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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 20.06.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189506203
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18950620
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18950620
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungAmts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-20
- Monat1895-06
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absehbares Unglück cnlslantcii wäre. Am Freitag früh wurde bereits die Sturmglocke dem St. Nikeiaiihurmc herunterge- nommen. Sie ist I7lX> gegessen und wahrscheinlich 170l oben anfgehängl worden. Amtliche Mittheilungen aus der Hitzung des Stadtraths vom 27. Mai l89.">. Anwesend: 4 RalhSmilglieder. Vorsitzender: Bürger meister Or. Körner. 1) Bon de» Beschlüssen der letzten Stadtverordnetensitzung nimmt man Kcnntniß. Bezüglich der Errichtung einer Gedenk- und Ehrentafel beschließt man, im Allgemeinen nur die Errichtung von Stiftungen größeren Umfanges in dieser Weise zu ehren und hierbei das Stiftungsjahr, den Namen des Stifters und eventuell desjenigen, zu dessen Andenken die Stiftung errichtet worden ist, auf der Tafel zu verzeichnen. 2) Die früheren Beschlüsse, betreffend die Uebcrführung ge wisser Beträge au« der Stadt- und Schulkasse zur An leihe, will man aufrecht erhalten, da durch die neuerlichen Erörterungen zwar erwiesen ist, daß eine nicht gerecht fertigte Ueberrechnung allgemeiner städtischer Ausgaben aus die Anleihe stattgesundcn hat, ein genauer -Nachweis über die Höhe dieser Rechnungen aber nicht erbracht ist. 3) Der Schulunterricht wird für den l4. und 1b. Juni dieses Jahres niit Rücksicht auf die zu erwartende Betheiligung der Lehrerschaft an der Berufs- und Gewerbczählung aus gesetzt. 4) Der WasserlcitungSauSschuß soll wegen eventueller Auf kündigung der Verträge, die fernere Zahlung von Wasser zins scitcn der Stadtgemcindc betreffend, gutachtlich gehört werden. b) Dem Vorschläge des SparkassenauSschusse«, die Verwend ung des SparkassenrcingewinneS für 1894 betreffend, tritt man bei. 6) Gegen den vom Bäcker Voigt beabsichtigten Schcuenbau a» der Südstraße werde» Bedenken erhoben; eine Genehmig ung kann daher nicht in Aussicht gestellt werden. 7) Auf das Jeidel'schc BaugcnehmigungSgcsuch soll zunächst die Oberforslmcisterci gehört werdest. 8) Dem Bauausschußbcschlusse, betreffend die Vergebung der Stcinlicferung, tritt man bei. Außerdem komme» noch 33 innere VcrwaltungSangc- lcgcnhciten zum Vortrag und zur Beschlußfassung, die des allgemeinen Interesses entbehren beziehentlich zur Veröffent lichung nicht geeignet sind. Referat über Sitzungen des Gemcinderathes zu Schönheide. I. Sitzung vom 8. Mai 1895. Der Gcmeinderalh erklärt I) die 1894er Feuerlösch- kassenrechnuug, nachdem die dagegen gezogenen Erinnerungen ihre Erledigung gefunden haben, für richtig, 2) überträgt die Revision der Blitzableitungen der öffentlichen Gebäude auch für das laufende Jahr Herrn Schlossermcister Schott, 3) setzt die Bedingungen für die Versteigerung des Brauhauses zum Abbruch fest, 4) beauftragt den Bauausschuß zur Fest stellung der Baufluchtlinie für den Fall der späteren Bebau ung des jetzigen Braucrcigrundstücks, b) stimmt dem Vorschlag, die Hundesteuer in Zukunft nicht mehr in zwei sondern in einem Termine zur Erhebung gelangen zu lassen, zu, U) be schließt die Einhebung der für die Gemeinde auf zwei hiesigen Grundstücken grundbücherlich haftenden CanonSbeiträgc, soweit solche im Rückstände sind, 7) bleibt bezüglich eines zwischen Verwandten abgeschlossenen Kanss über ein Grundstück bei der statutarischen Forderung von BcsitzveräuderungSabgaben im Hinblick auf die Consequenzen stehen, 8) beräth in einer Baupolizcisqche die Verpflichtung des betreffenden Besitzer« zur Anlegung eine« erhöhten Fußwege«, 9) genehmigt ein Gesuch um Genehmigung zur Veranstaltung von Vorstellungen mit einem Marionettentheater, 10) erledigt einige Armcnsachen und 11) ersucht unter Hinweis auf die, die öffentliche Sicher heit gefährdende Ueberhandnahmc großer, sowie bissiger oder sonst bösartiger Hunde den Vorsitzenden um Verschärfung der Vorschriften über das Halten von Hunden. II. Sitzung vom b. Juni 189b. I) ES wird Kcnntniß genommen von dem befriedigenden Ergebnisse einer stattgchabten außerordentlichen Revision der Sparkasse. 2) Eine Eingabe der Grundstücksbesitzer im Orts- theile „Heinzwinkel", betreffend die Herstellung einer Straße nach der Haltestelle Oberschönheide soll bei Aufstellung eine« Bebauungsplanes s. Zt. mit in Erwägung gezogen werden. 3) An Stelle de« in Folge Ansässigmachung au» dem Ge- mcinderathc auSgeschicdenen Herrn Gustav Lenk ist Herr Lud wig Männel, der al« unansässiger Ersatzmann die meisten Stimmen erhalten hatte, einzuberufen. 4) Bei Ausbruch von Schadenfeuern soll in Zukunft das Stürmen mit den Glocken Wegfällen, da nach den gewonnenen Erfahrungen die Signale der Feuerwehren zur Alarmirung vollständig genügen, b) Die 1894er Sparkassenrechnung wird richtig gesprochen. 6) Der vom Gemcindcvorstand in Folge der gelegentlich der letzten Sitzung erhaltenen Anregung beabsichtigten Verschärf ung der Vorschriften über das Halten von Hunden wird zu gestimmt. 7) Bezüglich eines Schankconccssionsgcsuch« wird die Bcdürsnißfrage bedingungsweise bejaht. Im Ucbrigen ge langen noch einige andere BeralhungSgegcnstände, deren Ver öffentlichung sich zur Zeit nicht eignet, zur Bcrathung. Aus vergangener Zeit — für unser« Zeit. IS. Juni. (Nachdruck verboten.) Mit der verlorenen Schlacht bei Bclle-Alliance stürzte Napoleons Herrschaft ebenso sicher zusammen, wie später die seines Neffen nach der Schlacht bei Sedan. In Pari« hatte der Polizeiminister Fouchö, der von jeher eine doppelzüngige Rolle spielte, alles vorbereitet, um ebenso Napoleon zu beseitigen, wie ihn in seiner Stellung za befestigen, wenn der Sieg auf seiner Seite gewesen wäre. Als am IS. Juni 1815 die Niederlage des Kaisers bekannt wurde, lieh Foucho die republikanischen Depulirten zu sich kommen und vereinbarte mit ihnen die Absetzung Napoleons: zugleich aber vereinbarte er im Ministerrathe die Wieder einsetzung der Bourbonen. AIS daher Napoleon zwei Lage später in Paris eintras, war es bereit» um sein« Herrschaft geschehen. Zwar suchte Napoleon dann noch die ihm feindliche Stimmung der Deputirten zu beeinflussen, allein auch da» erwies sich al» vergeblich. 20. Juni. Ohne von einem einzigen Minister begleitet zu sein, tras König Wilhelm von Preußen am 20. Juni 1870 zur Badekur in Ems ein. Schon dieser Umstand wie» klar daraus hin, daß der politische Himmel von keinen: Wölkchen getrübt wurde, wie denn auch in Wirklichkeit kein einzige« der europäischen Kabinette, trotz der Lage Frankreich» und seine» Kaiser«, an einen Krieg glaubte. Wie friedlich die Lag« erschien, geht auch daraus hervor, daß ein bedeutungsvolle« Friedenswerk, die Kon vention zwischen dem norddeutschen Bund und der Schwei, über den Bau der St. Gotthardbahn, seinen definitiven Abschluß am selben Tage sand. Jndeß sollte» keine vier Wochen vergehen, ehe der wolkenlose politische Himmel sich mit schweren 0>,Witter.Wolken überzog. Kamvurg und Kiek. Auf zwei deutsche Städte wird eine Woche lang die gespannte Aufmerksamkeit einer ganzen Welt gerichtet sein. Zwei deutsche Städte werden wenige Tage hindurch einen Glan; vereinen, wie er sich seit undenklichen Zeiten nicht auf einem Punkt zusammenfand, eine Macht, wie sie au« festlich frohem Anlaß noch nie konzcntrirt ward. Diese beiden Städte dürfen wir freilich auch mit Genugthuung, mit Stolz dem kritischen Blick einer Welt aussetzen, sind e« doch Hamburg und Kiel. Die eigentlichen großen Thore, zwischen denen der neu geschaffene, die deutschen Meere verbindende Kanal strömt, sind Hamburg und Kiel. Hinter den gewaltigen Schleusen bei Brunsbüttel und Holtenau, von ihnen durch ein kurze« Stückchen Wasserweg» getrennt, liegen diese beiden Handels städte, die Brennpunkte de« Verkehr«, de« Handels, der sich nun um die neue Wasserstraße sammeln soll. Ein charakteristisches Wort von Goethe kennzeichnet Ham burg vortrefflich, obwohl cs nun an hundert Jahre alt ist. Einer der größten Improvisatoren war ein I),-. Wolf, ein geborener Hamburger. Ueber jeden ihm bezeichneten Gegen stand vermochte er sofort in glattflicßcndcn Versen sich zu verbreiten. Der große Verscinacher an der Elbe hatte nun den begreiflichen Wunsch, sich vor dem großen Dichter an der Ilm hören zu lassen. Goethe empfing ihn denn auch und als er dem Stegreif Poeten ein Thema aufgebcn sollte, da nannte er — Hamburg. Oi. Wolf versifizirte trotz aller Befangenheit mit gewohntem Geschick. Als er geendet, sagte Goethe ungefähr: „Die Verse sind sehr formschön, eines aber fehlt und das ist die Charakteristik. Was Sic da vor bringen, kann auf alle großen Städte passen, Hamburg aber müßte man mit wenig Worten in allen Besonderheiten zeigen können, durch die cs in seiner Art einzig ist!" Hamburg ist in der Thal durch so viele hervorragende Eigenschaften, durch Lage, Architektur, -Leben und Verkehr einzig in seiner Art. Eine gewisse Großartigkeit kann vielleicht als hervorstechendes Merkmal unserer größten Freisladt gelten. Frei und groß im Styl, gigantisch in den Verhältnissen, so tritt uns jede wichtige Begebenheit von je entgegen aus der tausendjährigen Stadtgcschichtc. So stand Hamburg inmitten bedeutsamer Wclthändel zu einer Zeit, als Berlin noch ein stilles kleine« Gemeinwesen war, so. sehen wir Hamburg auch in unseren Tagen-, groß wie in seiner Entwickelung, seinem Handel, seinem Wohlstand, so selbst in seinem Unglück. -- Ganz Deutschland hatte zu Begin» de« Jahrhundert« von der Franzosenplage zu leiden, keine Stadt entfernt so schwer und grausam wie da« beispiellos hart heimgesuchte Hamburg. Verheerende Feuersbrünste haben in so mancher Stadt ge- wüthet, nie ist in unseren Zeiten eine Großstadt vom Feuer so stark verheert worden, wie Hamburg vor einem halben Jahrhundert. Und vor drei Jahren erst hörten wir Hamburg seufzen unter dem Drucke eine« unsichtbaren asiatischen Feinde«, der schrecklich wlllhcte wie kaum ein barbarischer Sieger in einer eroberten Stadt. Und jedesmal raffte sich die Stadt mit einer Lebensfrische, einer Spannkraft ohne Gleichen wieder auf und erholte sich von ihren Schäden schneller, als die un- bethciligten Zuschauer von dem Schreck. Als vor wenig Jahren Hamburg im deutschen Zollverband aufgehen, als c« aushörcn sollte, Zoll-Ausland zu sein, da fürchtete es den Verlust seiner gebietenden Stellung im Welthandel. Und wieder ging die Stadt bereichert, verschönt, an Macht und Größe gewachsen, au« einer vermeintlichen Prüfung hervor. Auf dem Gipfel seiner Bedeutung wird Hamburg am Mittwoch den Kaiser und die deutschen Bundesfürsten, wird es die glänzenden Vertreter der fremden Staaten, wird cS die Sendboten der Presse empfangen und bcwirthen. Sie alle werden in Deutschlands zweitgrößter Stadt auch ihre in vicler Beziehung eigenartigste erkennen. Mutter Natur Hal sie in einen herrlichen Rahmen gesetzt, in dem die Elbe und Alster als Juwelen glänzen. Geschichte und Besonderheit der Stadt finden in ihrem architektonischen Charakter bestimmten Aus druck. Ein Hascnleben von seltener Mannigfaltigkeit belehrt uns über den Werth dieses prächtigen Thores, das unfern Verkehr hinausführt in alle Welt und eine charaktervolle, bürgerlich-selbstbewußte, auf ihre Freiheit und Stellung mit Recht stolze Bevölkerung ist hier zu Hause. Die nahen Beziehungen zwischen Hamburg und Kiel kennzeichnet ein alte« Hamburger Scherzwort. „Wo kann man sich am leichtesten erkälten?" so lautet eine Vcxir-Fragc. „Auf dem Klosterthorbahnhof, weil da alle Stunden ein Kieler Zug kommt." Hamburg und da« im Hausabundc ältere Kiel sind durch Erinnerungen und Interessen mannigfacher Art verbunden. Ist Hamburg Mittelpunkt unserer Handelsmarine, so ist Kiel das Heim unserer Kriegsmarine. Ist Hamburg Hauptstation unseres freien Weltverkehrs, so ist Kiel unser Ostsee-KriegS- hafen. Haben in Hamburg viele unserer vornehmsten Rhedereicn ihren Sitz, in erster Reihe die Hamburg-Amerikanische-Packet- fahrt-Aktien-Gcsellschast, die dazu auSersehcn war, bei der Kanal-Einweihung eine so wichtige Rolle zu übernehmen, so residircn und wirken in Kiel unter den Augen de« Prinzen Heinrich unsere wichtigsten Marine-Behörden. Ist von Ham burg die fördernde, entscheidende Propaganda für den Kanal bau auSgegangcn, die Dablströmschc Agitation, so war Kiel der Sitz der ausführcnden Behörden. Und die Stadt, die Größe wie Bedeutung in erster Reihe den Marine-Anstalten zu danken hat, ist darum im freien Verkehr und Han del wahrlich nicht ohne Geltung. Kiel« Handelsflotte ist ziemlich ansehnlich und sein Hafenverkehr lebendig genug. Der „Kieler Umschag", diese eigenartige Messe, hat zwar im Wandel der Zeiten die Physiognomie geändert, an Dauer verloren und manche Vereinfachung erfahren, er bleibt aber die bedeutsamste Einrichtung im holsteinischen Geschäfts- und Gcldvcrkehr. Einen Maßstab für den HandclSumfang mag es ja immerhin geben, daß der Jahresumsatz der Kieler RcichSbank-Filiale über vierhundert Millionen beträgt, obwohl Kiel viele Privatbanken besitzt. Unter den Städten, die seit der Zugehörigkeit zu Preußen an Größe, Bedeutung, Wohlstand sehr gewonnen haben, steht Kiel obenan. Die BcvölkcrungSzahl hat sich seit 30 Jahren nahezu vervierfacht, der Umfang erweitert sich überraschend. Dabei hat die freundliche Stadt im Schatten de» Düstern brook doch ihren architektonischen Charakter, hat sie ihre alten Straßen und Bauten pietätvoll erhalten. Seestadt, Univer sitätsstadt, Marineplatz — da« sind die drei Eigenschaften, die Kiel an jedem Punkte erkennen läßt. Am auffälligsten macht sich die Marine im freundlichsten Sinne geltend, sic ist e«, die der Stadtphysiognomie den wesentlichsten Zug ein prägt. Kiel ist die einzige deutsche Hafenstadt, die von wirk lichem Salzwasser umspült ist, die unmittelbar am Meere liegt. Dabei zeigt aber eben diese« Kiel, daß c« ein falsche» Vorurtheil ist, wenn man meint, Wald und Meer vertrügen sich bei uns nicht. Wir nannten bereit« den Düsternbrook, das prächtige Kieler Gehölz, und nennenswerth bleibt die prächtige, lange, mit den wunderbarsten Stämmen besetzte Düsternbrook Allee, eine der schönsten der Welt. Da sie übrigen gerade zur Universität führt, nennt sie der Studentenwitz „akademische Laufbahn". Hamburg und Kiel, beide Städte, die sich in diesen Tagen i» prangendem Festglanzc zeigen werden wie nie zuvor, sic können den Kaiser, die LandcSfürstcn, die fremden Gäste wahr lich mit aufrichtigem Jubel begrüßen. Der neue Kanal, der gcgenwärtig eröffnet wird, ein Stolz für uns Alle, er fluthet Reichthum und Macht insbesondere für Hamburg und Kiel. Der Mirchenprinj. Novelle von Hermine Schiebet. <5. Fortsetzung.) Der Freiherr war dicht zu Josephine getreten. „Geben Sic mir Ihren Arm," bat er leise, „oder ist e« sein Recht?" fügte er fragend hinzu. Sie schüttelte kaum merklich mit dem Kopf, zitternd legte sie ihre Hand in die seine. Leutnant v. Dallhofen war außer sich, er" war fest ent schlossen, nicht länger mehr als Statist den Hintergrund zu füllen, kostete es auch was c« wolle. Josephine war ihm ja doch verloren, da« wußte er und andere Rücksichten kannte er nicht. „Das werden Sie nicht thun," wiederholte er in dem selben heftigen Tone, während er dicht an das Boot trat und so auf der schmalen Brücke ein Aussteigen unmöglich machte. „Sic werden cs nicht thun, denn es ist mein Grund und Boden, den Sic betreten wollen, und ich dulde cs nicht." Freiherr von der Olda war todtcnblaß geworden, er hatte den Arm drohend erheben, als wollte er den vor ihm Stehen den znrückvrängen, dann aber ließ er die Hand langsam sinken. „Gehen Sie zurück, damit ich Komtesse v. Bredow den letzten Dienst erweisen kann," sagte er dann in befehlendem Tone, „ich wußte allerdings nicht, daß mir nur ein Knabe, nicht ein Mann gegenüberstand." „Sie werden mir Genugthuung geben," zischte der Be leidigte kaum verständlich, aber er war doch zurückgetretcn; der Freiherr hatte sich von ihm abgcwandt, um der jungen Dame aus dem Boote zu helfen. Und wieder zog da« alte, bange Weh in sein Herz, er mußte sie von Neuem von sich lassen, ohne zu wissen, wo er sic wicdersände, er blickte ihr regungslos nach, als die schlanke Gestalt schon lange hinter den hohen Bäumen verschwunden. „O, mein Gott, nur ein einziges Wort von ihr," flüsterte er, während er das Gesicht wie im leidenschaftlichen Schmerz in beide Hände drückte. * » * Die alte Babette war von ihrer Herrin mit einem Auf trage zu Frau v. Dallhofen geschickt worden, langsam war sie die Treppe hinaufgcgangen, den Korridor entlang, ohne daß sic dem Diener oder dem Mädchen begegnet wäre; eine saft unheimliche Stille herrschte hier oben. Die alte Frau hatte minutenlang vergebens gewartet, als sich aber Niemand sehen und hören ließ, faßte sic sich cin Her« und trat in da« erste Zimmer, dessen Thür nur angelehnt war. Auch hier herrschte dieselbe peinliche Ruhe, ein betäubend starker Geruch drang ihr entgegen, sie durchschritt noch einige Gemächer, bi« sic endlich erschreckt stehen blieb. Aus dein Nebenzimmer, dessen Thür gleichfalls nur angelehnt, war ein banges schweres Stöhnen zu ihr gedrungen, geräuschlos trat sie näher, prüfend überflog ihr Auge den vor ihr liegenden Raum. Die Fenster waren fest geschlossen und die schweren, grünseidenen Vorhänge dicht zugczozen; auf einem Ruhebett aber lag Leutnant v. Dallhofen mit verbundenem Arm, während sein bleiche« Ge sicht in der ungewissen Beleuchtung geisterhaft und erdfahl erschien. Die alte Babette war so bestürzt, daß sie die nöthige Vor sicht beiseite setzte; sie hatte den jungen Herrn schon als Kind gekannt, und wenn sie ihm auch nie ein warme« Gefühl entgegen zu bringen vermocht, besonder« aber seine Bewerbung um ihren Liebling mit mißgünstigen Augen angesehen, so hatte sic dies doch Alle« vergessen, al» sie ihn plötzlich so bleich und leidend vor sich sah, sein bange« Stöhnen hörte, da» sich müh sam seiner Brust entrang. „Um Gotteswillcn, gnädiger Herr, was ist denn geschehen?" fragte sie angstvoll, während sie näher trat. „Sic liegen hier krank, schwer krank und dabei allein, mutterseelenallein?" Der Angcredete war bei ihrem Erscheinen leicht zusam mengezuckt, dann aber flog ein zufriedene« Lächeln sekunden lang um seinen Mund, er versuchte sich mühsam empor zu richten, sank aber unter lautem Acchzen in die Kissen zurück. „Was geschehen ist, Babette?" wiederholte er matt, „fragen Sic nicht, e« ist besser so." Er schloß die Augen, als hätten diese wenigen Worte seine schwache Kraft vollständig erschöpft. Die alte Frau hatte in stummer Verzweiflung die Hände gefaltet. Wa« um alle« in der Welt konnte denn nur geschehen sein, ohne daß sie etwas davon erfahren? Was würde die gnädige Frau, wa« Josephine dazu sagen? Vielleicht bedauerte die letztere doch, daß sie jede Beziehung für immer gebrochen, daß sie auch heute die Veranlassung für die Tante gewesen, die an sie allein ergangene Einladung absagen zu lassen. Der Kranke schlug jetzt langsam die Lider aus. „Ja, ja, e« ist viel über un« hereingebrochcn," flüsterte er wieder, während ein fast lauernder Blick da« Gesicht seiner Zuhörerin traf, „daß meine arme, alte Mutter da nach erleben muß!" Er schwieg, langsam legte er die gesunde Hand auf den verbundenen Arm, cin banger Seufzer hob schwer seine Brust. „Und bei Allem ist noch cin Glück," begann er dann wieder. „Die Kugel hat Gott sei Dank nur den Arm ge troffen, denken Sie, Babette, sie wäre in» Herz gedrungen, o, c« wäre schrecklich, ich mag an den Jammer meiner
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