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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 14.02.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-02-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189102141
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18910214
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18910214
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungAmts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
- Jahr1891
- Monat1891-02
- Tag1891-02-14
- Monat1891-02
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Beilage m Rr. 20 des „Amts- and Anzeigeblattes". Cibenstvlk, den 14. Februar 1891. Ein verhängnißvoller Schnitt. Criminal-ErzLhlung aus dem IPvstlebm von Th. Schmidt. (3. Fortsetzung.) „Mein Fräulein", nahm Bäumer das Wort, „Sie sind gerettet und befinden sich in guten Händen. Regen Sie sich nicht auf. Sie sind trotzdem noch nicht außer Gefahr . . . später sollen Sie Alles er fahren." Der starke Blutverlust schien das Mädchen doch sehr geschwächt zu haben, denn ihre Augenlider schlossen sich wieder und sie fiel in tiefen Schlaf. Der junge Mann ließ sie jetzt allein und ging hinaus, um nach dem erwarteten Wagen zu sehen. Er erblickte den selben auch bald. Der Wagen fuhr langsam, offenbar wollte man erspähen, wo gehalten werden solle. Bäu mer machte sich durch Zeichen verständlich, worauf das Gefährt in einer schnelleren Gangart heranrollte. Kaum hielt cs, als auch schon der Vater des jungen Mädchens, gefolgt von einem Arzte, aus demselben sprang, auf Bäumer zueilte und ausrief: „Um Gottes Barmherzigkeit willen, lieber Herr, ist mein Kind gefunden und lebt es?" Der Angeredete bejahte beides, dann ergriff er die Hand des besorgten Vaters und führte ihn, ohne ein Wort zu rede«, an das Lager des lieben, bleichen Kindes. Der Arzt untersuchte sofort die Kopfwunde. Seine Mienen nahmen einen besorgten Ausdruck an. Dann sich zu dem alten Mann wendend, bemerkte er diesem, daß die Wunde höchst gefährlich sei und die durch deu Blutverlust verlorenen Kräfte nur allmählig durch Ruhe und Fernhaltung aller Gemüthserregungen wieder ersetzt werden könnten. Bäumer mußte nun dem Vater des Mädchens erzählen, wie und wo er diese gefunden habe ; als er geendet, meinte der Arzt: - „Nächst Gott, Herr Droop, verdanken Sie diesem Herrn die Rettung Ihres Kindes. Hätte Herr Bäu mer den etwa zwölf bis fünfzehn Minuten weilen Weg bis um die Thalsenkung genommen, dann hätte er nur noch eine Leiche vorgefundcn. Die junge Dame wäre unfehlbar während dieser Zeit verblutet." Mit bewegter, von Thräncn erstickter Stimme ergriff jetzt der alte Mann Bäumers Hand. „Herr Bäumer", begann er, „Sie sind ein edler Mensch! Sic haben mit Gefahr Ihres eigenen Lebens dasjenige meiner einzigen Tochter gerettet . . . eine solche That kann kein Mensch mit irdischem Gute be lohnen ... ich bin daher in Ihrer Schuld. Sollte ich jemals einen Theil dieser vergelten können, so stehe ich mit Allem, was ich mein nenne. Ihnen zu Diensten." Bäumer entzog ihm verlegen die Hand und sprach: „Der Dienst, den ich, Herr Droop, Ihrer Tochter leistete, verdient gar keine Belohnung. Diese liegt schon in dem glücklichen Gelingen meines Wagnisses. Ich erfüllte nur meine Pflicht als Mensch und Christ . . . jeder andere Mann an meiner Stelle hätte das selbe gethan." Der Arzt, ein Mann, etwa zehn Jahre älter als Bäumer, trat nun schnell zu dem bescheidenen jungen Mann heran und diesem auf die Schulter klopfend sagte er bewegt: „Gut so, Herr Sekretär! Das nenne ich mannhafte Ritterlichkeit in Wort und That! . . . Ach, leider scheint diese in unseren Tagen nur im Reiche der Ideale zu liegen! Hier meine Hand und meine» besten Dank dazu! ... Ich wünsche mir einen solchen Mann als Freund . . . wir sind nns zwar nur oberflächlich bekannt . . ." „Man kennt Sie aber als einen ganz biedern Menschenfreund", nahm der Angeredete das Wort. „DaS genügt . . . Hier! Schlagen wir ein! Ab gemacht! . . ." „Ich habe noch eine Bitte an Sie, Herr Droop" wandte Bäumer sich an den alten Herrn. „Würden Sie mir gestatten, daß ich mich von Zeit zu Zeit nach dem Befinden der Patientin erkundige?" „Sehr gern, Herr Bäumer! Ich bin Ihnen äußerst dankbar für das freundschaftliche Interesse, welches Sie hierdurch für mich und die Meinigen an den Tag legen; hoffentlich kann das arme Kind selbst bald ihren Dank persönlich ihrem Retter aussprechen." Als Bäumer die Landstraße betrat, war die Dunkel heit bereits angebrochen. Langsam wanderte er der Stadt zu. Mit einem seltsamen Gefühl sann er über das Erlebniß des heutigen Tages nach. Er ertappte sich zuletzt vabei, daß seine Gedanken, so oft er auch an Anderes denken wollte, doch immer wieder zu dem bleichen schönen Mädchen zurückkehrten. Wo hatte er doch schon früher mit ihr gesprochen? Richtig! ES war im verflossenen Winter! Er erinnerte sich, die märchenhafte Erscheinung auf dem Balle gesehen zu haben, nicht auf dem nur von „Honoratioren" besuchten Clubballe — zu diesem hatten ihre Eltern keinen Zutritt — nein, in der Schützenhalle, nach einem Concert, hatte er mit ihr getanzt. Sie war damals erst aus der Pension ins Elternhaus zurückgekehrt. An jenem Abend unter hielten sich alle anwesenden jungen Männer lebhaft über die blondlockige, frische junge Mädchenerscheinung. Man hielt sie für die schönste von allen jungen Damen in D. Damals hatte er eine seltsame Empfindung verspürt, als er sie angeredet, um gleich darauf mit ihr in voller Jugendlust durch die Reihen der Tänzer zu schweben. Er erinnerte sich noch deutlich, daß sie bei seinem Anblick tief erröthend zur Erde geschaut. . . . Wenn nicht ein anderes Bild damals in sein Herz geschlossen gewesen wäre, dann hätte er auch bemerken können, daß sie mit einem unbeschreiblichen Ausdruck in den schönen blauen Veilchenaugen zu ihm aufsah, und weiter hätte er von den Nächststehenden hören können, daß er und sie das herrlichste Paar in D. seien. Was alle diese Erinnerungen heute, wo er aber mals mit ihr zusammengetroffen und in die wunder baren Augen geschaut hatte, bedeuten sollten, ach, er wußte sich selbst noch keine Rechenschaft darüber zu geben. — Die Genesung des jungen Mädchens war schneller von statten gegangen, als man Anfangs bei dem hohen Wundfieber glaubte. Der junge Mann hatte Wort gehalten und war oft — er sagte sich heute, etwa vier Wochen nach dem Vorfall, vielleicht zu oft — in das gastfreie HauS Droop's gegangen, um zu er fahren, wie es l>er Patientin erginge. In der liebe vollsten Weise ward er jedes Mal von der Mutter empfangen. Mit den weiblichen Naturen eigenem Verständniß für die sich entwickelnde Zuneigung junger Leute hatte auch sic bald die knospende Liebe der Beiden entdeckt und hierüber ihrem Manne Mittheil ung gemacht. Droop als verständiger und erfahrener Mann meinte, man dürfe sich keinen Illusionen hin geben. Bäumer triebe weiter nichts in ihr Haus als das Mitleid für die von ihm Gerettete; außerdem ständen einem solchen Mann die Thüren Derjenigen stets offen, die den höheren Kreisen angehörten. Die Frau antwortete ihm dann wohl, daß er viel zu gering von sich denke und seine übertriebene Bescheidenheit nach ihrer Meinung in D. ganz anders ausgelegt würde. „Du sollst, sehen", schloß sie dann in der Regel, „daß ich doch Recht behalte." Sie schien aber doch nicht Recht zu behalten, denn der, von dem die Rede gewesen, war seit reichlich acht Tagen nicht in ihrem Hause erschienen. Der Grund mochte folgender sein. Droop hatte bei Bekannten zu seinem Schrecken erfahren, daß man in der Stadt nicht überall an die „seltsame Lebensrettung" — so nannte man das jüngste Ereigniß — glaubte. Dasselbe mußte Bäumer er fahren haben, und um den seltsamen Gerüchten die Spitze zu nehmen, hatte er beschlossen, den Verkehr mit Droops abzubrechen; dies vermuthete wenigstens Droop. Der alte Mann nahm sich endlich vor, Bäu mer aufzusuchen und mit ihm zu besprechen, auf welche Weise diesem Gerücht am wirksamsten entgegenzutretcn sei. Er traf ihn nicht zu Hause, auch nicht im Dienst, erfuhr aber, daß Bäumer einen Spaziergang unter nommen habe. Er wollte nun den Abend abwarte», um dann noch einmal den Versuch zu machen, den jungen Mann zu sprechen. Bertha Droop war seit acht Tagen einige Stun den an schönen Nachmittagen ins Freie geführt wor den, um sich in der warmen Mailuft zu erholen. Heute konnte sie schon allein einen Spaziergang nach dem nahen Wäldchen antreten. Dort angekommen, setzte sie sich auf eine Bank, um eine Weile auszu-, ruhen. Der Monat Mai, der lang ersehnte, war ja end lich angebrochen, und mit ihm kam Leben in die Natur; auf Baumen und Zäunen grünte und blühte es. Auch in die Gesellschaft in D. kam Leben. Heute sollte dgs Frühlingsfest in dem Honoratioren-Club „Eintracht" festlich begangen werden. Allen Mit gliedern waren von der „Vergnügungs-Commission" Einladungen zugegangen, nur Bäumer hatte keine er halten. Man brachte nämlich, wie wir schon andeu teten, Bäumer mit der von ihm geretteten jungen Dame in solche anrüchige Verbindung, daß sein Fern bleiben, ja sein Austritt auS der „Eintracht" selbst verständlich erschien. Während Droop den jungen Mann vergebens aufsuchte, um mit ihm die Schritte, welche etwa gegen die Verbreitung der verläumderischen Gerüchte zu unternehmen seien, hatte Bäumer den Weg nach dem nahen Walde cingeschlagcn. Er war über dies Verfahren, welches der Clubvorstand gegen ihn be obachtet hatte, verstimmt und wollte möglichst fern von dem Orte weilen, wo die „Eintracht" ihr Fest feierte, bei dem er sonst in erster Linie betheiligt ge wesen war. Auf dieser Wanderung überkam ihn wiederum der Gedanke, daß er wohl zu oft das HauS des Rentiers Droop betreten habe. Mit sich selbst uneinig schlenderte er des Weges. Eben wollte er in den Wald einbiegen, als eine Stimme ihn anrief; aufblickend gelvahrte er seinen neugewonnenen Freund, Doktor Ebert. „Sieh da, Bäumer! Das trifft sich ja gut. Ich wollte schon längst mit Ihnen einmal sprechen . . . aber was ist denn geschehen? Sie machen ein Ge sicht, als wenn Ihnen soeben Ihr Todesurtheil ge sprochen wäre?" In Bäumer's Augen blitzte es auf. „Wenn die da" — er zeigte nach der Stadt — „es könnten, dann hätte ich wohl am längsten den Lebenden angehört. Gesellschaftlich haben sie mich ja schon hier todtgeschlagen." „Ah bah, lassen Sie sich doch so etwas nicht träumen!" entgegnete der Arzt. „Dann scheinen Sie doch nicht zu wissen, was man über mich und . . ." „Fräulein Bertha schwätzt", sieb Ebert ihm ins Wort. „Ja, das weiß ich, und ich mache mir aus dem ganzen Gewäsch nichts. Diejenigen, die das sage», sind alte Weiber und ... na ja, die in Sie vernarrten, neidischen jungen Klatschmäuler; diejeni gen aber, die das glauben, gehören derselben SpecieS an. Lassen Sie uns mal von etwas Anderem spre chen. Ich hörte. Sie würden versetzt, ist dem so?" „Es kann sein", gab der Gefragte zur Antwort, „daß der Fall eintritt, vielleicht bald eintritt, da ich mich auf das höhere Examen an einem größeren Orte vorbereiten muß." „Da Sie sich verbessern durch die Versetzung, so kann ich wohl nicht gut mein Bedauern darüber aussprechen, aber" — der Arzt blickte den jungen Postbeamten prüfend an — „was wird dann aus der lieben, kleinen Bertha, he!" Bäumer entfärbte sich, was dem Doktor nicht entging. „Aus Bertha?" wiederholte er verlegen. „Wie kommen Sie, Freund, zu dieser Frage?" „Na, dann will ich Ihnen mal was anderes sagen. Sie haben mir ins Werk gepfuscht; mehr als meine Medicin und meine Kunst haben Ihre Besuche im Droop'schen Hause die Genesene wieder kurirt." Dabei sah er den jungen Mann, in dessen Ge sicht sich Verlegenheit spiegelte, scharf an. Bäumer wollte dies nicht zugeben. „Ich glaube," sagte er, „die Jugend der Dame wird wohl der Hauptgrund der schnellen Genesung gewesen sein." „Freund, ich glaube Ihnen Alles, dies aber glaube ich Ihnen nicht . . . übrigens glauben Sie selbst cs auch nicht." Der junge Mann wollte protestiren, allein der kleine bewegliche Doktor ließ ihn nicht zu Worte kommen. „Fräulein Bertha ist übrigens ein Prachtmädchen, das verdient, von Ihnen geliebt zu werden. . . o, da ist sie ... ich empfehle mich! Guten Tag!" Und fort war er, den jungen Mann erstaunt zurücklassend. In der That stand der Gegenstand der Unter haltung kaum zwanzig Schritte von Bäumer, der sprachlos vor Erstaunen sie anstarrte. Sein erster Gedanke war, ob Bertha die letzten Worte des Doktors gehört haben könnte; das schien aber nicht der Fall, wenigstens glaubte er cs nicht in ihren Zügen zu lesen. Sic wartete seine Anrede nicht ab. „Schönen guten Tag, Herr Bäumer!" rief sie. „Es freut mich, daß ich Sie einmal treffe.. . Vater und Mutter sind sehr untröstlich darüber, daß Sie nicht mehr zu uns kommen, und ich habe ja meinem Lebensretter kaum danken können." Bei dem Worte „Lebensretter" stieg der alte Aerger wieder in Bäumer auf und etwas unhöflich erwiderte er: „Wollen Sie nicht auch sagen: seltsamer Lebens retter ... das Wort scheint jetzt stereotyp geworden zu sein im lieben D." Sie stutzte, und indem sie Bäumer fragend ansah entgegnete sie: „Ich höre den Ausdruck erst jetzt von Ihnen... es scheint mit demselben eine bestimmte Absicht ver bunden zu sein . . . wenigstens liegt diese in Ihrer Aussprache — wollen Sie mir das erklären?" „Also wissen Sie noch nicht", bemerkte er verlegen, . . . „nun das ist auch gut . . . es ist wirklich nicht der Mühe werth, auch nur ein Wort darum zu ver lieren . . . Lassen Sie uns nur die schöne blühende Natur in ihrem geheimnißvollen Schaffen bewundern, hier finden wir Wahrheit... Ich vergaß Ihren Gruß zu erwidern . . . dafür möchte ich Ihnen zu Ihrer Genesung gratuliren. Sie scheinen jetzt ganz wieder hcrgestellt zu sein . . . das freut mich sehr!" „Wirklich, Herr Bäumer? Freut Sie das?" sagte erröthend das Mädchen, „lind nicht wahr, Sie
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