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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.06.1885
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- Erscheinungsdatum
- 15.06.1885
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- Deutsch
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H 135, 15. Zutti. Nichtamtlicher Teil. 2819 Nichtamtl Ein Gang durch die Mainzer Stadtbibliothek. I. Die Mainzer Stadtbibliothek! Da erwacht wie von selbst die Vorstellung von unermeßlichen Schätzen. Tausende von Reisenden aus allen Richtungen der Windrose, welche den Rhein besuchen und dabei die Sehenswürdigkeiten der alten Moguntia besichtigen, treten alljährlich mit den höchstgespannten Erwartungen in das ehemalige kurfürstliche Schloß, in dessen Sälen die Bibliothek untergebracht ist. Hier, in einer der ältesten Städte Deutschlands, mit ihrer reichen, fast zweitausendjährigen Geschichte, hier, an dem alten Bischofssitze, der berühmten Residenz der Kurfürsten, dem Schau platz verschiedener Reichstage und Kirchenversammlungen, hier, an der Wiege der Buchdruckcrkunst — was muß sich da nicht alles auf gespeichert haben von kostbaren Reliquien des gesamten Schrift wesens! In der That nimmt die heutige Mainzer Stadtbibliothek mit ihren etwa 150 000 Bänden einen sehr respektablen Rang ein, und namentlich unter den ältesten Druckerzeugnissen, deren sich gegen 5000 hier vorfinden, wie auch unter den Handschriften, deren die Bibliothek über 1200 vom neunten Jahrhundert an besitzt, sind Seltenheiten von größtem Werte und Specialitäten von hohem künstlerischem wie historischem Interesse. In dem Maße freilich, wie man es auf den ersten Augenblick erwarten sollte, finden sich diese Schätze nicht. Wäre man von alters her so sorgsam mit diesen Dingen umgegangen wie heutzu tage, hätten nicht Kriegsnöte, Feuersbrünste, Verschleppungen aller Art und sonstige Fährlichkeiten decimierend eingegriffen, Mainz könnte leicht eine der ersten Bibliotheken der Welt haben. Allein welch eine Musterkarte von folgenschweren Stürmen und Wcchsel- fällen tritt uns in der Geschichte dieser alten Stadt entgegen. Wie oft ging sie aus der Hand eines siegreichen Kriegsherrn in die eines anderen über, und in welch vandalischer Weise wurde zuweilen in ihren Besitztümern gehaust. Ganz vornehmlich in den Bücher schätzen. So berichte» die Chronisten z. B., daß zur Zeit des dreißig jährigen Krieges ein großes Schiff, das, ganz mit Werken und Schriften der Mainzer Bibliothek beladen, nach Köln fahren sollte, im Rheine versank. Eine Menge anderer Litteraturerzeugnisse, welche in der Kirche zu St. Ignaz verwahrt lagen, wurden von un verständigen Geistlichen verbrannt, und unter Gustav Adolph, der am 1. Dezember 1631 in Mainz einrückte, ließ man ganze Sammlungen von Büchern auf dem Marktplatz für einen Spott preis versteigern. Auf diese Weise ist vieles von unschätzbarem Werte spurlos verloren gegangen. Trotz alledem repräsentiert die Mainzer Stadtbibliothek ein litterarisches Museum von nicht gewöhnlicher Reichhaltigkeit, und ein Gang durch dasselbe ist sehr lohnend. Daß Mainz der Ruhm gebührt, die Wiege der Typographie genannt zu werden, ist zwar mannigfach angezweifelt worden, darf aber heute wohl als ausgemacht gelten, auch wenn man annimmt, daß mehr oder minder verunglückte Druckversuche schon vorher an anderen Orten, wie z.B. in Straßburg, unternommen wurden. In Mainz wurden jedenfalls diese Versuche, mit beweglichen Lettern zu drucken, zuerst mit Erfolg gekrönt, und Gutenberg war es, dem dies um die Mitte des 15. Jahrhunderts glückte. Und worin be standen diese ersten Druckerzeugnisse? Nicht in Bibelwerken, wie man häufig sagen hört, sondern höchst wahrscheinlich in lateinischen ABC-Büchern für den Schulgebrauch, in Horarien, d. i. kleinen Gebetbüchern, in Konfessionalen oder Beichtspiegeln, d. h. Ver zeichnissen aller nur denkbaren Sünden, die ein Mensch begehen iche. Te * ! kann, und in sogenannten Donaten, d. h. Auszügen aus der latei nischen Grammatik des Donatus, welche im Mittelalter in allen I Schulen eingesührt war. Von diesen letzteren hat sich, beiläufig bemerkt, nur in der Pariser Nationalbibliothek ein vollständiges Exemplar erhalten. Solche Donat-Fragmente sind es denn auch, welche als älteste Druckerzeugnisse der Mainzer Bibliothek unser Interesse in An spruch nehmen. Darunter ein Pergamentblatt, welches die ältesten bisher bekann en beweglichen Lettern aufweist und jedenfalls von Meister Gutenberg herrührt. Es sind ähnliche scharfe Typen wie die, mit welchen die berühmten ersten Bibeln hergestellt wurden, die zweiundvierzigzeilige (sogenannte Mazarinbibel) und die sechs unddreißigzeilige (Schellhornsche). Unter welch schweren Sorgen und Kämpfen ermöglichte Guten berg die Vollendung dieser Werke! Man weiß, wie er wegen der von Fust vorgestreäten Herstellungskosten die Früchte seines Fleißes schließlich in dessen Hände abliesern mußte und wie dieser dann in Gemeinschaft mit Peter Schösser die ihm zugefallene Erfindung geschäftlich ausnutzte, während er arm von dannen zog. Aber gerade bei dem Vergleich dieser ersten Druckwerke mit den nach folgenden, von Fust und Schösser besorgten, tritt dem aufmerksamen Beschauer deutlich vor Augen, daß es Gutenberg gewesen, der zuerst bewegliche Typen in Anwendung brachte, und daß diese nicht aus Holz, sondern aus Metall bestanden. In der Menge, wie sie zu einem solchen Riesenwerke nötig waren, hätten sich dieselben damals in dem gleichen Kegel ^anm aus Holz Herstellen lassen, und auch die scharfen Ecken der Buchstaben bekunden die Härte und Festigkeit der Masse.... Da halten wir zwei fast gleichzeitige alte Drucke in unseren Händen, beides bibliographische Wertstücke ersten Ranges. Das ist ein Psalter von Fast und Schösser aus dem Jahre 1459 und ein Catholieon (Grammatik mit lateinischem Wörterbuch) von 1460. Letzteres, von Gutenberg herrührend, ist zwar mit scharf ausgepräg ten Lettern sehr eccurat und sauber gedruckt, aber man spürt doch die Mühe der Herstellung während der Psalter sehr große, schön geformte Typen au,weist, die bereits einen hohen Grad der Aus bildung erlangt haben. Das war eben Schössers Verdienst, daß er als geübter Schreibkünstler und Illuminator die Erfindung nach der Außenseite hin immer mehr vervollkommnete. Aber noch eines fällt in die Augen, das ist d e vorzügliche Beschaffenheit der Drucker schwärze. Gerade dieser Gegenstand hat dem Erfinder so vieles Kopfzerbrechen gemacht und so mannigfache Fehlversuche verursacht. Auch in diesem Punkte scheint Schösser bedeutende Verbesserungen erzielt zu haben. Seine Drucke zeichnen sich noch heute durch ihre wohlerhaltene Farbe aus. Jener Psalter ist in fünf verschiedenen Ausgaben erschienen, von denen aber nur noch zwanzig Exemplare vorhanden sind. Von ihrem Werte kann man sich einen Begriff machen, wenn man be denkt, daß erst neuerdings eines derselben um 99 000 M. verkauft wurde. (Börsenbl. 1885. Nr. 4.) Mit ganz besonderem Interesse verweilen wir gerade bei dieser typographischen Reliquie. Nicht allein die Initialen sind es, die hier unser Augenmerk fesseln, indem sie hier bereits mit bunten Farben eingedruckt sind, während sie bei Gutenberg nachträglich mit der Hand eingemalt waren; — dieses Werk hat auch eine kulturgeschichtliche Bedeutung von noch weit größerer Wichtigkeit: ist es doch das erste gedruckte Werk der Welt, welches den Namen der Drucker nebst Datum und Druckort angiebt. Ob nun das früher gebräuchliche Verschweigen dieser Umstände die Käufer täuschen und die Druckwerke als geschriebene erscheinen lassen sollte, wie manche 392*
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