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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.10.1916
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1916-10-26
- Erscheinungsdatum
- 26.10.1916
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- Deutsch
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Aus meinen Erinnerungen. Von Gustav Wied. I. Nachdruck verboten.! Als Buchhandlungslehrling in Nakskov. Ich war also konfirmiert worden. Als Müllers Pflege mutter, die Kommandeurin Wulff, das Faktotum der Familie, gefragt wurde, was ich denn werden solle, wenn ich nicht Schau spieler werden dürfe, antwortete sie: »Buchhändler. Das ist ja so ein allerliebstes Gewerbe«. Vater ging also zum Freunde der Familie, Peter Jansen, dem Chef von Thierrys Buch- und Papierhandlung in Nakskov, und verdingte mich in die Lehre als »Junge« — heutzutage heißt es gewiß Lehrling. Ich wurde für Kost und Logis verdingt und niuhte alle zum Fach gehörigen Arbeiten verrichten. Da im Hause wenig Platz war, so räumte Herr Jansen seinen Kleiderschrank aus, und dort verbrachte ich die Nacht gemeinsam mit einem Stearinlicht und zwei Reihen Kleider haken. Es war, als ob man auf dem Grunde eines Aquariums läge. Der Schrank erhielt sein Licht nur durch eine Glasscheibe in der Decke. Die Scheibe ließ sich nicht öffnen. Wollte ich Luft haben, so mußte ich die Tür zum Treppenslur offen stehen lassen. Aber das wagte ich nicht aus Angst vor einem überfall. Wenn ich abends zu Bett gegangen war, saß ich eine Zcitlang, die Knie unter das Kinn hochgezogen, und summte Psalmen oder selbst fabrizierte Lieder. Laut zu sorgen wagte ich nicht, denn cs führte auch eine Tür direkt in die Schlafstube meines Prin zipals. Ich weinte ein wenig und summte ein wenig und schlief endlich ein. Um sieben Uhr morgens stellte das Mädchen meine Schuhe vor die Flurtür. Das heißt, vorher schlug sie noch mit den Absätzen hart dagegen. Das Zeichen für mich, daß ich aufstehen müsse. Jansen hatte auch einen älteren Gesellen (jetzt Gehilfen) namens Drewsen; der war schweigsam und kraushaarig. Dann war außer mir noch ein »Junge« da, namens Johannes Brand. Er war aus Nakskov und nahm mich zuweilen abends mit nach Hause. Brand hatte zwei Schwestern, von denen ich die jüngste sofort zum Gegenstand meiner leidenschaftlichen Liebe erkor. Jansen selbst war ein ernsthafter und schöner Mann, vor dem wir großen Respekt hatten. Aber Humor muß er gehabt haben, denn einmal, als er über eine Arbeit im Bureau gebeugt stand und ich ihn für Brand hielt, versetzte ich ihm einen kräf tigen Klaps auf die Rückenverlängcrung. Er wandte sich um und sagte lächelnd: »Da haben Sie sich Wohl schwer geirrt, Wiedchen.« Von der Stunde an hatte ich ihn sehr gerne. Das Geschäft wurde nicht vor neun Uhr abends geschlossen. Es gab damals noch keine Eisenbahn auf Lolland; man fuhr mit der Post nach Nykjöbing und von dort mit dem Zuge nach Kopenhagen. Jeden geschlagenen Abend standen Brand und ich und lauschten auf das Posthorn. Wenn wir es unten in der Vcjlegade hörten, wußten wir, daß es neun Uhr sei, und daß wir schließen mußten. Eine Uhr hatte keiner von uns. Wir ließen also die Läden vor den Fenstern herunter und drehten das Gas aus. Brand ging nach Hause, und ich ging in meinen Schrank. Der Laden lag am Markt. Schräg gegenüber wohnte Fräu lein Juul. Sie war Feinbäckcrin und konnte ganz wunderbare NapoleonSschnittcn Herstellen. Ich stahl zuweilen ein Vierschil lingstück und kaufte mir eine davon. Vater gab mir ja kein Taschengeld. »Was soll ein Junge mit Geld?« sagte er. Den Kuchen verschlang ich, wenn ich ins Bett gekommen war und kaute ganz leise, damit Jansen nichts hörte. Ich litt unter Gewissensbissen dieses Diebstahls wegen und hätte augenblick lich gestanden, wenn Jansen mich gefragt haben würde. Aber fünf Tage darauf mauste ich wieder vier Schillinge. Während ich hier in der Buchhandlung war, wurde die Münz-Umrechnnng in Kronen und Öre eingeführt. Sechzehn Schillinge waren fünfunddreitzig Ore. Daraus konnten die Baucrnweiber nicht klug werden. Ich auch nicht. Aber trotz dem mußte ich es ihnen erklären. Konnten wir uns durchaus nicht einigen, so mußte Jansen oder Drewsen dazu geholt wer den. Meine Arbeit bestand darin, Bücher und Tapeten einzu packen, Abziehbilder zu verkaufen und Pakete auszutragen. Das ärgste für mich war, wenn ich die Bücher-Pakete ab holen sollte, die allwöchentlich einmal mit dem Dampfschiff »Zampa« aus Kopenhagen kamen. Sie waren so groß, daß ich sie nicht tragen konnte, sondern mit der Schubkarre fahren mutzte. Ich schlich mich auf Seitenstraßen und durch Hinterhöfe. Aber auf dem letzten Stück Weg mutzte ich mit meinem Wagen über den Markt. Das war fürchterlich demütigend. Ich konnte ja irgend einen Gegenstand meiner Liebe treffen. Geschah es, so wandten wir beide den Kopf ab. Eines tröstete mich im Zustande meiner Erniedrigung, und das waren die Bücher, in denen ich lesen durfte. Drachmanns »Mit Kohle und Kreide« erschien damals. Er hatte selbst den Umschlag gezeichnet. Er war also Dichter und Maler. Mir schlug das Herz vor Ehrfurcht angesichts einer sol chen Größe. Ich nahm mir das Buch mit in den Schrank hinein und las. Aber plötzlich pochte Jansen an die Tür seines Zimmers. »Sie haben vergessen, das Licht auszulöschen, Wied.« Mitten in einem köstlichen Gedicht pustete ich das Licht aus. Eines Tages sagte Jansen: »Es kommt noch ein Neuer ins Geschäft.« Und er zog aus seinem großen Schlafzimmer aus, um dem »Neuen« Platz zu machen. Er selbst begnügte sich mit einem kleinen Raume neben dem Eßzimmer. Brand und ich tauschten unsere Mutmaßungen darüber aus, was das nur für eine vornehme Persönlichkeit sein mochte, die da erwartet wurde. Eines Tages war der Ne.ue da und wurde uns als Herr Block aus Kopenhagen vorgestellt. Er blieb nur einen Monat in Nakskov. Sein Vater, ein reicher Grossist, hatte ihn verbannt, weil er ihn nicht zähmen 1341
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