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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.07.1919
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- 1919-07-19
- Erscheinungsdatum
- 19.07.1919
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seine Schrift, sagt er; sie ist denen gewidmet, die unglücklich sind, un- wer ist denn nicht unglücklich? und weiter: »Nicht sie nenne ich Helden, die durch den Gedanken oder die Kraft gesiegt haben, sie ganz allein, sie sind es, die kraft ihres Herzens groß waren«. »Die Unglücklichen sollen nicht allzusehr klagen, der Menschheit Auserwählte sind unter ihnen nicht ihre Werke brauchen wir zu fragen, in der Geschichte ihres Lebens lesen wir cs, daß das Leben nie größer, nie fruchtbarer und niemals glücklicher ist, als im Schmerz. Der Anführer dieser Legion der Helden sei Beethoven, der Starke, der Reine.« — Ist es schon erstaunlich, daß ein Franzose ein solches Buch über Beethoven schreibt (man denke, in Frankreich eine Beet hoven-Schrift, die in zehntausend Exemplaren Verbreitung findet!), so noch mehr, daß diese Hymne nicht von einem Berufs- Musiker, sondern von einem seinen Poeten stammt, der uns bereits in seinem Johann Christof gezeigt hat, was ihm Musik bedeutet, und wie er ohne nationale Begrenzung den Menschen in seinem Hoffen, Streben, Lieben und Leiden kennt. Das Leid, Beethovens Taubheit, stellt er auch in die Mitte dieser Betrachtungen. So schließt er mit den Worten: »Ein Einsamer, ein Kranker, der ganz Schmerz Gewordene, dem die Welt ihre Freude versagt, wird selbst zum Schöpfer der Freude, aus seinem Edlen schmiedet er stolz das Wort, das jeder heroischen Seele znm Ziele leuchtet: Durch Leiden zur Freude.« — Völlig im Gegensatz zu dieser Auffassung steht «ine Vor lesung von Hermann Kretzschmar über Beethoven, die leider nicht in Buchform, sondern nur in Einzel, nummer der Internationalen Wochenschrift für Wissen schaft, Kunst und Technik (Berlin, Mai 1919, August Scherl) zu haben ist. Jeder, der für das Thema Beet hoven überhaupt Sinn hat, sollte zu diesen Ausfüh rungen greifen. Kretzschmar bestreitet aufs heftigste, daß es berechtigt sei, Beethoven als Märtyrer zu beklagen, er gibt hierfür in längerer Ausführung Beweise und Gründe an und fährt dann fort: »Die Legende von Beethoven, dem Märtyrer, widerspricht auch dem Grundton seiner Musik, aus der stärker als die Nachtseiten des Lebens Menschenliebe, Gottvertrauen und höhere Lebenslust hcrausklingen. Nicht umsonst lautet das letzte Wort Beethovens als Shmphonienmeister: Freude, schöner Götterfunken«. Zwischen den kleinen Beethoven-Schriften und den großen Biographien steht die von Alfred Chr. Kalischer neu heraus- gegebene Biographie von AntonSchindler (Berlin,Schuster L Loefflcr). Die umfangreiche Biographie von Schindler (der Band umfaßt 736 Seiten) wird noch immer gern gelesen, da er am unmittelbarsten als täglicher Genosse des Meisters von Beethovens Leben in Wien zu sagen weiß. Aber Schindler ist kein Eckcrmann; wie Beethoven sich nur mit Überwindung ihm angeschlossen hat, so ist der Getreue auch in seinen Berichten durch zu lebhafte Phantasie nur mit Vorsicht zu benutzen. Anders lautet das Urteil über die zweibändige Biographie von Wasielewski (Berl. 1888, 2. Ausg. Leipzig 1895), der man eine ausgezeichnete Einführung in die Werks Beethovens nachrühmt, die aber seit längerer Zeit vergriffen ist. Bei GeorgMüller in München erschienen in wohltuend schöner Ausstattung die Beethoven-Studien von Frimmel, deren erster Band »Beethovens äußere Erscheinung« behandelt, wäh rend der zweite »Bausteine zu einer Lebensgeschichte des Mei sters« betitelt ist. In diesem Bande behandelt er auf genauester Forschung beruhende, weniger bekannte Beziehungen und Ab schnitte in Beethovens Leben, so Beethoven-Kopisten, den Kla vierspieler Beethoven, unveröffentlichte Briefe usw. So klein diese Bausteine sind, so geben sie doch zusammen eine höchst erwünschte Bereicherung des Gesamtbildes des Meisters. Als Hauptstütze der Beethoven-Forschung können noch heute die beiden klassischen Biographien, die von Adolf Bernhard Marx und dis von Alexander Whcelock Thayer gelten. Marx: Ludwig van Beethoven, Leben und Schaffen, durchgesehen und vermehrt von vr. Gustav Behnke (Otto Zanke, Berlin), (eine weitere Ausgabe des Buches von Marx ist, ebenfalls 2bändig, im Verlage von Gebr. Neinecke, Leipzig, erschienen), ergänzt sich in wundervollster Weise mit dem »bändigen, von HermannDeiters übersetzten und herousgegebenen, von Hugo R iemann neu bearbeiteten Werk von Thayer (Leipzig, BrettkopfLHärtel). WährendThnher sein Lebenswerk darin sah, Beethovens Tun, Schaffen und Denken von erster Kindheit an bis zum Tode gleichsam tagebucharttg Tag für Tag liebevoll zu verfolgen, klarzustellen, und das Haupt gewicht in dieser Riesenarbeit auf Beethovens Leben legen wollte und mußte, war es Marx, wie er selbst sagt, einzig darum zu tun, . den Künstler aus seinen Werken zu erkennen und diese aus seinem Wesen und Leben zu begreifen«. Diesem Programm folgend, ist Marx der erste gewesen, der auch die späteren Werke Beethovens feinsinnig erläuterte und die Tore zu ihrem Ver ständnis öffnete. Wieweit inzwischen die Beethoven-Forschung fortgeschritten, auch heute noch ist Marx ein trefflicher Leiter und Führer zu Beethoven. Während die erwähnten kleinen Biographien vielen Musik liebenden zu wenig eingehend waren und die großen Werke von Marx und Thayer nach ihrem Umfange nur für solche Leser in Frage kamen, die über genügend Bildung und Zeit ver fügten, oder als Musiker von Beruf, Forscher oder Literaten zu diesen Werken griffen, fehlte die für den weiten Kreis der Beethovenfreunde sich eignende Biographie bis vor kurzer Zeit noch immer. Da erschien 1911 das 2bändige Buch von Paul Bekker: Beethoven (Schuster L Loefsler, Berlin). Dieses Buch ist nun nach verschiedenster Richtung den bisher unerfüllten Wünschen entgegengekommen. (Es konnte inzwischen das 10.-17. Tausend der Biographie gedruckt werden.) Die treffliche Aus. stattung bietet schon äußerlich viel, ferner kommen Beigaben dem Wissensdrang und dem Wunsche nach schneller Orientierung ent gegen, so als Anhang die tabellarische Übersicht über Beethovens Leben, eine weitere über Beethovens Werke und ausführliche, übersichtliche Namen- und Werk-Register. Zu diesen äußeren Vorzügen treten die inneren. Zunächst die Sprache! Auch bei der schwierigsten Klarlegung der Werke ist Bekker nirgends trok- kener Dozent. Er weiß über das Abstrakte hinaus die Musik auch in Worten lebendig und tönend zu machen. So werden bei aller Schärfe des Verstandes, bei aller theoretischen Beherr schung des Stoffes seine Klarlegungen der Werke, man möchte fast sagen, zu poetischen Gebilden, die sich selbst zum Vorlesen für kleine Kreise von Beethoven-Freunden eignen. Bekker teilt seine Schrift ein in 1. Bd.: Beethoven, der Mensch, 2. Bd.: Beethoven, der Tondichter, und gerade diese Einteilung ist es, die man zunächst dem Verfasser zum Vorwurf machen möchte. Es hat nicht der eindringlichen Predigt Gundolfs in seinem neuen Goethe-Buche bedurft, um uns klarzumachcn, daß eine Trennung von Mensch und schaffendem Künstler, sei er nun Poet oder Musiker oder bildender Künstler, eine Un möglichkeit ist. Der Mensch und das Werl sind »nter allen Um stände» ein unzertrennliches Ganzes, lMd wie man das Leben nur ans dem Schaffen, so wird man das Werk nur aus dem Leben verstehen. Erscheint die Trennung bei Bekker also bedenklich, so noch mehr, wie er sich bemüht, sich vor dem Vorwurf allzu starker Begeisterung bei Behandlung des Menschen Beethoven zu schützen. Wenn er auch nicht ganz so schlimm verfährt wie ei» Festredner, der bei einer Schillerfeier den erstaunten Hörern Schiller als einen rothaarigen, dem Ver brechertum nicht ganz abgeneigten Menschen mit schlechten In stinkten schilderte, so merkt man doch auf Schritt und Tritt, wie er dem Bestreben, die Persönlichkeit bedeutender Menschen zu idealisieren, abhold ist. Aber wenn schon in dem nur 74 Seiten umfassenden Ab schnitt »Beethoven, der Mensch« seine Bemühungen, die Lebens- Vorgänge möglichst nüchtern wicderzugeben, oft gleichsam gegen seinen Willen, so wenn er Beethovens Güte und Freundcstrcue schildert, durchbrochen werden, so steht im schroffsten Gegensatz zu diesem Wunsch, den Menschen Beethoven irrend menschlich hin- zustcllen, die Helle Begeisterung, die ihm im zweiten Abschnitt die Feder führt. Hier, ans den Werken läßt er plötzlich Beet- hoben in ganzer gigantischer Größe erstehen. Seine Abhand lung über die MW» -iolemnls und weiter über die Quartette, insbesondere über die späten, gehört zum Schönsten, was ich von Mnsikerlnnterungen gelesen habe, und es lohnt sich um dieser 607
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