Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.06.1898
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 16.06.1898
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18980616
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-189806165
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18980616
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1898
- Monat1898-06
- Tag1898-06-16
- Monat1898-06
- Jahr1898
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
darf den Menschen ohne die Hüllen darstellen, die in dem gewöhnlichen Leben unentbehrlich sind, wenn das Scham- und Sittlichkeitsgefühl nicht gröblich verletzt werden soll. Werden Skulpturen auf der Bühne in der Form lebender Bilder vorgesührt und geschieht dies in künstlerischer Weise, so daß der Beschauer den Eindruck empfängt, er habe die Repro duktion des Kunstwerkes vor Augen, so bedarf es auch hier der Verhüllung nur in beschränktem Matze, da gegenüber der Erregung eines reinen und edlen Gefühles, des Gefühles künstlerischer Befriedigung, die gemeine Sinnlichkeit zurücktritt. In derselben Verhüllung kann die des künstlerischen Interesses entbehrende Zurschaustellung des menschlichen Köipers auf der Bühne grob sinnlich wirken und unzüchtig sein, während wiederum das, was im Lichte und in der Umgebung der Bühne noch nicht anstötzig ist. im Licht und Leben öffent licher Straßen schamlos gegen Zucht und Sitte verstoßen kann In dem Urteile wird ferner ausgeführt: »Die Stellungen, in welchen die weiblichen Personen photographiert sind, sind die verschiedensten: Stehend, sitzend, liegend, im Profil, ev s»es, mit erhobenen Armen, mit ausgebreiteten Armen u s. w und offenbar dazu bestimmt, die Körperformen von allen Seiten her sichtbar zu machen; sie gehen aber nicht über das hinaus, was seit Jahrhunderten die bildenden Künste dar gestellt haben. Sie lassen weder erkennen, dah sie darauf berechnet sind, die Lüsternheit zu erregen oder sonst einen geschlechtlichen Reiz auszuüben, noch sind sie objektiv hierzu geeignet. Sie verletzen die herrschenden Gesetze von Sitte, Zucht und Anstand nicht; denn sie gehen, ganz abgesehen davon, daß cs sich um (wenn auch nur mit Trikot) bekleidete weibliche Personen handelt, keineswegs über das hinaus, was in staatlichen Museen und sonstigen jedermann zugäng lichen Sammlungen öffentlich ausgestellt wird.« Auch hier gehen die richterlichen Erwägungen davon aus, datz das, was auf dem Gebiete der Kunst nicht an stößig sei, notwendigerweise auf allen Gebieten des Lebens Anstoß nicht erregen, Scham und Sitte nicht verletzen könne; sie suchen die rechtsirrige Auffassung zur Geltung zu bringen, daß die Beschaffenheit des Unzüchtigen mit Dingen und Handlungen dergestalt untrennbar verbunden sei, daß ihnen diese Eigenschaft entweder an und für sich und unter allen Umständen oder überhaupt nicht beiwohne, während doch das Gegenteil der Fall ist. Dinge und Handlungen, die unbe dingt und unter allen Umständen unzüchtig sind, gehören zu den Ausnahmen; regelmäßig ist die Entscheidung, ob etwas unzüchtig ist oder nicht, bedingt durch die Rücksicht auf Personen, Verhältnisse, Ort, Zweckbestimmung und der gleichen. Jene verfehlte Auffassung gelangt noch zu beson derem Ausdruck, indem die Strafkammer die Photographieen, die, wie sie selbst hervorhebt, lediglich dazu bestimmt sind, die Körperformen von weiblichen Personen, die durch ihre Abenteuer in Ruf geraten sind, von allen Seiten her sichtbar zu machen, bei der Prüfung aus ihre Unzüchtigkeit mit gleichem Maßstabe zu messen unternimmt, wie die künst lerischen Gestalten eines Rubens und schließlich bemerkt, daß der Grund zu dem regen Absätze der Photographieen bei dem für derartige Sachen kauflustigen Publikum in den Per sönlichkeiten selbst, die die Abbildungen wiedergeben, zu finden sei. Bei solcher Verkennung des gesetzlichen Begriffes des »Unzüchtigen« ist der in dem Urteile enthaltene Ausspruch ohne Wert, daß die Bilder objektiv nicht geeignet seien, die Lüsternheit zu erregen oder sonst einen geschlechtlichen Reiz auszuüben, daß cs somit an dem im § 184 des Straf gesetzbuches erforderten Merkmale des objektiv Unzüchtigen fehle: ein Ausspruch, der von den vorausgeschickten und nach folgenden Erörterungen nicht loszulösen ist und in diesem Zusammenhänge erkennen läßt, daß er auf einer rechtsirrigen Beurteilung der Voraussetzungen beruht, unter denen etwas als dem herrschenden Gesetze von Sitte, Zucht und Anstand zuwiderlaufend, das Scham- und Sittlichkeitsgesühl in ge schlechtlicher Beziehung verletzend angesehen werden muß. Das angefochtene Urteil unterliegt daher der Aufhebung. Bedeutung der gerichtlichen Bestätigung einer vor läufigen Beschlagnahme von Druckschriften, wenn der Gerichtsbeschluß der Polizeibehörde erst nach Ablauf des fünften Tages seit Anordnung der Be schlagnahme zugeht. (Gesetz über die Presse, vom 7. Mai 1874 , HH 23, 24) In der Strafsache gegen den Buchhändler E B. zu N. hat das Reichsgericht, Zweiter Strafsenat, am 12. No vember 1897 auf die Revision des Angeklagten für Recht erkannt: Das Urteil der Zweiten Strafkammer des K. pr. Land gerichts II zu B. vom II. Juni 1897 wird aufgehoben. In der Sache selbst wird Angeklagter von der Anschuldigung eines Vergehens gegen H 28 des Reichspreßgesetzes vom 7, Mai 1874 freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens werden der pr. Staatskasse auferlegt Gründe. Nach den Feststellungen der Strafkammer ist die vom Angeklagten im September 1896 verbreitete Druckschrift am 4. Dezember 1895 von der Polizeibehörde zu C. mit Be schlag belegt und diese Beschlagnahme durch Beschluß des dortigen Amtsgerichts vom 7. Januar 1896 unter der An nahme bestätigt worden, daß der Inhalt der Druckschrift den Thatbestand der im H 184 des Strafgesetzbuchs bedrohten Handlung begründe. In dem hierauf eingeleiteten Straf verfahren gegen die Witwe Z., in deren Buchhandlung die Beschlagnahme erfolgt war, ist diese durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts C. wegen Vergehens gegen 8 184 des Strafgesetzbuchs verurteilt. In dem Urteile ist aus gesprochen, daß alle Exemplare der Druckschrift unbrauchbar zu machen seien. Aus § 28 des Reichspreßgesetzes vom 7. Mai 1874 verurteilt, hat Angeklagter die Revision ein gelegt. Dieselbe ist für begründet erachtet worden. Nach den Vorschriften des Reichspreßgesetzes, welche gemäß Z 5 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung durch die letztere nicht berührt sind, konnte gemäß H 23 Nr. 3 in dem hier vorliegenden Falle die Beschlagnahme ohne richterliche Anordnung stattfiuden; die Beschlagnahme erlosch jedoch nach 8 24 Absatz 4, falls nicht bis zum Ablauf des fünften Tages nach Anordnung derselben der bestätigende Gerichtsbeschluß der Polizeibehörde zu C. zuge gangen war. Dies ist nicht geschehen und hierdurch die Beschlagnahme von Rechts wegen, ohne daß es einer gericht lichen Aufhebung bedurfte, außer Kraft getreten. Nach dem zwingenden Wortlaute des § 24 war die Polizeibehörde ver pflichtet, die einzelnen Stücke freizugeben. Dies ist von der Strafkammer nicht verkannt; sie erwägt jedoch, daß »in dem die vorläufige Beschlagnahme bestätigenden Beschlüsse des Amtsgerichts eine erneute Anordnung der tatsächlich noch gar nicht freigegebenen Bücher zu erblicken sei«. Daß der Beschluß einen besonderen, dieser Auffassung entsprechenden Inhalt gehabt hat, ist durch die Feststellung ausgeschlossen. Der Entscheidungsgrund ist abstrakt und ohne weitere Be gründung ausgestellt. Das Revisionsgericht war nicht in der Lage, dieser Ansicht beizustimmen. Schon die ßZ 23 und 24 des Preßgesetzcs unterscheiden zwischen der richterlichen Anordnung einer Beschlagnahme und der gerichtlichen Bestätigung einer vorläufigen Beschlagnahme. Die Tragweite, welche der Gesetzgeber dieser Unterscheidung beilegt, erhellt aus 8 26, wonach die vom Gericht bestätigte
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder