht ohne Sarkasmus, wie die polnischen Adligen den grobianischen Festen am Dresdner Hof als Agierende und Objekte aus geliefert waren: 2 ) - ein Spiegel, um nicht zu sagen kulturelles Gegenbild der augusteischen Fest kultur. Die Ereignisse der Französischen Revolution und die Teilungen Polens berührten Sach sen nur indirekt, da es nicht zu den Teilungsmächten gehörte. Georg Friedrich Rebmann, 1792/93 ein Sympathisant der französischen und genauer Beobachter der Dresdner Verhält nisse, geht nur peripher auf die Ereignisse unter Tadeusz Kosciuszko ein 3 *, und Johann Gottfried Seume, der gleichfalls mit Entschiedenheit republikanische Ideen vertrat, war 1792/94 Leutnant und Geheimsekretär des russischen Generals von Igelström, als er am 17. April 1794 in Warschau den Aufstand erlebte, in höchste Lebensgefahr geriet und erst im November von einer russischen Interventionsarmee befreit wurde. Er schildert genau und anschaulich - wenn auch, wie seine Erfahrungen nahelegen, nicht als Freund der polnischen Insurrektion (»Einige Nach richten über die Vorfälle in Polen im Jahre 1797«). Gleichwohl gilt seine Achtung den Idealen der Französischen Revolution, wie sie Thaddäus Kosciuszko vertrat, - jene überragende Führer gestalt, in der polnische Freiheit und der Wille zur nationalen Unabhängigkeit auch für die Deutschen zur Legende geworden sind. »Thaddäus Kosciuszko in seinem öffentlichen und heimischen Leben« lautet der Titel einer Biographie von 370 Seiten (mit 80 Seiten Dokumenten), die der Dresdner Bibliothekar Konstantin Karl Falkenstein - Freund Christoph August Tiedges und der Elisa von der Recke — verfaßt hat. Die »Blätter für literarische Unterhaltung« vom 2. April 1828 (Nr. 77) bringen eine lobende Besprechung. Der Feldherr ist ihm »ein antiker Charakter im eigentlichen und höch sten Sinne des Wortes, ... bei dessen Name jeder Pole von patriotischem Enthusiasmus, jeder