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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 07.01.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189301078
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18930107
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18930107
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungAmts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-07
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Beilage zu Br. 3 des „Amts- und Alyeigebtattes." Eibenstock, den ^Januar 1893. Gesühnte Schuld. Eine Schilderung aus dem Aaufmannslcben von G. St rüder. (In. Fortsetzung.) „In Antwerpen mußte er Cigarren kaufen, wie er sagte. Draußen vor dein betreffenden Laden hieß er mich so lange auf und ab gehen, bis er zurückkehre, doch ich wartete und wartete, aber mein Amerikaner kam nicht wieder. Endlich faßte ich mir ein Herz und ging selbst in den Laden. Die Leute in demselben, welche znin Glück Deutsch verstanden, erklärten mir, daß der betreffende Herr sich schon längst durch einen zweiten AuSgang, welcher nach einer anderen Straße führte, wieder entfernt hätte. Mein Bekannter war und blieb verschwunden, er hatte mich um den Lohn meines Verbrechens geprellt und mir für immer die Möglichkeit geraubt, den guten Zweck, welchen ich bei demselben im Auge gehabt, zu erfüllen. „Die Stimmung, welche mich befiel, als ich darüber uachdachte, will ich Ihnen nicht weiter schildern. Ich war gebrochen, vernichtet, und doch mußte ich daran denken, mir eine Existenz zu suchen, da ich ja nach meinen! Heimathorte unmöglich mehr zurückkchren konnte. ES gelang mir, auf einem Schiffe, welches nach Amerika ging, als Küchenjunge eine Stelle zu finden ; einmal in der neuen Welt aber angekommen, half meine Energie mir auch vorwärts. Jeden Cent sparte ick mir am Munde ab, um das Geld zur Tilgung meiner Schuld zusammenzubekommen, doch erst nach Jahren hatte ich den Betrag derselben in meinen! Besitze vereinigt. Sofort schickte ich diese Summe an Ihren Baker ab, der Brief kam indessen mit dem Bemerken zurück, daß der Adressat verstorben sei. „Jetzt wissen Sie Alles," fügte Wild tief auf- athmend hinzu, ich habe wenigstens mein Gewissen durch diese Beichte erleichtert, und wenn ich auch schwer gefehlt habe, so hoffe ich doch, daß man mir dereinst im Himmel meine Schuld verzeihen wird. „Gelitten habe ich unter dem Bewußtsein derselben in der seitdem verstrichenen Zeit mehr wie genug und ich darf mir auch sagen, daß ich nichts versäumt habe, um den materiellen, durch mein Unrecht verur sachten Schaden nach Kräften zu ersetzen, aber mit Ruhe könnte ich dem Tode doch nur dann in'S An gesicht sehen, wenn ich aus Ihrem Munde die Ver sicherung hätte, daß auch Sie, als der einzige Nach komme und in diesem Augenblicke gewissermaßen der Vertreter Ihres Vaters, mir verziehen hätten." Ohne sich einen Moment zu besinnen, reichte Paul dem gewaltig erschütterten Manne beide Hände hin. „Was Sie gethan haben, Herr Wild," sprach er bewegt, „war zwar ein sehr unüberlegter Streich, aber ein Verbrechen war es nach meiner Auffassung auf Ihrer Seite wenigstens nicht. Alle Schuld an demselben trifft vielmehr jenen Fremden, der Ihre Unerfahrenheit dazu benutzte, um Sie das Verbrechen in seinem Interesse begehen zu lassen. Zu verzeihen habe ich Ihnen nichts, sondern höchstens mein Vater wäre hierzu befugt gewesen, der hat dies aber schon längst gethan; was dagegen mich selbst anbetrifst, fo vermochte selbst das Eingeständniß Ihres jugendlichen Vergehens so wenig meine dankbare Achtung vor Ihnen zu er schüttern, daß ich Sie zum Beweise hiervon darum bitte, niir das väterliche Wohlwollen und die freund schaftliche Zuneigung, welche Sie mir bis dahin in so überreichen! Maße bewiesen haben, auch fernerhin ein wenig bewahren zu wollen." „Alles, was ich besitze, gehört Ihnen, mein lieber, lieber Junge," entgegnete bis zu Thränen gerührt Herr Wild. „Ich könnte Sie umarmen, wenn nicht das Bewußtsein meiner Schuld mich hiervon zurück hielte. So glücklich wie in diesem Momente bin ich seit der Flucht von meiner Heimath nicht mehr gewesen, denn jetzt, wo ich Sie, das leibhafte Ebenbild Ihres Vaters, mit dieser freundlicbcn Miene vor mir sehe, da ist cS mir gerade, als stände mein treuer Paul mir selbst gegenüber und sagte in seiner gewohnten gutmüthigcn Weise: Carl, einen bösen Streich hast Du da allerdings verübt, aber uni unserer Freundschaft Willen soll Alles vergeben und vergessen sein." „Auch wir wollen das Borgefallenc vergessen, Herr Wild," versetzte Paul in aufmunterndem Tone, „um uns lieber mit froheren Dingen zu beschäftigen, und wenn Ihre Zeit nicht zu kurz bemessen ist, so möchte ich Sie wohl darum bitten, mir auch von Ihrem weiteren, gewiß hochinteressanten Lebenslaufe noch einiges mit- zutheilen, sowie mir verschiedene, seit unserem ersten Zusammentreffen stattgefundene und mir bis dahin ziemlich räthselhaftc Vorgänge zu erklären." „Mit größtem Vergnügen bin ich hierzu bereit," entgegnete Wild, indem er nach der Uhr sah. „Bei nahe noch eine ganze Stunde habe ich für Sie übrig, dann aber muß ich unbedingt meinen Geschäften nachgehen. Hören Sie also. In New-Dork, wo mir die aben teuerlichen Ideen rasch vergingen und sich in praktische Pläne zum Geldverdiencn verwandelten, war ich zuerst alles mögliche, Küchenjunge, Kellner, Hausknecht u. s. w., bis eines Tages eia Ereigniß eintrat, welches meiner ganzen Zukunft eine feste Richtung geben sollte. ES war niir nämlich vergönnt, unter Umständen, die ich Ihnen später einmal ausführlich mitthcilen werde, bei der Verhaftung meines wegen verschiedener Ver brechen verfolgten Verführers mitzuwirken und von diesem Augenblicke an stand mein Entschluß fest, in den Dienst der Polizei zu treten. „Nach langen vergeblichen Bemühungen gelang mir dies endlich. Meine nicht gewöhnliche Körper kraft, meine sich immer mehr ausbildende Kunst, mich zu verkleiden und meine Fähigkeit, sogar meine Stimme so zu moduliren, daß man die natürliche kaum mehr erkennen kann, verschafften mir mancherlei Erfolge, welche nicht nur die Aufmerksamkeit meiner Vorgesetzten in besonderem Maße auf mich zu lenkten, son dern mir auch wiederholt ganz bedeutende Belohnungen, welche auf die Ergreifung von Verbrechern oder das Wiedcrbringen verschwundener Gelder ausgesetzt waren, einbrachten. Nachdem ich etwa zwölf Jahre in Dien sten der Ncw-L)orkcr Polizei gestanden hatte, besaß ich ein Vermögen von über 50,000 Dollars, welches durch eine besonders glückliche Anlage mir über zehn Prozent im Jahre abwarf. Schon häufig hatte ich flüchtige Verbrecher bis nach Europa verfolgt, und bei einer solchen Gelegenheit lernte ich hier in Ant werpen einen höheren Polizeibeamten kennen, der von meinen Erfolgen bereits gehört hatte und mir unter ungemein günstigen Bedingungen vorschlug, mich in das hiesige Corps der geheimen Polizei aufnehmcn zu lassen. Weniger die Aussicht auf das hohe Gehalt, als vielmehr der Gedanke, in Zukunft wieder nicht weit von meiner Heimath zu sein und diese vielleicht gelegentlich einmal besuchen zu können, bestimmte mich, jenes Anerbieten anzunchmcn. Hätte ich überhaupt eine Ahnung davon gehabt, daß Paul verheirathet gewesen wäre und sogar Nachkommen hinterlassen hätte, so würde ich dainalS meine gesammte amtliche Thätigkeit so lange bei Seite gelegt haben, bi« ich diese Nachkommen anfgesunden und ihnen eventuell nach Kräften geholfen hätte, aber wie konnte ich mit Rücksicht auf den unbegreiflicher Weise wieder zurückgekommenen Brief an etwas derartiges auch nur denken! „Ich wurde also in Antwerpen angcstellt und bin seitdem Hierselbst geblieben, um hier ähnliche Erfolge wie in New Jork zu erringen und dabei mein Ver mögen sich inimer mehr vergrößern zu sehen. Bor einiger Zeit nun lernte ich von Ansehen zufällig den Herrn MorrelS kennen, dessen Gesicht mir sofort, und zwar nicht zu seinem Vortheile, aufsiel. Wenn nian so lange wie ich den Verbrechern nachgespürt hat, so lernt man sich auf Verbrecherphysiognomien allmählich ein wenig verstehen. „Das bombastische Schild an seiner Thüre und der Umstand, daß er trotz dieses Schildes alle Ge schäfte allein besorgte, bestärkte noch meinen Verdacht. Ich beschloß, ihn z:i beobachten, nur war die Aus führung eine schwierige, da ich nicht berechtigt war, ohne ganz bestimmte Verdachtsmomente gegen ihn vorzugehen. Da führte mir der Zufall Sie, deu ich sofort an der merkwürdigen Aehnlichkeit mit Ihrem Vater erkannte, in den Weg, und da wußte ich auch sofort, wa« ich zu thun hatte. Ich brachte Sie auf dem BureauZdcs MorrelS unter in der Absicht, durch ver steckte Fragen von Ihnen später herauSzubringen, was ich wissen wollte, wobei ich gleichzeitig die beste Ge legenheit haben würde, Sie fortwährend im Auge zu behalten und eintretenden Falles mich Ihrer anneh- mcn zu können. Wie mir dies gelang, brauche ich Ihnen wohl nicht zu wiederholen. Nachdem ich von Ihnen ohne alle Mühe die 'Namen Ihrer beiden Londoner Häuser in Erfahrung gebracht hatte, reiste ich sofort nach der Riesenstadt an der Themse, wo ich bald feststelltc, daß die Inhaber der beiden Firmen ganz arme Teufel seien. Sie müssen jedoch Wind von meinen Nachforschungen erhalten haben, denn mit einem Male waren sic verschwunden, mit der Verfolgung ihrer Spur konnte ich mich indessen nicht aufhalten, da ich vor Allem dafür sorgen mußte, den Haupthelden deS Schwindeluntcrnehinen« dingfest zu machen. Auch das glückte mir Dank Ihrer Angaben überraschend schnell, ja, ich hatte sogar das Vergnügen, in meiner Verkleidung als Hausirer den Chef der famosen Firma I. I. Best auf der Straße zu ent decken und ihn später eigenhändig der Polizei über liefern zu können, wa« Sie ja Alles mit angesehen haben. Denn daß Sie mir folgten, wußte ich sehr genau, konnte eS jedoch nicht ändern, nur veranlaßte mich die-, die beiden Agenten hcrbcizurufen, da ich mich damals noch nicht der Gefahr aussetzen wollte, bei einem eventuellen Kampf mit dem starken Manne von Ihnen erkannt zu werden. „WaS MorrelS selbst anbelangt, so begab ich mich seinetwegen diesen Morgen zu Vandervclden, um wegen der mir kehr verdächtig verkommenden Actien nähere« zu erfahren. Al« ich dort vernahm, daß der Erstere sich auf dieselben 70,000 Franc« geliehen hätte, wußte ich sofort, daß die Actien völlig werthlos seien, und nunmehr behauptete ich Vandervclden gegenüber mit vollkommener Sicherheit, daß ich diese werthlosen Papiere an MorrelS für wenige Francs verkauft hätte. Daö Erstaunen und den Schrecken de« alten Herrn können Sie sich kaum vorstellen. Erst dann beruhigte er sich einigermaßen, als ich ihm das Geld, dessen er bedurfte, auf den Tisch legte und mich gleichzeitig erbot, ihm noch weitere Summen, wenn es nöthig sein sollte, vorzuschießen. Von dort eilte ich alSdann nach dem Bureau der Firma MorrelS, wo ich noch gerade rechtzeitig eintraf, uni den Inhaber derselben vor seiner Abreise in eine unbekannte Ferne abzufassen." „Sind Sie in der Verkleidung, in der Sie mit mir hierher kamen, bei Herrn Vanderveldcn gewesen?" frug Paul, der mit dem lebhaftesten Interesse den Mittheilungen Wild'« zugehört hatte, und als dieser einfach mit einem Ja antwortete, fuhr er fort: „Aber weshalb sind Sie denn nicht als Herr Reh berg, so wie icb Sie zuerst kennen gelernt habe, vor ihn getreten? Ich sollte doch meinen, Herrn Vander- velden gegenüber wäre eine Verkleidung überflüssig gewesen." „Vielleicht ja, vielleicht aber auch nicht. Denn eS war ja immerhin möglich, daß Vanderveldcn mich von Ansehen kannte, und dann wäre eS für mich sehr schwierig gewesen, auf Umwegen alles WünschenSwerthe zu erfahren, wie dies nun einmal meine Gewohnheit ist, von der ich nicht gut mehr abgehen kann. Die Haupt-Veranlassung zu meiuer Verkleidung bildete aber die Rücksicht auf Sie, mein lieber Paul. Ich stellte mich dem alten Herrn nämlich als einen nahen Verwandten von Ihnen, namens Winkler, vor und erklärte ihm, daß ich Ihnen dereinst mein ganzes Vermögen hinterlassen würde. Durch diese Erklärung und noch mehr durch die 200,000 Francs, welche ich ihm Ihnen zu Gefallen vorschoß, sind Sie ganz gewaltig in seiner Achtung gestiegen, so daß er sich sogar bereit erklärte. Sie heute Nachmittag ausnahms weise schon um fünf Uhr in seiner Privatwohnung zn empfangen und niit Ihnen wegen Uebernahme Ihrer früheren Stellung in seinem Geschäfte zu ver handeln. Sind Sie hier;» bereit?" „Mit größter Freude," rief Paul, dessen Augen hell auflenchtetcn, aus, worauf Wild in eindringlichem Tone erwiderte: „Für diesen Fall muß ich Ihnen jedoch noch einige Verhaltungsmaßregeln mitgeben, die ich Sie Ihrem Gedächtnisse recht scharf einzuprägen bitte. Vor Allem suchen Sie in dem Vandervelden'schen Hause unter allen Umständen bis wenigstens 6 Uhr zu bleiben, und wenn man Sie abweisen sollte, so erklären Sie, daß Herr Vanderveldcn Sie ausdrück lich aufgefordert hätte, dort auf ihn zu warten. Sollte Ihnen das erstere jedoch trotzdem nicht gelingen, so warten Sie auf der Straße so lange auf mich, bis ich komme, um mit Ihnen zusammen zu Vander- velden zu gehen. Werden Sie nach Ihrem Ver wandten Winkler gefragt, so antworten Sie, daß der selbe Sic verlassen hätte, um einen Freund in der Stadt zu besuchen. Dieser Onkel Winkler muss von jetzt an für immer verschwanden bleiben, und ich mache es Ihnen zur Pflicht, Niemand zu verrathen, wer der Erstere eigentlich gewesen ist. Die Verwandt schaft mit dem Ersteren wird Ihnen in den Augen der Vandervelden'schen Familie ein ganz anderes An sehen verleihen als die bloße Freundschaft mit einem Polizeibeamten, schon aus diesem Grunde aber, d. h. in Ihrem Interesse wünsche ich, daß das betreffende Geheimniß gewahrt bleibe. In Gegenwart Vander- velden'S nennen Sie mich am einfachsten wie bis dahin Herr Rehberg und bezeichnen mich als Jemand, niit dem Sie zufällig einige Male zusammengetroffen wären. Alles andere wird sich heute noch ganz von selbst finden. Und nun muß ich Sie bitten, mich zu verlassen. Die Pflicht ruft zu ueucr Thätigkeit, die ich selbst vor Ihnen verbergen muß." Wild geleitete hierauf Paul bis an die HauSthüre, wo er ihm nochmals einschärfte, sich ja rechtzeitig bei Vandervclden einzufinden und sich alsdann auf die herzlichste Weise von ihm verabschiedete. Wie in einem seligen Traume befangen, durch wanderte Paul die Straßen der Stadt. ES kostete ihm Mühe, sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß alle- Dasjenige, wa« er diesen Morgen erlebt und gehört hatte auch auf Wirklichkeit beruhte. Eugenie war für immer von dem ihr aufgedruugencn Freier befreit, ihr Vater gerettet, und er selbst war von diesem in Gnaden wieder ausgenommen und hatte außerdem einen reichen u. mächtigen Freund zur Seite, der ihm sein ganze« Vermögen dereinst hinterlassen wollte und ihn hierdurch also in finanzieller Hinsicht selbst der Tochter eine« Vanderveldcn ziemlich eben bürtig machte. Der Kopf schwindelte ihm förmlich, als er daran dachte, daß er die Zuneigung de» herr lichen Mädchens besaß und daß ihn eigentlich nichts
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