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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.06.1922
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- 1922-06-10
- Erscheinungsdatum
- 10.06.1922
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Redaktioneller Teil. A° 133, 10. Juni 1922. Angesichts dieser unzweifelhaften Ausnutzung der schlechten deutschen Währung kann einem leicht das Wort -Ausbeutung- auf die Lippen kommen. Das wäre aber doch nicht ganz gerecht, — schon aus dem Grunde, weil an den meisten russischen Verlags unternehmungen auch deutsches Verlegerkapital sehr stark beteiligt ist. Und das ist auch einer der Hauptgründe für die russischen Ver leger, ihre Geschäfte lieber in Berlin als in Paris zu betreiben. In der russischen Emigrantenpresse liest man häufig Klagen von Buchhändlern und Verlegern in Paris, daß es äußerst schwierig sei, französische Teilhaber für ihre Unternehmungen zu gewinnen. Die Franzosen scheuen das Risiko, während der deutsche Verleger es in besserer Erkenntnis der allgemeinen Geschäftslage viel eher wagt. Und er fährt gut dabei, denn durch den starken Absatz der russischen Bücher im valutastarken Auslande verzinst sich sein Kapital gut, und das kommt wiederum seinen deutschen Unterneh mungen zunutze. Wenn immer wieder von der Notwendigkeit der Anknüpfung deutsch-russischer wirtschaftlicher Beziehungen gespro chen wird, übersieht man meist, daß auf dem Gebiet des Buchver lags und Buchhandels diese Beziehungen schon längst bestehen und immer weiter ausgebaut werden. Einer der größten russischen Verlage in Berlin, »Slowo-, steht in engster Verbindung mit einem großen deutschen Verlag, und beide Teile haben ihren Nutzen davon. Und es lassen sich natürlich noch zahlreiche ander« Namen nennen. Die Bevorzugung Deutschlands durch die russischen Verleger erklärt sich auch noch daraus, daß die technischen Vor aussetzungen für die Herstellung russischer Bücher ganz besonders günstig sind. Es sind schon vor dem Kriege in Deutschland sehr viel russische Bücher gedruckt worden — und zwar im Aufträge russischer Verleger, die hier besser, pünktlicher und billiger bedient wurden, als in Rußland. Durch den Kriegsausbruch kam die Arbeit dieser -russischen- Druckereien nur für ganz kurze Zeit ins Stocken; dann traten an Stelle der russischen Auftraggeber die Heeresver waltung und die verschiedenen Humanitären Organisationen, die den zwei Millionen russischer Kriegsgefangener Lesestoff zu be schaffen suchten. Was hier für eine große und wertvolle Arbeit geleistet worden ist, weiß der Fernstehende gar nicht. Und sieht man die heute in Deutschland gedruckten russischen Bücher an, so hat man seine ehrliche Freude an den vorzüglichen typographischen Leistungen. Unter den deutschen Buchdruckereien, die russische Bücher Herstellen, steht Wohl die Spamersche Buch druckerei in Leipzig an erster Stelle; neben ihr sind aber noch zahlreiche andere zu nennen, wie Breilkopf L Härtel in Leipzig, Otto Drewitz in Berlin, Schmersow in Kirchhain usw. usw. Die Leistungsfähigkeit der deutschen Buchdruckereien war ja auch für die Sowjetregierung Veranlas sung zum Versuch, die Bücher, die man in Rußland nicht drucken konnte, weil es an Material und Werkzeugen fehlte, in Deutschland Herstellen zu lassen. Einer der wenigen russischen Verleger, der neben dem staatlichen Verlag in Rußland bestehen durfte, Grschebin, führte bereits vor zwei Jahren Verhandlungen mit deutschen Buchdruckereien, die aber zu keinem Ergebnis führten, da das Verhältnis des Verlegers zur russischen Regierung sich änderte. Die jetzt erfolgte -Befreiung- des russischen Buchhan dels von der staatlichen Bevormundung muß nun unbedingt ein starkes Anwachsen der in Deutschland für den Vertrieb in Ruß land gedruckten Bücher zur Folge haben. Zahlreiche Unterneh mungen sind denn auch in den letzten Monaten entstanden, deren Zweck es ist, Bücher für Rußland, nicht nur für die Russen, herzu, stellen, — so vor allem die von der russischen Regierung unterstützte Gesellschaft »Kniga« in Berlin. Auch die älteren Verlags- unternehmungen, die jetzt die Möglichkeit haben, ihre Veröffent- lichungen nach Rußland zu exportieren, beginnen sich den neuen Verhältnissen anzupassen. Das auffallendste Kennzeichen der »Neuorientierung- ist der Übergang zur neuen Rechtschreibung. Zu den Errungenschaften der russischen Revolution (übrigens noch vor der Bolschewistenzeit) gehört auch die Abschaffung der alten, sehr schwierigen Rechtschreibung mit ihren mehrfachen Bezieh»«- gen für denselben Laut <i, e), ihrem »harten Zeichen- um Schluß der konsonantisch auslautenden Wörter usw. Es ist Wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß diese Errungenschaft bleiben wird, auch wenn der Bolschewismus endgültig abgewirtschaftet hat; gewisse »Schönheitsfehler- der neuen Rechtschreibung werden leicht zu beseitigen sein; die Leute in Rußland aber, die sich in den letzten fünf Jahren an diese neue Rechtschreibung völlig ge wöhnt haben, und die jüngere Generation, die überhaupt keine andere gelernt hat, werden sich ganz sicher weigern, zu der alten Rechtschreibung mit ihren vielen verzwickten Regeln und noch ver- zwickteren »Ausnahmen- zurückzukehren. Solange die außerhalb Rußlands hergestellten Bücher auch außerhalb Rußlands gesetzt wurden, druckte man sie ausschließlich in der alten Rechtschrei bung, denn sie rechneten mit Lesern, denen diese Rechtschreibung allein geläufig war; die Frage »alte oder neue Rechtschreibung gewann sogar eine gewisse politische Bedeutung; alles, was bol schewistisch angehaucht war, bediente sich der neuen Rechtschrei bung, während die Gegenseite es mit der alten hielt. Jetzt beginnt der Gegensatz sich zu verwischen: sogar der ganz antibolsche- wistische Verlag »Slowo« in Berlin druckt seit kurzem einen Teil seiner Bücher in neuer Rechtschreibung. Wie groß ist nun die russische Bücherproduktion in Deutsch land? Einen gewissen Anhalt, diese Zahl zu bestimmen, geben uns die Verlegerregister des »Wöchentlichen Verzeichnisses-. In jeder Nummer finden wir durchschnittlich 4—5 russische Bücher angczeigt. Das ergibt in drei Jahren — denn 1919 setzt die intensive russische Verlagstätigkeit in Deutschland ein — über 609 russische Bücher. Die tatsächliche Produktion dürfte aber viel höher sein, da bei weitem noch nicht alle russischen Verleger ihre Veröffentlichungen der Leitung des Täglichen und des Wöchentlichen Verzeichnisses zukommen lassen — zum großen Teil Wohl aus Unkenntnis; viele mußten dazu erst aufgefordert werden und tun es jetzt regelmäßig; ihre älteren Veröffentlichungen sind aber für die Statistik verloren gegangen. Was ist nun der Inhalt der russischen Bücher? An erster Stelle stehen die Klassikerausgaben. Man hat den Eindruck, als fürchteten die aus der Heimat geflüchteten Russen den völligen Untergang ihrer Geislesschätze — des Einzigen, was ihnen geblie ben ist — und setzten alles daran, sie zu erhalten. An der Spitze marschiert hier der Berliner Verlag Ladyschnikow, das älteste russische Verlagsunternehmen in Deutschland, lange vor dem Kriege gegründet. In seiner -Russischen Bibliothek» (kiussksja Mbllotelia), von der bereits 70 Bände vorliegen, haben wir eine Art »russischen Tauchnitz-; in schön gedruckten, hand lichen Bänden werden uns hier die Werke Puschkins, Gogols, Lermontows, Tolstojs, Turgenews, Gontscharows, Dostojews- kijs usw. geboten. Dabei handelt es sich nicht um bloße Nach drucke älterer russischer Ausgaben, sondern sämtliche Texte sind kritisch durchgesehen, die Auswahl nicht vollständiger Ausgaben ist mit Geschmack und Verständnis getroffen. Im Verlag Ladyschnikow erscheint seit Beginn dieses Jahres auch die kritisch-bibliographische Zeitschrift »itowaja kuss- lcasa iraiga- (Das neue russische Buch) — herausgegeben vom ehemals Petersburger Professor Jaschtschenko als Fortsetzung der Zeitschrift »liusslcsja Lniga-, die im Verlag der russi schen Buchhandlung Sachs in Berlin erschien. Die Zeitschrift ist unentbehrlich für jeden, der sich heute mit russischer Literatur und russischem Buchwesen beschäftigt. Sie bringt in jeder Nummer bibliographische Zusammenstellungen der literarischen Neuerschei nungen in russischer Sprache, — Zusammenstellungen, in denen Vollständigkeit wenigstens angestrebt wird; zu erreichen ist sie angesichts des über den ganzen Erdball verstreuten Materials ja nicht; um so bewundernswerter ist der Fleiß und der Eifer, mit dem hier gearbeitet wird. Sehr wichtig sind ferner die Per sonalnachrichten, die das Blatt in jeder Nummer bringt; man erfährt hier sehr viel über Aufenthaltsort, Lebensschicksale und Tätigkeit der lebenden russischen Schriftsteller, ebenso werden alle Todesfälle verzeichnet, — also wertvolle »Kollektaneen« zu einem zukünftigen »russischen Kürschner-, Dazu kommen dann litera- risch-kritische Abhandlungen, Besprechungen neuer Bücher usw. Neben den Ladyschnikowschen Verlag ist neuerdings der Ver lag »Slowo- getreten. Auch er hat eine Reihe Klassikeraus gaben herausgebracht (Gogol, Lermontow, Tschechow, Turgenew, Puschkin), die sich von den Ladyschnikowschen durch ein etwas kleineres Format unterscheiden, auch mehr Abhängigkeit von den russischen Ausgaben bekunden. Auch die moderne russische Lite-
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